Titel: | Französische Versuche mit Brinells Kugelprobe. |
Autor: | Leo |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 188 |
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Französische Versuche mit Brinells Kugelprobe.
Französische Versuche mit Brinells Kugelprobe.
Das von Brinell erfundene Verfahren mittels
Druckprobe mit einer Kugel nicht nur die Härte eines Materials, sondern auch seine
Streckfähigkeit, Streckgrenze und Dehnbarkeit festzustellen (s. D. p. J. 1902, Bd.
317, S. 419), hat, wie zu erwarten war, in Kreisen,
die mit Materialprobierungen sich beschäftigen, im höchsten Grade interessiert.
Schon beim Materialprüfungskongresse in Budapest 1901 wurden Ergebnisse solcher
Proben von französischer und russischer Seite mitgeteilt und gegenwärtigwird
sowohl in der Mehrzahl der europäischen Länder wie in Amerika mit Versuchen nach
diesem Verfahren gearbeitet. Besonders in Frankreich interessiert man sich lebhaft
für derartige Versuche. Bei einem im Juli 1902 stattgehabten Zusammenkommen
französischer Mitglieder des internationalen Verbandes für Materialprüfungen der
Technik berichteten die Ingenieure Breuil und Charpy über umfangreiche Keinen von Kugelproben, die
sie ausführten. Die von ihnen festgestellten Ergebnisse sind in manchen Richtungen
von grossem Interesse und mag hier eine kurze Zusammenstellung derselben gegeben
werden.
Die von Breuil durchgeführten Versuche umfassten
vergleichende Zugversuche und Kugelproben an Kupfer, Eisen und neun verschiedenen
Stahlsorten, wobei mit jedem Material 4 Zug- und 2 Kugelproben zur Ausführung kamen.
Die Ergebnisse für die Stahlproben sind in Tab. 1 zusammengestellt. Um für die
Genauigkeit eines jeden Probierverfahrens ein Mass zu erhalten, sind in Tab. 1 die
Unterschiede zwischen den erhaltenen höchsten und niedrigsten Werten in
Hundertteilen der höchsten angegeben.
Tabelle 1.
Probematerial
Zugfestigkeitin kg/mm2bestimmtdurchZerreissprobe
GrössterUnterschiedim Werte
derZugfestigkeitv. H.
GrössterUnterschiedderHärtezahlv.
H.
Saurer Martinstahl
76,0
1,7
7,4
64,0
9,2
11,8
57,0
2,2
3,6
49,0
2,9
4,4
Tiegelstahl
46,0
6,6
10,4
44,0
2,8
11,3
Saurer Martinstahl
44,0
2,5
8,3
33,0
7,1
6,5
Thomasstahl
40,0
1,4
1,8
Aus den bei diesen Versuchen gewonnenen Ergebnissen glaubt Breuil folgende Schlüsse ziehen zu können:
1. Für ein und dasselbe Metall ist die Härtezahl nicht völlig proportional der
Zugfestigkeit, somit können zwei Proben mit gleicher Zugfestigkeit etwas
verschiedene Härtezahlen liefern.
2. Der Koeffizient, welcher das Verhältnis zwischen Zugfestigkeit und Härtezahl bei
demselben Material ausdrückt, wechselt zwischen 0,322 und 0,376. Wird die
Durchschnittszahl aller gefundenen Koeffizienten der Berechnung der Zugfestigkeit
aus der Härtezahl zu Grunde gelegt, dann liefert die Berechnung Werte, die in
gewissen Fällen um 12 v. H. von den Beobachtungs-Werten abweichen. Der Fehler ist
somit grösser, als der wahrscheinliche Fehler der Zugfestigkeit.
In Bezug auf die Feststellung der Streckgrenze mittels Kugelprobe betont Breuil die Notwendigkeit, die dazu gebrauchte 5 mm
Kugel genau 2 mm von der Kante der Probe aufzustellen, weil Abweichungen hiervon das
Ergebnis beeinflussen. Im übrigen fand er sehr grosse Unterschiede in den Werten für
die Streckgrenze, beim Zugversuch betrugen sie zwischen 2 v. H. und 25 v. H.Derartige Abweichungen sind bei demselben
Material und gleichem Bearbeitungszustande als abnorm zu bezeichnen. (Die
Redaktion.), während die Werte der Streckgrenze, bestimmt mittels
Kugelprobe, von 5 v. H. bis 35 v. H. von einander unterschieden waren. Breuil erachtet die Bestimmung der Streckgrenze mittels
Kugelprobe als völlig unsicher.
Bei der Dehnbarkeitsbestimmung mittels Kugelprobe legt Breuil das grösste Gewicht darauf, dass das Probestück während des
Versuches nicht gleitet, wozu es grosse Neigung zu haben scheine. Auch bei
vorsichtigster Versuchsausführung scheint nach Breuils
Versuchen kein konstantes Verhältnis zwischen der beim Zugversuch festgestellten
Dehnbarkeit des Materials und der Ausbauchung bei der Kugelprobe zu bestehen und
deshalb die von Brinell vorgeschlagene Dehnbarkeitsbestimmung unsichere Ergebnisse
zu liefern.
Breuil führte schliesslich Versuche mit Kugeln von
verschiedenem Durchmesser und mit verschiedenem Drucke aus und glaubt aus diesem
gleichwie Brinell folgende Schlüsse ziehen zu
können:
1. Die Härtezahl ist nicht völlig konstant für ein und dasselbe Material.
2. Für ein und dasselbe Material und für den gleichen Kugeldurchmesser steigt die
Härtezahl mit dem angewendeten Drucke.
3. Für dasselbe Material und denselben Druck erhält man eine höhere Härtezahl mit
einer Kugel mit 10, als mit 15 mm Durchmesser.
Die Ergebnisse der Untersuchungen, welche Ingenieur Charpy gleichzeitig veröffentlichte, umfassen hauptsächlich neben einander
ausgeführte Streck- und Kugelproben an Stahlsorten verschiedener Zusammensetzung.
Bei den Kugelproben wurden Kugeln mit 8 mm Durchmesser bei 4000 kg Druck angewendet.
Die Kugelproben wurden an der Endoberfläche der von den Proben abgeschnittenen
Kopfstücke durchgeführt, die Proben also in der Walzrichtung beansprucht. Die
erhaltenen Ergebnisse sind in der Tab. 2 zusammengestellt und durch Verhältniszahlen
ergänzt, welche die Beurteilung erleichtern. – Die mit * bezeichneten Proben
beziehen sich auf Spezialstahlsorten mit Nickel- und Chromgehalt.
Tabelle 2.
Zug-festigkeitbestimmtmittelsZerreiss-probekg/qmm
Härte-zahl
VerhältnisZug-festigkeit–––––––––Härtezahl
Zug-festigkeitbestimmtmittelsZerreiss-probekg/qmm
Härte-zahl
VerhältnisZug-festigkeit––––––––Härtezahl
30,4
80,0
0,380
49,1
142,0
0,346
32,1
91,2
0,352
50,1
146,8
0,341
35,4
95,6
0,370
* 50,8
152,4
0,333
36,4
92,0
0,400
51,1
148,6
0,344
36,8
100,8
0,365
51,8
146,8
0,353
36,8
106,4
0,346
* 52,1
146,8
0,355
38,1
112,4
0,339
* 54,2
162,9
0,333
38,8
110,0
0,353
* 54,8
153,1
0,358
39,1
114,4
0,342
55,1
158,7
0,347
40,1
118,0
0,340
56,4
162,9
0,346
41,1
114,8
0,358
56,8
166,5
0,341
41,5
114,4
0,363
* 58,1
171,8
0,338
41,5
120,0
0,346
* 59,4
175,2
0,339
42,1
113,6
0,371
61,5
175,9
0,350
42,8
116,0
0,369
62,7
182,7
0,343
43,1
126,4
0,341
64,4
185,3
0,348
43,8
130,0
0,337
* 66,1
196,3
0,337
44,1
121,0
0,364
68,1
204,0
0,334
44,1
130,0
0,339
69,4
209,0
0,332
46,8
132,4
0,353
* 78,5
244,5
0,321
46,8
137,2
0,341
* 97,5
291,5
0,334
46,8
141,4
0,331
* 109,5
338,0
0,324
49,1
140,8
0,349
* 121,6
366,0
0,332
*) Spezialstahl, enthaltend Nickel und Chrom.
Zum Zwecke der Untersuchung der Härteunterschiede bei einer und derselben Stahlprobe
sowie des Einflusses der Grösse des Probestückes auf die festgestellte Härtezahl
führte Charpy zwei Reihen Versuche durch an Gussstahl.
Sie zeigen, dass die nachweisbaren Verschiedenheiten nur unbedeutend waren und in
allen Fällen nicht in irgend welcher Beziehung zum angewendeten Probedrucke standen.
Bei Untersuchungsmaterial grösserer Härte machte sich indessen der Einfluss der
Belastungsgrösse bei der Kugel probe bemerkbar, wie die Ergebnisse, Tab. 3
zeigen.
Tabelle 3.
Probenummer
Härtezahl
erhalten bei 2000 kgBelastung der Kugel
erhalten bei 4000 kgBelastung der Kugel
1.
626,5
678
2.
604,5
653
3.
527,5
565
4.
451,5
476
In Zusammenfassung seiner Versuche erklärt schliesslich Charpy als seine Ansicht, dass die Genauigkeit der Festigkeitsbestimmung
mittels Kugelprobe ebenso gross sei wie diejenige der bisher gebräuchlichen
Zerreissprobe.
Den angeführten Ergebnissen mögen die folgenden Bemerkungen hinzuzufügen gestattet
sein:
Was zuerst die Schlussfolgerungen seitens des Ingenieurs Breuil betrifft, so sind dieselben wenigstens zum Teil nicht als allgemeingiltig
anzusehen. Breuil führt an, dass die Berechnung der
Bruchfestigkeit aus der Kugelprobe unter Annahme einer mittleren Verhältniszahl
erhebliche Fehler liefert. Zweifellos ist dies nach seinen Versuchen richtig, aber
dies hat seinen Grund teils darin, dass diese Verhältniszahl beständig kleiner wird,
wenn der Kohlegehalt steigt aber auch darin, dass die Härte sehr verschieden ist,
sobald die Kugelprobe auf der Schnittfläche parallel mit der Walzrichtung ausgeführt
wird oder an der gewalzten Oberfläche senkrecht gegen die Walzrichtung. In beiden
Fällen sind verschiedene Verhältniszahlen zu verwenden. Dies wurde durch Versuche
ermittelt und festgestellt, die auf Kosten des Jernkontors in der
Materialprüfungsanstalt der königl. Technischen Hochschule, Stockholm durchgeführt
sind. Bei denselben hat sich die Notwendigkeit herausgestellt, dass für Kohlehalte
von 0,0 bis 0,55 und von 0,5–1,5 v. H. je nach der Druckrichtung bei der Kugelprobe
verschiedene Reduktionskoeffizienten anzuwenden sind und wurden diese Grossen der
verschiedenen Reduktionskoeffizienten für schwedisches Material festgestellt. Hält
man diese Vorsichtsmassregel ein, so erhält man eine erheblich grössere Genauigkeit
bei der Kugelprobe, als sie zu erreichen Breuil
glückte, und man kann behaupten, dass die mittels Kugelprobe
bestimmteZugfestigkeit bei genügender Sorgsamkeit durchschnittlich nicht mehr
als 5 v. H vom wahren Werte abweicht.
Breuils Wahrnehmung, dass die Härtezahl bei ein und
demselben Metalle nicht völlig proportional der Bruchfestigkeit und ebensowenig bei
ein und demselben Probestücke konstant ist, ist seit langer Zeit bekannt. Wie gross
die Abweichung von der Proportionalität sein kann, ist ersichtlich an den
Unterschieden der in Tabelle 2 angeführten Zahlen. Dass aber ein und dasselbe
Probestück verschiedene Werte liefern kann, hat bereits Brinell beobachtet, als er die Anwendbarkeit der Kugelprobe zur Kontrolle
der Homogenität bei ein und demselben Stahlblocke feststellte. Es liegt nicht an der
I Kugelprobe, sondern am Stahle selbst, dass an einem und demselben Probestücke
nicht überall der gleiche Härtegrad gefunden wird.
Neuerdings wurde erwähnt, dass man von der Kugelprobe eine Genauigkeit bis auf 5 v.
H. vom wahren Werte erwarten kann; hunderte von Streckproben haben dagegen ergeben,
dass Zugversuche an drei Proben aus dem gleichen und in gleicher Weise bearbeiteten
Stahlmateriale Festigkeitswerte liefern, die nur um 1,5–2,0 v. H. von einander
abweichen.
Dr. Leo.