Titel: | Mitteilungen von der Oberlausitzer Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Zittau 1902. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 1 |
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Mitteilungen von der Oberlausitzer Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Zittau 1902.
Von Fr. Freytag in
Chemnitz.
Mitteilungen von der Oberlausitzer Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Zittau 1902.
Auf der vom Gewerbeverein Zittau unternommenen, die sächsische Oberlausitz
umfassenden Ausstellung waren hauptsächlich Maschinen für die Textilbranche, solche
für Färberei, Bleicherei, Appretur und Druckerei, Maschinen für die
Thonwarenfabrikation und solche für landwirtschaftliche Zwecke anzutreffen. Zum
Betreiben dieser Maschinen auf elektrischem Wege dienten zwei in der Maschinenhalle
der Ausstellung aufgestellte Dampfmaschinen der Aktien-Gesellschaft Görlitzer Maschinenbauanstalt und Eisengiesserei in
Görlitz und der Firma Richard Raupach ebendaselbst.
Die von der erstgenannten Firma gelieferte Zweizylinder-Verbunddampfmaschine mit
Kondensation von 450 bezw. 700 mm Zylinderdurchmesser und 800 mm gemeinschaftlichem
Kolbenhub entwickelt mit einer anfänglichen Dampfspannung im Hochdruckzylinder von
9,5 Atm. Ueberdruck und mit 96 minutlichen Umdrehungen die ökonomisch
vorteilhafteste Normalleistung von 250 PSi bezw. 210 PSe.
Textabbildung Bd. 318, S. 1
Fig. 1. Liegende Tandem-Verbunddampfmaschine von Raupach mit Ventilsteuerung,
Patent Elsner.
Die für überhitzten Dampf von 300° C. eingerichtete Maschine entspricht bezüglich der
Formgebung ihrer Einzelteile den bei der Görlitzer Maschinenbauanstalt üblichen
Ausführungen. Der Hochdruckzylinder hat zwangläufige
Ventilsteuerung nach Collmann, die sich seit
Jahrzehnten bestens bewährt hat, der Niederdruckzylinder eine von Hand einstellbare
einfache Ventilsteuerung.
Die Maschine repräsentiert den normalen Typus der von der Firma gebauten
Ventildampfmaschinen ohne jedwede Besonderheit gegenüber den bisher gelieferten
derartigen Maschinen. Namentlich gegenüber den 4000pferdig. Maschinen, von denen
Zeichnungen und Beschreibungen in No. 6 der Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure vom 8. Februar 1902 veröffentlicht wurden, weist die vorliegende Maschine
keinerlei Neuerungen auf; insbesondere sind die Steuerungen beider Zylinder
dieselben, wie auf genannten Zeichnungen angegeben.
Die von Richard Raupach in Görlitz ausgestellte liegende
Tandem-Verbunddampfmaschine mit Ventilsteuerung, Patent Elsner, ist in Fig. 1 bis 4 dargestellt. Sie hat
Zylinder von 450 bezw. 710 mm Bohrung, 600 mm Kolbenhub und leistet bei 125
minutlichen Umdrehungen mit 9,5 Atm. Anfangsdruck im Hochdruckzylinder normal 305
PSi bezw. 250 PSe, maximal 385 PSi bezw. 320 PSe, Die ebenfalls für hochüberhitzten
Dampf eingerichtete Maschine vermag bei direkter Kuppelung mit einer Dynamomaschine
mit 150 minutlichen Umdrehungen eine Höchstleistung von 380 PSe zu entwickeln. Auf
der Ausstellung gab sie ihre Kraft wie auch die vorgenannte Dampfmaschine der
Görlitzer Maschinenbauanstalt, mittels Lederriemens auf eine zum Antriebe von
Dynamomaschinen dienende Vorgelegewelle ab.
Da die Firma Richard Raupach an den von ihr
erbauten Ventildampfmaschinen in den letzten Jahren verschiedene Neuerungen und
Verbesserungen getroffen hat, dürfte eine eingehendere Besprechung der in Zittau
ausgestellt gewesenen Dampfmaschine am Platze sein.
Wie die Abbildungen erkennen lassen, ist der Niederdruckzylinder an dem mit
Rundführung für den Kreuzkopf und geschlossener Kurbelkammer versehenen Balken
befestigt; es folgt ein kräftiges Zwischenstück mit seitlichen Oeffnungen zur
bequemen Herausnahme des Niederdruckkolbens, an welches sich der Hochdruckzylinder
anschliesst. Beide Zylinder haben heizbare Dampfmäntel; die eigentlichen Laufbüchsen
sind eingesetzt und mit Kupfer abgedichtet. Das als Riemenscheibe ausgebildete,
zweiteilige Schwungrad von 3500 mm Durchmesser und 650 mm Breite wiegt etwa 10000
kg.
Textabbildung Bd. 318, S. 2
Fig. 2. Liegende Tandem-Verbunddampfmaschine von Raupach mit Ventilsteuerung,
Patent Elsner.
Textabbildung Bd. 318, S. 2
Steuerung, Patent Elsner, zur Tandem-Verbunddampfmaschine von Raupach.
Der Hochdruckzylinder ist mit der wegen ihrer Einfachheit bemerkenswerten
zwangläufigen Ventilsteuerung, Patent Elsner, der
Niederdruckzylinder mit einer einfachen Ventilsteuerung ausgerüstet, die eine
leichte Einstellung der Kompression und des Füllungsgrades dieses Zylinders von Hand
gestattet.
Die mittels Kegelräder von der Schwungradwelle in Umdrehung versetzte Steuerwelle a (Fig. 3), trägt für jedes
Ein- und Auslassventil des Hochdruckzylinders eine Kurbel, deren Zapfen mittels des
Gleitsteines b in eine Schlitzscheibe c greift, die in dem Bügel der geführten
Ventilzugstange d drehbar gelagert ist. Die Stange d steht durch den Wälzhebel e mit der Ventilspindel in Verbindung. Die jeweilige Lage des Schlitzes
der Scheibe c bestimmt ein in Fig. 5 in grösserem Massstabe ersichtlicher, mit Zentralschmierung
versehener Federregulator, der sich anderen derartigen Reglern gegenüber insofern
auszeichnet, als er nur zwei Gelenke und als Ersatz der Bolzen vier Stahlschneiden
besitzt. Der Regulator ist ferner mit einer von Hand bedienbaren Vorrichtung zur
Tourenverstellung versehen, sodass die Geschwindigkeit der Maschine während des
Ganges innerhalb weiter Grenzen verändert werden kann.
Fig. 3 zeigt
die Steuerung in der Totpunktlage der Kurbel, in der das betreffende Einlassventil
um das lineare Voreilen geöffnet ist. Da hier Steuerkurbel mit Mitte Schlitzscheibe
zusammenfällt, wird durch eine Verdrehung der letzteren keinerlei Einfluss auf die
Voreinströmung ausgeübt; diese bleibt demnach konstant. Dreht sich die Steuerkurbel
in der
Pfeilrichtung, so verschiebt sich der Gleitstein b in
der Schlitzscheibe nach links und bewegt die Zugstange d nach abwärts, wobei das Ventil infolge Abwälzens des Hebels e auf einer darunter liegenden Bahn erst langsam, dann
schnell angehoben und entsprechend wieder auf seinen Sitz zurückgeführt wird.
Die Auslassventile des Hochdruckzylinders werden je von derselben Kurbel in ähnlicher
Weise zwangläufig gesteuert; die zugehörigen Exzenter sind behufs beliebiger
Einstellung des Kompressionsgrades von Hand stellbar. Die aus geschmiedetem Stahl
hergestellte Kurbel trägt ein mit Blei ausgegossenes, gusseisernes Gegengewicht.
Sämtliche Lagerschalen sind aus Gusseisen gefertigt und mit Weissmetall ausgegossen;
das hintere Schwungradwellenlager ist mit Ringschmierung versehen. Der aus Stahlguss
bestehende Kreuzkopf hat gusseiserne Schuhe.
Der mit frischem Kesseldampf geheizte Zwischenbehälter steht mit dem
Hochdruckzylinder durch ein Kupferrohr in Verbindung, das sich bei Erwärmung
ungehindert ausdehnen kann.
Die doppeltwirkende Luftpumpe des unter Flur liegenden, mittels Wechselventils ein-
und ausschaltbaren Kondensators wird von dem hinteren Ende der verlängerten
Kolbenstange aus angetrieben. Ein Hauptaugenmerk ist auf die selbstthätige,
sichtbare und leicht zugängliche Schmierung sämtlicher Einzelteile der Maschine
gelegt. Die zur Oelzuführung nach den Zylindern dienenden beiden Pumpen sind, um
sicher und geräuschlos arbeiten zu können, mit einem Reibungsantrieb versehen.
Textabbildung Bd. 318, S. 3
Fig. 5. Federregulator.
Textabbildung Bd. 318, S. 3
Heizröhrenkessel mit Ueberhitzer der Zittauer Maschinenfabrik und
Eisengiesserei A.-G. früher Kiessler & Co.
Für hervorragende Leistungen im Dampfmaschinenbau wurde auf Vorschlag der Preisjury
der Zittauer Ausstellung der Aktien-Gesellschaft Görlitzer Maschinenbau-Anstalt und
Eisengiesserei die Königl. Sächsische Staatsmedaille, der Firma Richard Raupach die
goldene Medaille der Ausstellung zuerkannt. Letztgenannte Firma erhielt bereits auf
der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Leipzig 1897 als
höchste Auszeichnung für hervorragende Leistung und Fortschritte im
Dampfmaschinenbau für eine damals ausgestellte liegende Verbunddampfmaschine mit Ventilsteuerung,
Patent Elsner, von 120–150 PS die Königl. Sächsische
Staatsmedaille.
Das für die Dampfmaschinen erforderliche Betriebsmittel lieferten zwei im Kesselhause
der Ausstellung aufgestellte Dampfkessel der Zittauer
Maschinenfabrik und Eisengiesserei A.-G., früher Albert Kiessler & Co.
in Zittau und der schon genannten Aktiengesellschaft
Görlitzer Maschinenbauanstalt und Eisengiesserei in Görlitz.
Die Bauart des seitens der erstgenannten Firma gelieferten Kessels von 170 qm
wasserberührter Heizfläche lassen die Abbildungen (Fig. 6 bis 8) erkennen.
Es ist ein liegender Heizröhrenkessel mit Ueberhitzer. Die Feuerung ist eine
Treppenrost-Unterfeuerung. Die Heizgase durchstreichen den Unterzug, hierauf die
beiden Seitenzüge und schliesslich die Heizrohre. Der Ueberhitzer hat 27,0 qm
Heizfläche und 0,423 cbm Inhalt; er besteht aus doppelwandigen, schmiedeeisernen
Rohren, von denen je 3 Stück in besonderen Zügen über den Seitenzügen eingebaut
sind. Der Zutritt der Heizgase kann geregelt werden. Das Speisewasser geht durch
einen Vorwärmer, der durch den Abdampf einer Dampfpumpe geheizt wird. Der Kessel hat
einen Dampfraum von 4,15 cbm, einen Wasserraum von 12,33 cbm und eine
Verdampfungsoberfläche von 10,32 qm. Es sind 3,4 qm gesamte bezw. 1,852 qm freie
Rostfläche vorhanden. Der Querschnitt der Feuerzüge beträgt in den Heizrohren 0,605,
in den Seitenzügen 0,57 qm, die Breite der Schieberöffnung 0,8 m, die Höhe des
Schornsteins über dem Roste 35 m. Der engste Querschnitt des Schornsteins ist 1,131
qm.
Die nachstehenden Ergebnisse von Verdampfungsversuchen, die am 6. August 1902 mit
Braunkohle vom Theodorschacht in Hartau bei Zittau von dem Oberingenieur des
Sächsischen Dampfkessel-Revisions-Vereins, Baurat Haage, mit diesem Kessel ausgeführt wurden, sind inbezug auf
Nutzwirkungder Anlage wie auch inbezug auf die Kosten der Dampferzeugung
bemerkenswert.
Dauer des Versuches
8 Std.
Heizwert der Braunkohle
2265 cal.
Davon zur Dampfbildung nutzbar gemacht
77,7 %
Durchschnittlich verdampftes Speisewasser in der
Stunde auf 1 qm Kesselheizfläche, bezogen auf Wasser von 0° und
Dampf von 100° C
10,4 kg
Mittlerer Ueberdruck des Dampfes
9,3 kg/qcm
Ueberhitzung des Dampfes
16° C.
1 kg Brennstoff verwandelt Wasser von 0° in Dampf von
100° C.
2,77 kg
Erzeugungskosten von 1000 kg Dampf
1,12 Mk.
Bei den Versuchen konnte nur eine ganz unwesentliche Vorwärmung des Speisewassers
durch die geringe Abdampfmenge der Speisepumpe ermöglicht werden und nur ein sehr
kleiner Vorwärmer von etwa 5 qm Heizfläche und etwa 0,1 cbm Inhalt zur Verwendung
kommen. Dennoch sind hierdurch nahezu 4 Prozent an Brennmaterial erspart worden.
Textabbildung Bd. 318, S. 4
Einflammrohrkessel der Aktien-Gesellschaft Görlitzer Maschinenbauanstalt und
Eisengiesserei.
Der von der Aktien-Gesellschaft Görlitzer Maschinenbauanstalt
und Eisengiesserei zur Ausstellung gebrachte Kessel (Fig. 9 bis 12) ist ein
Einflammrohrkessel von 75 qm wasserberührter Heizfläche mit einem seitlich
liegenden, aus zwei Wellblechen, Patent Morison,
zusammengesetzten Flammrohr von 1250 mm kleinstem lichten Durchmesser und 13 mm
Blechstärke. Der Betriebsüberdruck beträgt 10 Atm. Mit dem Kessel vereinigt ist ein
Dampfüberhitzer von 30 qm Heizfläche von A. Hering in
Nürnberg für eine Ueberhitzung des Dampfes auf 300° C. Der Zutritt der Heizgase
lässt sich durch eine von aussen drehbare Klappe regeln. Die Rostbeschickung erfolgt
durch einen selbstthätigen Feuerungsapparat, System Münckner
& Co. in Bautzen.