Titel: | Versuch zu einer Erklärung der Erscheinungen des unvollkommenen Kontaktes. |
Autor: | A. Koepsel |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 194 |
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Versuch zu einer Erklärung der Erscheinungen des
unvollkommenen Kontaktes.
Von Dr. A. Koepsel.
[Versuch zu einer Erklärung der Erscheinungen des unvollkommenen
Kontaktes.]
Die sonderbaren Erscheinungen, welche der unvollkommene Kontakt zeigt, die
hauptsächlich in letzter Zeit seit der Verwendung desselben in der drahtlosen
Telegraphie zu Tage getreten sind, haben bisher den Gelehrten und den Technikern
viel Kopfzerbrechen verursacht und haben eine Reihe von Erklärungen gezeitigt, von
denen aber bis jetzt keine die sämtlichen Erscheinungen zu deuten vermag.
Als die einfachste und ungezwungenste Erklärung, welche, wenn ich nicht irre, wohl
zuerst von Slaby ausgesprochen wurde, erscheint die,
welche die Widerstandsänderung durch Zusammenschweissen des Kontaktes erklären will,
woher sich auch der Name Fritter für solche Kontakte eingebürgert hat. Es lassen
sich so ja allerdings verschiedene dieser Erscheinungen erklären, andere indessen
fallen vollständig heraus, so z.B. die Tatsache, dass gewisse Kontakte im Gegensatz
zu anderen eine Widerstands Vermehrung statt einer Verminderung aufweisen und dass
sich die Erscheinung auch bei Kontakten in flüssigen und selbst festen Dielectricis
zeigt.
Wohl hauptsächlich die letztere Erscheinung führte zu einer anderen Erklärung, die
die elektrostatische Kapazität solcher Kontakte ins Auge fasst. Wenn die letztere
auf den ersten Blick auch unendlich klein erscheint, so zeigt doch eine nähere
Betrachtung, dass hier trotz der Kleinheit der Elektroden doch ansehnliche
Kapazitäten im Spiele sein können, da diese Elektroden eine so geringe Entfernung
von einander besitzen, dass schliesslich der Ausdruck für die Kapazität die Form %
annimmt, d.h. dass die Kapazität beliebige Werte annehmen kann.
Eine dritte Erklärung endlich glaubte man darin gefunden zu haben, dass man annahm,
jedes Metallteilchen sei von einer Gasschicht umgeben, welche die metallische
Berührung verhindert und durch einen Funken explosivartig fortgeschleudert wird, so
dass nun eine metallische Berührung eintritt.
Alle diese Erklärungen sind nicht imstande, die Gesamtheit der Erscheinungen unter
sich zu begreifen, auch dürfte die hohe Empfindlichkeit, welche der unvollkommene
Kontakt besitzt, kaum die Voraussetzung eines Funkens, welche bei der Mehrzahl der
Erklärungen notwendig ist, rechtfertigen. Die wichtige Erscheinung der
Selbstauslösung, welche allen unvollkommenen Kontakten mehr oder weniger eigen ist,
tritt als ein neues Moment hinzu, um alle bisherigen Erklärungen über den Haufen zu
werfen, und wenn man auch die Selbstauslösung in vielen Fällen durch minimale
Erschütterungen zu erklären geneigt sein könnte, so tritt diese Erscheinung doch
auch da auf, wo diese Erklärung versagt, z.B. bei der Schäferschen Platte.
Da ich mich ziemlich lange und eingehend mit dieser Materie beschäftigen konnte, so
habe auch ich nacheinander die angeführten Theorieen anerkannt und wieder verworfen,
und je weiter ich in diese Materie eindrang, um so wenigerkonnte ich die
Erscheinungen mit den bisherigen Theorieen in Einklang bringen.
Bis vor kurzem noch inmitten der Praxis stehend, in der man für Theorieen gewöhnlich
leider keine Zeit hat, lag mir der Wunsch, die Theorie mit der Praxis in
Uebereinstimmung zu bringen, ferner als jetzt, wo ich hierzu genügende Müsse habe,
um meine Erfahrungen zu sammeln und zu sichten; und so bin ich auf eine Erklärung
gekommen, die meines Wissens bisher niemand ausgesprochen hat, und die bei aller
Einfachheit mir nicht nur sämtliche bisher beobachteten Erscheinungen zu erklären
scheint, sondern auch eine Aufklärung über die hohe Empfindlichkeit des
unvollkommenen Kontaktes gibt und zugleich einen Fingerzeig, wie man diese
Empfindlichkeit zu steigern imstande ist. Danach wären diese Erscheinungen auf eine
reine Wärmewirkung zurückzuführen.
Bekanntlich ist die in einem Leiter durch den elektrischen Strom erzeugte Wärme
proportional mit J2r, wenn J den
Strom und r den elektrischen Widerstand des Leiters
bedeutet. Braun hat nun seinerzeit darauf aufmerksam
gemacht, dass die Wärmemenge, welche ein Strom hervorruft, von dem Strome abhängig
ist, welcher bereits in dem Leiter fliesst. Ist nämlich w die Wärmemenge, welche ein Strom i
hervorbringt, so ist, wenn vorher kein Strom vorhanden war:
w = i2r
War indessen schon ein Strom J vorhanden, der an sich
die Wärmemenge W hervorbringt, so ist
W + w =
(J + i)2r
d.h. da W = J2r
w = 2Jir + i2r
d.h. also: Die Wärmemenge, welche die Aenderung des
ursprünglichen Stromes hervorbringt, ist angenähert proportional dem ursprünglichen
Strome.
Wenden wir dies auf den unvollkommenen Kontakt an: Derselbe wird immer von einem
konstanten Strome durchflössen, kommen hierzu die durch die elektrischen Wellen
erzeugten Stromstösse, die bald gleich, bald entgegengesetzt gerichtet sind, so
können wir den dadurch erzeugten thermischen Vorgang durch folgende Gleichung
darstellen:
W + w =
(J ± i)2r
Also
w = ± 2Jir + i2r
Die durch die Wechselströme hervorgerufene Aenderung der Wärmemenge ist also positiv
oder negativ je nach der Stromrichtung und proportional dem ursprünglichen Strome,
d.h. sie addiert sich in der Hauptsache nicht einfach zu der bereits vorhandenen
Wärmemenge, sondern sie addiert oder subtrahiert sich je nach der Stromrichtung; der
Teil, welcher sich immer addiert, ist unendlich klein von der zweiten Ordnung, Es treten also
Wärmepulsationen auf, welche dem ursprünglich vorhandenen konstanten Strome
angenähert proportional sind.
Bei diesem Vorgänge wird also der Widerstand des unvollkommenen Kontaktes den
Wärmepulsationen folgen, d.h. er wird um einen Mittelwert oszillieren mit der
Periode des Unterbrechers, und so kommt es, dass in einem eingeschalteten Telephon
die Periode des Unterbrechers zu Gehör kommt.
Die Tatsache, dass man in einem empfindlichen Galvanoskop je nach Umständen eine
Stromvermehrung oder auch Verminderung beobachtet, von welcher auf eine
Widerstandsverminderung oder Vermehrung geschlossen werden muss, würde ihre
Erklärung darin finden, dass in der Hauptsache nur der Unterbrechungsfunke wirkt,
sodass + i absolut einen viel grösseren Wert hat als –
i, sodass die Pulsationen hauptsächlich nur nach einer Seite erfolgen, woraus je
nach der Richtung des konstanten Stromes eine Widerstandsvermehrung oder
Verminderung folgen würde.
Im übrigen würden auch etwaige Widerstandsänderungen nach einer anderen als der
erwarteten Richtung an sich gegen die entwickelte Theorie nicht sprechen, da der
unvollkommene Kontakt ein so verwickeltes Ding ist, dass hier sekundäre
Erscheinungen das Hauptresultat nicht nur zu verschleiern, sondern sogar vollkommen
zu entstellen geeignet sind.
Man denke sich nur den jetzt wohl gebräuchlichsten Kontakt zwischen Kohle und Stahl.
Der Widerstand desselben setzt sich zusammen aus dem Widerstand der Kohle, dem des
Stahles und einem undefinierbaren, der in der Hauptsache wohl aus Luft und einem
Gemisch von Kohle- und Stahlpartikelchen besteht. Was aus diesem Widerstände bei
Erwärmung wird, kann man mit dem besten Willen nicht voraussagen; denn die Kohle
vermindert ihren Widerstand, der Stahl vermehrt den seinen, und der dritte
undefinierbare Widerstand kann infolge von Verschiebung der Partikelchen jeden
beliebigen Wert annehmen.
Wenn sich also eine Verminderung zeigt, wo vielleicht eine Vermehrung erwartet wurde,
oder umgekehrt, so kann dies nicht Wunder nehmen, ausschlaggebend ist nur, dass im
Telephon immer nur die Oszillation des jeweiligen Widerstandswertes beobachtet wird,
welche sich aus obiger Theorie zwanglos erklären lässt; alles andere ist sekundärer
Natur und hängt von den Versuchsbedingungen ab.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Erklärung liesse sich einwandfrei dadurch
führen, dass man den unvollkommenen Kontakt durch einen metallischen Widerstand
ersetzt, der so beschaffen ist, dass die in Frage kommende minimale Energiemenge ihm
eine genügende Temperaturerhöhung erteilen kann, dass er den Temperaturschwankungen
genügend schnell folgen kann und einen Widerstand und eine Masse von der
Grössenordnung des unvollkommenen Kontaktes besitzt. Ein solcher Widerstand müsste
dieselben Erscheinungen zeigen, wie der unvollkommene Kontakt, nur die sekundären
Störungen würden fortfallen.
Mit einem Platinband von 1 mm Breite, 0,001 mm Dicke und 60 Ohm Widerstand glückte es
mir noch nicht, die erwartete Erscheinung zu erhalten, da jedenfalls die Masse
dieses Widerstandes noch viel zu gross ist, als dass die geringe Energie der
elektrischen Wellen darin eine genügende Temperaturerhöhung hervorbringen konnte, um
die der Empfindlichkeit des Telephons entsprechende Widerstandsänderung zu bewirken.
Ich glaube indessen, dass ein versilberterQuarzfaden von genügender Feinheit
diesen Bedingungen bereits genügen würde. Derselbe würde dann einen Empfangsapparat
darstellen, der an Zuverlässigkeit nichts zu wünschen übrig liesse und dessen
Empfindlichkeit nur durch seine Stromkapazität begrenzt wäre. Vielleicht würde auch
ein sehr dünner, bis zur Weissglut erhitzter Kohlefaden schon die Erscheinung
zeigen, da in ihm die primäre Stromstärke auf einen sehr hohen Wert gebracht werden
kann.
Leider habe ich jetzt keine Gelegenheit, diesen Beweis experimentell zu führen und
habe ich mich daher entschlossen, diese Arbeit der Oeffentlichkeit zu übergeben in
der Hoffnung, dass jemand, der diese Gelegenheit hat, sich dadurch angeregt fühlt,
dieses interessante Experiment anzustellen.
Im übrigen würde, die Richtigkeit dieser Erklärung vorausgesetzt, zugleich der Weg
angedeutet sein, den man gehen muss, um zu möglichst empfindlichen und exakten
Empfangsapparaten in der drahtlosen Telegraphie zu gelangen.
Dieser Weg ist dadurch bezeichnet, dass man trachtet die primäre Stromstärke
möglichst gross zu machen, ebenso den Widerstand, die Masse des Widerstandes aber
möglichst klein. Alle übrigen im Stromkreise enthaltenen Widerstände (Batterie und
Telephon) müssten klein sein gegen den Widerstand des eigentlichen Empfängers. Will
man, auch wenn obiges Experiment zu positiven Ergebnissen führt, von dem
unvollkommenen Kontakt, der immerhin trotz aller sonstigen Nachteile, die zu
Störungen Veranlassung geben, die Grösse des Widerstandes und seine im Verhältnis
dazu geringe Masse für sich hat, nicht absehen, so muss man solche Kontakte wählen,
deren kritische Spannung möglichst hoch ist, d.h. bei denen der Kontakt trotz hoher
Spannung (und Stromstärke) noch unvollkommen bleibt und deren Wärmeleitungsfähigkeit
möglichst gering ist.
Bezeichnet man mit r den Widerstand eines solchen
Empfangsapparates, mit m seine Masse, und mit i die maximale Stromstärke, die er auszuhalten vermag,
ohne an seiner Eigenschaft der Widerstandsänderung einzubüssen, so kann man seine
Empfindlichkeit ausdrücken durch
E=\frac{r\,i}{m}
d.h. je grösser E ausfällt, desto
grösser ist seine Empfindlichkeit. Hat E ungefähr den
Wert 1000 Ohm–Amp./g, so tritt die erwartete Erscheinung noch nicht auf, wie ich mich durch
ein Experiment überzeugte; ich vermute indessen, dass mit E = 100000 Ohm–Amp./g sich die Erscheinung in einem metallischen
Widerstand schon deutlich zeigen dürfte.
Alle mir bis jetzt bekannten Erscheinungen des unvollkommenen Kontaktes lassen sich
auf diese Weise zwanglos erklären, auch die Schäfersche
Platte und selbst die Kontakte in flüssigen und festen Dielectricis fallen
hierunter. Auch die Tatsache, dass – man durch Hintereinander- oder
Parallelschaltung solcher Kontakte keinen Vorteil erreicht, ergiebt sich ohne
weiteres aus dieser Theorie und die sogenannte Selbstauslösung entpuppt sich als
eine einfache Wärmeerscheinung. Man könnte hiernach den unvollkommenen Kontakt als
eine Umkehrung des Bolometers betrachten. Vielleicht dürfte gerade diese letztere
Erwägung viel zu seiner Verbesserung und Vervollkommnung beitragen.
In wie weit thermoelektrische Effekte hier mit im Spiele sind, müsste der Versuch
ergeben. Jedenfalls dürften manche Komplikationen auch noch solchen Effekten
zuzuschreiben sein, wodurch die Aussichten auf Vervollkommnung dieses
Empfangsapparates aber nur erweitert werden.