Titel: | Neuerungen auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik. |
Autor: | Karl T. Fischer |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 165 |
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Neuerungen auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik.
Von Dr. Karl T. Fischer, Privatdozent an der kgl. Technischen Hochschule in München.
(Fortsetzung von S. 133 d. Bd.)
Neuerungen auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik.
B. Der Schnelltelegraph von Pollák-Virág.
1. Geschwindigkeit der Zeichengebung. Die
Geschwindigkeit, mit welcher bei der Morse-Telegraphie durch den Morse-Taster
Zeichen gegeben werden können, lässt sich ausserordentlich dadurch steigern, dass
die Stromschlüsse und Unterbrechungen nicht von Hand durch Niederdrücken und Heben
des Morse-Schlüssels bewirkt werden, sondern vermittelst eines durchlochten
Papierstreifens, der etwa über einer mit der Leitung verbundenen Metallwalze unter
einer mit einer Batterie verbundenen Kontaktbürste fortbewegt wird; so oft und so
lange die Bürste auf ein Loch im Papierstreifen trifft, ist in diesem Falle der
Strom geschlossen. Da die Papierstreifen durch eigene Personen gelocht werden
können, so gestatten sie mit grosser Schnelligkeit die Zeichen abzusenden und auf
derselben Telegraphenlinie eine sehr hohe Anzahl von telegraphischen Zeichen pro
Zeiteinheit zu übertragen. Beim Wheatstone'schen
Maschinentelegraphen ist diese Verwendung vorgelochter Papierstreifen bereits seit
längerer Zeit in Anwendung gebracht und als zweckmässig erprobt worden. Der
Schnelligkeit der Uebertragung ist jedoch dadurch eine Grenze gesetzt, dass erstens
die das Telegramm niederschreibenden Zeichen durch Apparatteile bewirkt werden,
welche eine ziemlich beträchtliche Masse haben und daher bei den verhältnismässig
kleinen Kräften, mit denen wir telegraphieren, eine entsprechend lange Zeit
erfordern, um in Bewegung gesetzt zu werden, und dass zweitens wegen der Kapazität
der Leitungen, namentlich bei Kabeln, die LadungszeitVgl. III dieses Referates S. 69 d. Bd. sich recht störend
bemerkbar macht und ein undeutliches Abreissen der Zeichen eintritt, wenn man zu
rasch telegraphiert. In dem Schnelltelegraphen von Anton
Pollák und Joseph Virág, welcher in dem
Laboratorium der Vereinigten Alektrizitäts-A.-G. vormals B.
Egger und Co. in Budapest entstand, sind nun auch diese letzteren
Schwierigkeiten in einer geradezu genialen und so vollkommenen Weise überwunden
worden, dass bei praktisch durchgeführten Versuchen auf Linien von mehreren hundert
Kilometern bereits bis zu hunderttausend Worte pro Stunde übertragen werden konnten;
seit einem Jahre ist der Pollák-Virág'sche Telegraph
bis zu einer solchen Vollendung ausgebildet worden, dass er an der Empfangsstelle
die Telegramme in Kurrentschrift aufzeichnet.
2. Der Schreibapparat bestand ursprünglich aus einem
Telephon, dessen Membranbewegungen dazu benutzt wurden, um einen Spiegel um eine
horizontale Achse zu drehen; als Träger des Hohlspiegels SS (Fig. 19), auf welchen ein dünnes
Eisenblech aufgekittet ist, dienen die beiden Schneiden BC, in welche der eine Pol eines permanenten Magneten M ausläuft und die dünne Stahlfeder A, welche am anderen Pole aufgeschraubt ist, und
gleichfalls in einer Schneide endigt. Infolge des Magnetismus wird der Spiegel an
den Schneiden ABC festgehalten, ohne an Beweglichkeit
zu verlieren; bewegt sich daher die Telephonmembrane, welche durch den leichten
Stift D mit A in
Verbindung steht, so wird auch A verschoben und der
Spiegel um BC gedreht. Die Verschiebungen von A betragen nur Tausendstel eines Millimeters und
dementsprechend sind auch die Drehungen des Spiegels nur sehr klein; sie lassen sich
aber trotzdem leicht sichtbar machen, indem man einen Lichtstrahl auf den Spiegel
fallen und von ihm reflektiert werden lässt; der Lichtpunkt, welchen der Lichtstrahl
in grösserer Entfernung auf einem auffangenden Schirm aufzeichnet, gibt die
Verschiebungen durch deutliche Lichtstreifendwieder. Wie sich in Untersuchungen von
Rayleigh und anderen zeigte, ist das Telephon ein
sehr empfindliches Instrument, da es schon auf \frac{1}{10000000}=10^{-7} Ampère anspricht, und es
genügen daher bereits sehr schwache Ströme, um das Spiegelchen in Drehung zu
versetzen; wegen der geringen Massen, die der Spiegel erfordert, kann eine sehr
lebhafte Bewegung desselben erzielt werden. Ist der reflektierte Lichtstrahl auf
photographisches Entwickelungspapier gefallen, so können die Lichteindrücke durch
Entwickelung und Fixierung sichtbar gemacht und dauernd festgehalten werden.
Textabbildung Bd. 317, S. 165
Fig. 19.
Die Zeichen bestehen in auf- und abwärts gehenden
Strichen; ein abwärts gehender Strich entspricht dabei einem Punkt im
Morse-Alphabet, ein aufwärts gehender einem Strich; sie entsprechen Ausschlägen des
Spiegels nach entgegengesetzten Richtungen, wie dies auch in der Kabeltelegraphie
der Fall ist. Um die Ausschläge hervorzubringen, ist eine Batterie p nach Fig. 20 mit den
beiden Metallbürsten B1
und B2 und dem Telephon
T verbunden; je nachdem B1 oder B1 durch eines der Löcher der beiden Löcherreihen I oder II zum Kontakt mit
der Metallwalze W kommt, wird das Telephon im Sinne der
ausgezogenen oder punktierten Pfeile von Strom durchflössen werden und die Membran
näher an den Magneten des Telephons herangezogen oder von ihm frei gegeben werden.
Fig. 21 gibt einige Zeichen wieder, wie sie durch
den Lichtzeiger auf dem photographischen Papier erhalten werden.
Textabbildung Bd. 317, S. 165
Fig. 20.
Um die Eigenschwingungen der Telephonmembrane zu
dämpfen, welche sich nach jedem Stromstoss bemerkbar machen würden, indem die
Membrane, einmal in Bewegung versetzt, eine Zeit lang entsprechend ihrer
Eigenperiode um die Mittellage pendeln würde, werden die Stromstösse kürzer gewählt
als die Periode der Telephonmembrane beträgt,
und ausserdem ein Kondensator K zum Telephon
parallel geschaltet – in der Fig. 20 punktiert
eingezeichnet. Dadurch, dass nach dem Aufhören des Linienstromes der Kondensator
noch einen kleinen Stromstoss in das Telephon sendet, werden bei richtiger Grösse
des Kondensators die Telephoneigenschwingungen rasch zum Erlöschen gebracht, ohne
dass die Empfindlichkeit des Apparates durch Dämpfung Einbusse erlitte.
Textabbildung Bd. 317, S. 166
Fig. 21.
Die Störungen, welche die Kapazität der Drahtleitungen
bei Uebertragung von Telegrammen auf grössere Entfernungen verursachen würde, werden
dadurch herabgemindert, dass an der Sendestation parallel zur Leitung eine passend
gewählte Selbstinduktionsspule L angelegt ist –
gleichfalls in Fig. 20 punktiert eingezeichnet. Die
Einschaltung des Kondensators K und der Selbstinduktion
L ist unbedingt erforderlich, wenn nicht die
einzelnen Zeichen in der Empfangsstation verzerrt wieder erscheinen sollenVgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1899 S. 470,
wo autotypische Reproduktionen von Telegrammen zur Illustration des
Einflusses der Selbstinduktionsspule und des Kondensators wiedergegeben
sind..
Textabbildung Bd. 317, S. 166
Fig. 22.
3. Die automatische Wiedergabe eines Telegrammes
erfolgt, indem der belichtete, von einem Uhrwerk oder Motor bewegte Papierstreifen
mittels Schere S (Fig.
22) abgeschnitten und zwischen Bändern geführt in die Entwickler- und
Fixierflüssigkeit gebracht wird. Um Zeilenschrift zu erhalten, ist nicht ein fester
Lichtpunkt als Lichtquelle gewählt, sondern es befindet sich eine Glühlampe L mit langgestrektem Faden innerhalb eines
Metallcylinders C, in welchem ein Umgang einer
Schraubenlinie ausgespart ist; derjenige Punkt des Glühlampenfadens, welcher gerade
durch den Schraubengang des durch Uhrwerk gedrehten Cylinders Licht nach dem
Hohlspiegel des Schreibapparates T senden kann, liefert
in dem betreffenden Moment den Lichteindruck auf dem Papierstreifen P; während sich der Hohlcylinder dreht, wandert der
lichtaussendende Punkt von rechts nach links. In dieser Weise ist auf die einfachste
Art eine in Zeilen abgesetzte Schrift erreicht. Die Entwickelung und Fixierung des
Streifens erfordert nur 2½ Minuten. Selbstverständlich ist der lichtempfindliche
Teil des Apparates in einen lichtdichten Kasten eingeschlossen, in welchen nur der
Lichtzeiger durch eine Oeffnung Eingang findet.
4. Wiedergabe des Telegrammes in Kurrentschrift. Manche
Buchstaben der lateinischen Kurrentschrift sind aus einfachen Strichen
zusammengesetzt, welche der bisher beschriebene Apparat bereits liefern kann, so
z.B. das m (Fig. 23); nimmt man die Löcher des
Papierstreifens verschieden gross, so dass der Strom verschieden lange geschlossen
bleibt, so lassen sich gut die drei Elemente, aus welchen das m zusammengesetzt ist,
erhalten. Ebenso das v, indem man einmal längere Zeit und dann nur für kurze Zeit
schliesst, so dass der Spiegel einmal nur ganz wenig aus seiner Gleichgewichtslage
abgelenkt wird. Um das p zu erhalten, muss einmal ein starker Strom
zirkulieren, damit eine stärkere Ablenkung des Spiegels eintritt, allein es ist dies
leicht zu erreichen, wenn man eine dritte Löcherreihe III vorsieht, welche eine Batterie von höherer Spannung anzuschliessen
erlaubt. Die erste Löcherreihe gibt dann nach oben liegende Zacken, die zweite nach
unten gehende von normaler Länge, die dritte nach unten gehende mit doppelter Länge.
Die damit erzielbaren Figuren sind in Fig. 24
dargestellt. Manche Buchstaben, wie z.B. das l oder b, enthalten nun aber auch
Schleifen, und diese können nur erhalten werden, wenn der Lichtzeiger auch
horizontale Bewegungen auszuführen im stände ist.
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Fig. 23.
Textabbildung Bd. 317, S. 166
Fig. 24.
Um diese Horizontalbewegungen zu ermöglichen, verwenden Pollák-Virág ein zweites Telephon. Fig. 25 zeigt die Anordnung der beiden Telephone. Der
Spiegel ruht jetzt wieder auf drei Spitzen ABC; von
diesen ist aber jetzt nur mehr die Spitze C fest an dem
permanenten Magneten M angebracht. Die Schneide A kann durch die Membran des Telephons T1 vor- und
zurückgeschoben . werden und veranlasst den Spiegel Vertikalbewegungen des
Lichtzeigers hervorzubringen; die Schneide B wird vom
Telephon T2 in Bewegung
gesetzt und bewirkt Drehungen des Spiegels um die vertikale Achse AC, so dass, wenn T2 stromdurchflossen ist, der Lichtzeiger horizontale
Bewegungen ausführt. Lässt man die beiden Telephone geeignet nacheinander oder
gleichzeitig in Funktion treten, so kann man durch den Lichtzeiger alle möglichen
Zeichen aufschreiben lassen. Die Kontakte, welche Telephon T2 mit Strom versehen sollen, werden durch
eine vierte und fünfte Löcherreihe hergestellt, so dass dann die Löcher IV horizontale Bewegungen nach links, die Löcher V Bewegungen nach rechts zur Folge haben.
Textabbildung Bd. 317, S. 166
Fig. 25.
Textabbildung Bd. 317, S. 166
Fig. 26.
Textabbildung Bd. 317, S. 166
Fig. 27.
Soll nun z.B. der Buchstabe l geschrieben werden, so sind
folgende Kontakte nötig (Fig. 26): den Zug a würde
man bekommen durch die Löcher 1 und 2; um die Schleife in diesen Zug einzufügen, welche ihn
zu einem 1 macht, muss zu Kontakt 1 und 2 noch ein Kontakt 3
gefügt werden. Beginnt nun in b der Lichtzeiger sich
nach oben zu bewegen, so muss der Stromstoss 3
hinzukommen, welcher eine Bewegung des Lichtpunktes nach links hervorbringt;
Stromstoss 3 muss so lange andauern, bis der Lichtpunkt
in 9 angelangt ist; hier endigt Loch 1 und somit der erste Stromstoss, und der Lichtpunkt
kehrt nach 10 zurück; dadurch, dass jetzt Loch 2 (auf II) Kontakt
herstellt, bewegt sich der Lichtpunkt nach unten, um, wenn in 12 der Kontakt 2 passiert
ist, nach der Ruhelage 13 zurückzukehren. In ähnlicher
Weise kann man durch geeignete Superposition von Vertikal- und Horizontalbewegungen
alle Schriftzüge herstellen. Fig. 27
zeigt, wie sich, das Wort „Telegraf“ aus Horizontal- und
Vertikalkomponenten herstellen lässt. Der oberste Teil der Figur gibt an, wie der
Papierstreifen durchlocht sein muss, der zweite Teil stellt die Vertikalbewegungen,
der dritte die Horizontalbewegungen und der unterste Teil die Superpositiondbeider
zum Worte „Telegraf“ dar.
Textabbildung Bd. 317, S. 167
Fig. 28.
5. Der Kontaktapparat ist in diesem Falle nach Fig. 28 angeordnet. Entsprechend den fünf Löcherreihen
sind fünf voneinander isolierte Metallscheiben zu einer Walze vereinigt und mit zwei
getrennten Batterien P1
und P2 nach Zeichnung
verbunden. J1 und J2 sind
Selbstinduktionsspulen, welche der Wirkung der Kapazität der Leitung, nämlich dem
langsamen Abnehmen des Stromes nach Oeffnung des Stromkreises dadurch
entgegenarbeiten, dass sie nach Stromöffnung einen dem ursprünglichen
entgegengesetzt gerichteten Stromstoss in die Leitung senden und dadurch die Leitung
rasch stromlos machen. C1 ist der parallel zum Telephon T1 angelegte Kondensator, C2 der zu T2 gehörige; wie schon erwähnt, ist ihre
Aufgabe die, die Eigenschwingungen der Telephonmembranen zu dämpfen. Aus P1 wird für I und II ein gleich
starker positiver und negativer Strom entnommen, III
erhält einen doppelt so starken negativen Strom; die Reihen IV und V werden aus P2 mit gleich starkem positiven und
negativen Strom versorgt; durch sie wird Telephon T2 mit Strom beschickt. Wie die Figur zeigt, ist es
nicht nötig, zwei Leitungen zu haben, um die beiden Telephone unabhängig voneinander
zu erregen, sondern es kann T2 mit Strom versehen werden, ohne dass T1 in Mitleidenschaft gezogen wird: es werden
nämlich, wenn T2 erregt
wird, L1 und L2 parallel von Strom
durchflössen; da in der Mitte der Wickelung von T1 der Strom nach T2 weiterfliesst, so ist T1 von zwei entgegengesetzt gerichteten
Strömen gleichzeitig durchflössen und bleibt in Ruhe. Der Rücklauf des Stromes von
T2 erfolgt durch
die Erdleitung. Um eine deutliche Schrift zu bekommen, müssen die
Vertikalkomponenten sehr rein erscheinen und zu diesem Zwecke durch die am Anfange
der Leitung angebrachte Selbstinduktion J1 die Einflüsse der Selbstinduktion und Kapazität
der Leitung zum Verschwinden gebracht werden. Die Horizontalkomponenten dagegen
sollen etwas langsamer verlaufen; daher ist für diese bei längeren Leitungen der
Stromkreis gar nicht korrigiert oder nur durch eine schwach wirkende
Selbstinduktionsspule J2.
Textabbildung Bd. 317, S. 167
Fig. 29.
Die Durchlochung des Papieres geschieht in der Weise,
dass mit je einem Druck auf einen Taster die ganze einem Buchstaben
entsprechende Löchergruppe eingestanzt wird, und stellt keine höheren Ansprüche an
den Arbeiter, als eine Schreibmaschine. Fig. 29 gibt
nach einer autotypischen Vervielfältigung die von dem Pollák-Virág'schen Telegraphen thatsächlich aufgeschriebenen Zeichen
wiederAus der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1901 S.
281..
6. Praktische Versuche sind in der verschiedensten Weise
schon ausgeführt worden, und es haben verschiedene Staaten den Schnelltelegraphen
bereits durch eigene Beamte erproben lassen. Unter anderem wurden auf der 400 km
langen, aus vier Telegraphenleitungen bestehenden Schleifenlinie von Budapest nach
Poszony in Ungarn in der Weise Versuche angestellt, dass Telegramme von Budapest aus
über die ganze Linie und wieder zurück ins Laboratorium gesandt wurden, so dass
Sender und Empfänger sich in demselben Raume befanden. Es wurden dabei bei einem
Widerstände der Leitung von 2000 Ohm 60000 Worte pro Stunde übertragen. Es soll
jedoch auch schon auf längeren Linien, z.B. Budapest-Berlin (1060 km),
Chicago-Buffalo (1800 km) und Chicago-New York (1500 km), mit Erfolg telegraphiert
worden seinElektrotechnische Zeitschrift, 1900 S.
375..
Ein grosser Vorteil des Pollák-Virág'schen
Schnellschreibtelegraphen liegt ausser der unvergleichlichen Arbeitsschnelligkeit
darin, dass er nicht von irgendwelchem Synchronismus von Geber und Empfangsapparat
abhängt, wie dies bei fast allen anderen modernen Telegraphen der Fall ist; ein
Nachteil, den er gegenüber den Rowland'schen haben
könnte, scheint mir darin zu liegen, dass auf verschieden langen Linien die
Einflüsse der Kapazität und Selbstinduktion der Leitungen sich verschieden bemerkbar
machen müssen; es kann die am Empfangsapparat eingeschaltete Selbstinduktion
offenbar nur für Leitungen von massig veränderlicher Länge abgeglichen werden; wird
somit auf verschiedene Entfernungen telegraphiert, so muss diese Selbstinduktion
geändert werden. Dass für den Pollák-Virág'schen
Telegraphen erst eine Durchlochung des Papierstreifens stattfinden muss, fällt wohl
weniger ins Gewicht, da diese Durchlochungen von verschiedenen Personen mechanisch
ausgeführt werden können, und da der einmal gelochte Streifen dafür mehrmals für die
Absendung von Telegrammen nach verschiedenen Richtungen hin verwertet werden kann;
und gerade diese Forderung tritt ja häufig bei Telegrammversendungen auf.
Man kann wohl mit Recht behaupten, dass der Pollák-Virág'sche Schnelltelegraph den Erfindern eine erste Stelle in der
Geschichte der Telegraphie sichert, und es muss jeden mit Bedauern erfüllt haben,
als die Fachzeitschriften berichteten, dass der eine Erfinder Joseph Virág im Alter von 27 Jahren in Budapest im
grössten Elend gestorben ist.
7. Um einen Ueberblick zu geben, wie sich die
Leistungsfähigkeit und die Kosten der verschiedenen Systeme von modernen
Telegraphen stellen, sei zum Schlusse eine Uebersicht angegeben, welche nach einem
Artikel der Elektrotechnischen Zeitschrift (1901 S.
462) zusammengestellt ist. Die Oekonomie eines Apparates hängt erstens davon ab, wie
stark die Leitung ausgenutzt wird, und zwar würde hinsichtlich dieses Punktes jener
Telegraph der beste sein, welcher die grösste Anzahl von Zeichen pro Zeiteinheit zu
übermitteln erlaubt, und zweitens kommt die Anzahl von Beamten in Betracht, welche
die Bedienung des Apparates auf der Sende- und Empfangsstation erfordert;
hinsichtlich dieses Punktes wäre jener Apparat der empfehlenswerteste, welcher die
meisten Zeichen pro Beamten in der Zeiteinheit zu übertragen gestattet. Natürlich
kommt es darauf an, in welchem Verhältnis die Kosten für die Leitung zu den Kosten
für die Beamten stehen, wenn man erkennen will, welcher der beiden Oekonomiewerte
der wichtigere ist; da dies indessen generell nicht angebbar ist, so soll als
Massstab für die Gesamtökonomie das Produkt aus dem ersten Wert und dem zweiten Wert
genommen werden; derjenige Apparat, für welchen dieses Produkt am grössten ist, wird
als der überlegene erscheinen, wenn freilich darin eine Willkür liegt, dass man die
beiden Werte gerade als Faktoren eines Produktes verwendet; es
ist auch möglich, dass dieselben nicht gleichwertig in Rechnung gezogen werden
müssten. In der folgenden Tabelle sind die drei Werte als Koeffizient für die
Ausnutzung der Leitung, Koeffizient für die Bedienungskosten des Apparates und
Gesamtkoeffizient für die wichtigsten modernen Telegraphen angegeben. Um in der
dritten Kolonne einen Vergleichsmassstab zu gewinnen, ist der Gesamtkoeffizient für
den Morse-Telegraphen gleich 1 gesetzt.
Apparatsystem
Beamten-zahl
Worte/Min.
Worte/Be-amte
Produkt
Morse-Apparat
2
15
7,5
1,0
Hughes, einfach
4
25
6,2
1,4
Hughes, doppelt
6
50
8,3
3,7
BaudotDieser in Frankreich vielfach eingeführte Telegraph ist dem Rowland'schen ähnlich, arbeitet jedoch
statt mit Wechselstrom- mit Gleichstromunterbrechungen., vierfach
8
120
15,0
16,0
Baudot, sechsfach
12
180
15,0
24,0
Rowland, achtfach
12
320
27,0
77,0
Pollák-Virág
(6?)
1000
166,0
1470,0
Es würde demnach der Telegraph von Pollák-Virág,
auch wenn er nur als einfacher Telegraph verwendet ist, den anderen ohne Zweifel
überlegen sein. Für die praktische Einführung eines dieser neuen Systeme ist aber
nicht allein ihre Leistungsfähigkeit massgebend, sondern es kommt vielfach darauf
an, ob nicht durch seine Einführung eine Neueinschulung des Personals notwendig
wird, und wie viel Kapital durch Ausserbetriebsetzung der alten Apparate brachgelegt
wird; eine der Hauptschwierigkeiten bei der Einführung neuer Systeme ist aber die,
dass die Erfinder entsprechend den Opfern, die sie selbst zu bringen hatten, um die
Erfindung auszuarbeiten, enorm hohe Summen für die Ueberlassung ihrer Erfindung
verlangen, so dass die betreffenden Telegraphen Verwaltungen, welche ein solches
neues System übernehmen, ein zu grosses Risiko auf sich laden würden. Auf ein
solches sich einzulassen, besteht aber um so weniger Veranlassung, als die älteren
Apparate auf vielen Linien bisher noch ausreichen und die überaus leistungsfähigen
neuen Apparate nur für die wichtigsten Verkehrslinien und auch hier nur
periodenweise ein Bedürfnis bilden.
(Fortsetzung folgt.)