Titel: | Ueber Gaserzeugung und Gasfeuerungen in der Industrie. |
Autor: | Rudolf Mewes |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 544 |
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Ueber Gaserzeugung und Gasfeuerungen in der Industrie.
Von Rudolf Mewes, Ingenieur und Physiker.
Ueber Gaserzeugung und Gasfeuerungen in der Industrie.
In den letzten drei Jahrzehnten haben die Gasfeuerungen, insbesondere durch die
ausserordentliche Vervollkommnung der Gaserzeugungsverfahren, für die
verschiedensten Industriezweige eine so hohe Bedeutung und Tragweite erlangt, dass
ein Eingehen auf die bisher aufgefundenen bezw. praktisch erprobten
Gaserzeugungsverfahren und deren Einfluss auf die gesamte Heizungs- und
Hüttentechnik sich lohnt. Bei einer derartigen Arbeit verdienen aber neben der
Theorie der Gaserzeugung und der Verbrennungsvorgänge insbesondere die
Leistungsfähigkeit und die jeweiligen Vorzüge der einzelnen Gaserzeugungsmethoden
und Gasfeuerungen für die Technik nach Möglichkeit gewürdigt zu werden. Dies soll in
der nachfolgenden Arbeit an der Hand der neuesten Versuchsergebnisse durchgeführt
werden.
Die hier in Frage kommenden Gase sind ausser dem Steinkohlengas das Generatorgas, das
meistens direkt in der Feuerungsanlage (Generatorgasfeuerung) zur Vermeidung
der ganz erheblichen Abwärmeverluste verfeuert und nicht, wie das Leuchtgas und
Wassergas, durch ein Rohrnetz von einer Zentralstelle aus nach einzelnen
Feuerstellen hin verteilt wird, ferner das Wassergas, das neuerdings für die
Industrie und Technik infolge der ausserordentlich gesteigerten Leistungsfähigkeit
der Wassergaserzeuger die weittragendste Bedeutung erlangt hat, schliesslich das
Mischgas oder Dowson-Gas, dessen Bedeutung jedoch seit der Erfindung des Dellwik-Fleischer'schen Wassergasverfahrens abgenommen
hat, zumal da es rücksichtlich des Heizwertes und der erzielbaren
Verbrennungstemperaturen nicht mit dem Wassergas und Steinkohlengas in Wettbewerb zu
treten vermag. Ausserdem verdient noch für besondere Zwecke und Verhältnisse die
Verwendung der Hochofengase für grosse Gasmaschinen erwähnt zu werden, da durch die
dadurch ermöglichte
Ausnutzung der Abgase der Hochöfen zur Erzeugung von Mechanischer Arbeit
schliesslich dazu geführt hat, auch die an Heizwert ärmeren Gase, wie Generator- und
Dowson – Gas, für motorische Zwecke durch Grossgasmaschinen technisch in höherem
Masse als bisher zu verwerten.
Indessen dürfte von allen diesen Gasen doch dem Wassergas wegen der zahlreichen
Vorzüge und der verhältnismässig leichten Herstellung und vielseitigen
Verwendungsfähigkeit desselben in Zukunft die höchste Bedeutung für die Technik
zukommen. Aber auch in wissenschaftlicher Hinsicht bahnen die Untersuchungen über
den Wassergasprozess für die eigentliche Erkenntnis der Verbrennungsvorgänge neue
Wege. Mit Rücksicht hierauf sowie auch darum, weil die bei der Erzeugung des
Wassergases eintretenden Vorgänge chemischer Natur auch bei den übrigen
Gaserzeugungsverfahren wiederkehren, soll hier mit der Besprechung des
Wassergasverfahrens der Anfang gemacht werden.
Die besten Schriften, welche man beim Studium des Wassergases zu Rate ziehen kann,
sind diejenigen von Prof. Fischer, M. Geitel, Dr. Fleischer, Strache, Dicke und Clauss, welche in der vorliegenden Arbeit nach Möglichkeit benutzt worden
sind. Das Wassergas entsteht bekanntlich durch Hindurchleiten überhitzten
Wasserdampfes durch glühende Kohlen und setzt sich aus 50 Volum-Prozenten
Wasserstoff und 50 Volum-Prozenten Kohlenoxyd oder aus 6,67 Gewichts-Prozenten
Wasserstoff und 93,33 Gewichts-Prozenten Kohlenoxyd zusammen. Die Reaktion erfolgt
nach der Gleichung
C + H2O = CO + H2.
Eine vollständige Verwandlung der Kohle bezw. des Koks in Kohlenoxyd kann jedoch in
der Praxis nicht erreicht werden; allerdings nähert sich die Gasausbeute der obigen
theoretischen Formel bei steigender Temperatur etwa um 1000° C., während bei
sinkender Temperatur statt des Kohlenoxyds sich mehr und mehr Kohlensäure bildet, so
dass schliesslich ein Gas von 33 Volum-Prozenten Kohlensäure und 66 Volum-Prozenten
Wasserstoff oder 8,33 Gewichts-Prozenten Wasserstoff und 91,67 Gewichts-Prozenten
Kohlensäure erhalten wird.
Versuche über die Gestaltung des Wassergasprozesses bei verschiedenen Temperaturen
sind von Harris auf Veranlassung von Prof. Dr. H Bunte angestellt worden. Die Ergebnisse dieser
Versuche sind in der nachstehenden Tabelle zusammengestellt worden.
Tempe-ratur
Zusammensetzung desWassergases
Wasserdampf
Geschwin-digkeit desGasstromes
H
CO
CO2
zersetzt
unzersetzt
l. p. 1 Sek.
° C.
Volum
%
%
%
%
674
65,2
4,9
29,8
8,8
91,2
0,9
758
65,2
7,8
27,0
25,3
74,7
1,8
838
62,4
13,1
24,5
34,7
65,3
3,66
838
61,9
15,1
22,9
41,0
59,0
3,28
861
59,9
18,1
21,9
48,2
51,8
5,3
954
53,3
39,3
6,8
70,2
27,2
6,3
1010
48,8
47,7
1,5
94,0
6,0
6,15
1060
50,7
48,0
1,3
93,0
7,0
9,8
1125
50,9
48,5
0,6
99,4
0,6
11,3
Die Versuche wurden von Harris in der Weise ausführt,
dass über in einem Rohr befindliche, hoch erhitzte Holzkohle Wasserdampf geleitet
und die Menge des eingeleiteten Wasserdampfes sowie die Menge und chemische
Zusammensetzung des erzeugten Gases und auch die Gewichtsmenge des nicht zersetzten
Wasserdampfes bestimmt wurden. Durch die Versuche wurde bestätigt, dass bei
niedriger Temperatur, etwa 600 bis 700° C, die Zersetzung von Wasserdampf und Kohle
annähernd nach der Gleichung C + 2H2O = CO2 + 2H2 verläuft,
wobei etwa nur 5 bis 10 % Kohlenoxyd sich bilden, während mit steigender Temperatur,
bei etwa 1000°, die Zersetzung sich immer mehr der für den Wassergasprozess
günstigsten Grenze nach Gleichung C + H2O = CO +
H2 nähert.
Von besonderer Wichtigkeit für die Leistungsfähigkeit des Wassergasprozesses ist
der Umstand, dass der Gehalt an unzersetztem Wasserdampf mit steigender Temperatur
ungefähr in demselben Masse wie der Kohlensäuregehalt abnimmt; denn bei einer
Temperatur von etwa 700° werden nur ungefähr 8 % des eingeführten Wasserdampfes,
dagegen bei 1100° bereits 99 %, also fast sämtlicher Wasserdampf zersetzt. Diese
Thatsache spricht in nicht misszuverstehender Weise für die höhere
Leistungsfähigkeit des unten noch näher zu erläuternden Wassergasverfahrens nach Dellwik-Fleischer, bei welchem die Vergasung bei
möglichst hoher Glühtemperatur der Kohlen erfolgt. Der theoretische Luftverbrauch
beim vollkommenen Wassergasprozess beträgt 2,387 cbm oder 3,1 kg, der jedoch in der
Praxis nicht ausreicht.
Die Zusammensetzung des in der Praxis erzeugten Wassergases ist etwa folgende: CO =
39,96 %, H = 50,95 %, CH4 = 0,55 %, CO2 = 4,80 %, N = 3,74 %, Summa 100,00 %; die
Verbrennungswärme für 1 cbm beträgt 2570 W.-E. Während die älteren
Wassergasgeneratoren beim jedesmaligen Warmblasen, welches für den stündlichen
Betrieb ungefähr 45 Minuten dauert und somit für das Gasmachen nur eine Zeit von 15
Minuten übrig lässt, Generatorgas (CO + N), erzeugen, geschieht dies bei dem
Dellwik-Verfahren nicht, sondern es wird bei demselben direkt auf Hitze geblasen,
also CO2 + N abgeführt. Infolgedessen braucht man in
der Stunde für das Warmblasen eine Zeit von etwa 10 Minuten, so dass 50 Minuten auf
die Gaserzeugung entfallen. Hierdurch wird es ermöglicht, dass für 1 kg Koks im
Dellwik-Generator die hohe Ausbeute von 2,5 cbm Wassergas erzielt wird; beim Blasen
auf Generatorgas beträgt dagegen die Ausbeute an Wassergas für 1 kg Koks nur 1
cbm.
Folgende Wärmebilanz lässt den wesentlichen Unterschied zwischen beiden
Wassergaserzeugungsarten deutlich erkennen.
H2O = 18 kg Wasserdampf braucht zur Zersetzung 2 × 287800
57560
W.-E.
C = 12 kg dadurch in CO verwandelt, liefert
28800
„
–––––––––––––
folglich fehlen
28760
W.-E.,
welche zuzuführen sind, d.h. zur Zersetzung von je 18 kg Dampf
sind 28760 W.-E. durch Warmblasen zu ersetzen. Von dieser Wärme ist nur derjenige
Bruchteil für die nächste Dampfzersetzung verfügbar, welcher in dem Koks bleibt. Man
hat daher durch Warmblasen nur eine Wärmemenge zu erzeugen, welche gleich der
Differenz zwischen der Gesamtverbrennungswärme und der durch die Verbrennungsgase
abgeführten Abwärme ist.
Nehmen wir nun an, dass in einem Fall die Kohle zu CO, in dem anderen zu CO2 und zwar in beiden Fällen nur mit der
theoretischen Luftmenge verbrannt werde, dann folgt für 12 kg C (Kohlenstoff) nach
dem älteren Verfahren, wenn C zu CO verbrannt wird:
12 C à 2400 W.-E.
28800
W.-E.
Dazu gehören 16 O, welche als CO bei etwa 700° entweichen und dadurch entführen (spezifische Wärme von CO = 0,248); 28 × 700 × 0,248 =
4860
W.-E.
Auf 16 O kommen noch 16 × 3,31 = 52,9 kg N, welche bei 700° entführen (Cp = 0,244) 52 × 700 × 0,244 =
9035
„
––––––––––––
13895
„
––––––––––––
Daher sind verfügbar rund
14905
W.-E.
Nach dem Dellwik-Verfahren, wenn C zu CO2 verbrannt
wird:
12 × 8080
96960
W.-E.
Die 44 CO2 (Cp = 0,217) entziehen bei 1000° 44 × 1000 × 0,217 =
9548
W.-E.
Und 2 × 52,9 = 105,8 N = 105,8 × 1000 × 0,244 =
25814
„
––––––––––––
35362
„
––––––––––––
Daher sind hier verfügbar
61598
W.-E.
Es bleibt daher bei gleichem C-Verbrauch bei Verbrennung zu CO2 viermal so viel Wärme für Wassergas verfügbar, als
wie bei Verbrennung zu CO.
Bei einer Wassergasausbeute von 2,5 cbm pro 1 kg
Koks, wie sie das Dellwik-Verfahren im Gegensatz zu dem wesentlich weniger
leistenden älteren Verfahren ergibt, ist für die gesamte Industrie und insbesondere
auch für die Städtebeleuchtung nunmehr der Weg gebahnt, da die Vorzüge des
Wassergases und der niedrige Preis desselben im Verhältnis zu der gelieferten Anzahl
von Wärmeeinheiten längst anerkannt ist. Die Wassergasausbeute von 2,5 cbm auf 1 kg
Koks erhält man bei einem Koksmaterial von etwa 8 % Aschengehalt, wie durch den
Grossbetrieb auch bestätigt worden ist. Eine so hohe Gasausbeute ergibt für 7360
W.-E. pro 1 kg Kohle 2,5 × 2570 = 6425 W.-E. oder eine Wärmeausnutzung von 87,3 %,
während M. Geitel bei 2600 W.-E. im Wassergas und 8080
W.-E. im Kohlenstoff einen Wirkungsgrad von 81 % erhält.
Indessen leiden die heutigen Wassergasgeneratoren noch an dem Fehler, dass dieselben
nur für Koks und Anthracit, nicht aber für den Verbrauch von Kohle sich
verwenden lassen. Allerdings sind bereits mehrfach nach dieser Richtung hin Versuche
gemacht worden, worauf weiter unten bei der Beschreibung verschiedener
Generatortypen näher eingegangen werden soll; indessen hat noch kein derartiger
Generator einen durchschlagenden Erfolg und allgemeine Einführung erringen können.
Erst wenn Kohlengeneratoren ähnliche Resultate wie die Dellwik'schen Koksgeneratoren aufzuweisen haben, werden dieselben
berechtigt sein, an der Erzeugung von Licht, Wärme und Kraft teilzunehmen. Welchen
Umfang die Jahreserzeugung von Wassergas nach dem Dellwik-Verfahren bereits im Jahre
1899 erreicht hat, kann aus dem nachstehenden Verzeichnis der nach Dellwik-Fleischer's System 1899 eingerichteten
Wassergasanlagen und Generatoren ersehen werden.
Textabbildung Bd. 317, S. 546
Besitzer der Anlagen; Ort; Anzahl der Generatoren; Produktionsfähigkeit der Apparate in Kubikmetern; Verwendung des Wassergases
für; Bemerkungen; Stadt; Deutsche Kontinental-Gas-Gesellschaft; Compagnie du gaz de Lyon; Verwarmings en Verlichtings Maatschappij
A.-G. für Gas-, Wasser- u. Elektrizitätsanlagen, Berlin; Königsberg i. Pr.; Erfurt; Remscheid; Iserlohn; Pforzheim; Barmen-Rittershausen
Plauen i. V.; Lyon; Nürnberg; West Bromwich (England); Brummen (Holland); Osterfeld (Westfalen); Warstein (Westfalen); Wiborg
(Finnland); pro Stunde; pro Tag; Städtische Zwecke: Beleuchtung, Heizen, Kochen u.s.w.; Wassergas mit Benzol-Karburierung
zur Erweiterung der Steinkohlengasanlage; Reines Wassergas; Industrie; Eisen- und Stahlindustrie und Maschinenbauanstalten;
Gutehoffnungshütte; Oberhausen; Abteilung Sterkrade; Leeds Forge Comp. Ltd.; Neue Deutsche Stahlwerke A.-G.; Peiner Walzwerke;
Akt.-Ges. der Dillinger Hüttenwerke; Dampfkessel- und Maschinenbau-A.-G.; „W. Fitzner u. K. Gamper“; Deutsche Röhrenwerke W. Fitzner; Blechschweisserei und Kesselfabrik; Duisburger Eisen- und Stahlwerke; Deighton's Patent
Flue und Tube Co. Ltd.; Akt.-Ges. „Ferrum“ vorm. Rhein und Co.; Mekaniska Werkstaden „Vulkan“; R. und J. Dempster Lim. Gasapparate- und Maschinenbauanstalt; pro Stunde; pro Tag; Sterkrade; Leeds (England); Reinickendorf
bei Berlin; Peine; Dillingen a. Saar (Rheinprovinz); Sielce bei Sosnowice (Russland); Düsseldorf; Laurahütte (Ob.-Schles.);
Duisburg; Leeds (England); Zawodzie bei Kattowitz (Oberschlesien); Norrköping (Schweden); Manchester; Martin-Ofenbetrieb der
Stahlgussgiesserei; Martin-Ofenbetrieb und Schweissen; Martin-Ofenbetrieb; Schweissen von Blechen u.s.w.; Schweissen von Dampfkesseln
u.s.w. und Glühen; Schweissen von Röhren; Schweissen von Gefechtstürmen u. Masten für Kriegsschiffe, Dampfkesseln u. dgl.;
Schweissen von Dampfkesseln u. dgl.; Schweissen von Dampfkesseln, Röhren u.s.w. Schweissen von Dampfkesseln, Röhren u.s.w.
Schmiedefeuer; Schweissen von Dampfkesseln, Röhren u.s.w. Glühofen; Zweiter Generator nachbestellt
Textabbildung Bd. 317, S. 547
Besitzer der Anlagen; Ort; Anzahl der Generatoren; Produktionsfähigkeit der Apparate in Kubikmetern; Verwendung des Wassergases
für; Bemerkungen; Eisen- und Stahlindustrie und Maschinenbauanstalten; pro Stunde; pro Tag; J. N. Eberle und Co., Augsburg;
Glühen Zweiter Generator nachbestellt; Uhrfedern und Sägefabrik Bergische Fahrradwerke „Elite“; Fritz Evertsbusch; Warsteiner Gruben- und Hüttenwerke; Die betreffende Firma wünscht nicht genannt zu sein Pilkington Brothers;
Ltd.; Glasmanufaktur von Schulze-Berge und Schulz; Die betreffende Firma wünscht nicht genannt zu sein; Società Cruto Glühlampenfabrik
„Svea“ Glühlampenfabrik von de Laval; Gesellschaft für elektrische Unternehmungen; de Haën; The Cassel Gold Extracting Co. Ltd.;
Badische Anilin- und Sodafabrik; The Lake Superior Power Co.; Lennep bei Remscheid; Warstein (Westfalen); Norddeutschland;
St. Helens; Lancashire (England); Lünen (Westfalen); Westdeutschland; Turin; Stockholm; Berlin; Chemische und metallurgische
Industrie; List vor Hannover; Glasgow; Ludwigshafen a. Rh.; Sault St. Marie; Canada; Hart- und Weichlöten; Trockenöfen; Heizung
und Beleuchtung Motorenbetrieb; Schmiedefeuer; Schweissen; Härten; Glühen; Beleuchtung; Heizung und Kochen; Glasschmelzen
in Wannen zur Herstellung von Flaschen; Glasschmelz. i. Wannenöfen zur Herstellung von Tafel-; Spiegel- und Fensterglas; Herstellung
feiner Gläser; Motorenbetrieb; Heizen und Kochen; Beleuchtung; Glasschmelzen in Wannen zur Herstellung von Glaswaren; Glasblasen;
Herstellung elektrischer Glühlampen; Glasblasen; Herstellung elektrischer Glühlampen; Motorenbetrieb; Heizung; Löten von Akkumulatoren
mit Blei; Chemische Industrie und Laboratoriumszwecke; Zentralfeuerung und Beleuchtung für die chemischen Werke; Zentralfeuerung;
besonders für Dampfkesselfeuerung zum Trocknen von Papiermasse und zum Rösten von Nickelerzen
Bei den grossartigen Erfolgen, welche nach vorstehenden Angaben mit dem Wassergas
erzielt worden sind, ist es erklärlich, dass Gastechniker und Physiker, sowie
Erfinder von Beruf mit aller Kraft des Geistes eine weitere Vervollkommnung des
Wassergasverfahrens versucht und insbesondere den beim Wassergasverfahren zu
technischen Schwierigkeiten und Verlusten führenden unterbrochenen Betrieb durch
einen stetigen Betrieb zu ersetzen gesucht haben. Von allen diesen Bestrebungen
sollen hier nur zwei Typen besprochen werden, nämlich die Gaserzeugungsverfahren von
Clauss und von Pictet.
Es sei jedoch von vornherein bemerkt, dass diese Verfahren nach meiner Ansicht dem
unterbrochen arbeitenden Verfahren gegenüber schwere Nachteile aufweisen, welche
eine Verdrängung des Dellwik-Verfahrens als ausgeschlossen erscheinen lassen. Die
beiden neuen Verfahren können nur unter ganz bestimmten Bedingungen in Frage kommen.
Bevor ich jedoch auf die Besprechung dieser Gaserzeugungsverfahren eingehe,
möchte ich erst noch mit Bezugnahme auf die oben erwähnte höchst verdienstvolle
und recht anregende Arbeit von Felix Clauss
„Wassergaserzeugung in kontinuierlichem Betrieb nebst einem Anhange:
Ueber die notwendigen Verluste beim Dellwik-Prozess“ auf die nach
den landläufigen Anschauungen der Thermochemie viel zu hohe Leistung des
Dellwik-Verfahrens eingehen, da thatsächlich auch mir die Leistungsfähigkeit
desselban bei den nicht zu vermeidenden Verlusten erheblich zu hoch erscheint und
dieser Umstand, wie Clauss in seiner Arbeit es trotz
den entgegenstehenden Auffassungen der Fachchemiker hervorgehoben hat, einer
ausreichenden Erklärung und Begründung bedarf.
Da die betreffenden Vorgänge auch für die Theorie der Verbrennungsvorgänge, ja
überhaupt auch für die Grundlagen der Thermochemie von hohem Werte sind, so will ich
im Anschluss an die Bemerkung von Clauss, dass die in
der Kohle enthaltene und durch den Dellwik-Prozess
auslösbare Wärmemenge grösser sein müsse, als man bisher angenommen habe, nach
Besprechung der wichtigsten Ansichten hierüber, auch meine eigene Ansicht darüber
anschliessen. Während die Fachchemiker diese Behauptung mit dem einfachen
beweislosen Hinweise verneinten, dass dieselbe in schroffem Widerspruch mit dem
Grundgesetz der Thermochemie von Hess stehe und sich
darum hinlänglich als unzutreffend kennzeichne, haben gerade Wassergastechniker
diese Behauptung immer wieder von neuem aufgestellt, insbesondere Quaglio; Dwight und Strong, so dass sich die heutige Theorie der Aufgabe nicht entziehen darf,
die vorliegende Frage nochmals zu prüfen. Denn gerade die Wassergaspraxis hat bei
eingehendem Studium der einzelnen Wassergas verfahren immer wieder von neuem die an
sich unmöglich scheinende Thatsache bestätigt, dass die Umwandlung der Kohle in
Wassergas unter Umständen einen grösseren kalorischen Effekt erzielen lässt, als
dies möglich wäre, wenn die in der Kohle aufgespeicherte Energie thatsächlich nur
8080 W.-E. betragen würde.
Quaglio, der als erster diese Frage angeschnitten hat,
führt in seiner Schrift „Wassergas als der Brennstoff der
Zukunft“ (Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1880) aus, dass bei der
Verbrennung eines Brennmaterials in fester Form ein grosser Teil der in der Kohle
enthaltenen Energie, abgesehen von der Wärme, die die mit hoher Temperatur
abziehenden Abgase durch den Schornstein abführen, zur Umänderung des
Aggregatzustandes verwendet würde; d.h. um den festen Körper in einen gasförmigen,
hier den festen Kohlenstoff in gasförmigen Kohlenstoff in der Verbindung von
Kohlenoxyd bezw. von Kohlensäure zu verwandeln, wird ein merklicher Bruchteil der
gesamten Verbrennungswärme verbraucht, so dass die bisher beobachtete
Verbrennungswärme thatsächlich einen zu kleinen Wert darstellt. Auf diesen Umstand
ist bei allen theoretischen Berechnungen, in denen es sich um den Vergleich der
Heizwerte von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen handelt, in der That noch
nicht genügend Rücksicht genommen worden. Mit Bezug hierauf sagt Quaglio auf S. 9 seiner Schrift: „Nach Favre gibt Kohle (C) zu Kohlensäure (CO) verbrannt
8080 W.-E., Kohle zu Kohlenoxyd (CO) 2473 W.-E.; nun gibt aber 1 Gewichtsteil
Kohle 2⅓ Gewichtsteile Kohlenoxyd, welche sohin bei ihrer Verbrennung 2⅓ × 2402
= 5604 W.-E. produzieren, wozu obige 2473 addiert, wieder 8077 W.-E.
resultieren, d.h. die Summe der erzielten Wärme ist die gleiche, ob wir den
festen Kohlenstoff direkt zu Kohlensäure oder erst zu Kohlenoxyd und dann das
Kohlenoxyd zu Kohlensäure verbrennen; ein anderer auffälliger Umstand drängt
sich aber uns bei Betrachtung dieser Ziffern ins Auge. Dieselbe Gewichtsmenge
Kohle mit derselben Gewichtsmenge Sauerstoff verbunden, gibt im Fall C zu CO
2473 W.-E., im Fall CO zu CO2 5604 W.-E.; die
ganze Erklärung dieser Differenz besteht darin, dass dieselbe im Betrag von 3131
W.-E. zur Verwandlung der festen Moleküle in gasförmige aufgebraucht und
gebunden worden ist. Hiernach würde also, wie Clauss a. a. O. zu den vorstehenden Ausführungen Quaglio's ganz richtig bemerkt, die thatsächlich in
dem Kohlenstoff vorhanden gewesene Wärmemenge nicht nur 8080 W.-E., sondern 8080
+ 3131 = 11211 W.-E. betragen. Auch Dwight spricht
es mit dürren Worten aus, dass bei der Umwandlung der Kohle aus dem festen in
den gasförmigen Zustand ein Teil der Kraft des Brennstoffes bei seiner Vergasung
verbraucht werde und somit das Maximum der potentiellen chemischen Energie der
Kohle grösser sei als die gegenwärtige Schätzung. Ob dieses Mehr an Wärmeenergie
sich unter Umständen gewinnen lässt, ist eine Frage des Gastechnikers und wird
von Quaglio sowohl wie auch von Dwight nicht scharf genug gewürdigt bezw.
erledigt.
Clauss bemerkt dazu, dass Quaglio die Kraft versage, sich zur vollen Erkenntnis dieser Frage
durchzuringen und zu der Behauptung zu kommen, dass dies möglich wäre, wenn nur die
einzelnen in Betracht kommenden Faktoren dementsprechend eingestellt würden. Quaglio kommt vielmehr zu dem Schluss, dass das neue
Gas einen viel höheren Nutzeffekt an Heizkraft habe, als xcb/>aus der Kohle durch
irgend ein anderes Verfahren erhalten werden könne, da ja das Gas theoretisch nicht
mehr so viel Wärmeeinheiten enthalten könne als die Kohle, aus der es hergestellt
wurde, denn ein Teil der Wärmeeinheiten sei als „Konstitutionswärme“ des
Gases, ein anderer durch Strahlung und Abkühlung verbraucht worden. Indessen hätte
dies für den Praktiker weniger Wert, da derselbe es ja lediglich mit dem Nutzeffekt
und nicht mit dem theoretischen Wert zu thun habe. Auch Dwight, der etwas weiter geht als Quaglio,
gelangt nicht zur richtigen Erklärung bezw. technischen Verwertung der feststehenden
Thatsache. Auch nach ihm wird bei der Verbrennung eines Brennmaterials in fester
Form ein grosser Teil der in der Kohle enthaltenen Energie zur Umänderung des
Aggregatzustandes verwendet; weiter gibt er an, dass bei der jetzigen Art der
Erzeugung von Verbrennungswärme eine wesentliche Verlustquelle in dem Widerstände
liegt, den das feste Brennmaterial der sich mit ihm vereinigenden Verbrennungsluft
entgegensetzt. Im Anschluss hieran wirft nun Clauss a.
a. O., ohne auf eine theoretische Begründung oder Erklärung des vorliegenden
Sachverhalts auch nur einzugehen, sofort die technische Frage auf, ob sich die
Verbrennung, d.h. hier zunächst die Umwandlung des festen Kohlenstoffs in Kohlenoxyd
nicht so leiten lasse, dass der Teil der in der Kohle enthaltenen Energie, der zur
Umänderung des Aggregatzustandes dient, verringert wird und somit diese Umwandlung
weniger Energie beanspruche, folglich auch mehr nutzbare Energie zur Verfügung
stehe.
Um nun meinen Standpunkt zu der vorliegenden Frage kurz zu kennzeichnen, muss ich
sagen, dass in praktischer Hinsicht die Versuche von Clauss einem Perpetuum mobile nachjagen, in wissenschaftlicher Hinsicht
dagegen auf einem vollberechtigten und thermochemisch noch nicht genügend
gewürdigten Vorgang begründet sind. Dies ist auch der Grund gewesen, aus welchem ich
gerade an dieser Stelle auf die behandelten Punkte so ausführlich eingegangen bin.
Uebrigens hat bereits Naumann in seiner Thermochemie
durch die auf S. 394, 397 und 398 angeführten Verbrennungs- bezw. Bildungswärmen die
Bedeutung der Konstitution des Brennstoffes für die Wärmeentwickelung bezw. Bindung
deutlich gekennzeichnet. Ich lasse die betreffenden Zahlenangaben hier folgen.
Verbrennungswärmen verschiedener Kohlenarten, der Kohle in
Stickoxydulgas.
Substanz
1 kg
1 Atom
Differenz
Holzkohle
8080,0
96960
–
Zuckerkohle
8040,0
96480
40,0
Kohle aus Gasretorten
8047,3
96568
32,7
Natürlicher Graphit
7796,6
93560
283,4
Graphit aus Hochöfen
7762,3
93148
317,7
Diamant
7770,0
93240
310,0
Kohle im Stickoxydul
11158,0
133900
–
Bildungswärme des Cyans, Cyanwasserstoffs.
C2 (Diamant) + N2 = C2N2
– 74500
–
C2 (amorph) + N2=C2N2
– 68500
600
C (amorph) NH
– 28360
–
C (Diamant) NH
– 30200
1840
Wie die letzte Zahlenreihe erkennen lässt, sind die Verbrennungs- bezw.
Bildungswärmen für die allotropischen Zustände des Kohlenstoffs merklich voneinander
verschieden, so dass die oben von Quaglio, Dwight und
Clauss erhobenen Bedenken in theoretischer Hinsicht
mit Recht eine Klärung beanspruchen können.
(Schluss folgt.)