Titel: | Kinematische Untersuchung der Stützdrücke eines Dreigelenkbogens. |
Autor: | G. Ramisch |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 168 |
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Kinematische Untersuchung der Stützdrücke eines Dreigelenkbogens.
Von Prof. G. Ramisch in Breslau.
Kinematische Untersuchung der Stützdrücke eines Dreigelenkbogens.
I.
Der Dreigelenk bogen soll in der Figur A und G als Kämpfergelenke und B
als Scheitelgelenk haben. Wenn auf der linken Scheibe, nämlich zwischen A und B eine Last P sich bewegt, so wird der Auflagerdruck in A nicht nur seine Grösse, sondern auch seine Richtung
verändern. Befindet sich jedoch eine Last Q auf der
rechten Scheibe, nämlich zwischen B und C und bewegt sie sich auf derselben, so ändert der
Auflagerdruck in A wohl seine Grösse, jedoch nicht
seine Richtung.
Textabbildung Bd. 317, S. 168
Befinden sich auf beiden Scheiben bewegliche Lasten, so muss
der Auflagerdruck in A sowohl seine Grösse, als auch
seine Richtung verändern. Dasselbe gilt für das Auflager C. Da jedoch die Untersuchung dafür genau so, wie für das Auflager A ist, so wollen wir nur letztere vornehmen. Vor allen
Dingen muss man das Auflager in A statisch bestimmt
machen, was dadurch geschieht, dass der Auflagerdruck gezwungen wird, sich jedesmal
in zwei Komponenten von gegebener Richtung zerlegen zu lassen. Diese Komponenten
verändern mit der jedesmaligen anderen Stellung der Lasten wohl ihre Grösse, jedoch
nicht ihre Richtung. Es wird nun die Aufgabe des Konstrukteurs die sein, die
Maximalwerte dieser Komponenten zu ermitteln, denn danach geschiehp die Ausführung
des Gelenkes. In diesem Aufsatze soll gezeigt werden, wie man mittels Kinematik die
Maximalwerte bestimmen kann. Zu dem Zwecke sollen Au
und Av die Kraftlinien der Komponenten sein, Av ist parallel und Au
senkrecht zu den Lasten angenommen, doch ist die Untersuchung genau so, wenn
die Kraftlinien sonst willkürlich gerichtet sind; für die Praxis sind aber die
gegebenen Richtungen wohl die wichtigsten.
Man nehme u und v als feste
Gelenke an und verbinde sie durch starre Glieder beide mit dem Punkte A. A ist jetzt als loses Gelenk aufzufassen, in
Wirklichkeit ist es aber infolge dieser Verbindung festliegend. Die linke und rechte
Scheibe sollen bezw. mit P und Q belastet sein. Man entferne den Stab uA und
bringe statt dessen eine Kraft Y in der Richtung von
u nach A an. Infolge
der Belastungen ist die linke Scheibe gezwungen, sich um den Schnittpunkt E von v A und B C zu drehen, während die rechte Scheibe um C drehbar ist. Die Kraft Y
wirkt mit P in der linken Scheibe, während Q in der rechten Scheibe allein wirksam ist. Die
unendlich kleinen Drehwinkel um E und C sollen dε bezw. dγ heissen. Wir bezeichnen mit p den Abstand des Punktes E von P und mit q den Abstand
des Punktes C von Q. Die
von P, Q und Y
gleichzeitig zu leistenden Arbeiten sind nun: P . p . dε, Q
. q . dγ und Y . AE . dε. Setzen wir EA = s, so muss des Gleichgewichtes wegen
sein:
P . p . dε + Q . q . dγ – Y . s . dε = O.
Es ist jedoch:
EB . dε = BC . dγ.
Man lege durch C zu AE die
Parallele CJ und nenne b
ihren Abstand von B, während der Abstand des Punktes
von AE gleich a ist, so
ist: EB : BC = a : b,
so dass
P . p . b + Q . q . a – Y . sb
d.h.
Y=\frac{P\,\cdot\,p}{s}+\frac{Q\,\cdot\,q}{s}\,\cdot\,\frac{a}{b} . . . . 1)
aus den vorhergehenden Gleichungen entsteht.
Aus dieser Gleichung lernen wir kennen, dass Y grösser
ist, wenn beide Scheiben statt einer belastet sind, ferner dass Y desto grösser ist, je näher die Lasten P und Q am Punkte B liegen.
Am bequemsten findet man aber die Maximalwerte von Y
mittels der Einflusslinie und wir gehen daher zur Bestimmung derselben über.
Man ziehe A C und B G und
nenne m und n die
Schnittpunkte der Kraft Q mit diesen Geraden. Es sei
der Träger in der rechten Scheibe allein mit „Eins“ statt Q belastet, so ist nach der Gleichung 1):
Y_1=\frac{q}{s}\,\cdot\,\frac{a}{b}
die Komponente in UA. Man lege
durch B zu EA die
Parallele, welche AC in G
trifft und setze GB gleich y, so ist:
\frac{y}{b}=\frac{g}{q},
wenn mn = g ist. Es entsteht
daher:
Y_1=\frac{a}{s\,\cdot\,y}\,\cdot\,g.
Hieraus lernen wir kennen, dass Y1 proportional g ist.
Aus diesem Grunde ist BC Einflusslinie der Scheibe
zwischen B und C mit AC als Nulllinie. Zieht man noch AB, so ist diese Gerade Einflusslinie der Scheibe
zwischen A und B für
dieselbe Nulllinie und beide Einflusslinien haben \frac{a}{s\,\cdot\,y} zum Multiplikator.
Schneidet also die Kraftlinie von P die Linien AB und AC bezw. in m' und n' und setzt man
m'n' = g' so bringt
die Kraft P in uA die
Komponente:
Y_2=P\,\cdot\,\frac{g'\,\cdot\,a}{s\,\cdot\,y}
hervor.
Beweis. Nach der Gleichung 1) muss sein:
Y_2=P\,\cdot\,\frac{p}{s}.
Es ist also nachzuweisen, dass p=\frac{g'\,\cdot\,a}{y} ist.
Da Dreieck ABG ∾Dreieck Am'n' ist, so entsteht: \frac{g'}{p}=\frac{y}{a}, also ist auch p=g'\,\frac{a}{y}, was zu
beweisen war.
Beide Lasten P und Q
bringen nun die Komponente
Y'=\frac{a}{s\,\cdot\,y}\,\cdot\,(P\,\cdot\,g'+Q\,g) . . . . 2)
hervor. Indem wir a + b = l setzen, erhalten wir mittels der Gleichung s : l = y : b auch:
\frac{a\,b}{l\,\cdot\,y^2} statt \frac{a}{s\,\cdot\,y}
als Multiplikator.
Mittels der Einflusslinien BC und BA mit AC als Nulllinie
und \frac{a\,b}{l\,\cdot\,y^2} als Multiplikator ist man in der Lage die beweglichen Lasten so zu
stellen, dass die Komponente Y ein Maximum wird und
dann zu berechnen. Wie wir sehen, müssen die schwersten Lasten in die Nähe von B zu liegen kommen.
Ist im besonderen der Dreigelenkbogen gleichförmig mit p0 für die Längeneinheit belastet, so
entsteht hierdurch in uA die Komponente:
Y_0=\frac{a\,b}{l\,\cdot\,y^2}\,\cdot\,p_0 . Dreieck ABC.
Es ist jedoch der Inhalt des Dreiecks A\,B\,C=y\,\cdot\,\frac{1}{2}.
Daher erhalten wir:
Y_0=\frac{1}{2}\,\cdot\,\frac{a\,b}{y}\,\cdot\,p_0 . . . . . 3)
Es ist dies der Maximalwert für eine gleichförmige Belastung.
II.
Um weiter die Komponente X in vA zu ermitteln, entferne man den Stab vA und
bringe statt dessen die Kraft an. Infolge der Belastungen P und Q und der Kraft X dreht sich jetzt die linke Scheibe um den Schnittpunkt F von vA und BC, während die rechte Scheibe um C wiederum drehbar ist. Wir nennen dφ und dγ die unendlich
kleinen und gleichzeitigen Drehwinkel um F bezw. C, so muss sein:
BF . dφ = BC . dγ.
Man nenne c den Abstand des Punktes F von JC, so ist:
BF : BC = (b +
e) : b,
also ist auch:
(b + e) . dφ =
b . dγ.
Die von P, Q und X
gleichzeitig zu leistenden Arbeiten sind, wenn man noch p1 den Abstand des Punktes F von P nennt: P . p1 dφ, Qq . dy und
X . (l + e) . dφ. Des
Gleichgewichts wegen ist nun:
P . p1
. dφ + Q . q . dγ – X (l + e) dφ= 0.
Mit Rücksicht auf die vorige Gleichung entsteht hieraus :
P . p1
. b + Qq .(e + b) – X . b (e + l) = 0,
d.h.
X=\frac{P\,\cdot\,p_1}{e+l}+Q\,\cdot\,q\,\cdot\,\frac{e+b}{b\,(l+e)} . . . 4)
Auf Grund dieser Gleichung findet man, dass wenn AF als
Nulllinie aufgefasst wird, AB Einflusslinie der linken
Scheibe ist. Bezeichnet man noch den Schnittpunkt von AF und CJ mit K,
so ist für dieselbe Nulllinie BK die Einflusslinie der
rechten Scheibe.
Beweis. Ist die linke Scheibe allein mit „Eins“ statt P belastet, so ergibt sich nach der Gleichung 4)
X_1=\frac{p_1}{e+l}.
Es schneide die Kraftlinie von P die Geraden EB und AF bezw. in D und o'.
Setzen wir Do' = t', so ist \frac{p_1}{e
l}=\frac{t'}{s}.
Also ist auch
X_1=\frac{t'}{s}.
Daher ist bewiesen, dass AB Einflusslinie mit Aals Nulllinie und \frac{1}{s} als Multiplikator ist.
Ist nur die rechte Scheibe mit „Eins“ statt Q
belastet, so ist:
X_2=q\,\cdot\,\frac{e+b}{b\,(l+e)}
nach der Gleichung 4). Die Kraftlinie von Q möge BK und AF bezw. in t und o treffen. Wir setzen to =
t'', so ist
\frac{t''}{q}=\frac{y}{b}
und ferner
\frac{y}{e+b}=\frac{s}{l+c}.
Also ensteht
Y_2=\frac{t''}{s}
aus den drei letzten Gleichungen.
Hiermit ist gefunden, dass BK Einflusslinie der rechten
Scheibe mit der Nulllinie AF und dem Multiplikator
\frac{1}{s} ist.
Sind also beide Scheiben mit P und Q belastet, so ergibt sich die Komponente in vA:
X=\frac{1}{s}\,\cdot\,(P\,\cdot\,D\,o'+Q\,\cdot\,t'').
Die Einflusslinien zeigen uns, dass die Komponente in Av
dann am grössten ist, wenn die grössten Lasten links auf der linken Scheibe sich
befinden, vorhin fanden wir dagegen, dass die Komponente in Au dann am grössten ist, wenn die grössten Lasten in der Nähe von B liegen.
Ist der Träger gleichförmig mit p0 für die Längeneinheit belastet, so ist:
X_0=p_0\ (\mbox{Trapez }E\,B\,H\,A+\mbox{ Dreieck }B\,H\,K)\,\cdot\,\frac{1}{s},
wenn H der Schnittpunkt von GB mit AK ist.
Setzen wir BH = y0, so
ist:
\mbox{Trapez }E\,B\,H\,A=\frac{a}{2}\,\cdot\,(s+y_0)
und
\mbox{Dreieck }K\,H\,B=\frac{b}{2}\,\cdot\,y_0..
Daher ist:
X_0=\frac{p_0}{2\,s}\,\cdot\,\left(a\,(s+y_0)+\frac{b}{2}\,\cdot\,y_0\right).
und da a + b = l ist, so
entsteht:
X_0=\frac{p_0}{2\,s}\,(a\,s+l\,\cdot\,y_0)
als grösste Komponente in Av,
hervorgebracht von der gleichförmigen Belastung.
Auf ähnliche Weise findet man die Einflusslinien der Kräfte X und Y, wenn sie andere gegebene Richtungen
haben. Doch ist in der Richtung, wie wir sie angenommen haben, die Untersuchung
wichtig, wenn das Kämpfergelenk A sich auf einem
Pfeiler befindet; denn die Kraft Y sucht denselben
umzustürzen. – Aber es ist zu bemerken, dass die Maximalwerte von X und Y nicht bei
derselben Stellung der Lasten, wie wir aus der Abhandlung ersehen haben, eintreten.
Befindet sich das Auflager exzentrisch auf dem Pfeiler, so beansprucht X denselben auf Druck und Biegung, die Kraft Y dagegen auf Schub und Biegung in irgend einer
Querschnittsfläche. Es wird daher nötig sein, die Beanspruchung bei beiden Maximalwerten festzustellen.