Titel: | Isolationsprüfung von Leitungsnetzen in der Praxis. |
Autor: | S. H. |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 115 |
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Isolationsprüfung von Leitungsnetzen in der Praxis.
Isolationsprüfung von Leitungsnetzen in der Praxis.
Im Laufe der Zeit hat sich das Bedürfnis fühlbar gemacht, die Isolation von
Leitungsnetzen jeder Art genau und schnell zu kontrollieren. Um diesem Bedürfnis zu
entsprechen, haben viele Fabriken Apparate konstruiert, welche ohne besondere
Vornahme von Schaltungen den Prüfenden in stand stellen, genaue Messungen
vorzunehmen. Die meisten Apparate bestehen im wesentlichen aus einer Batterie von
zwei oder mehreren Elementen, welche mit einem Läutewerk oder Galvanoskop
hintereinander geschaltet sind oder werden können. Die Konstruktion der Elemente
muss eine derartige sein, dass dieselben einen möglichst konstanten Strom auf
längere Zeit im stände sind abzugeben. Zu diesem Zwecke verwendet man deshalb sehr
vorteilhaft Trockenelemente, welche als Leclanché-Typen ausgeführt sind, indem die
Flüssigkeit durch Zusatz von Gelatine oder Sägespäne als feuchte Masse Dienst thut.
Durch die Hintereinanderschaltung ist allerdings eine schädliche Wirkung bei Kurz-
oder Nebenschluss der Elemente vorgebeugt, jedoch tritt durch die Polarisation und
das umständliche Regenerieren der Elemente manchmal eine Verzögerung bei Messungen
ein. Verwendet man dagegen anstatt der Elemente ein Induktorium, so fallen diese
Unannehmlichkeiten weg, da der Kommentator des Induktoriums Gleichstrom liefert,
indem der Anker als doppelter ⊤-Anker gewickelt ist und
die induzierten Ströme durch den Stromwender gleichgerichtet werden. Derartige
Apparate erlauben die Isolationsprüfung der Leitungen untereinander, sowie einer
oder beider Leitungen gegen Erde.
Damit nun etwaige Verbrauchswiderstände, wie Glühlampen, Bogenlampen und Motoren,
keinen natürlichen Kurzschluss verursachen, so ist man gezwungen diese
auszuschalten. Ist hiernach das ganze Netz, eingeschaltet, so kann man den
Isolationswiderstand, d.h. die Grösse der Isolation in Ohm direkt vom
Instrument ablesen. Bevor man jedoch zur Messung schreitet, ist es zu empfehlen, die
Klemmen der Stromzuführungen kurz zu schliessen, um sich von einem richtigen
Funktionieren des Apparates, welches sich durch ein sofortiges Ausschlagen der
Magnetnadel zeigt, zu überzeugen. Auf Erdschluss prüft man, indem die eine Leitung
mit der Erde verbunden, welches am besten durch Anschluss an Gas- oder
Wasserleitungen erreicht wird, während der andere Pol mit dem entsprechenden
Verbindungskontakt des Instrumentes verbunden wird. Beim Vorfinden grösserer
Isolationsfehler schaltet man einzelne Lampengruppen aus, und beobachtet das
Galvanoskop. Es zeigt sich dann bald, welche Lampengruppe eine schlechte Isolation
besitzt.
Vielfach ist es schwer, einen Leitungsfehler zu entdecken; man kann sich aber auch
dann noch helfen, indem man Teile der Leitungen vom Instrument trennt, und somit
auch nur Teilstrecken untersucht. Alsdann wird es wohl wenig vorkommen, dass ein
Fehler nicht gefunden wird. Treten Erscheinungen auf, welche auf einen verteilten
Erdschluss, welcher z.B. durch grosse Feuchtigkeit der Mauern erzeugt wird,
zurückzuführen sind, so ist auch hier vorgenannte Methode der
Teilstreckenuntersuchung in Anwendung zu bringen, und zwar verwendet man in diesem
Falle am besten ein Instrument, dessen Skala eine Zehnteleinteilung und ein
Messbereich bis auf mehrere Millionen Ohm besitzt. Alsdann wird der Gesamtwiderstand
auch fast den zuerst Gemessenen entsprechen.
Solche Methoden werden vielfach bei Freileitungen in kleineren Zentralen vorgenommen,
da hier oft eine genaue Aufstellung über die Einflüsse der Jahreszeiten
auszuarbeiten ist, um dadurch eine bessere Uebersicht über Stromverluste zu
erhalten.
Ausserdem wird in jeder neuen Zentrale ein Kontrollohmmeter auf die Schalttafel
angebracht, so dass zu jeder Zeit ein Vergleich mit der bereits aufgestellten
Tabelle ermöglicht ist. Es können nun Umstände auftreten, wobei die Prüfung mit
solchen Isolationsmessern verhindert ist und doch eine sofortige Messung als geboten
erscheint. Um sich dann zu helfen, kann man die Prüfung mit voller Betriebsspannung
vornehmen, indem man die Dynamo oder Akkumulatorenbatterie als Stromquelle benutzt.
Das Maschinen- oder Akkumulatorenvoltmeter kann dann als Galvanoskop dienen. Die
Spannung des Stromerzeugers wird nun genau mittels dieses Voltmeters reguliert und
dann der Stromerzeuger mit dem Voltmeter nach Entfernung jedes natürlichen
Widerstandes hintereinander auf das Netz geschaltet. Aus dem Fall der Spannung kann
alsdann der reelle Isolationswiderstand des Leitungsnetzes berechnet werden.
Bezeichnet man den Isolationswiderstand des Netzes mit w, den Widerstand des Voltmeters mit w', die
Spannung der Stromquelle von der Einschaltung auf das Netz mit e und die nachher abgelesene Spannung mit e', so ist
(w + w')
: w' = e : e'
und hieraus
w=w'\,\frac{e}{e'}-w'
oder
w=w'\,\left(\frac{e}{e'}-1\right).
Ist z.B. in einer kleinen Ueberlandzentrale die Spannung vor der Messung 115 Volt,
und in der Messung 113,6 Volt, der Widerstand des Voltmeters = 162 Ohm, so ist der
Isolationswiderstand des Netzes
w=162\,\left(\frac{115}{113,6}-1\right)\,\sim\,2,14\mbox{ Ohm}.
Dieser Widerstand würde auf sich einen direkten Kurzschluss darstellen.
Berücksichtigt man aber, dass die Isolationsfehler über das ganze Netz verteilt sind
und sich im Messpunkte addieren, so wird es klar, dass der Fehler in jeder Strecke
ein ganz kleiner sein kann oder aber in der einen Linie grösser oder kleiner als in
der anderen zum Vorschein kommen kann, ohne dass dies in dem Messpunkte zu bemerken
ist.
Bei kleinen Zentralen mit einer Anschlusslampenzahl von nicht über 2000 Lampen
wird dies nun wenig ausmachen, da es dann dem Betriebsleiter ein leichtes ist, hier
und da einmal eine Einzelmessung jeder grösseren Strecke vorzunehmen.
Bei grösseren Zentralen dagegen, wo dies einen grossen Zeitverlust mit sich bringen
würde, wird man jeden Speisepunkt oder auch wohl jede grössere Strecke mit einer
besonderen einpoligen Messleitung ausstatten. In diesem Falle kann dieselbe dann
gleichzeitig zur Spannungs- und Isolationsmessung verwendet werden, muss aber unter
allen Umständen, wenn sie auch zum letzteren Zweck dienen soll, isoliert sein, und
muss vor allem bei der Montage darauf gesehen werden, dass der Isolationswiderstand
der Leitung allein möglichst konstant bleibt. Im allgemeinen kann man also eine
ziemlich genaue Isolationsmessung ohne besondere Apparate vornehmen, und sei
bemerkt, dass der Widerstand des Voltmeters meistens auf dem Instrument verzeichnet
ist und anderenfalls gerne von der Fabrik vorher vermerkt wird.
Die oben angegebene Formel erleichtert nun wohl eine Messung, jedoch dürfte auf eine
grosse Genauigkeit kein Anspruch erhoben werden, da der Widerstand bei unbelastetem
Netze gemessen ist, und derselbe bei belastetem Netze sich erheblich
vergrössert.
Für Hochspannungsnetze hat diese Methode einen grossen Wert, indem man im stände ist,
die Spannung beliebig zu steigern, bis etwaige fehlerhafte Stellen durchschlagen und
dann sofort auffindbar sind.
Der in obiger Rechnung ermittelte Isolationswiderstand würde, wenn man annimmt, dass
die mittlere Spannung etwa 115 Volt beträgt, einen Stromverlust erzeugen von
i=\frac{(e-e')}{w}=\frac{115-113,6}{2,14}\,\sim\,0,654\mbox{ Ampère}
oder etwa 75 Watt.
Ein solcher Verlust ist nun aber sehr gering und fällt meistens viel grösser aus; es
ist deshalb, um wenigstens die grösste Annäherung an die Wirklichkeit zu erreichen,
zu empfehlen, ein Präzisionsvoltmeter mit einer in 0,1 Volt geteilten Skala zu
verwerten.
S. H.