Titel: | Erklärung der Elektrolyse mittels des Kohäsionsdruckes, des Dopplerschen und des Weberschen Grundgesetzes. |
Autor: | Rudolf Mewes |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 253 |
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Erklärung der Elektrolyse mittels des
Kohäsionsdruckes, des Dopplerschen und des Weberschen Grundgesetzes.
Von Rudolf Mewes, Ingenieur und
Physiker.
Erklärung der Elektrolyse mittels des Kohäsionsdruckes, des
Dopplerschen und des Weberschen Grundgesetzes.
In der Theorie der Elektrolyse macht sich Dank der zahlreichen Arbeiten, welche
in den letzten Jahren in der „Elektrochemischen Zeitschrift“ von Theoretikern und
Praktikern, wie Dr. Bucherer, Dr. Gross, Professor Dr.
Christy, Max Frank, Dr. Krüger und Dr. Gustav Platner veröffentlicht worden sind,
gegenüber der von Nernst, Ostwald und deren Anhängern
vertretenen Ionentheorie die rein mechanische Auffassungsweise, wie z.B. in der
Schrift von Dr. Platner
„Die Mechanik der Atome“ (Verlag von M. Krayn,
1901) zugleich mit einer wirklich treffenden Kritik der Mängel der Ionentheorie,
insbesondere des Nernstschen materiellen, imponderablen
Elektrons, immer mehr und mehr Bahn; vor allen Dingen wird mit Recht in allen diesen
Arbeiten im letzten Grunde der elektrolytische Vorgang als ein Arbeitsvorgang
mechanischer Art angesehen und daher bei der Behandlung dieses Problems auf die
allgemeine Arbeitsgleichung zurückgegriffen. Bevor jedoch eine derartige rein
mechanische Erklärung der Elektrolyse versucht werden kann, ist es, wie ja auch Platner a. a. O. S. 87 betont, nötig, sich sowohl über
die Beschaffenheit eines Elektrolyten, als auch das Wesen der elektrischen Kraft
sich gründlich zu informieren. Dies hat Platner in
seiner Schrift, wie sich weiter unten zeigen wird, in der Tat gründlich getan.
Bevor ich unter Benutzung meiner kürzlich in der „Elektrochemischen
Zeitschrift“ veröffentlichten Arbeit hierauf und im Anschluss daran dann auf
das eigentliche Ziel der vorliegenden Arbeit lossteuere, liegt mir ob, die Schwächen
s der Ionentheorie kurz zu kennzeichnen. Ich kann mich, da Herr Platner diese Kritik in so bündiger und leicht
verständlicher Weise a. a. O. gegeben hat, darauf beschränken,die betreffenden
Bemerkungen auf S. 86 und 87 seiner lesenswerten Schrift hier wörtlich
wiederzugeben.
Im Anschluss an das sogenannte Ostwaldtsche
Verdünnungsgesetz und die verschiedenen von Rudolphi-van t'
Hoff und von Nernst gegebenen Formulierungen
dieses Gesetzes führt nämlich Platner folgendes
aus:
„Da die Richtigkeit der Nernstschen Formel von
anderer Seite (Arrhenius) bestritten wird, so ist
damit auch nichts gewonnen, und das Ostwaldtsche
Verdünnungsgesetz bleibt nach wie vor ein Schmerzenskind der Theorie.
Bei der Auflösung spaltet sich also angeblich ein der Konzentration umgekehrt
proportionaler Teil der Moleküle des gelösten Stoffes in seine Ionen, zugleich
erhält jedes Ion, respektive jede Valenz eine Ladung von 96465 Coulomb negativer
oder positiver Elektrizität. Der Vorgang bei der Elektrolyse soll dann darin
bestehen, dass die den Elektroden zugeführte Elektrizität sich mit der
entgegengesetzten der zugewanderten Ionen ausgleicht und letztere unelektrisch
abgeschieden werden.
Auf den ersten Blick mag diese Auffassung viel Bestechendes haben. Bei genauer
Prüfung erkennt man bald, dass sie unhaltbar ist, sie führt zu einer ganzen
Reihe von unlösbaren Widersprüchen und Kollisionen mit anerkannten Gesetzen der
Physik, von denen einige hier erwähnt werden mögen. Sinkt in einer
konzentrierten Lösung bei der Elektrolyse die Ionenkonzentration infolge der
Abscheidung an den Elektrolyten, so sollen neue Moleküle sich in geladenen Ionen
spalten; das heisst doch nichts anderes, als dass im Elektrolyten in der Form
von Ionenladungen dieselben Mengen von Elektrizität erzeugt werden, wie von der
stromliefernden Maschine in derselben Zeit, nur von letzterer unter Verbrauch einer
entsprechenden Menge anderer Energie im Elektrolyten aber aus nichts. Da ein
hierfür heranzuziehender Energieverbrauch nicht nachweisbar, liegt also ein
offenbarer Verstoss gegen das Gesetz von der Erhaltung der Kraft vor.
Ein Transport der Elektrizität, welche den Elektroden zugeführt wird, durch den
Elektrolyten hindurch findet nach der Theorie nicht statt. Ein solcher muss aber
unbedingt stattfinden, wenn mehrere Elektrolysiergefässe hinter einander
geschaltet werden oder ein Durchgang der Elektrizität durch mehrere galvanische
Elemente hindurch vorliegt. Es müssen entweder die Zersetzungen im Widerspruch
mit dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft, d.h. spontan stattfinden oder ein
Transport von Elektrizität neben den geladenen Ionen angenommmen werden, und wo
bleibt dann das Faradaysche Gesetz? Die Ionenladung
ist überflüssig.
Die primäre Abscheidung des Wasserstoffes in gewissen Fällen findet keine
Erklärung. Die ohnehin sehr geringe Dissoziation des Wassers soll nach der
Theorie bei den Lösungen noch zurückgehen, kann also nicht für diesen Prozess
herangezogen werden und einen Unterschied machen zu wollen zwischen Ionen,
welche den Transport der Elektrizität, wohlverstanden der im Elektrolyten
entstandenen, vermitteln, und denen, welche abgeschieden werden, für diese
speziellen Fälle machen zu wollen, ist eine durch nichts zu rechtfertigende
Willkür. Wollte man diese Annahme verallgemeinern, so verlöre die Theorie jeden
Boden.
Warum die angenommene Zersetzung eintritt, wo die dazu nötige Energie herkommt,
warum die Ionen ihre Ladungen unbegrenzt lange unverändert behalten, weshalb sie
mit diesen enormen Ladungen nicht kollidieren, weshalb sie dieselben nur an die
Elektroden abgeben, sind weitere Fragen, auf deren Beantwortung einfach
verzichtet wird.
Das damit die seitherigen wohlbegründeten Anschauungen der Chemiker geradezu auf
den Kopf gestellt werden, dass die thermochemischen Daten, sowie die Tatsachen
der Chemie darauf hinweisen, dass bei der Auflösung ganz andere Prozesse als die
angenommenen stattfinden, wird unbeachtet gelassen. Wie sich die Sache bei
Lösungen in anderen Lösungsmitteln beim geschmolzenen oder festen Elektrolyten
gestaltet, bleibt unaufgeklärt. Die Haftintensität (le
Blanc), Elektroaffinität, das materielle, imponderable Elektron (Nernst) sind die Nothelfer dieser Theorie. Für
jedes Problem, welches gelöst werden soll, schiessen wie bei den Köpfen der
Hydra mehrere neue auf. Das ist dann doch ein sicheres Zeichen dafür, dass man
mit dieser Theorie auf ein falsches Geleise geraten ist.“
Den vorstehenden Ausführungen kann rückhaltlos darin beigestimmt werden, dass eine
brauchbare und einwandfreie Theorie der Elektrolyse nur durch eine allseitige
Erforschung des Wesens der Elektrolyten und der elektrischen Kraft, sowie durch eine
gesicherte Kenntnis der Mechanik der Atome begründet werden kann. Handelt es sich
doch bei der Elektrolyse im Grunde genommen nur um einen Sonderfall der Mechanik der
Atome, nämlich um die Ueberwindung der Cohäsion oder besser des Cohäsionsdruckes der
Atome der Radikale unter einander und gegen einander durch den mittels der
elektrischen Schwingungen erzeugten Gegendruckes. Die wichtigsten zur Lösung des
vorliegenden Problems dienenden Grundgesetze werden in der Schrift von Platner
„Die Mechanik der Atome“, wenn auch nur in nebensächlichen Bemerkungen, klar
und deutlich erwähnt. Da diese Grundgesetze von mir in der elementaren Physik des
Aethers, Teil I und II, und in meinen späteren Arbeiten in der „Elektrochemischen
Zeitschrift“ eingehend begründet sind, so mag hier nur kurz auf die
betreffenden Sätze aus der Platnerschen Schrift
hingewiesen werden, wobei diejenigen Stellen, welche sich mit den von mir
aufgestellten Grundgesetzen vollkommen decken, durch gesperrten Druck gekennzeichnet
sind.
„Was zunächst den Elektrolyten anlangt, so unterscheidet er sich von den bisher
betrachteten Medien, nämlich Dielektrika und metallischen Leitern, ganz
wesentlich. Bis auf den Beweis des Gegenteils muss man
annehmen, dass die Atome der Metalle auch in ihren chemischen Verbindungen
und sonst ihre charakteristischen Eigenschaften beibehalten, wenn dieselben
auch durch die äusseren Umstände mehr oder weniger in ihrer Entfaltung
beschränkt werden können.“
Der letzte Satz ist nur eine besondere Anwendung des von mir in Teil I der
„Physik des Aethers“ S. 1 aufgestellten dritten Grundgesetze aller
Materie: „Drittens müssen die Atome ihre sämtlichen Grundeigenschaften unter
allen Umständen qualitativ und quantitativ unverändert beibehalten, mögen sie
sich miteinander vermischen oder auch zu chemischen Verbindungen oder zu
grösseren Atomkonglomeraten vereinigen“, und unterscheidet sich nur dadurch
von meinen Ausführungen, dass die Beweislast dem Gegner nach dem bekannten Kantschen Rezept zugeschoben wird.
Dagegen dürften die nachstehenden Ausführungen erst durch folgerichtige Bezugnahme
auf die Absorptionstheorie der elektrischen Schwingungen (Sellmeiersche Absorptionstheorie) mechanisch vollständig begreifbar
werden: „Nun sieht man aber, wie die Metallatome im gelösten Elektrolyten, im
geschmolzenen, wo sie mit den verschiedensten anderen Elementen verbunden sein
können, und endlich auch unter Umständen im festen Elektrolyten sich stets an
der Kathode sammeln. Es muss dies also eine denselben an sich anhaftende
Eigentümlichkeit sein, da sie unter so verschiedenen äusseren Bedingungen
auftritt, keineswegs hat man darin eine besondere Eigenschaft der Lösungen zu
erblicken. Es beruht dieses Verhalten auf ihrer Fähigkeit, welche auch sonst sie
zu guten Leitern macht, nämlich wegen ihrer freien Beweglichkeit, die
elektrische Kraft leicht anzunehmen. Da man nur eine Art der Elektrizität
anerkennen kann, nämlich die negative, so wird ihnen diese von der Kathode aus
mitgeteilt.
Der Elektrolyt kann demnach für die elektrische Kraft nicht als homogen
betrachtet werden, vielmehr hat man es mit der gleichmässigen Verteilung von
leitenden Teilchen in einem Dielektrikum zu tun. Es lässt sich daher hier ein
mechanisches Prinzip anwenden, welches, in Worten formuliert, etwa lautet: Wirkt
auf ein System eine Reihe von Kraftimpulsen derartig ein, dass nicht alle
Kraftpunkte gleichmässig beeinflusst werden, so kommt es zu
Potentialdifferenzen, und das System arbeitet in sich selbst. Es kommt dadurch
zu Aenderungen der räumlichen Beziehungen seiner Komponenten, d.h. in diesem
Falle also bei der Elektrolyse zur Abscheidung bestimmter Bestandteile. Wie ein
schwingender Körper andere nur unter ganz bestimmten Bedingungen (Resonatoren)
zum Mitschwingen bringt, so sind auch Bestandteile eines gelösten Elektrolyten
in ganz verschiedenem Grade befähigt, die elektrische Energie anzunehmen.“
Obwohl Platner im Schlussatz das Bild des schwingenden
Körpers zur Erklärung des elektrolytischen Vorganges wählt, verlässt er doch die
damit beschrittene richtige Bahn der Ableitung der Theorie der Elektrolyse aus der
elektrischen Schwingungstheorie und wendet sich nunmehr der mathematischen
Formulierung des richtig erfassten Vorganges durch die an sich nicht strenge Maxwellsche Theorie der Elektrizität zu und gerät
dadurch auf Abwege, welche hier nicht näher berührt werden sollen. Sicher und
schneller wäre er zum Ziele gelangt, wenn er entsprechend dem im Anfang des Buches
genommenen Anlauf durchweg die Wellentheorie seinen Deduktionen zu gründe gelegt
hätte.
Zu bewundern ist, dass ihm dabei die Bedeutung des Dopplerschen Prinzipes für die Erklärung der mechanischen
Arbeitsleistungen der Aetherschwingungen nicht entgangen ist, und von ihm gleich auf
Seite 3 und 4 seines Buches in folgenden Worten ganz zutreffend gekennzeichnet wird:
„Für bewegte Massen gewinnt das Dopplersche
Prinzip eine grosse Bedeutung. Dieses zuerst für Tonquellen festgestellte
Gesetz, wonach bei Annäherung an eine solche der Ton höher, bei Entfernung
tiefer erscheint, erklärt sich daraus, dass im ersteren Falle die Anzahl der
Wellen, welche in der Zeiteinheit das Ohr treffen, grösser, im letzteren kleiner
ist als im Zustand der Ruhe, und lässt sich natürlich auf jede Art von
Wellenbewegung anwenden. In der Astronomie dient es bekanntlich dazu, um die Art
und Schnelligkeit der Bewegung der Himmelskörper spektroskopisch zu
bestimmen.
Dem Einfluss der Bewegung hat für die Elektrodynamik Weber Rechnung getragen in der Formel:
c\cdot \frac{m\cdot m^1}{r^2}\,\left[1-\frac{1}{h^2}\,\left(\frac{d\,r}{d\,t}\right)^2+\frac{1}{h^2}\,r\,\frac{d^2\,r}{d\,t^2}\right]
Tisserand (Comptes r.,
Bd. 75) untersuchte die Attraktion nach dieser Formel. Der Ausdruck hat
lediglich eine empirische Bedeutung, der Wert eines Naturgesetzes kommt ihm nicht zu;
dieses zu finden bleibt der Zukunft vorbehalten. Mittels der Poggendorfschen Schwerkraftwage lässt sich
nachweisen, dass die Gravitation zu ihrer Entwickelung ebenfalls Zeit gebraucht,
indem ihr Druck abnimmt, sobald der Körper mit einer Beschleunigung nach abwärts
sich bewegt, sodass bei einer Geschwindigkeit von 11000 m i. d. Sekunde ihre
Wirkung überhaupt aufhören würde. Sie unterliegt also auch dem Dopplerschen Gesetze.“
Nach vorstehenden Ausführungen scheint Herr Dr. Platner
meine Ableitung des elektrodynamischen Grundgesetzes von Weber aus dem Dopplerschen Prinzip nicht zu
kennen; da ihm jedoch meine Schriften, in welchen dies Problem mehrfach behandelt
worden ist, nicht ganz unbekannt sein dürften, so sind wohl gerade die in Frage
kommenden Abschnitte übersehen worden. Nach jenen Entwickelungen ist das
elektrodinamische Grundgesetz nicht ein rein empirisches Gesetz, sondern ein aus der
Vibrationstheorie sich mit Hilfe des Dopplerschen
Prinzipes ergebendes Naturgesetz, dessen Giltigkeit und Strenge sich nicht in
Zweifel ziehen lassen dürfte.
Es steht daher nichts im Wege, gerade das elektrodynamische Webersche Grundgesetz auch auf die Atome und deren Anziehung anzuwenden
und so die theoretische Grundlage für eine rein mechanisch vertiefte Theorie der
Elektrolyse zu schaffen. Wie dies mit Hilfe dieses Gesetzes und der oben angeführten
Grundgesetze der Atome unter Zuhilfenahme der Sellmeierschen Absorptionstheorie und der in früheren Aufsätzen abgeleiteten
allgemeinen Zustandsgleichung der Stoffe
(p+z)\,(v_t-x)=(p_0+z)\,(v_0-x)\,(1+a)^{T_t-T_0}
(siehe „Elektrochemische Zeitschrift, Heft 6–8, 11. Jahrg.
1899; ferner Jahrg. 1900, Heft 10 u.s.w.) sich ohne besondere Schwierigkeit
ermöglichen lässt, soll nach vorstehenden einführenden Bemerkungen im folgenden
dargelegt werden.
Wie aus den Darlegungen in dem ersten Abschnitt der vorliegenden Arbeit hervorgeht,
werden bei der Elektrolyse die zwischen [den einzelnen Atomen der Elektrolyten
wirksamen Kohäsionskräfte durch den Einfluss des elektrischen Stromes überwunden und
nicht nur eine Lockerung bezw. Scheidung der Molekül- und Atomgruppen bewirkt,
sondern diese Trennung wird in der Weise ausgeführt, dass die beiden Bestandteile
des Elektrolyten, wenn man sich auf binäre Verbin düngen zur Vermeidung zu
verwickelter Vorgänge bei der an sich schon schwierigen theoretischen Behandlung
dieses Problemes beschränkt, stets in derselben Weise und Richtung durch die Kraft
des elektrischen Stromes von einander, entgegen der chemischen Bindekraft und bei
gasförmig sich abscheidenden Elektrolytenteilen, auch gegen die Kohäsion der
Radikale der einzelnen Radikale untereinander getrennt werden.
Die Grösse der bei der Elektrolyse aufzubrauchenden elektrischen Kraft muss also
imstande sein, nicht nur die Kohäsion der Atome der einzelnen Radikale, sondern auch
die chemische Bindekraft der Radikale untereinander zu überwinden. Die Grösse der
bei der Elektrolyse erforderlichen Kraft richtet sich, entsprechend den zahlreichen
angestellten Versuchen der Elektrochemiker nach dem Faradayschen Gesetze, der elektrolytischen Aequivalente. Man würde daher
ohne weiteres die Grundgleichung der Elektrolyse hinschreiben können, wenn die
Grösse des Kohäsionsdruckes der flüssigen Elektrolytenteile, ferner die Grösse der
chemischen Bindekraft oder des chemischen Druckes der Atomradikale untereinander und
schliesslich auch das Gesetz bekannt wäre, nach welchem die einzelnen Atome der
Elektrolyse, welche entsprechend den neueren Anschauungen über die Konstitution der
Materie Bewegungen bestimmter Art (Vibrationsschwingungen) um ihr Bewegungszentrum
ausführen, sich wechselseitig anziehen.
Nun habe ich die Gesetze der Kohäsion bezw. des Molekulardruckes bereits in der
„Physik des Aethers“ aus der Sellmeierschen
Absorptionstheorie hergeleitet und nachgewiesen, dass der Kohäsionsdruck der
verschiedenen Metalle im flüssigen Zustande im engsten Zusammenhange mit dem
Leitungsvermögen derselben für den elektrischen Strom und somit auch mit der
brechenden Kraft steht. Da ich in D. p. J., Bd. 317,
(Arbeit über den elektrischen Widerstand), in einer Tabelle die aus der brechenden
Kraftberechneten Leitungsfähigkeiten mit der beobachteten Oberflächenspannung
oder dem Kohäsionsdruck und dem Leitungsvermögen der kohärierenden Elüssigkeiten
verglichen habe, so kann ich mich hier auf die Bemerkung beschränken, dass die
erhaltenen Zahlen werte trotz einzelner Abweichungen, welche, da die Versuche von
verschiedenen Beobachtern und nicht an völlig gleichmässigen Stoffen angestellt
worden sind, erklärlich sind, den behaupteten gesetzmässigen Zusammenhang unschwer
erkennen lassen.
Ausserdem kommt hier noch als wesentlich in Betracht, dass durch die in Wiedemanns Annalen enthaltenen Arbeiten von Pies Bohl der experimentelle Nachweis geführt ist, dass
die Melekularanziehung ebenso wie die allgemeine Massenanziehung mit dem umgekehrten
Quadrate der Entfernung der Moleküle von einander abnimmt, dass also auch für die
Cohäsionskraft der Moleküle das von mir aus dem quadratischen Wirkungsgesetze der
Aeterschwingungen abgeleitete Zwischenvolumengesetz oder das sogenannte räumliche
Kraftbetätigungsgesetz der statischen Schwingungen gültig ist.
Es handelt sich aber im vorliegenden Falle darum, zu ermitteln, ob dies
Kraftbetätigungsgesetz der Molekularkräfte auch noch für verschiedene
Temperaturänderungen gültig ist. Mit anderen Worten heisst dies, ob die von mir an
anderer Stelle bereits früher für verschiedene äussere Drucke, bei beliebigen
Volumen und beliebiger Temperatur aufgestellte allgemeine Zustandsgleichung der
Stoffe
(p+z)\,(v_t-x)=(p_0+z_0)\,(v_0-x)\,(1+a)^{T_t-T_0}
auch wirklich bei Berücksichtigung des Kohäsionsdruckes und
des äusseren Druckes (Gasspannung) für die berechneten und beobachteten Volumina
dieselben Zahlenwerte ergibt. Um dies nachzuweisen, habe ich für Quecksilber
entsprechend der obigen Formel aus den in den Landoltschen Tabellen angegebenen Beobachtungen über Druck, Volumen und
Temperatur eines Gramms Quecksilber die Werte von z,
d.h. die Kohäsionsdrücke mit steigender Temperatur unter Berücksichtigung des Bohlschen Gesetzes berechnet und in der letzten
Zahlenreihe die erhaltenen Werte zusammengestellt. In dieser Tabelle sind auch
zugleich, indem P0 = 0,02 mm, a = 0,00256, log (1 + a) = 0,0011 und
v0
– x = 0,00457, x –=
0,0689831 gesetzt wurde, auch die Volumina für die verschiedenen Temperaturen ohne
Berücksichtigung der Aenderung des Gesamtdruckes durch Aenderung der Spannung der
Quecksilberdämpfe mit steigender Temperatur berechnet worden. Die geringen
Abweichungen der so erhaltenen theoretischen Zahlen von den Beobachtungswerten
beweisen, mit welcher Genauigkeit das auf den Molekulardruck Rücksicht nehmende
allgemeine Zustandsgesetz tatsächlich zutrifft.
Der beobachtete Molekulardruck z ist derjenige eines
Gramm Quecksilber in Millimeter Quecksilbersäule, derselbe beträgt für die gewählte
Gewichtseinheit 1 g bei 0° 507 mm, ein Wert, welcher mit dem von Dr. Eugen Dühring nach ganz anderer Methode ermittelten
Werte durchaus nicht stimmt und auch nicht stimmen kann, da ja Dühring nur einen ganz irreführenden Näherungswert nach
einer falschen Methode, deren Darlegung ich hier nicht übergehen kann und zur
Klarlegung des gemachten Versehens unten folgen lasse, ermittelt hat. Aus unten noch
näher zu erläuternden Gründen halte ich den von mir gefundenen Wert für den
richtigeren, zumal derselbe mit den Beobachtungen durchweg übereinstimmende
Rechnungswerte liefert; denn der Kohäsionsdruck kann, wie schon vorweg bemerkt wird,
nicht grösser als die Zug–, Druck–, Biegungs- oder Scheerfestigkeit sein. Die letzte
Zahlenreihe ist aus der allgemeinen Zustandsgleichung
(p+z)\,(v_t-x)\,(p_0+z_0)\,(v_0-x)\,(1+a)^{T_t-T_0}
dadurch erhalten worden, dass man gemäss den Pies Bohlschen Versuchen
z(vt – x) = z0
(v0
– x)
gesetzt und die Gleichung nach z
aufgelöst hat. Die so erhaltene Formel lässt ohne weiteres ersehen, dass die
Kohäsion mit steigender Temperatur beträchtlich abnimmt, wie ja auch durch das
Experiment auf anderem Wege bereits längst festgestellt worden ist, während bei
sinkender Temperatur, d.h. also bei erhöhter Warmeabfuhr, die Kohäsion erheblich
zunimmt und bei dem absoluten Nullpunkt ihrem grössten Grenzwerte sich nähert. Als rohes
Annäherungsgesetz kann man daher mit Rücksicht auf das verbesserte
Zwischenvolumengesetz für die Kohäsion die Beziehung aufstellen, dass die Kohäsion
unter gleichen äusseren Drucken der absoluten Temperatur umgekehrt proportional ist.
Hierdurchfindet die geringe Kohäsionskraft der Gase und Dämpfe sofort ihre
Erklärung, insbesondere, wenn man die Schmelz- und Verdampfungswärme, wie es sein
muss, ebenfalls in Rechnung zieht.
Tabelle für Quecksilber.
Spannungmm
Temperatur°C.
Volumen1 g Quecksilber inccm
beobachtet
Volumen1 g Quecksilber inccm
berechnet
Ausdehnungs-koeffizient
Differenz
Kohäsionsdruck(Zug) J für 1 gmm
0,0200
0
0,0735532
0,0735532
0,00018170
0,0000000
517
0,0268
10
0,0736869
0,0736723
0,00018180
– 0,0000146
0,0372
20
0,0738207
0,0737944
0,00018181
– 0,0000263
0,0530
30
0,0739544
0,0739198
0,00018183
– 0,0000346
0,0767
40
0,0740882
0,0740484
0,00018186
– 0,0000419
0,1120
50
0,0742221
0,0741802
0,00018189
– 0,0000407
0,1643
60
0,0743561
0.0743154
0,00018193
– 0,0000357
0,2410
70
0,0744901
0,0744544
0,00018198
– 0,0000275
0,3528
80
0,0746243
0,0745968
0,00018203
– 0,0000057
0,5142
90
0,0747586
0,0747429
0,00018209
– 0,0000004
0,7455
100
0,0748931
0,0748927
0,00018216
+ 0,0000188
1,0734
110
0,0750276
0,0750464
0,00018224
+ 0,0000419
1,5341
120
0,0751624
0,0752043
0,00018232
+ 0,0000687
2,1752
130
0,0752974
0,0753661
0,00018241
+ 0,0000996
3,0592
140
0,0754325
0,0755321
0,00018250
+ 0,00001346
4,2664
150
0,0755679
0,0757025
0,00018261
+ 0,00001737
5,9002
160
0,0757035
0,0758772
0,00018272
+ 0,00002170
8,0912
170
0,0758394
0,0760564
0,00018284
+ 0,00002648
11,0000
180
0,0759755
0,0762403
0,00018296
+ 0,00003170
14,8400
190
0,0761120
0,0764290
0,00018309
+ 0,00003739
19,9000
200
0,0762486
0,0766225
0,00018310
+ 0,00003739
242,15
300
0,0776355
0,0787878
–
–
797,94
360
0,0784891
0,0804022
–
–
241
(Schluss folgt.)