Titel: | Die Beurteilung des Wertes von Sprengstoffen. |
Autor: | Rudolf Blochmann |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 233 |
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Die Beurteilung des Wertes von
Sprengstoffen.
Von Dr. Rudolf Blochmann,
Zivil-Ingenieur und Sachverständiger für Sprengtechnik.
(Fortsetzung von S. 218 d. Bd.)
Die Beurteilung des Wertes von Sprengstoffen.
Will man die Wirkung eines Sprengstoffes nicht durch die Erweiterung des
Bohrloches, sondern durch Angaben des Druckes, welchen er auf die Wandungen des
Raumes ausübt, indem er zur Explosion gebracht wird, messen, so kann dies unmöglich
bei der – allerdings der wirklichen Verwendung am meisten entsprechenden –
erreichbar grössten Ladedichte geschehen, weil eben dann die Wandungen diesem Drucke
nimmer Stand halten. Andererseits muss verhütet werden, dass während der Explosion
Gase aus dem Raume, der zur Messung der Drucke dienen soll, entweichen können. Man
wird also eine Sprengbombe mit ungemein starken Wandungen und einem nicht zu kleinen
Hohlraum anwenden. Mit einer solchen Bombe ist zur Gewinnung der Zahlen in den
Reihen 7 und 8 der in
Schlebusch konstruierte Druckmesser D. R.-P. No. 109187 ausgerüstet. Er besteht aus
einem 80 cm langen zylindrischen Stahlblock von 50 cm Durchmesser, welcher auf einer
genügend festen Auflagerung von Mauerwerk ruht und durch zwei verankerte Bügel
festgehalten ist. Die zur Aufnahme der Sprengladung bestimmte Kammer hat einen
Durchmesser von 20 cm und eine Tiefe von 48 cm, sodass sie einen Inhalt von 151
aufweist. Ein zweiter solcher Druckmesser zeigt einen Inhalt von 20 1. In die Kammer
stellt man auf ein leichtes Drahtgestell die abzuschiessende Menge Sprengstoff und
versieht sie mit einem elektrischen Zünder. Die Zünddrähte werden isoliert durch die
Wandungen geführt. Der Verschluss der Sprengkammer geschieht durch einen besonders
kräftigen Deckel, welcher durch starke Schrauben und Muttern gehalten und durch
einen starken Bügel in der Achsenrichtung angedrückt wird. Die Dichtung erfolgt mit
Hilfe von Bleiringen. Eine seitliche Ausbohrung gestattet die Anbringung eines
Schlauches zum Absaugen der atmosphärischen Luft. Die Entfernung der Luft geschieht
bis auf 20 mm Quecksilberdruck mit einer Luftpumpe. Senkrecht über der Ladung
befindet sich eine Vorrichtung zur Anbringung eines Federindikators, wie er für die
Messung und Aufzeichnung des Dampfdruckes bei der Prüfung von Dampfmaschinen
verwendet wird. Ein Schreibstift, welcher mit der Feder in Verbindung steht,
schreibt ein Diagramm auf eine durch ein Uhrwerk umgetriebene Trommel (s. Fig. 1). Die Umdrehungsgeschwindigkeit wird bei jedem
Schuss durch die Anzahl der diei vollen Umdrehungen angebenden Schallzeichen
gemessen. Fig. 2 zeigt einen geöffneten und einen
geschlossenen Druckmesser.
Bei langsam detonierenden Sprengstoffen ist die vom Indikator gezeichnete Linie
eine flachansteigende, bei schnell detonierenden Sprengstoffen eine steil
ansteigende Kurve, die mit zunehmender Abkühlung sich wieder senkt, bis sie
horizontal wird. Sie giebt dann den Druck an, den die abgekühlten, in der Kammer
befindlichen Gase noch bei Zimmertemperatur ausüben. Der Schuss fällt nahezu
unhörbar. Es sind Mengen bis zu 1500 g gewöhnlichen Sprengpulvers und 300 g
brisanter Sprengstoffe angewendet worden, ohne dass der Stahlblock oder einzelne
Druckmesserteile gelitten hätten. Die Herrichtung und Abfeuerung eines Schusses
erforderte nicht mehr als etwa eine halbe Stunde. Beide Apparate haben schon je
mehrere tausend Schüsse ausgehalten. Die Abweichungen in den Einzelmessungen
betragen für denselben Sprengstoff selten mehr als 2 bis 3 Prozent. Einige mit dem
Druckmesser gewonnene Diagramme sind in den Fig. 3
bis 5 dargestellt.
Textabbildung Bd. 318, S. 232
Fig. 1. Indikatorvorrichtung zum Druckmesser.
Die Diagramme geben zwar nicht ein absolutes Mass für die Entzündungsgeschwindigkeit,
wohl aber ein Bild von der mehr oder minder schnellen Druckentwicklung. Die
Nacheilung der Massenteile des Indikators gestattet eine Messung der
Entzündungsgeschwindigkeit in absoluter Grösse durch die Indikatorfeder nicht. Es
genügt das erzielte Bild des Diagrammes aber doch, einen ersten Anhalt für die
Beurteilung eines unbekannten Sprengstoffes zu gewinnen, um ihn in die Reihe der
vorhandenen und bekannten an richtiger Stelle einzureihen.
Nun wird man den Vorgang einer solchen im Druckmesser vorgenommenen Explosion nicht
als einen durchaus adiabatischen auffassen können; im Gegenteil, die erzeugten hohen
Temperaturen übertragen sich auch schon während der Dauer der Explosion zu einem
gewissen Teile auf die Wandungen. Der Fehler, den man dadurch begeht und der sich
durch eine Angabe eines geringeren Druckes äussert, ist von der Grösse der Wandungen
abhängig und dieser sicherlich proportional. Dies ist in der Tat durch ausgedehnte
Messungen in Schlebusch bestätigt worden. Zu diesem Zwecke hat man in die Kammern
der Druckmesser Eisenblöcke von zusammen je 5 l, 7,5 l und 12,5 l Volumen
eingebracht und dadurch die 20 l-Kammer zu einer 15 l-Kammer mit anderer Oberfläche,
als die schon vorhandene 15 l-Kammer gemacht, diese aber ebenso wie jene zu einer
7,5 l-Kammer mit wieder anderen Oberflächen. Es hat sich gezeigt, dass mit Vergrösserung der
Oberfläche ein und desselben Hohlraums die Drucke proportional sich verminderten.
Fig. 6 giebt ein Bild der mit einem bestimmten
Sprengstoff (Guhrdynamit) gewonnenen Ergebnisse.
Textabbildung Bd. 318, S. 233
Fig. 2. Druckmesser, geschlossen und geöffnet.
Man sieht, dass, wenn man die aus den Versuchen sich ergebenden Geraden verlängert
bis zum Schnitte mit der einer Oberfläche von 0 qcm entsprechenden Ordinate, man
Druck werte erhält, die dem idealen Falle entsprechen müssten, dass der
Explosionsvorgang in der Tat ein adiabatischer, d.h. ohne Wärmeabgabe an die
Umgebung stattfindender gewesen wäre. Auf diesen Fall sind die in Reihe 7a
enthaltenen Zahlen umgerechnet; es ist also in ihnen der wärmeaufnehmende Einfluss
einer verschieden grossen Oberfläche ausgeschaltet. Diese Druckgrössen entsprechen
einer Ladedichte von 1 : 150. Rechnet man sich aber diese Zahlen unter
Zugrundelegung des Boyleschen Gesetzes 1) auf die
Ladedichte 1 und 2) auf die grösstmögliche Ladedichte um, so erhält man die Werte
der Reihen 7b und 7c. Hierbei mag hervorgehoben werden, dass für die bei den
Versuchen verwendeten Ladedichten von 1 : 150 bis 1 : 25 Proportionalität zwischen
Druck und Ladedichte gefunden wurde, und dass deshalb die Anwendung des Boyleschen Gesetzes gerechtfertigt erscheint, wenn sie
auch nicht für grössere Ladedichten unmittelbar bewiesen ist. Es wäre sehr
erwünscht, wenn durch weitere Versuche diese Annahme eine Prüfung erführe, weil
dadurch das Verhalten der Gase bei höheren Temperaturen und Drucken in einer auch
für viele andere Aufgaben förderlichen Weise aufgeklärt würde.
Textabbildung Bd. 318, S. 233
Fig. 3.
Die für verschiedene Stoffe gewonnenen Druck zahlen (Reihe 7b u. 7c) weichen, in
ihrem gegenseitigen Verhältnisse betrachtet, nicht weit ab von den Vorstellungen,
welche man aus der Praxis über die Wirkungen dieser Sprengstoffe sich gebildet hat.
So z.B. kommt dem Guhrdynamit ein viermal so grosser Wert wie dem Sprengpulver zu,
der Sprenggelatine ein sechsmal so grosser Wert.
Es mag an dieser Stelle auch auf eine Beziehung der in Reihe 7b enthaltenen Zahlen
mit den von SarrauE. Sarrau, Mémorial des Poudres et Salpêtres
1894, S. 148 ff. für verschiedeneSprengstoffe ermittelten
Druckgrössen hingewiesen werden. Es stimmen nämlich die von Sarrau für die Anfangsdrucke angegebenen Grossen dann recht gut mit den
durch Messungen mit dem Druckmesser ermittelten überein, wenn man das Covolumen (α) der Sarrauschen
Formel:
p=\frac{f\,\Delta}{1-a\,\Delta}
In dieser Formel bedeutet:
f=\frac{p_0\,v_0\,T}{237}= Kraft (force) des Sprengstoffes;
Δ = 1 = Ladedichte;
po = 1,033 kg/qcm = 1 Atmosphäre;
vo = Volumen der von 1 kg Sprengstoff
während der Explosion gebildeten Gase;
T = höchste bei der Umsetzung
erzielte Temperatur.
recht klein annimmt oder vernachlässigt.
Der oben beschriebene Druckmesser gestattet aber nicht nur die Messung der bei Beginn
der Explosion auftretenden Höchstdrucke, sondern er ermöglicht auch leicht eine
Bestimmung der von einer bestimmten Sprengstoffmasse erzeugten Gasmengen. Lässt man
nämlich in der Bombe des Druckmessers die Sprenggase sich abkühlen, so zeigt das
Manometer immer kleinere Werte und der endlich erreichte Mindestwert des Druckes pm entspricht
dem Volumen vo,
welches die Gase bei vollständiger Abkühlung auf die Zimmertemperatur einnehmen
würden, wenn sie sich unter Atmosphärendruck frei ausbreiten könnten. Es ist nämlich
auf Zimmertemperatur und den Druck von einer Atmosphäre berechnet:
v_o=\frac{v_d\cdot p_m}{1,033}
wenn vd den Hohlraum des Druckmessers und pm den bei
Zimmertemperatur nach Abkühlung der Gase abgelesenen sogenannten „kalten“
Druck bezeichnet.
Textabbildung Bd. 318, S. 234
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 318, S. 234
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 318, S. 234
Fig. 6. Graphische Darstellung der Drucke von 50 g Guhrdynamit in der 7,5 l-
und 15 l-Kammer bei verschiedenen inneren Oberflächen.Es möge darauf hingewiesen sein, dass die
beiden Ausgleichslinien, nach links verlängert, sich auf der
horizontalen Nullinie des Diagramms schneiden; es lassen sich danach die
reduzierten Druckgrössen schon aus einer einzelnen Druckmessung bei
beliebigem Volumen und beliebiger innerer Oberfläche des
Explosionsraumes auf zeichnerischem Wege leicht
ermitteln.
Denn da jetzt der Einfluss der Temperatur ausgeschieden ist,
kann man mitvoller Berechtigung das einfache Boylesche Gesetz anwenden. Berücksichtigt muss hierbei allerdings werden, dass
manche Produkte des Endzustandes, wie z.B. das gebildete Wasser und die gebildeten
Bikarbonate im Augenblicke der Explosion in der schliesslich auftretenden Form nicht
vorhanden gewesen sein können. Es muss vielmehr das Wasser in Gasform auftreten und
an Stelle der Bikarbonate müssen Karbonate vorhanden gewesen sein; dadurch ist das
wirklich nach Abkühlung gefundene Volumen noch um die entsprechenden Beträge an
gasförmigem Wasser und der erst später durch die Bikarbonate gebundenen Kohlensäure
zu vermehren. Auf diese Weise sind für je 1 kg Sprengstoff die Zahlen der Reihe 8 a
und für die im Raume eines Liters unterzubringende Masse des betreffenden
Sprengstoffes die Zahlen der Reihe 8a berechnet.
Die letzteren Zahlen sind die von Berthelot als
„charakteristische“ bezeichneten; und in der Tat kennzeichnen sie, nur
noch abgesehen von den thermischen Verhältnissen, die aus dem plötzlichen Auftreten
der Gasmengen sich herleitende Fähigkeit eines Sprengstoffes, den Druck auf die
Oberfläche des von ihm eingenommenen Raumes plötzlich ganz gewaltig zu erhöhen.
Der Schlebuscher Explosionsdruckmesser hat sich schon bei den vorliegenden
Untersuchungen als ein sehr brauchbarer Apparat bewährt; es wäre zu wünschen, dass
die mit ihm vorgenommenen Arbeiten auch auf die explosiblen Gasgemische und auf
grössere Ladedichten ausgedehnt würden, weil beides für die Theorie der eigentlichen
Explosionsvorgänge von erheblichem Werte sein würde.
(Schluss folgt.)