Titel: | Das E. Ruhmer'sche Photographophon. |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 101 |
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Das E. Ruhmer'sche Photographophon.
Das Ruhmer'sche Photographophon.
Das Bedürfnis, die einlangenden telephonischen Gespräche zu registrieren und so
eine bleibende Aufschreibung derselben zu erhalten und hierdurch auch des lästigen
Zwanges der fortwährenden Ueberwachung des Telephons enthobendzu sein, hat sich mit
der stetig fortschreitenden Einbürgerung desselben für den Nachrichtendienst immer
mehr und mehr erhöht.
Das Bestreben der Physiker und Elektrotechniker, einen brauchbaren Apparat zur
Registrierung der einlangenden Gespräche zu schaffen, war bis vor nicht gar zu
langer Zeit ein ziemlich erfolgloses und sah sich demnach, was das Bedürfnis wohl am
besten kennzeichnet, noch vor 2 Jahren eine grössere amerikanische
Elektrizitätsgesellschaft bewogen, einen Preis für eine wirklich praktische Lösung
dieser Aufgabe auszuschreiben, da die ursprünglich versuchte Verbindung des
Telephons mit einem Phonographen, selbst bei der besten Ausführung, wegen der
mangelhaften Lautwiedergabe sich nicht bewährte, weshalb auch diese Telephonographen
benannten Apparate bald wieder von der Bildfläche verschwanden.
Erst Valdemar Poulsen gelang es durch Anwendung des von
ihm ersonnenen elektromagnetischen Verfahrens mit seinem Telegraphophon einen
bedeutenden Erfolg zu erzielen. Ihm folgten bald Nernst
und Liebenow, welche das gleiche Ziel auf
elektrochemischem Wege zu erreichen streben.
In neuester Zeit hat die sprechende Bogenlampe von Duddell, über welche bereits in D. p. J. 1901
316 * 485 berichtet wurde, den bekannten Berliner
Physiker Dr. E. Ruhmer angeregt, die Lösung dieser
Trage durch photographische Aufnahme der Lichtschwankungen einer derartigen Lampe,
während des Ertönens derselben, zu versuchen und ist damit zu Aufsehen erregenden
und vielversprechenden Ergebnissen gelangt.
Textabbildung Bd. 317, S. 101
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 317, S. 101
Fig. 2.
Es ist ihm mit seinem Photographophon benannten Apparate nicht nur gelungen, die
nacheinander folgenden Lichtintensitätsschwankungen einer durch ein Mikrophon zum
Sprechen gebrachten elektrischen Gleichstrombogenlampe auf photographischem Wege zu
fixieren, sondern auch das nunmehr in einem Lichtbilde festgehaltene Wort wieder in
die Lautsprache zu übertragen und dasselbe beliebig oftmal reproduzieren zu
können.
Der Flammenbogen einer gewöhnlichen elektrischen Gleichstrombogenlampe lässt sich,
wie dies bereits bekannt ist, dadurch zum Sprechen bringen, oder mit anderen
Worten, in ein laut sprechendes Telephon verwandeln, dass man über den
Stromkreis derselben mittels eines Induktoriums einen nicht zu schwachen
Mikrophonkreis schaltet (Fig. 1). Wird nun in das
Mikrophon hineingesprochen, so treten am Flammenbogen optische und akustische
Erscheinungen auf, indem unter leichten Schwankungen der Lichtintensität der
Flammenbogen das in das Mikrophon hineingesprochene Wort, ebenso wie Singen, Pfeifen
u.s.w., in deutlicher und ausreichend kräftiger Weise unter guter Wahrung der
Klangfarbe wiedergibt.
Textabbildung Bd. 317, S. 101
Fig. 3.
Nach der bisher noch unwiderlegten Ansicht von Dr. H. Th.
Simon erzeugen hierbei die übergelagerten schnellen Stromänderungen in dem
Flammenbogen analoge Schwingungen der Joule'schen Wärme
und bewirken dadurch entsprechende Schwankungen des Volumens des Flammenbogens,
welche sich in der umgebenden Luft als Schallwellen fortpflanzen. Die
Temperaturschwankungen des Flammenbogens hat Dr. Simon
hierbei zu 0,3° C. ermittelt.
Sehr wirkungsvoll und einfach erweist sich die in Fig.
2 wiedergegebene Anordnung von Ruhmer, bei
welcher es keines Transformators und keiner Mikrophonbatterie bedarf, wodurch eine
Reihe kleiner Schwierigkeiten umgangen wird.
Da die Grösse des Flammenbogens von wesentlichem Einflüsse auf die Stärke des
Schalles ist, suchte man denselben so lange als möglich zu machen, wobei es W. D. Duddell gelungen ist, unter Anwendung
salzgetränkter Dochtkohlen einen 10 cm langen Flammenbogen zu erzeugen. Es lässt
sich jedoch, wie von anderer Seite gezeigt wurde, auch mit gewöhnlicher Dochtkohle
bei Verwendung hinreichender Betriebsspannung (110 bis 200 Volt) das gleiche
Ergebnis erzielen. Ruhmer benutzte beispielsweise bei
allen seinen hier angeführten Versuchen eine Spannung von 220 Volt, wobei er jedoch
den Vorschaltewiderstand, den einzelnen Fällen angepasst, nach Bedarf
regulierte.
Eine Wiedergabe der von Ruhmer für seine
photographischen Aufnahmen verwendeten Anordnung zeigt Fig.
3 in Draufsicht.
Ein Deckert-Homolka'sches Graphitmikrophon M ist
einschliesslich seines Regulierwiderstandes mit der Induktionsspule parallel
geschaltet. Die Induktionsspule besteht hierbei aus Stäben von 3 bis 4 mm starkem
Eisendraht, welche mit Schellack überzogen, in ein Bündel von etwa 30 mm Dicke
vereinigt und sodann mit 900 Windungen von 2 mm starkem, doppelt besponnenen
Kupferdraht umwickelt sind.
Aus besonderen späterhin zu erläuternden Gründen für die photographische Aufnahme
lagerte Ruhmer die beiden Homogenkohlen mit ihren
Spitzen horizontal einander gegenüber und verwendete zur Regulierung des
Kohlenabstandes eine von Hand zu bedienende Vorrichtung.
In kurzer Entfernung vor den Spitzen brachte er eine Metallplatte mit einem
gleichfalls horizontal verlaufenden Spalte von etwa 2 mm Breite und hinreichender
Länge an, so dass die Kohlenspitzen auf der Mattscheibe der Camera durch den Spalt
hindurch sichtbar wurden. Auf diese beiden Spitzen wurde sodann die Mattscheibe der
Camera scharf eingestellt, wobei es sich jedoch ergab, dass das Bild des Spaltes,
welcher in annähernd natürlicher Grösse wiedergegeben wurde, nicht sehr scharf
erschien, ein Umstand, welcher bei diesen ersten Versuchen mit in den Kauf genommen
werden musste.
Camera und Objektiv waren von gewöhnlicher Konstruktion. Die normale Kassette wurde
jedoch durch eine Vorrichtung ersetzt, welche es ermöglichte, die photographische
Platte, auf welche die Aufnahme zu machen war, aus einer gewissen Höhe herab in
einer Nutenführung fallen lassen zu können. Dabei betrug die Fallgeschwindigkeit
ungefähr 3 m pro Sekunde, wobei sich das Bild des Flammenbogens während der Zeit des
Passierens der Platte hinter dem Objektive naturgemäss als ein kontinuierlicher,
über die ganze Länge der Platte verlaufender Streifen zeigte, welcher als aus einer
Reihe schnell hintereinander ausgeführter und nebeneinander gruppierter
Einzelaufnahmen anzusehen ist.
Textabbildung Bd. 317, S. 102
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 317, S. 102
Fig. 5.
Da sich nun die Lichtintensität eines elektrischen Flammenbogens mit der Stromstärke
ändert, und da ferner, wie W. D. Duddell nachgewiesen
hat (The Electrician, 1900), Stromschwankungen von 3 %
des mittleren Wertes der Stromstärke eines Gleichstromflammenbogens bei etwa 4300
Wechseln pro Sekunde noch ausreichend sind, um Helligkeitsunterschiede auf einer
bewegten lichtempfindlichen Platte hervorrufen zu können, so wurde hierdurch ein
unendlich feiner, zur Wiedergabe der kleinsten Schwankungen der Lichtintensität
des Flammenbogens geeigneter Apparat geschaffen.
In den Abbildungen Fig. 4 und 5 sind zwei in dieser Weise mittels des Fallexperimentes hergestellte
Aufnahmen wiedergegeben. Das erste Bild ist von einem ruhig brennenden,
langgezogenen Gleichstromflammenbogen, das zweite hingegen von einer zischenden
Flamme unter Vorschaltwiderstand abgenommen. Der rechte schwarze Streifen des
Lichtbildes entspricht in beiden Fällen der positiven, der linke der negativen
Kohlenspitze. Die hier bemerkbaren eigenartigen, wellenförmigen Erscheinungen lassen
sich in einfacher Weise aus einer Drehung des Lichtbogens um die Kohlenspitzen
erklären.
Auf den günstigen Erfolg dieser Versuche hin schritt nun Ruhmer an den Bau des von ihm selbst als Photographophon bezeichneten
Apparates.
Eine allgemeine Abbildung desselben ist in den Fig. 6
und 7 wiedergegeben. Im wesentlichen besteht der
Apparat aus einem lichtdichten, durch eine Thüre zu öffnenden Holzkasten, in dessen
Vorderwand eine Cylinderlinse eingesetzt ist und in dessen Innerem sich als
hauptsächliche Teile zwei Spulen für Rollfilms nach Art der für kinematographische
Aufnahmen verwendeten befinden. Ausserdem ist auf dem gleichen Grundbrette des
Kastens ein kleiner Elektromotor montiert, welcher mit Hilfe einer einfachen
Schnurtransmission die obere der beiden Spulen in Drehung versetzt und dadurch den
Film von der unteren auf die obere Spule abwickelt, wobei derselbe die Brennlinie
der Cylinderlinse passiert. Zur Erzielung einer möglichst gleichmässigen Bewegung
und Spannung der Films werden beide Spulen durch an der Thüre angebrachte kleine
Schleiffedern leicht gebremst. Der Film passiert hierbei die Brennlinie der Linse
mit einer Geschwindigkeit von 3 m pro Sekunde.
Textabbildung Bd. 317, S. 102
Fig. 6.
Textabbildung Bd. 317, S. 102
Fig. 7.
Bei den ersten Aufnahmen mit dem Versuchsapparate bestand eine Schwierigkeit darin,
eine scharfe Wiedergabe des Spaltes, somit eine genaue Umrahmung des scharfen Teiles
des Bildes zu erzielen. Da die hieraus resultierenden unscharfen Ränder störend
wirkten, wurde zur Beseitigung dieses Uebelstandes an Stelle des photographischen
Objektives eine Cylinderlinse verwendet. Es ist dies eine Linse von cylindrischer
anstatt sphärischer Schleifart, welche von einem der Cylinderachse parallel
gerichteten Gegenstande ein unendlich schmales, dabei langgestrecktes Bild von
grösster Helligkeit erzeugt. Mit horizontal gestellter Achse der Linse und
horizontalem Flammenbogen erzielte Ruhmer dadurch ein
für seine Zwecke ausserordentlich verwendbares Bild desselben, welches sich, wenn
auch ein Zerrbild, in der Gestalt einer unendlich feinen und scharfen, dabei
ausserordentlich hellen Linie über die ganze Breite des Films erstreckt. Es kommt
nämlich bei diesen Aufnahmen absolut nicht darauf an, ein optisch richtiges Bild
des Flammenbogens zu erhalten, da anderenfalls auch schon die Verwendung eines
Lichtspaltes, welcher nun mehr in Fortfall kommt, als unzweckmässig erscheinen
würde, sondern nur darauf, eine möglichst getreue Wiedergabe der Schwankungen der
Lichtintensität unter dem Einflüsse der Stromänderungen im Mikrophonkreise zu
erzielen.
Textabbildung Bd. 317, S. 103
Fig. 8.
Textabbildung Bd. 317, S. 103
Fig. 9.
Derselbe langgestreckte Streifen wie auf der photographischen Platte produziert sich
nun auch in viel genauerer Form, und zwar auf dem Film. Entsprechend dessen
grösserer Längenausdehnung kann man aber anstatt einer Expositionszeit von einem
Bruchteil einer Sekunde ein solche von minutenlanger Dauer anwenden, wodurch es eben
ermöglicht wird, nicht nur einzelne Laute, sondern ganze Sätze und Gespräche in der
Form eines Lichtbildes zu erhalten. Fig. 8 und 9 sind Wiedergaben solcher Filmstreifen mit
aufgenommenen Gesprächen.
Nach beendeter Exposition wird der gebrauchte Teil des Films abgeschnitten,
entwickelt und fixiert, wozu bei grösseren Stücken, ähnlich wie für die
kinematographischen Aufnahmen, besondere Vorrichtungen erforderlich sind. Der
hierauf hinreichend gewaschene und getrocknete Film ist nun nicht allein für die
ferneren Zwecke des Verfahrens, die Wiedergabe des Schalles, geeignet, sondern es
können von demselben auf photographischem Wege oder durch Druckverfahren auch Kopien
in beliebiger Anzahl hergestellt und in gleicher Weise verwendet werden.
Zur Rückübertragung des photographierten Wortes in Schall werden nun die
lichtempfindlichen Eigenschaften einer Selenzelle verwertet.
Selen, ein in die Schwefelgruppe einreihendes Element, besitzt die Eigentümlichkeit
einer ausserordentlich grossen Lichtempfindlichkeit, welche sich in der Weise
äussert, dass es entsprechend dem Grade der stattfindenden Belichtung dem Durchgange
des elektrischen Stromes einen in gleicher Weise veränderlichen Widerstand bietet.
Bei Gelegenheit eines Vortrages im Elektrotechnischen Vereine zu Berlin benutzte Dr.
Simon eine von Clausen
und Bronk in Berlin gefertigte Selenzelle, welche in
der Dunkelheit einen Widerstand von 18000 Ohm ergab, der in diffusem Tageslichte auf
9000 Ohm zurückging.
Bringt man daher den entwickelten Film wieder in denselben Apparat zurück und rollt
denselben wiederum auf die untere Spule auf, damit sich der Lautprozess in derselben
Reihenfolge wiederhole, wie vordem die Belichtung, und benutzt man sodann die vorher
sprechende Bogenlampe als Projektionslampe und die Cylinderlinse als
Projektionslinse und bringt dann ausserdem hinter der Stelle, wo der Film von dem
feinen Lichtstreifen getroffen wird, eine hochempfindliche Selenzelle an, so
ist es naturgemäss, dass das Vorüberbewegen des Films mit seinen Variationen von
Licht- und Schattenpartien die Schwankungen der Lichtintensität auf die exponierte
Selenzelle überträgt.
Da die Selenzelle mit einer kleinen Batterie von Trockenelementen oder Akkumulatoren
und zwei hintereinander geschalteten Telephonen von grosser Empfindlichkeit
verbunden ist, so setzen sich in denselben infolge der Widerstandsänderung die
Schwankungen der Stromintensität wieder in Schallwellen um, deren Lautstärke nach
den Angaben Ruhmer's bei Verwendung einer
Projektionslampe mit grosser Lichtintensität sich derart steigern lässt, dass sie
einer guten Telephonübertragung gleichkommt. Des weiteren gibt sich Ruhmer der Hoffnung hin, dass es möglich sein wird, mit
Hilfe eines laut sprechenden Telephons einen derartig besprochenen Film, den er als
Photophonogramm bezeichnet, einem grösseren Auditorium gleichzeitig hörbar zu
machen.
Eine Ansicht des zur Reproduktion fertigen Apparates mit der Batterie und den
Telephonen ist in Fig. 10 gebracht.
Wie aus dem Vorstehenden zu ersehen, ist es Ruhmer durch
verhältnismässig einfache Vorrichtungen gelungen, das flüchtiga Wort für die Dauer
festzuhalten, und lassen sich hieraus noch grosse Erfolge für die Zukunft
voraussehen.
Textabbildung Bd. 317, S. 103
Fig. 10.
Ueber den praktischen Wert dieser Neuerung ein Urteil zu fällen, wäre wohl verfrüht,
da ein solches sich doch nur auf die bestehenden Fernsprecheinrichtungen beziehen
könnte, für welche dieselbe naturgemäss belanglos ist. Da sich jedoch die
Umgestaltungen auf dem Gebiete des Fernsprechwesens, wie dieselben durch die
Entdeckung der sprechenden Bogenlampe in Aussicht stehen, nicht voraussehen lassen,
kann sich jede Beurteilung, sei dieselbe pro oder contra, als unzuverlässig
erweisen. Da es nun bereits gelungen ist, nicht nur die Bogenlampe, sondern auch die
Glühlampe und selbst die Bunsen-Flamme, ja selbst jede Flamme je nach ihrer Eigenart
zum Licht- oder Lautsprechen oder zu beidem zu bringen, eröffnet sich ein weites
Anwendungsgebiet für die Lichttelephonie, welche nun wieder auf die Registrierung
des Wortes auf photographischem und dessen Wiedergabe auf lichtelektrischem Wege nur
befruchtend rückwirken kann.
Die Schwierigkeiten, welche sich der Festlegung des Photogrammes durch das
Entwickeln, Fixieren, Waschen und Trocknen der Films entgegenstellen, dürfen nicht
überschätzt werden, da man vielleicht dazu kommen wird, dies, wie bei der sogen.
Kilometerphotographie, rein maschinell besorgen zu lassen.