Titel: | Allgemeine Untersuchung des elastischen Bogens zwischen zwei festen Kämpfergelenken und ohne Zwischengelenken. |
Autor: | G. Ramisch |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 633 |
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Allgemeine Untersuchung des elastischen Bogens zwischen zwei festen Kämpfergelenken und ohne Zwischengelenken.
Von Prof. G. Ramisch in Breslau.
Allgem. Untersuchung des elastischen Bogens zwischen zwei festen Kämpfergelenken u. ohne Zwischengelenken.
I.
Der elastische Bogen habe in Fig. 1
A zum festen und B
zunächst zu einem parallel zu \overline{m\,n} beweglichen Auflager. Er sei von
der Kraft P beansprucht, welche von A den Abstand p hat. Der
Auflagerdruck in B ist, wenn wir von der Reibung
absehen senkrecht zu \overline{m\,n} gerichtet, wir nennen denselben künftig auch B und seinen Abstand von A
bezeichnen wir mit l. Es ist dann:
B=\frac{P\,\cdot\,p}{l} . . . . . . . 1.)
Man betrachte einen Querschnitt normal zu den als Parallel
vorausgesetzten Fasern des Bogens und bezeichnen mit G den Schnittpunkt desselben mit dem Auflagerdruck B. Sind nun die Fasern in der Nähe dieses Querschnitts
allein elastisch, so zerfällt der Bogen in zwei starre, aber bewegliche Teile,
welche einen gemeinschaftlichen Punkt haben, welchen wir D nennen werden. Dieser Punkt liegt auf der Verlängerung von \overline{G\,C},
wenn C der Schwerpunkt des Querschnitts ist. Um ihn zu
bestimmen, nenne man x den Trägheitsradius des
Querschnitts, so muss sein:
x^2=\overline{G\,C}\,\cdot\,\overline{C\,D}
Textabbildung Bd. 317, S. 633
Fig. 1.
hieraus folgt:
\overline{C\,D}=\frac{x^2}{G\,C} . . . . . . . 2.)
mittels welcher Gleichung der Punkt D leicht zu zeichnen ist. Man ziehe, nachdem dies geschehen ist,
AD bis zum Schnittpunkte K mit GB, so ist der Teil zwischen D und B Momentan um K drehbar, während der andere Teil zwischen A
und D sich um A drehen
kann. Wir bezeichnen mit dα und dβ die unendlich kleinen Drehwinkel um A
bezw. K und mit dγ die
unendlich kleine Veränderung des gestreckten Winkels ADK, welche gleichzeitig mit den Drehungen stattfindet, so findet nach den
Lehren der Kinematischen Geometrie Agende Bezeichnung statt:
\overline{A\,K}\,\cdot\,d\,\beta=\overline{A\,D}\,\cdot\,d\,\gamma
Durch D lege man zu \overline{G\,K}
die Parallele bis zum Schnitt-Punkte D' mit der vorher
zu ziehenden Geraden \overline{A\,B} und wenn y' die
entstandene Strecke, so ist:
\frac{\overline{A\,K}}{\overline{D\,A}}=\frac{\overline{K\,B}}{y'}
also haben wir auch:
\overline{K\,B}\,\cdot\,d\,\beta=y'\,\cdot\,d\,y
Hierin ist nun \overline{K\,B}\,\cdot\,d\,\beta nichts anderes, als der von B zurückgelegte Weg, wenn sich die
Bogenteile mit den genannten unendlich kleinen Winkeln um A bezw. K drehen.
Nennen wir dσ diesen unendlich kleinen Weg, so findet
folgende Gleichung statt:
dσ = y' . dγ . . . . . . .
. . . 3.)
Hierin ist dγ von der Belastung abhängig, welche die
Beweglichkeit der Bogenteile erzeugt und wir machen es jetzt uns zur Aufgabe, diese
Abhängigkeit festzustellen. – Zu dem Zwecke wähle man G
zum Angriffspunkt von B und zerlege dort diese Kraft in
die Seitenkräfte B . sin α
senkrecht zum Querschnitt und B . cos α im Querschnitte
wirksam, wenn ∢ CGB = a ist. Den Einfluss dieser Seitenkraft lassen wir, weil er zu geringfügig ist,
unbeachtet und beschäftigen uns nur mit der Seitenkraft B . sin α. Ist K die Spannung in der Schwerpunktfaser, so hat man,
wenn F der Inhalt des Querschnitts ist:
K . F = B . sin α
Ist ferner τ die Spannung in der Entfernung
„Eins“ von D, so ist weiter:
K=\overline{D\,C}\,\cdot\,\tau
also hat man:
\overline{D\,C}\,\cdot\,\tau\,\cdot\,F=B\,\cdot\,sin\,a
Mit Rücksicht auf Gleichung 2 entsteht weiter:
\tau\,\cdot\,F\,\cdot\,x^2=\overline{G\,C}\,\cdot\,B\,\cdot\,sin\,a
worin F . x2 das Trägheitsmoment des Querschnitts
in Bezug auf die betreffende Schwerpunktachse ist, die zur neutralen Achse parallel
liegt und letztere geht wiederum durch D. Bezeichnen
wir noch mit b den Abstand des Schwerpunktes C von B, so ist:
B . b = τ . J . . . . . . . . . . 4.)
weil \overline{G\,C}\,\cdot\,sin\,a=b
ist.
Wir bezeichnen weiter mit E den Elastizitätsmodul sämtlicher Fasern des Querschnitts und mit ds das Bogenelement der Schwerpunktfaser, so ist:
K=\frac{\overline{D\,C}\,\cdot\,d\,\gamma}{d\,s}\,\cdot\,E
nach dem Hooke'schen Gesetz. Die
letzte Gleichung ist nicht genau richtig, denn sie setzt voraus, dass sämtliche
Fasern zwischen zwei unendlich nahen Querschnitten gleiche Länge ds haben. Nehmen wir aber die Dicke des Bogens im
Verhältnis zum Krümmungsradius als sehr gering an, so ist die Gleichung
ausserordentlich genau.
Da: DC . τ = K ist, so hat man nunmehr:
\tau=\frac{d\,\gamma}{d\,s}\,\cdot\,E
so dass man nach Gleichung 4 hat:
B\,\cdot\,b=E\,\cdot\,J\,\cdot\,\frac{d\,\gamma}{d\,s}
also entsteht endlich mittels Gleichung 1.)
E\,\cdot\,J\,\cdot\,\frac{d\,\gamma}{d\,s}=\frac{P\,\cdot\,p}{l}\,\cdot\,b
womit die Beziehung zwischen der Belastung P und dγ festgestellt ist.
Nun ist \frac{P\,\cdot\,p}{l}\,\cdot\,b das Biegungsmoment von P für den
Querschnitt, nennen wir es M, so hat man:
E\,\cdot\,J\,\cdot\,\frac{d\,\gamma}{d\,s}=M . . . . . . . . 5.)
Nach Gleichung 3 ist jetzt:
E . J . dσ = B . b . y' . ds.
Man ziehe durch C die Parallele zu y' bis zum Schnittpunkte C' mit AB und nenne y die entstandene Strecke. Bildet nun y mit
AB den Winkel φ, so
ist:
y=y'+\frac{\overline{D\,C}\,\cdot\,sin\,(\varphi+a)}{sin\,\varphi}
Also ist, wenn man noch \overline{D\,C}=\frac{x^2}{\overline{C\,G}} setzt:
d\,\sigma=\frac{B\,\cdot\,b\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J}-\frac{x^2\,sin\,(\varphi+a)}{sin\,\varphi}\,\cdot\,\frac{B\,\cdot\,b\,\cdot\,d\,s}{\overline{C\,G}\,\cdot\,E\,\cdot\,J}
Nun ist weiter: J = F . κ2 und \frac{b}{\overline{C\,G}}=sin\,a.
Daher hat man:
d\,\sigma-\frac{B\,\cdot\,b\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J}-\frac{sin\,(\varphi+a)}{sin\,\varphi}\,\cdot\,B\,\cdot\,sin\,a\,\cdot\,\frac{d\,s}{E\,\cdot\,F}
Wir setzen d\,\sigma'=\frac{B\,\cdot\,b\,\cdot\,}{E\,\cdot\,J}\,y\,\cdot\,d\,s
und d\,\sigma''=\frac{B\,\cdot\,sin\,a\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,F}\,\cdot\,\frac{sin\,(\varphi+a)}{sin\,\varphi}
wodurch entsteht:
dσ = dσ' – dσ''.
Betrachtet man \frac{B\,\cdot\,sin\,a\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,F}, so ist dies nichts anderes, als die Längenveränderung von
ds, welche von der Kraft B . sin α erzeugt wird. Wir nennen sie Δds und haben jetzt:
d\,\sigma''=\Delta\,d\,s\,\cdot\,\frac{sin\,(\varphi+a)}{sin\,\varphi}
Aus der Gleichung erkennt man, dass dσ'' nur dann die Projektion von Δds ist, wenn φ = 90°
beträgt, sonst aber nicht, Man zeichne ein Dreieck uvw
hin, so dass \overline{u\,v} senkrecht zu \overline{G\,B}, \overline{v\,w} senkrecht zu \overline{A\,B}
und \overline{w\,u} senkrecht zu \overline{G\,C} ist; bedeutet nun \overline{u\,w} die Veränderung
Δds der Schwerpunktfaser ds, so ist \overline{u\,v} nichts anderes als der Weg, welchen der Punkt B dabei zurücklegt. Würde statt der Kraft B das Kräftepaar vom Momente B
. b wirken, so würde dσ'' der Weg sein, welchen B dabei
zurücklegt, ferner wäre der Schwerpunkt C, statt dem
Punkte D gemeinschaftlicher Punkt der beiden
Bogenstücke. –
Man bringe in C zwei der Kraft B gleiche parallele aber entgegengesetzt gerichtete Kräfte B1 und B2 an, wodurch an dem
Kräftesystem nichts geändert wird.
Das Kräftepaar, bestehend aus den Kräften B2 und B, veranlasst den
Weg dσ'', indem dabei
der Schwerpunkt C gemeinschaftlicher Punkt der
Bogenstücke ist, die Kraft B1 veranlasst ferner dσ''. Letzterer Ausdruck ist nun gegen dσ zu vernachlässigen, was wir künftig
auch thun werden. Wir werden also stets:
d\,\sigma=\frac{B\,\cdot\,b\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J} . . . . . . . . 6.)
setzen und dabei zugleich den
Schwerpunkt C zum gemeinschaftlichen Punkte der beiden Bogenstücke nehmen.
Zieht man also \overline{A\,C} bis zum Schnittpunkte K' mit
\overline{B\,G}, so ist letzterer als momentaner Pol des rechten Bogenstückes statt K anzusehen.
In der Abbildung liegt der Querschnitt zwischen P und
dem beweglichen Auflager. Setzen wir B . b = M, so
ist:
d\,\sigma=\frac{M\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J} . . . . . . . . 7.)
und in dieser Gestalt ist die Gleichung auch brauchbar, wenn
P zwischen dem Querschnitt und dem beweglichen
Auflager sich befindet. Die Formel hat also auch dann
Gütigkeit, wenn M das Biegungsmoment von beliebig vielen auf den Bogen wirkenden
Belastungen ist.
Wichtig ist der Fall, wenn die Kraft in B parallel
zu \overline{m\,n} wirksam ist.
Nennen wir sie H, so entsteht, wie sich leicht ableiten
lässt:
M = H . y
und man hat dann:
d\,\sigma=\frac{H\,\cdot\,y^2\,d\,s}{E\,\cdot\,J} . . . . . . . . 8.)
Wirken also äussere Kräfte und H zugleich auf den Bogen,
so bringen sie eine Verschiebung dσ hervor, welche mittels der Formeln 7.) und 8.) sich ergiebt.
Sie lautet:
d\,\sigma=\frac{M\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J}\,\pm\,\frac{H\,\cdot\,y^2\,d\,s}{E\,\cdot\,J} . . . 9.)
Bewirken die äusseren Kräfte, aus welchen sich M bildet,
eine Bewegung wie H in gleicher Richtung, also entweder
von m nach n oder von n nach m, so gilt das positive Vorzeichen. Ist aber die
Bewegung, welche die äusseren Kräfte hervorbringen, entgegengesetzt zu der von H erzeugten Bewegung, so gilt das negative Vorzeichen.
Ersteres findet statt, wenn H die Richtung von m nach n hat, letzteres
dagegen, wenn die Richtung von n nach m geht. Ergiebt sich dσ positiv, so heisst dies: B bewegt sich von m nach
n hin, und ist dσ negativ, so ist die Bewegung des Punktes
B umgekehrt von n nach
m.
Zum Schlusse bemerken wir noch, dass dσ', dσ'', dσ und ds nicht
als Differentiale, sondern als sehr kleine Grössen aufzufassen sind. Es liegt dies
an der Ungenauigkeit des Hooke'schen Gesetzes; anders
würde sich die Sache gestalten, wenn in dem Gesetze die Zeit, in welcher von einer
Kraft eine bestimmte Längenveränderung eines Stabes
hervorgerufen wird, mit berücksichtigt würde.
II.
In Fig. 2 ist nur die Verbindungslinie der
Querschnittsschwerpunkte, welche wir, wie es üblich ist, elastische Linie nennen
wollen, dargestellt. Dieselbe hat A zum festen und B zum horizontal beweglichen Auflager, sodass
\overline{m\,n} eine wagerechte Bahn ist. Weiter setzen wir voraus, dass künftig die
Belastungen des Bogens nur senkrecht, also normal zu \overline{m\,n} und unter einander
parallel gerichtet sind. Die Auflagerdrücke sind dann ebenfalls parallel zu den
Lasten, und den Abstand derselben nennen wir die Spannweite l des Bogens. Ferner soll für die weitere Untersuchung der
Elastizitätsmodul E und das Trägheitsmoment J eines jeden Querschnitts bekannt sein. – Es sei \overline{e\,f}=d\,s das Bogenelement der elastischen Linie an irgend
einer Stelle. Durch den Mittelpunkt u von \overline{e\,f}
ziehe man bis zum Schnittpunkte v mit der vorher zu
ziehenden Geraden \overline{A\,B} eine zu \overline{m\,n} senkrecht gerichtete Strecke und
nenne sie wie vorhin y. Durch v lege man die Parallele zu \overline{m\,n} und zeichne die Normale in1 Punkte u zum
Bogenelemente \overline{e\,f}. Letztere Geraden treffen sich in w und wir setzen \overline{u\,w}=z'
= z'. Ebenso lege man durch e und f Parallelen zu y und nenne dx deren Abstand von einander. Es
ist dann, wie sich leicht ableiten lässt:
\frac{d\,s}{d\,x}=\frac{z'}{y}
d.h. ds . y = z' . dx.
Wir nennen weiter E den Elastizitätsmodul und J das Trägheitsmoment an der Stelle u und E0 einen beliebigen aber konstanten Elastizitätsmodul
und J0 ein beliebiges
aber konstantes Trägheitsmoment. Es ist dann auch:
\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s=\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,d\,x\,\cdot\,z'.
Es ist nun \frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,z' eine Strecke, welche man berechne. Wir nennen z diese Strecke und erhalten einmal:
\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,z'=z . . . . . 10.)
und das anderemal:
\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,y\,\cdot\,d\,s=z\,\cdot\,d\,x . . . . . 11.)
Man zeichne in Fig. 2 eine horizontale Linie
\overline{a\,b} hin und projeziere darauf das Element \overline{e\,f} der elastischen Linie,
so ist die Projektion gleich dx. Ferner bezeichne man
die Projektion von u auf \overline{a\,b} mit k und mache die normale Strecke \overline{k\,r} auf
\overline{a\,b} gleich z. So verfahre man mit allen
Elementen der elastischen Linie und zeichne für jedes derselben den Punkt r, so erhält man durch Verbindung der Punkte r eine krumme Linie, welche mit \overline{a\,b} eine Fläche
begrenzt, die für die Zukunft von grosser Bedeutung ist. Wir wollen die Fläche aus
Gründen, welche später von selbst sich ergeben werden, die
Belastungsfläche des Balkens \overline{a\,b}
nennen. Man fasse nämlich \overline{a\,b} als geraden frei
aufliegenden Balken auf, welcher die Fläche zur Belastung hat, daher der Name. Es
sei bemerkt, dass, wenn der Bogen eine solche Gestalt hat wie hier, d.h. wenn alle
Punkte desselben über \overline{A\,B} liegen, alle Punkte r
entweder über oder unter \overline{a\,b} zu zeichnen sind. Es gilt dies auch dann, wenn
der Bogen nur unter \overline{A\,B} sich befindet. Liegt er teils über, teils unter
\overline{A\,B}, so ist die Sache anders, wir werden es dann teils mit Belastung, teils mit Entlastung des Balkens \overline{a\,b} zu thun haben; doch wollen wir uns erst
später damit beschäftigen. Ist nun die Belastungsfläche dargestellt, so zeichne man
dafür mit einem beliebigen Polabstande h die
Momentenfläche. In der Fig. 2 ist a1
b1 die Schlusslinie
dieser Momentenfläche.
Textabbildung Bd. 317, S. 635
Fig. 2.
Der Bogen sei nun mit P belastet und letzterer habe vom
linken und rechten Auflager pa bezw. pb zu Abständen. Der linke Auflagerdruck ist dann \frac{P\,\cdot\,p_b}{l} und
der rechte \frac{P\,\cdot\,p_a}{l}. Befindet sich der Punkt Ca der elastischen Linie links von P, so ist dafür das Biegungsmoment: \frac{P\,\cdot\,p_b}{l}\,\cdot\,x_a und
befindet sich der Punkt Cb der elastischen Linie rechts von P, so
ergiebt sich dafür das Biegungsmoment \frac{P\,\cdot\,p_a}{l}\,\cdot\,x_b durch Ca und Cb lege man Parallelen zu P bis zu den Schnittpunkten mit \overline{A\,B} und
bezeichne die entstandenen Strecken mit ya bezw. yb. Dann möge noch der Bogen im Punkte B mit der Kraft H parallel
zu \overline{m\,n} beansprucht sein. Sind nun die Fasern in der Nähe des Querschnitts mit
dem Schwerpunkte Ca
elastisch, so ergiebt sich der von B zurückgelegte Weg dσb infolge der Lasten P und H aus Gleichung 9.),
nämlich:
d\,\sigma_a=\frac{P\,\cdot\,p_b}{l}\,\cdot\,\frac{y_a\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,x_a-\frac{H\,\cdot\,y_a^2\,d\,s}{E\,\cdot\,J}
Dabei wirkt die Kraft H in der Richtung von n nach m. Die übrigen
Grössen in dieser Gleichung haben die Bedeutung wie früher; dasselbe gilt von der
folgenden Gleichung. – Sind dagegen nur die Fasern in der Nähe des Querschnitts mit
dem Schwerpunkte Cb
elastisch, so ergiebt sich der von B zurückgelegte Weg
dσb infolge
derselben Lasten ebenfalls aus Gleichung 9.) und zwar:
d\,\sigma_b=\frac{P\,\cdot\,p_a}{l}\,\cdot\,\frac{y_b\,\cdot\,d\,s}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,x_b-\frac{H\,\cdot\,y_b^2\,d\,s}{E\,\cdot\,J}
Wir schreiben diese Gleichungen:
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,d\,\sigma_a-\frac{P\,\cdot\,p_b}{l}\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,y_a\,\cdot\,d\,s\,\cdot\,x_a-\frac{H\,\cdot\,y^2_a}{E\,\cdot\,J},E_0\,J_0\,\cdot\,d\,s
und
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,d\,\sigma_b-\frac{P\,\cdot\,p_a}{l}\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,y_b\,\cdot\,d\,s\,\cdot\,x_b-\frac{H\,\cdot\,y^2_b}{E\,\cdot\,J},E_0\,J_0\,\cdot\,d\,s
Nach Formel 11.) ist nun:
\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,y_a\,\cdot\,d\,s=z_a\,\cdot\,d\,x
und
\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,y_b\,\cdot\,d\,s=z_b\,\cdot\,d\,x
wobei za und zb Ordinaten zu Ca und Cb in der Belastungsfläche sind.
Daher entsteht:
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,d\,\sigma_a=\frac{P\,\cdot\,p_b}{l}\,\cdot\,z_a\,\cdot\,d\,x\,\cdot\,x_a-H\,\cdot\,y^2_a\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}
und
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,d\,\sigma_b=\frac{P\,\cdot\,p_a}{l}\,\cdot\,z_b\,\cdot\,d\,x\,\cdot\,x_b-H\,\cdot\,y^2_b\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}
Nun sind weiter za . dx und zb . dx nichts anderes als Flächenelemente
der Belastungsfläche, die wir dfa und dfb nennen wollen. Hierdurch entsteht weiter:
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,d\,\sigma_a=P\,\cdot\,\frac{p_b}{l}\,\cdot\,d\,f_a\,\cdot\,x_a-H\,\cdot\,y^2_a\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}
und
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,d\,\sigma_b=P\,\cdot\,\frac{p_a}{l}\,\cdot\,d\,f_b\,\cdot\,x_b-H\,\cdot\,y^2_b\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}
Nehmen wir an, dass nach und nach die Fasernelemente aller Querschnitte elastisch
werden, so kann man für sämtliche diese beiden Gleichungen bilden. Man addiere alle
dσa und dσb. Erstere erstrecken
sich von A bis zum Schnittpunkt G der elastischen Linie mit der Kraft P und
letztere von B bis G.
Diese Summe nenne man σb und jene σa, so hat man:
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,\sigma_a=P\,\cdot\,\frac{p_b}{l}\,\cdot\,\int\limits_A^G\,x_a\,\cdot\,d\,f_a-H\,\cdot\,\int\limits_A^G\,y^2_a\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}
und
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,\sigma_b=P\,\cdot\,\frac{p_a}{l}\,\cdot\,\int\limits_B^G\,x_b\,\cdot\,d\,f_b-H\,\cdot\,\int\limits_B^G\,y^2_b\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}
Aber auch σa und σb kann man
zusammenzählen und ist σ die Summe, so ist:
E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,\sigma=P\,\cdot\,\left\{\frac{p_b}{l}\,\cdot\,\int\limits_A^G\,x_a\,\cdot\,d\,f_a+\frac{p_a}{l}\,\cdot\,\int\limits_B^G\,x_b\,\cdot\,d\,f_b\right\}
-H\,\cdot\,\left\{\int\limits_A^G\,y_e^2\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}+\int\limits_B^G\,{y_b}^2\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}\right\}
Betrachtet man den Ausdruck
\frac{p_b}{l}\,\cdot\,\int_A^G\,x_a\,\cdot\,d\,f_a+\frac{p_a}{l}\,\cdot\,\int\limits_B^G\,x_b\,\cdot\,d\,f_b
und zeichnet in der Momentenfläche der Belastungsfläche die
Ordinate p auf der verlängerten Kraftlinie von P liegend, so sieht man, dass er nichts anderes als h . p ist, wobei h als Fläche
aufzufassen ist. Der Ausdruck für H ist von
der Form des Bogens abhängig und muss von Fall zu Fall ermittelt werden. Wir setzen
ihn T, sodass
\int\limits_A^G\,{y_a}^2\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}+\int\limits_B^G\,{y_b}^2\,d\,s\,\cdot\,\frac{E_0\,\cdot\,J_0}{E\,\cdot\,J}=T . . . 12.)
ist. Also ergiebt sich jetzt:
E0 . J0 . σ = P . h . p – H . T . . . . . . 13.)
Soll nun trotz der Einwirkung von P und HB festliegen bleiben, so ist σ
= 0 und wir erhalten dann:
H=P\,\cdot\,\frac{h}{T}\,\cdot\,p
Es ist dies der horizontale Schub, welcher bei B
ausgeübt wird, wenn die beiden Auflager A und B festliegen.
Wirkt nun statt P die Last Q auf den Bogen und ist q die zugehörige
Ordinate in der Momentenfläche von der Belastungsfläche, so entsteht der
Horizontalschub
H=P\,\cdot\,\frac{h}{T}\,\cdot\,p
wie man auf gleiche Weise ableiten kann.
Beide Lasten ergeben den Horizontalschub
H=\frac{h}{T}\,\cdot\,(P\,\cdot\,p+Q\,\cdot\,q)
Hieraus erkennt man, dass die Momentenfläche von der
Belastungsfläche Einflussfläche für die
Bestimmung des Horizontalschubes ist, sie hat \frac{T}{h} zum Divisor und ist
letzterer, weil T dreidimensional ist, eine
Strecke.
––––––––––
Wir gehen jetzt dazu über, den Einfluss der Temperatur zu berücksichtigen. Ist das
Auflager B beweglich, so bleibt infolge der
Temperaturveränderung der Bogen sich ähnlich, falls er, wie wir annehmen wollen, an
allen Stellen denselben Elastizitätsmodul hat. Ist ε
der Ausdehnungskoeffizient und t die
Temperaturveränderung in Celsiusgraden, so ist, wenn B
nach B1 gekommen ist
und wir \overline{B\,B_1}=d_{\sigma\,t} setzen:
\overline{A\,B_1}=\overline{A\,B}\,\cdot\,(1+\varepsilon\,\cdot\,t)
Man mache in Fig. 3
\overline{A\,C}=\overline{A\,B}, so entsteht
\overline{C\,B_t}=\overline{A\,B}\,\cdot\,\varepsilon\,\cdot\,t
Indem der Winkel φ dieselbe Bedeutung wie in Fig. 1 hat, entsteht: A\,B=\frac{l}{sin\,\varphi}. Der Winkel BCB1 kann als ein
rechter angesehen werden und es ist weiter:
\overline{C\,B_1}=\overline{B\,B_1}\,\cdot\,sin\,\varphi
also
d_{\sigma\,t}=\frac{l}{sin^2\,\varphi}\,\cdot\,\varepsilon\,\cdot\,t
Gleichung 13 muss nun die Gestalt
\sigma=\frac{P\,\cdot\,h\,\cdot\,p}{E_0\,\cdot\,J_0}-H_t\,\cdot\,\frac{T}{E_0\,\cdot\,J_0}
Textabbildung Bd. 317, S. 636
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 317, S. 636
Fig. 4.
erhalten und darin ist Ht die Horizontalkraft infolge der
Temperaturveränderung, statt \frac{P\,h\,p}{E_0\,J_0} ist d_{\sigma\,t} zu setzen und σ = 0 zu nehmen, damit das Auflager B fest bleibt. Wir haben, wenn man für σt den Wert setzt:
H_t=\frac{E_0\,\cdot\,J_0\,\cdot\,\frac{l}{sin^2\,\varphi}\,\cdot\,\varepsilon\,\cdot\,t}{T} . . . . 14.)
als Ausdruck für die von der Temperatur hervorgebrachte
Horizontalkraft.
Die so gefundene Bestimmung des Horizontalschubes H
mittels der Einflusslinie gilt allgemein, wenn nur der Bogen sich auf einer Seite
der Geraden \overline{A\,B} befindet. Die elastische Linie kann dabei beliebig gestaltet
sein, also z.B. auch so wie in Fig. 4 angegeben,
nämlich aus krummen und geraden Linien zusammengesetzt sein. Wir gehen nun dazu
über, einige wichtige Sonderfälle zu behandeln.
(Schluss folgt.)