Titel: | Einiges über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der Herstellung von Geschwindigkeitsmessern. |
Autor: | Nikolaus Meurer |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 93 |
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Einiges über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der Herstellung von Geschwindigkeitsmessern.
Von Zivilingenieur Nikolaus Meurer in Köln am Rhein.
Einiges über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der Herstellung von Geschwindigkeitsmessern.
Der Entwickelungsgang unserer modernen Maschinentechnik brachte es mit sich,
dass im letztverflossenen Jahrzehnt auch auf dem Gebiete der Herstellung von
Geschwindigkeitsmessern eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit neu auftauchender
Konstruktionen Platz griff, die zwar dem wachsenden Bedürfnis nach wirklich
zuverlässigen Instrumenten der genannten Art in mehr oder minder grossem Masse zu
entsprechen vermochten, indessen sich im grossen und ganzen so ziemlich des gleichen
Prinzips in ihrer Wirkungsweise, nämlich der Anwendung eines Zentrifugalpendels mit
oder ohne Zuhilfenahme von Feder Wirkungen bedienten. Eine bemerkenswerte Ausnahme
hiervon machte aber unter einigen sonstigen anderartigen, praktisch jedoch zu keiner
dauernden Bedeutung gelangten Geschwindigkeitsmessern, das insbesondere für den
Gebrauch auf Lokomotiven bestimmte Haushälter'sche
Registriertachometer, welches sich die Differenz der Geschwindigkeiten zwischen
einer mit konstanter Tourenzahl und einer zweiten, von der Geschwindigkeitswelle aus
angetriebenen Achse, zur mehr oder minder grossen Verschiebung eines Fallstückes
bezw. eines Zeigers zu nutze machte. Durch diese Wirkungsweise erreichte es der
Konstrukteur, dass er das Instrument von dem Missstande der bei den sämtlichen
Zentrifugalpendel- und Federtachometern bekanntlich ja niemals ganz auszugleichenden
variabeln, bei der Bewegung der integrierenden Teile auftretenden
Reibungsverhältnisse nahezu unabhängig machen konnte. Diese Instrumente haben sich
daher auch bei den Eisenbahnen im allgemeinen gut bewährt und sind namentlich in
Deutschland in den letzten Jahren trotz ihres verhältnismässig hohen Preises
vielfach eingeführt worden.
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Bifluidtachometer.
Ungeachtet aber der äusserst vervollkommneten Präzision bei der Herstellung aller
derartigen Apparate darf nicht ausser acht gelassen werden, dass die
Konstruktion derselben erheblichen Komplikationen unterworfen ist, ein
Umstand, dem es, namentlich wenn zu ihm, wie bei den Drehpendel- und
Federtachometern, noch der bereits oben erwähnte Nachteil hinzukommt, dass die bei
der Bethätigung der wirksamen Betriebsteile auftretenden, durch variable
Reibungsverhältnisse und Aenderung in den Spannkräften der verwendeten Federn u.s.w.
bedingten Unregelmässigkeiten der Angaben, eine fortlaufende Fehlerquelle bedingen,
zuzuschreiben ist, dass die Lebensdauer der Instrumente bei konstantem Gebrauche
sich nur innerhalb verhältnismässig geringer Grenzen hält; jedenfalls treten schon
nach mehrjährigem Gebrauch derartige Abnutzungen ein, dass ein teilweiser Ersatz der
Innenteile genannter Apparate zur Notwendigkeit wird.
Unter den obwaltenden Umständen war es nun mit Freuden zu begrüssen, wenn neuerdings
ein Geschwindigkeitsmesser in Vorschlag gebracht und durch das D. R. P. Nr. 114323
bekannt geworden ist, der solche Vorzüge vor den oben erwähnten Instrumenten
aufzuweisen geeignet erscheint und sich durch eine derart interessante und dabei
doch höchst einfache Wirkungsweise auszeichnet, dass diesem Apparate an
gegenwärtiger Stelle eine längere Besprechung gewidmet werden soll.
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Fig. 3. Bifluidtachometer von der Rheinischen Tachometerbau-Gesellschaft m. b. H.
Wie aus den Fig.
1 und 2, welche zwei, nach verschiedenen Richtungen hin durch das in Rede
stehende Tachometer geführte Längsschnitte darstellen, hervorgeht, bedeutet a ein Glasrohr, welches mit einem innerhalb desselben
befindlichen, quer gerichteten Behälter B aus Celluloid
oder Hartgummi verbunden ist. Der letztere ist mit vertikalen Kanälen a1
a1 ausgestattet,
welche sich oben zu Querkanälen bezw. zu dem Rohrquerschnitt der Glasröhre a, unten zu einer bauchigen Erweiterung d vereinigen. Das Rohr a
wird von einem Glasrohr b umgeben, welches mit dem
oberen Teil des Behälters B in der Nähe der Drehachse
durch ein Zweigkanälchen c in Verbindung steht. In der
Erweiterung d des Behälters B ist, etwa bis zu den schwachen Verbindungsstegen reichend, eine
Flüssigkeit von grossem spezifischem Gewichte eingelassen. Ueber ihr, den Raum d und die Zweigkanäle a1
a1 bis zu der
Abschlusslinie des Behälters ganz anfüllend, ist eine weitere Flüssigkeit von
leichtem spezifischem Gewichte in dem Apparate untergebracht. Dieselbe ist von
solcher Beschaffenheit, dass sie sich mit der schweren Flüssigkeit niemals mischen
kann, und dass sie Ausdehnungseinflüssen, hervorgerufen durch
Temperaturschwankungen, nur in ganz minimalem Grade unterworfen ist. Wird der
Behälter B mit dem Röhrensystem um seine vertikale
Eigenachse gedreht, so wird die schwere Flüssigkeit im Raume d nach beiden Seiten hin, d.h. nach aussen geschleudert. Hierbei dringt
sie auch nach oben in die vertikalen Kanäle a1
a1 ein und hebt
infolgedessen die in diesen befindliche leichte Flüssigkeit an, welche naturgemäss
im Rohre a in die Höhe steigt, während umgekehrt die
leichte Flüssigkeit im Rohre b sinkt. Da die innere
Glasröhre a an ihrem oberen Ende offen in die äussere
b ausmündet, jene aber oben am Ende zugeschmolzen
oder mit einem hermetisch schliessenden Gummipfropfen versehen ist, so dringt die im
Rohre a befindliche Luftsäule beim Emporsteigen der
leichten Flüssigkeit über die offene Mündung des Röhrchens a hinweg nach unten in die Aussenröhre b und
bei entsprechend schneller Rotation sogar durch das Zweigkanälchen c nach dem Raume d. Sobald
aber der Apparat wieder in Ruhe tritt, findet ein Ausgleich der vorher bewegten
Flüssigkeiten statt und dieselben nehmen gleichzeitig mit dem Aufhören der Drehung
zufolge ihrer Gewichtsschwere den alten Platz aufs neue ein.
Der Behälter B ist, damit Stösse und Erschütterungen auf
das Röhrensystem nicht fortgepflanzt werden, in einem kardanischen Gehänge o gelagert und der Aufhängebügel p dieses Gelenkes trägt den Spurzapfen g, auf welchem
die Antriebsscheibe s sitzt, von der aus die Drehung
der Achse stattfindet.
Eine aus vier, nach der Mitte zu konvergierenden Streifen v bestehende Skala enthält die Angaben über die Geschwindigkeit oder
Tourenzahl; steigt also die Flüssigkeitssäule in der inneren Röhre empor, so kann
die Geschwindigkeit oder Tourenzahl, mit welcher die Drehung erfolgte, von der Skala
direkt abgelesen werden. Das Gestell der letzteren ist nach aussen hin durch ein
Schutzglas w und eine Metallkappe x abgeschlossen. Die Zentrierung der Glasröhren a bis b oben wird durch
einen an der Kopfplatte des Skalagestelles angeordneten Zentrierkörner g bewerkstelligt.
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Fig. 4. Bifluidtachometer von der Rheinischen Tachometerbau-Gesellschaft m. b. H.
Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass durch die Wirkungsweise des Apparates eine
ausserordentlich grosse Uebersichtlichkeit und vor allen Dingen eine Genauigkeit
erreicht werden kann, wie eine gleiche mit den auf rein mechanischem Wege
arbeitenden Drehpendeltrieb- und Federtachometern niemals ermöglicht werden wird.
Denn die Reibung der beiden Flüssigkeiten an den Wandungen des Behälters B und der Glasröhre a und
b ist ja niemals variabel und an sich schon ohnehin
kaum messbar. Da weiterhin das ganze Kanalsystem ein geschlossenes Ganzes bildet,
also mit der Aussenluft niemals in Berührung tritt, so kann auch eine Verdunstung
der Flüssigkeiten und hiermit eine Beeinträchtigung in der Genauigkeit der Angaben
des Instrumentes nicht eintreten, ein Vorteil, der demselben eine fast unbegrenzte
Lebensdauer gewährleistet. Auch erhellt es aus der Wirkungsweise des Apparates, dass
die Anzeige der Geschwindigkeitsschwankungen momentan mit der wirklich eingetretenen
Aenderung der Geschwindigkeit erfolgt, während bei den mechanischen
Triebwerksapparaten
die Verbindung des Getriebes mit einem Zeigerwerke vielfach den Nachteil
bedingt, dass die Angaben des Zeigers auf der Skala nicht mit dem jeweiligen
Zeitpunkte der wirklich eingetretenen Geschwindigkeitsänderung zusammenfallen,
vielmehr erst einige Sekunden später erfolgen. Die Anordnung von vier Skalenstreifen
bietet hierbei die Möglichkeit, dass die Ablesung nahezu von allen Punkten des
Raumes aus erfolgen kann, während dies bekanntlich bei den Drehpendeltachometern nur
von der dem Zifferblatt zugekehrten Seite möglich ist.
Es kann schliesslich nicht geleugnet werden, dass die Einfachheit des rotierenden
Kanalsystems und die Anordnung nur von zwei Lagerstellen als weiterer Vorzug des
Apparates gegenüber den mechanischen Triebwerkstachometern in die Erscheinung tritt,
wobei auch der nur ganz minimale Kraftaufwand zur Umdrehung des beschriebenen
Instrumentes nicht unberücksichtigt gelassen werden soll.
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Fig. 5. Bifluidtachometer für Fahrzeuge.
Die Instrumente, welche unter dem Namen „Bifluidtachometer“ von der Firma Rheinische Tachometerbau-Gesellschaft m. b. H. in Köln
a. Rh., die die Patentrechte erworben hat, demnächst in Verkehr kommen dürften,
werden in verschiedenen Ausführungsformen hergestellt. So entspricht Fig. 3 der durch die beiden ersten Schnittfiguren
dargestellten Konstruktion und gibt eine Ansicht derselben wieder. Die Uebertragung
der Drehung der Geschwindigkeitsachse auf das Instrument erfolgt, wie schon erwähnt,
direkt auf den vertikalen Spurzapfen des Apparates durch einen gekreuzten Riemen
mittels der im Inneren des Gehäuses ang!ordneten Riemenscheibe.
Fig. 4 zeigt eine Ausführungsform des Instrumentes,
bei welcher durch Anwendung konischer Uebersetzungsräder, die sich im Innern des
Gehäusefusses befinden, der Uebertragungsriemen auf eine in vertikaler Ebene sich
drehende Antriebsscheibe aufläuft; im übrigen weicht die Konstruktion dieses
Apparates nicht wesentlich von der ersterwähnten ab, so dass eine weitere Erklärung
überflüssig erscheint.
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Fig. 6. Bifluidtachometer für Fahrzeuge.
Grösseres Interesse bieten jedoch die in den Fig. 5
bis 9
dargestellten Instrumente, die hauptsächlich zur Verwendung bei Fahrzeugen,
beispielsweise elektrischen Strassenbahnen, Lokomotiven, Automobilen u. dgl. kommen
sollen. An Stelle der Skala sind hier auf der sich drehenden äusseren Glasröhre
mehrere Markierungsringe a, b und c angebracht, welche den Angaben ganz bestimmter
Geschwindigkeiten, z.B. 25, 20 und 16 km pro Stunde entsprechen.
Steigt demnach die Flüssigkeitssäule bis zum untersten Markierungsringe c, so bedeutet dies, dass das Fahrzeug augenblicklich
sich mit einer Geschwindigkeit von 16 km pro Stunde fortbewegt u.s.w. Der
Wagenführer kann somit durch Einschaltung von Widerstand bei Ueberschreitung der
höchstzulässigen Fahrgeschwindigkeit, stets den polizeilichen Vorschriften Rechnung
tragen. Bemerkenswert ist bei dieser Einrichtung, dass durch die übersichtlichen
Markierungsringe und die gefärbte Flüssigkeitssäule die Aufmerksamkeit des
Wagenführers nicht so übermässig in Anspruch genommen wird, wie dies bei einer Skala
und einem Zeiger nötig ist. Von erheblicher Wichtigkeit ist es ferner, dass die
federnd auf die Glasröhre gesetzten Markierungsringe mit Leichtigkeit verstellt
werden können, was z.B. dann geschehen muss, wenn andere Maximalgeschwindigkeiten
vorgeschrieben werden oder durch die Abnutzung der Bandagendurchmesser der
Wagenräder mit der Zeit eine Regulierung der Angaben erforderlich wird.
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Fig. 7. Anordnung des Instrumentes bei elektrischen Strassenbahnwagen.
Textabbildung Bd. 317, S. 95
Anordnung des Instrumentes bei Lokomotiven.
Die Anordnung der Instrumente bei elektrischen Strassenbahnwagen (Fig. 6 und 7) erfolgt
dadurch, dass der Gehäusefuss 6 sich auf ein Rohr 7 aussetzt, welches mittels zweier Lager 4, an beiden Perronblechen 5 befestigt ist und unten ein Spurlager 1
trägt, in welchem die im Inneren des Rohres befindliche, vertikale Drehachse 10 des Apparates läuft. Auf derselben ist innerhalb der
Spurlagerkröpfung eine Riemen- oder Schnurscheibe 2
befestigt, von welcher aus durch einen auf die Radachse 8 auflaufenden Riemen 3 die Uebertragung der
Radumdrehungen und hiermit der
Geschwindigkeit des Wagens auf das Instrument stattfindet. An Stelle dieser
Uebertragung wird eine solche mittels konischer Uebersetzungsräder wegen des
Fortfalles des Riemenrutsches vorzuziehen sein.
Das obere Ende der vertikalen, im Rohre 7 befindlichen
Uebertragungsachse 10 ist als Vierkantkörner 11 ausgebildet und greift beim Aufsetzen des
Instrumentes auf das Rohr 7 in die Bohrung einer, den
inneren Teil, das Kanalsystem 12, tragenden Büchse 13 ein, wobei letztere etwas angehoben wird und auf
diese Weise durch ihr Eigengewicht an der Drehung der Achse 10 teilnimmt. Obgleich schon durch eine genügende Führung des
Gehäusefusses 7 relativ zum Rohre ein sicheres Aufsitzen des Instrumentes
gewährleistet wird, so ist der Sicherheit halber doch noch eine Flügelstellschraube
14 vorgesehen, durch deren Anziehen eine
Platzveränderung des Instrumentes mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen ist.
Beim jedesmaligen Richtungswechsel des Strassenbahnwagens wird nach Lösung der
Flügelstellschraube 14 das Instrument von dem Rohre 7 abgenommen und auf das am entgegengesetzten
Perronblech befestigte andere Rohr 7 aufgesetzt.
In den Fig.
8 und 9 ist die Anordnung des Instrumentes bei Lokomotiven gezeigt.
Von ganz hervorragender Wichtigkeit ist es, dass die starken Stösse und
Erschütterungen, welche bei Fahrzeugen der genannten Art unvermeidlich sind, auf das
Instrument oder die Genauigkeit von dessen Angaben, auch nicht den allergeringsten
Einfluss auszuüben vermögen, denn soferne nur die Geschwindigkeit des Fahrzeuges
immer die gleiche bleibt, ist auch die Flüssigkeitssäule als Folge der geschickten
Anordnung der Konstruktion absolut keinen Schwankungen unterworfen.
Es darf somit die Erwartung gehegt werden, dass diese vorzüglich ihrem Zwecke
entsprechenden Instrumente, namentlich da dieselben nach Angabe der Fabrikanten
wesentlich billiger sind, wie die Drehpendel- und Federtachometer, eine baldige
allgemeine Einführung, namentlich bei Strassenbahnen finden werden, im Interesse der
Sicherheit des Strassenverkehrslebens der Grossstädte, welches ja nachgerade eine
beängstigende Ausdehnung angenommen hat, ohne dass es gleichzeitig auch gelungen
wäre, wirksame Massregeln gegen die sich tagtäglich mehrenden Unfälle zu
treffen.