Titel: | Die elektrische Gewinnung von Stickstoffverbindungen aus der atmosphärischen Luft. |
Autor: | Ewald Rasch |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 262 |
Download: | XML |
Die elektrische Gewinnung von
Stickstoffverbindungen aus der atmosphärischen Luft.
Von Oberingenieur Ewald Rasch,
Potsdam.
Die elektrische Gewinnung von Stickstoffverbindungen aus der
atmosphärischen Luft.
„Die Möglichkeit, Stickstoff und Sauerstoff im elektrischen Funken zu vereinigen,
ist für die zukünftige Entwicklung der technisch verwertbaren Methoden
elektrochemischer Gasreaktionen von der allergrössten Bedeutung.“
„Es ist sehr auffallend und auf keine Weise zu erklären“, meint Askenasy,Jahrbuch d.
Elektrochemie, Bd. VIII, S. 420.„weshalb dieser Angelegenheit bisher eine nur geringe Beachtung geschenkt
wurde.“
Die Erklärung für diese Tatsache dürfte darin zu suchen sein, dass die deutsche
ElektrotechnikFür die Amerikaner
gilt dieser Vorwurf von Askenasy nicht, denn
sie haben dieses Problem mit grosser Energie und weitschauendem Blick seit
Längerem aufgenommen. Die mit einem Aktienkapital von 1000000 Dollar
gegründete „Atmospheric Products Co.“ in
Jersey City N. J. U. S. hat die Aufgabe, die experimentellen Vorarbeiten für
eine derartige Fabrik an den Niagarafällen zu erledigen. schon
seit Längerem gressen Aufgaben prinzipieller Natur
anscheinend aus dem Gefühl kaufmännischer oder technischer Unsicherheit heraus aus
dem Wege zu gehen pflegt und sich statt dessen aufdem Boden der überproduktiven Fabrikation sicher zu fühlen
glaubt.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Problems, Stickstoffverbindungen (Salpetersäure,
Nitrate, Düngemittel etc.) aus der atmosphärischen Luft auf elektrischem Wege
herzustellen, bedarf wohl kaum besonders hervorgehoben werden. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass diese Aufgabe zu den bedeutsamsten gehört, welche der modernen
Elektrotechnik bezw. der Elektrochemie zu lösen bleiben.
Für Deutschland hat diese Frage noch ein besonderes nationalökonomisches Interesse,
insofern, als sämtliche Verbraucher für Salpeter bis jetzt auf das Ausland, auf den
Chilisalpeter, angewiesen sind.
Bereits die – rein theoretische Ziele verfolgenden – experimentellen Arbeiten von Crookes,Chem. News,
65; 301.
Losanitsch,Jahrb.
d. Elektrochemie, Bd. 4; 385.
LepelJahrb. d.
Elektrochemie, Bd. 4; 412; Pogg. Annal.(2) 46 p. 319.
SalvadoriGaz.
chim. ital., 30; II; 389. und Lord Rayleight (1897)Journ. Chem. Soc., 71; 181. deuten darauf hin, dass schon diese
physikalischen Versuche unter Umständen die Unterlage für eine wirtschaftliche
Fabrikation abgeben können.
Die bisher ausschliesslich von amerikanischen und englischen Physikern und Chemikern
mitgeteilten Ergebnisse sind mehr qualitativer Natur und lassen lediglich rohe
quantitative Schätzungen zu.
Crookescf. Swan, Zeitschr. f. Elektrochem., 7, p. 950. glaubt durch 20000 PS, die
am Niagara zirka 100 M. kosten, 1000 kg Natriumsalpeter gewinnen zu können. Mac Dougald und Howles
erhielten mit derselben Energie rund 10000 kg Salpetersäure. Die ermutigenden
Hoffnungen, die Swancf. Swan,
Zeitschr. f. Elektrochem., 7, p. 950.
an diese Ergebnisse knüpft, scheinen auch von AskenasyJahrb. d.
Elektrochem., Bd. VIII, p. 420.
geteilt zu werden.
In Freiburg in der Schweiz soll neuerdings übrigens eine Salpetersäurefabrik
entstanden sein, deren v. KowalskiZeitschr. f. Elektrochem., 7, p. 884. Erwähnung tut.
Die „Atmospheric Products Companie“ in Jersey
City U. S. arbeitet nach den Patenten von S. Bradley, R. B.
LovejoyElektrot. Zeitschr.,
1902; 39; Amerik. Pat. 709687; 1902.
und Johnson.Engl. Pat. 8230; 1901.
Das Gemeinsame des Funkenverfahrens besteht in Folgendem.
Atmosphärische Luft (20,8 v. H. Sauerstoff, 79,2 v. H. Stickstoff) wird durch
Hochspannungsfunkenstrecken gesaugt. Das Stickstoffmolekul N2 wird bei den hohen Temperaturen
zertrümmert und oxydiert mit dem anwesenden Sauerstoff der Luft nach der
Gleichung
N2 +
O2 + 2 . 21600 cal
= 2NO
oder
N2 + O2 + 50,1 Watt-Std. = 2NO
Wie auch aus dieser thermochemischen Gleichung hervorgeht, ist die Oxydation des
Stickstoffes zu Stickoxyd eine endothermische Reaktion,
bei der zur Unterhaltung des Oxydationsprozesses die beträchtliche Energie von 21600
Cal. f. d. Mol. NO aufgewendet werden muss.
Für die Umsetzung von C_{N_2} Volumprozenten Stickst off (N2)
und C_{O_2} Volumprozenten Sauerstoff (O2) in CNO Volumprozente Stickoxyd (NO) ist der Gleichgewichtszustand des Reaktionsgemisches
durch das Guldberg Waage Massenwirkungsgesetz gegeben;
und zwar sind die respektiven Volumkonzentrationen C
\frac{C_{N_2}\cdot C_{O_2}}{(C_{N_O})^2}=K
wobei K die Gleichgewichtskonstante bedeutet, die also für den
Gehalt an Stickoxyd massgebend ist.
Die Gleichgewichtskonstante wird mit steigender Temperatur rasch kleiner, d.h. die –
endotherm verlaufende – Oxydation des Stickstoffes zu Stickoxyd nimmt mit steigender
Reaktionstemperatur zu.
Diese Gleichgewichtskonstante K der Reaktion ist nun
neuerdingsBerichte d. Deutsch.
Chem. Ges. 1903, Bd. 2 p. 438 ff von
W. Muthmann und H.
Hofer ermittelt worden, soweit dies die Schwierigkeit der Temperaturmessung
zulässt.
Es werden die in Tab. 1 verzeichneten Werte mitgeteilt.
Tab. 1.
Gleichgewichtskonstante der Reaktion.
Ver-suchsNo.
GleichgewichtskonstanteK=\frac{C_{N_2}\cdot C_{O_2}}{(C_{NO})^2}
Elek-troden-distanz
Temperatur
Einzelwerte
Mittelwerte
t
absoluteT = t + 273
52
100,8 78,8
89,8
10 mm
1825° C.
2098
63
126,5 111,4
119,0
15 „
1800° C.
2073
7
1426,0
1426,0
35 „
1590° C.
1863
Die Temperatur der Funkenstrecke wurde nach zwei Verfahren bestimmt. Einmal
diente die von einem Le Chatelierschen Thermoelement
indizierte elektromotorische Kraft als Masstab der örtlichen Temperatur der
Funkenflamme.
Die letztere war bei einer Elektrodenentfernung von 40 mm 90 mm hoch
(Platinelektroden von 2 mm Durchmesser; Stromspannung E
= 3400 Volt; Stromstärke J = 0,115 Amp.; Stromverbrauch
= 391 Watt). Im oberen Teile der Flamme zeigte das Thermoelement 900–1000° C., 2 cm
über dem Niveau der horizontal liegenden Pt-Elektroden 1400–1450° C. an.
In noch tieferen Teilen der Flamme trat Abschmelzen der Lötstelle des Pt-Pt/Rh-Elementes
ein.
Die Bestimmung von Flammentemperaturen durch Thermoelemente ist nun nicht
einwandsfrei, da die Temperatur, welche die mehr oder minder dicke Lötstelle
annimmt, in hohem Grade durch die WärmeleitfähigkeitWärmeleitfähgikeit, die Strahlungsverhältnisse und die Grösse der zu erwärmenden Metallmassen
in schwer übersichtlicher Weise beeinflusst wird. Annähernd richtige Werte von
Flammentemperaturen könnte man erst dann erhalten, wenn die zu erwärmenden, in die
Flamme eingebrachten Metallmassen (Lötstelle, Drähte) den Wert Null haben würden,
oder falls man – nach dem Vorgange von Edward L.
NicholsPhys. Review Bd.
10, p. 234, 1900. –
Lötstellen bezw. Drähte von verschiedenem Querschnitt benutzt und aus den
ermittelten Werten die elektromotorische Kraft bezw. die Temperatur für den
Querschnitt und die Masse Null extrapolieren würde.
Muthmann und Hofer haben
daher auch ein zweites, prinzipiell einwandfreieres Verfahren angewendet.
Durch Le ChatelierZeitschr. f. phys. Chem. Bd. 2, S.
782. ist der Zerfall des Kohlendioxyds in Kohlenoxyd und Sauerstoff
bei verschiedenen Dissociationstemperaturen durch Versuche festgelegt worden.
Bei einem Druck von 0,94 Atm. gelten beispielsweise folgende Werte
Es sind dissociiert:
bei 1000° C.
0,066
Vol.-Proz.
CO
2
„ 1500° „
0,82
„ „
„
„ 2000° „
4,2
„ „
„
„ 2500° „
20,4
„ „
„
Muthmann und Hofer
bestimmten nun mit Hilfe ihrer Apparatur die Dissociation des Kohlendioxyds durch
die Funkenstrecke bei bestimmter Spannung, Stromstärke und Funkenlänge, berechneten
hieraus nach den Le Chatelierschen Werten die
Temperatur der Funkenstrecke und bestimmten sodann bei genau derselben
Versuchsanordnung die Umsetzung von Stickstoff und Sauerstoff in Stickoxyd.
Dieses Verfahren giebt mithin im Gegensatz zu dem thermoelektrischen die integrierte
Mitteltemperatur der Funkenflamme.
Auf Grund der so ermittelten Werte für die Gleichgewichtskonstante K (Tab. 1) geben Muthmann
und Hofer folgende Berechnung über die Oekonomie des
Funkenverfahrens unter Zugrundelegung der Werte K =
119; t = 1800, die sie augenscheinlich für die
sichersten halten, für ihre Ausbeute von 3,6 Vol.-Proz. NO.
Energiebilanz.
a) 30 g Stickoxyd verbrauchen zur Bildung.
21600 cal
b) Zur Erwärmung auf 1800°, da die
mittlere Molekularwärme von Stickoxyd (oder O2 oder N2) bei konstantem Druck zwischen 0° und
1800° =7,67 cal ist (nach der Formel CP = 6,5 + 0,001 T) 7,67 . 1800
13800 cal
c) Gleichzeitig werden 30\cdot \frac{96,4}{3,6} g Luft um 1800°
erwärmt. Das sind 804 g Luft. Nimmt man das Molekulargewicht
der Luft zu 29 an, so hat man 27,7 Mole- kule. Diese
brauchen zur Erwärmung 27,7 . 13800 =
382260 cal
––––––––––––––––––––––
Summa=
0,3954
417660 calKilowatt-Std. (?)
Leider hat sich in diese Berechnung von Muthmann und Hofer ein ziemlich entstellender Rechenfehler
eingeschlichen. Der oben wiedergegebenen Aufstellung gemäss wären zur Bildung von 1
Mol. NO (30 g) insgesamt 417660 cal erforderlich;
dies entspräche
einer elektrischen Arbeit von 0,485 Kilowattstunden,
nicht von 0,3954 Kilowattstunden wie dort angegeben wird.
Rechnet man mit Muthmann und Hofer die PS/Std. mit 2 Pfg., so käme nach dieser Richtigstellung das Kilo
Salpetersäure (477 g NO) auf 21,0 Pfg. (nicht 16 Pfg.) zu stehen.
Ferner dürfte der dort angegebene Marktpreis von 70 M. für Salpetersäure viel zu hoch
gegriffen sein. In grösseren Mengen dürfte 99prozentige Salpetersäure z. Z. wohl
sicher für 38–40 M. lieferbar sein.
Wie man sieht, stellt sich mithin das Verfahren vor der Hand nicht so günstig, wie es
nach der wieder gegebenen Berechnung erscheinen konnte.
Vielleicht dürfte bei der obigen Aufstellung für die Positionen b und c eine etwas
strengere Berechnung am Platze sein, welche der Veränderlichkeit der spezifischen
Wärme cp mit
der Temperatur funktionell gerecht wird.
Zur Erwärmung (bei konstantem Druck) eines Mols (N2 oder O2) von der
absoluten Temperatur T0
auf die Temperatur T ist die Arbeit
A = Tc
–
T0c0
wenn c bezw. c0 die
Molekular wärmen bei T und T0 (für
konstantem Druck bedeuten. Nun ist nach Le Chatelier
für N2 bezw.
O2
cp = 6,5 + 0,001 T
Wir erhalten somit
A = T
(6,5 + 0,001 T) – T0
(6,5 + 0,001 T0)
A = 6,5 (T – T0) +
0,001 (T2
– T02) in cal für 1 Mol
Hieraus errechnen sich die in der nachstehenden Tabelle für einige Temperaturen
verzeichneten Werte, wenn man als untere Temperatur t0 = 20° C. annimmt.
Temperatur
6,5 (T
– T0)
0,001 (T2 – T02)
Wärmemengef. d. Molzur
ErhitzungT0 auf Tcal
t
absolutT
1800° C.
2073
11570
4211
15781
2115° „
2388
13620
5617
17831
2727° „
3000
17600
8914
16514
3727° „
4000
24095
15914
40009
Benutzt man für die Temperatur t = 1800° C. den Wert
15781 cal/Mol., so
ändert sich die Berechnung wie folgt
a) Bildungswärme (30 g NO)
21600 cal
b) Erwärmung von 30 g NO
von 20° C. auf 1800°
15781 cal
c) Erwärmung der indifferenten Luft (27,7 Mol.) =
27,7.15781
437100 cal
––––––––
in Summa
474481 cal
Zur Bildung von 30 g NO wären somit insgesamt
erforderlich 0,55 Kilowattstd. gegen 0,3954 Kilowattstd. nach der Muthmannschen Angabe.
Zur Herstellung von 1 kg Salpetersäure bezw. 477 g NO ist mithin die elektrische Arbeit von 8,745 Kilowattstd. = 12 PS
erforderlich; mithin würde sich 1 kg auf 24 Pfg. stellen.
Wir wollen im Weiteren diese beträchtlich ungünstigeren Werte benutzen.
Bei Verwendung eines gleichen Gemisches von N und O würden sich die energetischen Gestehungskosten um 25
v. H. verringern; andererseits kämen jedoch die Kosten für die Sauerstoffdarstellung
u.s.w. in Frage, so dass in dieser Richtung hin kaum ein nennenswerter
wirtschaftlicher Vorteil zu erwarten sein dürfte.
Ueberraschend ist in der Energiebilanz der hohe Wert, der zur Erwärmung der bei der
Reaktion indifferenten Luft (96,4 v. H. des Gesamtvolum) nötig ist; derselbe macht
etwa das 21 fache der eigentlichen Bildungswärme des Stickoxyds aus.
Durch konstruktiven Ausbau des – vor der Hand rein laboratoriumsmässigen – Verfahrens
und der Apparatur kann in der Fabrikation dieser Betrag sicher ganz bedeutendherabgesetzt
werden. Insbesondere kann man durch eine zweckentsprechende Vorwärmung des Ausgangsgemisches bedeutend vorteilhafter arbeiten. In
diesem Falle wird nämlich der Faktor (T-T0) verkleinert.
Ferner kann man für die Vorwärmung der Luft äussere,
billigere Heizquellen benutzen und so die Funkenstrecke bedeutend entlasten.
Nimmt man mit Muthmann für die hierbei mögliche
Ersparnis nur 50 v. H. an, so würden die Gestehungskosten für 1 Kilo Salpetersäure
sich auf 13 Pfg. ermässigen. Behält man den Preis von 24 Pfg. bei, so könnte man in
diesem etwa die Gestehungskosten für das weitere Verfahren (Konzentration der Säure
u.s.w.) als eingeschlossen ansehen.Nach Planck erfolgt die Umsetzung von NO in Salpetersäure nach der
thermochemischen Gleichung2NO
+ 3O + aq – 2HNO3
aq = + 73000 caleine Reaktion, bei der also f. d. 1 Mol. NO die beträchtliche Wärme von 36500 cal
wieder frei wird.
Soweit diese Arbeit, die darüber Aufschluss gegeben hat, dass man bereits mit den
hergebrachten Laboratoriumshilfsmitteln (Glaskolben, Platinelektroden, Korkstopfen,
Funkenstrecke u.s.w.) gegebenenfalls eine Fabrikation aufbauen könnte, die der
Wirtschaftlichkeit nicht zu entbehren braucht.
Jedoch nicht hierin liegt das Bedeutsame der Arbeit. Der Wert derselben ist vielmehr
darin zu erblicken, dass es der Technik nunmehr auf Grund der mitgeteilten
Gleichgewichtskonstanten K möglich ist, nach einem Weg
zu suchen, der die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens
zum Ziele hat.
Und in der Tat scheint es, als ob zur Ausführung der vorliegenden Gasreaktionen
Hilfsmittel anwendbar sind, die eine hohe Wirtschaftlichkeit des Verfahrens
versprechen.
Der die Ausbeute an NO bestimmende
Gleichgewichtskoeffizient
K=\frac{C_{N_2}}{C_{O_2}}
ändert sich mit der Temperatur nach Massgabe der van't Hoffschen Gleichung der Reaktionsisochore
\int\,\frac{d\,K}{K}=+\frac{q}{R}\,\int\,\frac{d\,T}{T^2}
wobei R die Gaskonstante = 1,991
und T die absolute Reaktionstemperatur bedeutet.
Die Wärmetönung q (43200 cal) geht entsprechend dem
endothermischen Verlauf der Reaktion
2NO = N2 + O2 + 2 . 21600
cal
negativ in diese Gleichung ein.
Ist nun der Gleichgewichtskoeffizient K1 bei einer Temperatur T1 bekannt, so
findet sich nach Integration obiger Gleichung der Gleichgewichtskoeffizient Kx bei der
Temperatur Tx
aus
lognat\ K_x=lognat\ K_1+\frac{q}{R}\,\left(\frac{1}{T_x}-\frac{1}{T_1}\right)\,\frac{q}{R}\,\left(\frac{1}{T_x}-\frac{1}{T_1}\right)
Kx = K1 · e
Setzt man in diese Gleichung die bekannten Werte ein
K1 =
119 (Nach MuthmannT1 = 1800 + 273 =
2073R = 1,991
Nach Muthmann und Hofer
so kann man, wie ersichtlich, für jede Temperatur Tx die
Gleichgewichtskonstante Kx und somit die Ausbeute an Stickoxyden
bestimmen.
In der nachstehenden Tab. 2 sind einige auf diese Weise berechnete Werte
verzeichnet.
Mit diesen Werten für Kx berechnet sich nun ohne weiteres aus der
Beziehung
K_x=\frac{C_{N_2}\,C_{O_2}}{(C_{NO})^2}
die Konzentration CNO an Stickoxyden aus
C_{NO}=\sqrt{\frac{C_{N_2}\,C_{O_2}}{K_x}}
Tab. 2.
Temperatur des Reaktionsherdes
GleichgewichtskonstanteKx
t
T
1227° C.
1500
6668
1727° „
2000
175
1800° „
2073
119
2227° „
2500
19,86
2727° „
3000
4,62
3227° „
3500
1,62
3727° „
4000
0,75
4727° „
5000
0,25
wobei C_{N_2} den Gehalt an Stickstoff (N2), C_{O_2} den
Gehalt an Sauerstoff (O2) in dem Volumen Eins des Ausgangsgemisches, C_{NO} dagegen den
Gehalt an Stickoxyden (NO) in Teilen des Gesamtvolums bedeutet.
Bei gleichen Teilen O und N
im Ausgangsgemisch ist
C_{N_2}=C_{O_2}=0,5 bezw. c_{N_2}\cdot C_{O_2}=0,25
mithin der Gehalt an Stickoxyd bei einer Reaktionstemperatur
Tx
C_{NO}=0,5\cdot \sqrt{\frac{1}{K_x}} (in Volumenteilen).
Bei der atmosphärischen Luft als Ausgangsgemisch ist
C_{O_2}=0,208 (Volumteile Sauerstoff)
C_{N_2}=0,792 (Volumteile Stickstoff)
also
C_{O_2}\cdot C_{N_2}=\mbox{ rund }0,16.
Hieraus berechnet sich für eine Temperatur des Reaktionsherdes Tx aus der
zugehörigen Gleichgewichtskonstanten Kx (Tab. 2) der Gehalt an
Stickoxyd C_{NO}=0,4\,\sqrt{\frac{1}{K_x}} (Volumteile)
Tab. 3.
Reaktions-Temperaturt
Gehalt an Stickoxyd NOin Vol.-Proz.
Bemerkung
Stickstoff-SauerstoffAusgangsprodukt
Atmoph. LuftAusgangsprodukt
1227° C.1727° „1800° „2227° „2727° „3227°
„3727° „4727° „
0,61 v. H. 3,77 „ „ 4,4 „ „ 11,2 „
„ 23,0 „ „ 39,0 „ „ 57,6 „ „100,0 „
„
0,49 v. H. 3.02 „ „ 3,67 „ „ 8,96 „ „18,4
„ „31,2 „ „46,0 „ „80,0 „ „
Berechnetunter Zugrunde-legung desMuthmannschenWertesK =
119,0fürt = 1800° C.
Wie die in Tab. 3 verzeichneten Werte und die Kurven der Fig. 1 erkennen lassen, nimmt die Ausbeute an Stickoxyden rasch mit der
Temperatur des Reaktionsherdes zu.
Die Ausbeute bei Verwendung eines Stickstoff-Sauerstoffgemisches ist, nur um 20 v. H.
grösser, als die bei Anwendung der atmosphärischen Luft, so dass man praktisch wohl
nur mit dem letzteren Falle zu rechnen braucht.
Die Frage, die sich nun aufdrängt, ist die, ob und durch welche Hilfsmittel es
möglich ist, höhere Reaktionstemperaturen; als bisher, in Anwendung zu bringen.
Die Ausbeute und die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens würde dann ohne weiteres in
hohem Masse gesteigert werden können.
Während die jetzt angewandte Hochspannungsfunkenstrecke ihrer effektiven Temperatur
entsprechend eine Ausbeute von nur 3,6–3,7 v. H. zulässt,Auch die Amerikaner arbeiten mit einer
Anreicherung von nur 3 v. H.; es entspricht dies einer Temperatur der
Funkenstrecke von 1727° C., die dem Schmelzpunkte des Platins (Elektroden)
nahe kommt. würde man bei 2115° C. bereits des Doppelte, bei
4000° C. das Zwölffache zu erwarten haben.
Vom Standpunkte der Technik entsteht nun hier die Frage, ob der Associationseffekt
überhaupt oder aber einwirtschaftlicher Associationseffekt lediglich eine
eigenartige spezifische Wirkung des Hochspannungsfunkens ist, und ob man begründeter Weise an den
Hochspannungsentladungen – deren Anwendung stets mit Betriebsschwierigkeiten und
elektrischen Verlusten verbunden ist – festzuhalten gezwungen ist.
Dies dürfte nun zu verneinen sein, da die Bildung des Stickoxyds eine reine
Temperaturfunktion zu sein scheint, die nur von der Temperatur des Reaktionsherdes
abhängt.
„Der Wechselstromlichtbogen“
betonen Muthmann und Hofer,
„stellt einen heissen Raum dar, der von einem kalten umgeben ist ...“
„Wir erwähnen noch ausdrücklich, dass wir die Reaktion als reine Wärmewirkung
auffassen, wie dies ja auch durch unsere Versuche mit Kohlensäure sehr
wahrscheinlich gemacht wird.“Berichte d. Deutsch, chem. Ges., Bd. 2, S. 448. 450;
1903.
In der Tat dürfte der einzige Grund der zur Wahl von Hochspannungsentladungen zu nötigen scheint, lediglich darin zu finden
sein, dass bei Starkstromentladungen mit grösserer
Energiedichte und Temperatur die aus Metallen bestehenden Elektroden,
selbst wenn man das teuere Platin wählt, abschmelzen
würden, Kohleelektroden jedoch infolge der reduzierenden Eigenwirkung der
glühenden Elektroden bezw. der hocherhitzten Kohlenoxydgase den Oxydationsprozess
des Stickstoffes verhindern bezw. rückläufig machen würden.
Textabbildung Bd. 318, S. 265
Fig. 1.
„Mit anderen Worten es fehlt uns“, wie J.
GruszkiewiczJ. Gruszkiewicz:„Ueber eine neue Cyanwasserstoff-Synthese“, Zeitschr. f. Elektroch.,
1903, Bd. 4, S. 83ff. bemerkt, „zur
Zeit eine richtige, wirtschaftlich arbeitende, elektrische Stromverteilung zu
diesem Zweck, doch ist die Erfindung derselben die Sache einer nicht allzu
fernen Zukunft.“
Es kommt mithin bei der Lösung des Problems darauf an. für den Reaktionsherd Wärme
gener atoren anzuwenden, welche die Erzeugung höchster Temperaturen gestatten und
bei diesen nicht angegriffen werden.
Verfasser hat nun für pyrochemische Gasreaktionen dieser Art, und insbesondere auch
für den vorliegenden Sonderfall der Salpetersäuredarstellung, als Reaktionsherd
bezw. als Wärmegeneratoren elektrisch erhitzte Widerstände bezw. Elektroden aus
Leitern zweiter Klasse in Vorschlag gebracht.E. Rasch:„Eine neue Methode zur Ausfährung pyrochemischer Reaktionen“.
Zeitschr. f. Elektrochemie. 1903. Bd. 8, S. 162
ff.
Während man bei der Funkenstrecke mit Rücksicht auf den Schmelzpunkt der
Elektrodenmetalle an eine begrenzte Maximaltemperatur gebunden ist – im Dauerbetrieb-
wohl kaum höher als 1800° C.Die Anwendung von
Platin-Elektroden (Schmelzpunkt 1775° C.) hat für einen fabrikatorischen
Grossbetrieb in Anbetracht des hohen Preises und der beträchtlichen
Zerstäubung der Elektroden durch Funkenstrecken keine Aussicht. Muthmann und Hofer
bedurften wenigstens bei ihren Versuchen einer steten Nachregulierung- der
Elektroden (2 mm Durchmesser), die auf einen relativ beträchtlichen
Platinverlust schliessen lässt. – kann man beispielsweise bereits
mit Glühkörpern aus Metalloxyden (Magnesia, Thoroxyd, Zirconoxyd) wie sie auch Nernst in der nach ihm benannten Glühlampe verwendet.
Temperaturen erreichen, welche die der Funkenstrecke um mehrere hundert Grad
übersteigen.Unmittelbar nach dem
Ausschalten einer Nernstlampe macht sich die
Anwesenheit nitroser Dämpfe durch den charakteristischen Geruch
bemerkbar.Leitet man über einen Nernstglühkörper einen
feuchten Luftström, so kann man deren Anwesenheit durch
Jodkaliumstärkepapier nachweisen.
Die Temperatur von Elektrolytglühkörpern ist von O.
LummerO. Lunnner:„Ziele der Leuchttechnik“, Elektr. Zeitschr., Bd. 23, Heft 35 u. 36, S. 787 ff. u. 806
ff. durch bolometrische Bestimmung des Energiespektrums an Nernstlampen bestimmt worden; dieselbe bewegt sich
zwischen T = 2200 bis T =
2450.
Bei dieser Temperatur hätte man nach den früheren Ausführungen bereits die doppelte Ausbeute gegenüber dem Funkenverfahren zu
erwarten. Es erscheint überdies nicht ausgeschlossen, dass durch Verwendung
zweckmässig gewählter katalysatorischer Metalloxyde, insbesondere von solchen mit
mehreren Oxydationsstufen, eine zeitliche Beschleunigung des Reaktionsvorganges
erzielt werden kann.
Weit höhere Temperaturen und Energiedichten kann man jedoch nach einem weiter
gehenden Vorschlage von mir für die Zwecke pyrochemischer Reaktionen nutzbar machen,
wenn man sich eines Verfahrens bedient, das Verfasser zur Erzeugung von elektrischen
Lichtentladungen für die Zwecke der Beleuchtung angegeben hatE. Rasch:„Ein neues Verfahren zur Erzeugung von elektrischem Licht.“
Elektrotechn. Zeitschr. 1901, 7; ferner D. R.-P. 117214 vom 19. März 1899 u.
D. R.-P. 187788 vom 28. März 1899. (1899).
Wie ich nämlich nachgewiesen habe, kann man zwischen festen oder flüssigen Elektroden
aus Leitern zweiter Klasse (Oxyden, Salzen u.s.w.) stabile, selbständige,
elektrische Entladungen, sei es in freien Gasen, sei es im Vakuum, unterhalten,
sofern man die Initialentladung durch Erwärmung der Elektroden oder durch
Funkenstrecken erzwingt. Zur Unterhaltung dieser lichtbogenähnlichen Entladungen
sind relativ niedrige Spannungen (40 Volt) hinreichend, jedoch kann man
selbstverständlich auch höhere Betriebsspannungen anwenden.
Man kann mithin in allen Fällen, bei denen man zur Zeit für pyrochemische Zwecke auf
elektrische Entladungen
Tab. 4.
Energiebilanz für die Bildung von 1 Mol (NO)
Temperatur
desReaktionsherdes
Ausbeutepin v. H.
bErwärmungvon 1 Molvon 20 C auf T
Indifferente Luftin
Molen=\frac{100-p}{p}\cdot \frac{M_{NO}}{M_{Luft}}
cErwärmungder indifferenten Luftauf T
aBildungswärmefür1 Mol NO
(a + b + c)Gesamtsummeder aufgewendetenEnergie pro1 Mol NO
t
T
1800° C.
2073
3,65
15781 cal
27,7
437100 cal
21600 cal
452881 cal
2115° „
2388
7,30
17831 „
13,2
236000 „
21600 „
253831 „
3727° „
4000
46,00
40009 „
1,215
48600 „
21600 „
98609 „
Bemerkung: M_{NO} Molekulargewicht des Stickoxyds = 30.
M_{Luft} Molekulargewicht der atm. Luft = 29.
zwischen Elektroden mit reduzierenden Eigenwirkungen und
Nebenerscheinungen angewiesen ist, mit grösserer Aussicht auf Erfolg Elektroden aus
Leitern zweiter Klasse in Anwendung bringen, denen diese Nebenerscheinungen nicht
anhaften. Elektroden aus schwer verdampf baren Metalloxyden (Magnesia, Thoroxyd,
Zirkonoxyd, Aluminiumoxyd u.s.w.) gestatten überaus grosse Energiedichten und
brennen bei den normalen Lichtbogenspannungen.Selbstverständlich lassen sich
jedoch auch zwischen Elektroden dieser Art – die man bis zu gewissem Grade als
chemisch unangreifbar betrachten kann – elektrische Hochspannungsentladungen
unterhalten.
Schliesslich kann man auch zwischen geschmolzenen Leitern zweiter Klasse (Metallsalze
u.s.w.) durch geeignete Anordnung der Elektrodengefässe und der Stromzuführungen
vorzügliche Lichtbogenentladungen unterhalten. Es braucht wohl kaum erwähnt zu
werden, dass man in diesen Fällen den Gasdruck und die Dampfspannung beliebig
verändern kann, und dass die feuerflüssigen Salzelektroden oder dergl. bei der
chemischen Reaktion sich nicht notwendig indifferent zu verhalten brauchen. Ja, es
lassen sich Fälle denken, in denen die Elektrodenmasse an dem elektrochemischen
Vorgang sich mit Vorteil chemisch beteiligen kann.
Aus den photometrischen Messungen an diesem eigenartigen Lichtbogen zwischen
glühenden Leitern zweiter Klasse bezw. aus dem hohen photometrischen Nutzeffekt
desselben lässt sich schliessen, dass derselbe im Stande ist, Temperaturen zu
erzeugen, die vor der Hand zu den höchst erreichten zu zählen sind und jedenfalls
die des Kohlelichtbogens – dessen Anwendung für die vorliegende Gasreaktion seiner
reduzierenden Eigenwirkung halber ausgeschlossen ist – noch übertreffen.
Nimmt man jedoch für diesen Lichtbogen des Verfassers lediglich die Temperatur des
Kohlelichtbogens (T = 4000) an, so ergibt sich aus den
obigen Ueberschlagsberechnungen, dass bei dieser Temperatur 46,0 v. H. der
atmosphärischen Luft in Stickoxyde umgewandelt werden können.
Benutzt man nun das Berechnungsschema wie vorhin als Grundlage für eine
Ueberschlagsrechnung, die sich auf die Reaktionstemperaturen t = 2115 Grad C. (Elektrolytglühkörper) und t
= 3727 Grad C. (Lichtbogen zwischen Elektrolytelektroden) erstreckt, so erhält man
die in der nachstehenden Tab. 4 verzeichneten Werte.
Hieraus finden sich für den gesamten Energieverbrauch in elektrischem Mass die Werte
der Tab. 5.
Tab. 5.
Herstellungs-verfahren
Tempe-ratur
desReaktions-herdes
Totaler Energie-verbrauch,
elektr.
Preisfür 100
kgSalpeter-säure
Bemerkungen
für1 MolNO
für 1 kgSalpeter-säure
Kilowattstunden
Chilisalpeter-Schwefelsäure
–
–
–
39 M.
Marktpreis
Funken-Ver- fahren Muth- mann und HoferRasch
Wider- standserhitzRasch
Licht- bogenerhitz.
1800°
C.2115° „3727° „
0,5500,3190,1391
8,735,072,21
24 M.(14 M.)(6,10
M.)
Kostenfür denelektrischenEnergieverbrauch
NB. 477 g
NO entsprechen theoretisch 1 kg
Salpetersäure.
Diese Ueberschlagszahlen können natürlich nicht den Anspruch auf grosse Sicherheit
erheben und sollen auch die Ausbeute lediglich der Grössenordnung nach
vorausbestimmen; jedoch wird durch sie ein neuer Weg vorgezeichnet, auf dem
voraussichtlich eine wirtschaftliche Lösung des vorliegenden Problems zu erwarten
ist.
Als überaus erwünscht würde ich es bezeichnen, dass die Gleichgewichtskonstante K der Stickstoffoxydation, deren Wert vor der Hand als
wenig sicher angesehen werden muss, einer Neubestimmung unterworfen werde.
Für diesen Zweck wird man vorteilhaft als Reaktionsherd einen Glühkörper aus Leitern
zweiter Klasse verwenden. Die Temperatur desselben lässt sich in relativ sehr
genauer Weise durch die neueren optisch photometrischenMethoden (Pyrometer Wanner„Ueber einen Apparat zur photometrischen Messung hoher
Temperaturen“. Phys. Zeitschr. 3; S.
105 ff. 1901., Holborn und Kurlbaum„Ueber ein neues
optisches Pyrometer“. Berl. Akad. Ber. 1901. S. 712 ff.
oder dergl.) bestimmen und durch Vorschaltwiderstande bequem regulieren.
Eine derartige Untersuchung würde nicht nur eine wichtige Frage der theoretischen
Chemie beantworten, sondern auch die Unterlagen für weitere technische Arbeiten von
hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung bilden.