Titel: | Die Santos-Dumont'schen Luftschiffe. |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 287 |
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Die Santos-Dumont'schen Luftschiffe.
Die Santos-Dumont'schen Luftschiffe.
Wie Ingenieur G. Espitallier gelegentlich einer
grösseren, sehr interessanten Besprechung des jetzigen Standes der Luftschiffahrt in
Le
Génie civil mitteilt, war der Hauptkörper kk (Fig. 1) des
jüngsten, am Freitag den 14. Februar d. j. bei Monte
Carlo durch den Sturz ins Meer verunglückten Ballons (Type Nr. 6) des
ebenso durch seine glänzenden Erfolge als seine auffälligen Misserfolge
ausgezeichneten, kühnen Luftschiffers Santos-Dumont
fünfeinhalbmal so lang als dick.
Textabbildung Bd. 317, S. 287
Fig. 1.
Der besagte, vorne wie rückwärts zugespitzte Ballon besass
nämlich die Form einer Zigarre und bei einem grössten Walzendurchmesser von 6 m eine
Länge von 33 m. Die Ballonhülle wog 120 kg und der Motor m, dessen Anordnung Fig. 2 ersehen lässt,
89 kg. Der Inhalt des mit Wasserstoffgas zu füllenden Hauptraumes kk (Fig. 1) betrug 622
cbm. Das Füll- und Entleerungsventil des Hauptraumes kk
lag ein wenig von der Mitte nach vorne gerückt und hatte einen Durchmesser von 40
cm; ausserdem waren noch zwei Blähschlitze vorhanden, nämlich am rückwärtigen und
vorderen Teil des Ballons je einer, die sich in Notfällen ebenfalls mittels
Reissleinen öffnen liessen und dann eine sehr rasche Entweichung des
Wasserstoffgases gestatteten. Im Inneren des Ballonkörpers war am unteren Teil der
Mitte mit Hilfe einer seidenen Scheidewand noch ein kleiner, in Fig. 1 durch eine gestrichelte Linie angedeuteter
linsenförmiger Ballon h eingebaut, der ungefähr 60 cbm
Rauminhalt besass, d. i. also beiläufig 1/10 des Gesamtraumes des Ballons bildete. In diesen
kleinen Ballon konnte mittels des Motors gewöhnliche atmosphärische Luft eingefüllt
Werden, zu welchem Zwecke ein seidener Schlauch s (Fig. 2) von dem Mundloch des Ballons b (Fig. 1) zum Motor
geführt und hier an einen Flügelradventilator v (Fig. 2) angeschlossen war, der sich mit Hilfe einer
Riemenübertragung von der Motorwelle aus antreiben liess.
Ausser dem schon vorhin erwähnten Hauptventil waren an dem äusseren Ballon noch zwei
und am inneren Ballon ein Sicherheitsventil vorhanden, deren 19 cm weite Klappen
sich von innen nach aussen öffneten, und zwar traten die beiden Klappen des
Wasserstoffraumes bei einem Drucke von 2,14 g auf den Quadratcentimeter selbstthätig
in Wirksamkeit, wogegen das Ausströmungsventil des Luftraumes schon bei einem
Ueberdrucke von 1,6 g auf den Quadratcentimeter in Thätigkeit gelangte. Im Falle
einer aussergewöhnlichen Ausdehnung der Füllungen war es also stets die
atmosphärische Luft, welche zuerst selbstthätig zum
Entweichen kam und somit der Volumvergrösserung des Wasserstoffes Platz gewährte, so
dass den Gasverlusten, welche beispielsweise wegen plötzlichem Wärmewechsel hätten
eintreten können, bis zu einem gewissen Grade vorgebaut wurde.
Textabbildung Bd. 317, S. 287
Fig. 2.
An Stelle der sonst gewöhnlichen Gondel trug der Ballon ein 18 m langes aus
Holzstangen und dünnen Stahlblechschliessen ausgeführtes Traggestelle tt (Fig. 1 und 2), welches ein vorne und rückwärts in eine Spitze
verlaufendes, weitmaschiges Fachwerk von dreieckigem Querschnitt
bildete und den Motor m (Fig. 1) mit der Schraubenspindel nebst den Flügeln l sowie die eigentliche Gondel g des Luftschiffers trug. Zur Anbringung des Traggestelles an dem Ballon
dienten 0,8 mm starke stählerne Klaviersaiten, welche in Anbetracht ihres geringen
Querschnittes der Bewegung in der Luft nur einen äusserst kleinen Widerstand
entgegensetzten. Ihre Aufhängung erfolgte ohne Beihilfe eines Netzes oder eines
besonderen Ueberzuges unmittelbar an der Hülle des Ballons mittels stäbchenförmiger,
15 cm langer Holzsplinte, die in Seidenösen eingeschlüpft wurden, welche einfach an
der Ballonhülle festgenäht waren. Eine derartige Befestigung ohne Netze oder
Ueberzüge wird allerdings für Ballons geringeren Umfanges kaum nennenswerte
Nachteile bringen, sondern in Anbetracht der damit verbundenen Gewichtsverminderung
eher vorteilhaft sein, bei grösseren Luftschiffen jedoch ist sie wegen der
hochwichtigen Rolle, welche eine gute, möglichst gleichmässige Verteilung der
Belastung spielt, durchaus unzuverlässig und daher zu vermeiden. Ein Beweis dafür
sind eben die während der Auffahrten Santos-Dumont's
wiederholt vorgekommenen Aushängungen. Eben deshalb hatte man es beim Ballon Nr. 6
für geboten erachtet, wenigstens einige Stahldrahtreifen in das Aufhängesystem
einzufügen, welche die Lastverteilung gleichmässiger gestalten sollten, sich aber
gleichfalls nicht bewährt haben, sei es weil ihrer zu wenig, oder weil sie nicht an
den richtigen Stellen angebracht waren.
Die eigentliche Gondel g (Fig.
1), in welcher der Luftschiffer Platz nahm und die überhaupt nur einer
einzigen Person Raum gewährte, bestand einfach aus einem Weidenkorb von der Form
eines stumpfen Kegels. Von diesem Korbe aus, der am Boden eine grössere Weite besass
als an der Einsteigöffnung, wurden mittels Drahtzügen oder Zugschnüren das Steuer,
sowie die verschiedenen Ventile, der Motor, der Ballast und ein ausgleichendes
Laufgewicht, kurz alle vom Luftschiffer zu lenkenden Vorrichtungen gehandhabt.
Der am Firstbalken des Traggestelles lose aufgehängte, an den Fussträgern aber steif
befestigte, viercylindrige Buchet'sche Benzinmotor
(Fig. 2), welcher bei dem nächst älteren
Ballonmodell Nr. 5 ein Gewicht von 92 kg besass und 16 PS leistete, war beim Modell
Nr. 6, dank den durch Emanuel Aimé ausgeführten
Vervollkommnungen, um 3 kg leichter und – 4 PS leistungsfähiger geworden. Eine der
wichtigsten Verbesserungen am Motor bestand darin, dass der frühere Abkühler aus
Wasserspiralen durch einen solchen mit Ventilationsflügeln ersetzt wurde. Eine
weitere Neuerung gegen früher bestand beim Ballon Nr. 6 darin, dass als Ueberballast
Wasser verwendet wurde, das in zwei zunächst des Motors am Traggestelle
festgemachten, cylindrischen Gefässen von je 45 l Inhalt untergebracht war. Die
bezügliche Handhabung ist natürlich weit leichter als bei den altklassischen
Sandsäcken, indem die Ausflusshähne der Wassergefässe einfach durch Drahtzüge mit
dem Gondelkorbe des Luftschiffers in Verbindung gebracht und durch Anziehen oder
Nachlassen dieser Stahlleinen geschlossen oder geöffnet werden können. Dass dieser
bequeme Ueberballast übrigens nur innerhalb gewisser Temperaturgrenzen, bezw.
gewisser Steighöhen brauchbar bleibt, bedarf wohl nicht erst hervorgehoben zu
werden.
Die mit der Motorwelle gekuppelte Luftschraube I (Fig. 1) hatte einen Durchmesser von 4 m; ihre beiden
Flügel von je 2 qm Oberfläche bestanden aus gefirnisster Seide, die über einen
leichten, aus Holz und Stahl hergestellten Rahmen gespannt war. Diese Luftschraube
entwickelte bei der äussersten Geschwindigkeit von 200 Umdrehungen in der Minute,
nach Messungen mit dem Dynamometer, eine Zugkraft von 75 kg. Zur Bestimmung der
Fahrtrichtung besass der Ballon ein Steuerblatt s (Fig. 1) aus gummierter, auf einem Rahmen
festgespannter Seide, welches zwischen dem rückwärtigen Ende des Traggestelles und
jenem des Ballons angebracht, und mittels zweier Stahldrahtzüge von der Gondel aus
zu lenken war. Die Form des Steuerblattes war fei den älteren Santos-Dumont'schen Ballons zuerst sechseckig, dann
dreieckig; für den Ballon Nr. 6 aber hatte man endlich einen halbelliptischen Umriss
gewählt und die Oberfläche des Steuerblattes gegen früher etwas erhöht, nämlich auf
9 qm gebracht.
Eine besondere Nebenvorrichtung, welche Santos-Dumont ursprünglich für sehr wichtig und wertvoll hielt, bestand
aus einem längs des Traggestells eingespannten Laufseil, auf dem sich mittels zweier
Rollenzüge ein 38 kg schweres Ausgleichgewicht hin und her bewegen liess. Durch
angemessenes Verstellen dieses Gewichtes nach der einen oder der anderen Seite
sollte es ermöglicht werden, die Belastung des Ballons nach Bedarf der vorderen oder
rückwärtigen Längshälfte zu erhöhen. Auf diese Weise konnte absichtlich eine
geneigte Lage des Luftschiffes bewirkt werden, wie dies etwa beim Aufsteigen oder
beim Niedersteigen erwünscht sein kann, andererseits sollte aber auch
unbeabsichtigten und gefährlichen, durch verschiedene aussergewöhnliche Umstände
veranlassten Abweichungen des Ballons aus der wagerechten Lage abgeholfen werden. In
der That wäre es eine wichtige Leistung des verschiebbaren Ausgleichgewichtes, wenn
es gleichsam wie die Balancierstange des Seiltänzers wirken könnte, und ist diese
Idee schon früher von anderen LuftschiffernU.a. auch vom Grafen Zeppelin früher als von Santos-Dumont. Anmerkung der
Redaktion. auszunutzen versucht worden. Bei näherer Prüfung lässt
sich freilich leicht einsehen, dass das Ausgleichgewicht im allgemeinen keineswegs
das zu halten vermag, was es anscheinend verspricht, denn der Luftschiffer wird wohl
kaum einmal die Gelegenheit wahrnehmen können, einer gefährlichen Neigung durch
rechtzeitige Verschiebung des Gewichtes zu begegnen. Vielmehr erscheint es, da doch
die in Betracht kommenden Bewegungen des Ballons in der Regel pendelnd auftreten,
nicht ausgeschlossen, sondern geradezu voraussichtlich, dass durch das verschobene
Gewicht die Gegenschwankung um so gefährlicher gestaltet wird.
Santos-Dumont's Versuche, d.h. die Vorbereitungen für
die bekannte Preiswettfahrt, haben im Jahre 1901 ungefähr 6 Monate gedauert und
wurden hierbei die ersten 3 Monate der Regelung des Motors, der Schraube und des
Steuers gewidmet, während die 3 weiteren Monate mit so häufigen Auffahrten
ausgefüllt wurden, als es nur immer die Witterungsverhältnisse gestatteten,
wenigstens Fahrversuche im Bereiche der Longchamps
vorzunehmen, wenn der Wind zu stark war, um mit Nutzen eine Probefahrt zum
Eiffelturm vorzunehmen. Gelegentlich dieser Versuche war es Santos-Dumont am 12. Juli gelungen mit seinem Ballon Nr. 5 den Eiffelturm
zu umsegeln, wobei eine durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit von 6 m und von 6,5 m
in der Sekunde erreicht wurde. Am 19. Oktober vollbrachte der kühne Luftschiffer mit
seinem verbesserten Ballon Nr. 6 die siegreiche Rundfahrt um den Eiffelturm in 29
Minuten 30 Sekunden, wofür ihm der Deutsch-Preis
zuerkannt worden ist. Auf dieser Fahrt war es Santos-Dumont möglich geworden eine grösste Fahrgeschwindigkeit von 8 m in
der Sekunde zu erreichen, was sich allerdings nur beiläufig aus der Fahrzeit und der
Weglänge berechnen lässt. Es erscheint also sehr bedauerlich, dass die grösste
erreichte Geschwindigkeit nicht durch unmittelbare Messung festgestellt worden ist,
wozu beispielsweise ein Ballon-Logg gute Dienste hätte
leisten können. Allerdings befand sich Santos-Dumont
selber, da er allein beim Luftschiff war und vollauf
von der Bedienung der verschiedenen Lenkvorrichtungen in Anspruch genommen wurde,
nicht in der Lage, gleichzeitig wissenschaftliche Beobachtungen zu machen oder
Messungen anzustellen.
Um über die Ergebnisse der Santos-Dumont'schen
Leistungen als Luftschiffahrer einen klaren Ueberblick zu gewinnen und zu erkennen,
welche Hauptfehler seinen Fahrzeugen anhaften, genügt es, nur einige der wichtigsten
Etappen seiner Auffahrten in Erinnerung zu bringen: Schon bei einem seiner ältesten
Versuche in Paris, nämlich am 18. März 1899 im Jardin
d'acclimation, konnte man, als der Ballon Nr. 4 noch an den Landleinen
festgehalten war, eine Einknickung in der Mitte desselben beobachten, welche sich in
dem Augenblick wesentlich verschärfte, als die Luftschraube in Bewegung gesetzt
wurde. Als der später wieder niedergeholte Ballon den Boden berührte, war er
vollständig in zwei Teile zusammengebogen und vernichtet. In diesem Falle handelte
es sich allerdings um ein erstes Modell, an dem man
alsbald zahlreiche und wirksame Verbesserungen
vornahm, insbesondere was die Art des Aufhängens des Motors und der Gondel
anbelangte. Allein obwohl auf diesem Wege eine Reihe grober Anstände glücklich
beseitigt wurde, so fanden sich an den späteren Modellen gewisse üble Eigenschaften
immer wieder vor, nämlich eine unzureichende Stabilität und ungünstige Hängeweise,
so dass hierdurch das Leben des Luftschiffers stets den geringfügigsten Zufällen
preisgegeben blieb.
Auf einer Fahrt am 8. August 1901 war infolge des Luftwiderstandes eine Stauung des
Gases im Ballon (Nr. 5) eingetreten, wodurch die rückwärtige Hälfte niedergebogen
wurde und die Hängedrähte des Traggestelles auf dieser Ballonseite ihre regelrechte
Spannung verloren. Solche schlaff eingebogene Stahlsaiten gerieten in den Weg der
Schraubenflügel und drohten dieselben vollständig zu zerstören. Es musste sonach der
Motor abgestellt werden, wobei leider auch die Thätigkeit des den Innenballon mit
Luft versorgenden Ventilators, der gerade jetzt seiner Aufgabe mit verdoppelter
Kraft hätte nachkommen sollen, vollständig lahmgelegt wurde, weil keine Möglichkeit
vorlag, die Lufpschraube für sich allein von der Motorwelle abzukuppeln. Während
also das Luftschiff dem freien Spiel der Windes preisgegeben war, konnten
gleichzeitig auch die Vorteile des Ausgleich Wirkungen des Innenballons nicht
verwertet werden und der Ballon trieb in bedenklicher Weise vom Eiffelturm ab. Ein
erfahrener, mit der Behandlungsweise eines gewöhnlichen Luftballons vertrauter
Luftschiffer hätte nun wahrscheinlich und mit Erfolg versucht, sich über die
kritische Situation durch Auswerfen von Ballast hinwegzuhelfen, um zuvörderst die
Stabilität zu verbessern und dann erst an einer günstigen Stelle die Landung
durchzuführen. Santos-Dumont zog es jedoch vor, eine
der Reissleinen zu ziehen, so dass der Ballon augenblicklich mit grosser
Geschwindigkeit auf die Dächer des Trocadéro niederstürzte und das Leben des
Luftschiffers lediglich durch die Elastizität des Traggestelles und des Gondelkorbes
gerettet wurde. Die Veranlassung dieses Unfalles, bei welchem der Ballon Nr. 5
vollständig zu Grunde ging, lag in erster Linie nur in der geringen Stabilität und
dann in der mangelhaften Aufhängungsweise.
Kurz darauf begannen wieder die Versuche mit dem neuen Ballon Nr. 6, welche übrigens
gleich das erste Mal mit einem gefährlichen Vorfall eingeleitet wurden. Bei den
Vorbereitungen zur Auffahrt entwischte nämlich der Ballon den Bediensteten, welche
ihn festzuhalten hatten, und stieg urplötzlich 100 bis 150 m in die Höhe. Aus diesem
Anlasse öffnete Santos-Dumont die Ventile und das Gas
begann rasch zu entweichen, allein vornehmlich nur in der vorderen Hälfte, was zur
Folge hatte, dass die rückwärtige Hälfte sich schräg nach aufwärts richtete und der
Abstieg in einer äusserst steilen Neigung und mit gefahrdrohender Geschwindigkeit
vor sich ging. Auch diesmal war es nur ein glücklicher Zufall, der ernstere Gefahren
abgewendet hatte.
Im laufenden Jahre verlegte bekanntlich Santos-Dumont
seine Thätigkeit nach Monaco, und ,ier war es, wo auch
den Ballon Nr. 6 ein tragisches Geschick erreichte. Es geschah dies
gelegentlich einer am 14. Februar 1902 über dem Meere ausgeführten Versuchsfahrt,
bei der eine ins Meer getauchte Schleif leine p (Fig. 1) zur Anwendung gelangte, wodurch sich bei
richtiger Ausnutzung betreffs der Sicherung der ruhigen Bewegung und der
Gleichgewichtslage bekanntlich namhafte Vorteile erzielen lassen. Santos-Dumont hatte jedoch die Schleif leine am
vorderen Ende des Luftschiffes befestigt, statt sie im Schwerpunkte desselben
anzubringen. Die auf diese Weise herbeigeführte einseitige Mehrbelastung wurde durch
eine angemessene Verteilung der übrigen Belastung auszugleichen versucht, wobei
natürlich die durch das Schwimmen des Seiles im Wasser bewirkte
Gewichtsherabminderung nicht berücksichtigt werden konnte, sondern lediglich die
wagerechte Lage des Traggestelles massgebend war. Da nun während dieser Fahrt eine
plötzliche Besonnung des Ballons eine Erwärmung desselben und infolgedessen einen
Auftrieb bewirkte, wobei die Schleifleine aus dem Wasser gehoben wurde, machte sich
die ungleiche Belastung der beiden Hälften des Luftschiffes wie an einer Wage durch
Kippen geltend. Da sich der Ballon etwa 45° schräg gestellt hatte, trat wieder die
Einbiegung der Aufhängedrähte nächst der Luftschraube ein, deren Flügel sich wie
beim Unfall am 8. August verflossenen Jahres in den schlaff gewordenen Stahlsaiten
verfangen und dabei schliesslich auch die Hülle des Ballons zerrissen hatten.
Letzterer fiel ins Meer, wo Santos-Dumont nur mit
knapper Not gerettet werden konnte. Wie man sieht, trug auch an diesem zweiten
schweren Unfall nebst der Unvorsichtigkeit des Lenkers lediglich wieder die
Fehlerhaftigkeit der Aufhängung und der Mangel an Stabilität die Hauptschuld.
Wenn nun alle Leistungen Santos-Dumont's zusammengefasst
werden, so kann man in der That diesem Luftschiffer grosse Kühnheit, ja Verwegenheit
nichp absprechen, aber es lässt sich keineswegs behaupten, dass sich aus seinen
Versuchen irgend ein wirklicher und nachhaltiger Fortschritt für die Luftschiffahrt
ergeben hätte. Dasselbe gilt auch in Bezug der von ihm erzielten
Fahrgeschwindigkeiten, da nach den Ergebnissen weit älterer Versuche (Gissard 1855) die Geschwindigkeit für das Volumen des
Ballons Nr. 6 und die Motorleistung von 18 bis 20 PS sich rechnungsmässig auf 10 bis
12 m in der Sekunde hätte belaufen sollen, wogegen Santos-Dumont nur 8 m in der Sekunde zu erreichen vermochte. Diese
schlechte Ausnutzung des Motors liegt allerdings grossenteils an dem argen Stampfen
und Schwanken des Ballons. Einzig beachtenswert bleibt der Umstand, dass der nicht
sehr grosse Ballon einen Motor von verhältnismässig sehr bedeutender
Leistungsfähigkeit trägt, ein Verdienst, das aber vorliegendenfalls mit der Person
des Luftschiffers in keinem unmittelbaren Zusammenhange steht, sondern lediglich der
Motorindustrie zugeschrieben werden muss.
Santos-Dumont ist kein Luftschiffer im höheren Sinne
dieses Wortes, sondern bloss Sportsmann, und seine Kühnheit, die ihn antreibt, stets
ohne Bedenken die gewagtesten Dinge zu unternehmen und alle Schwierigkeiten erst
hinterher zu bedenken, darf eben nur im sportlichen Sinne als eine, allerdings glänzende, Aneiferung gelten gelassen werden.