Titel: | Erklärung der Elektrolyse mittels des Kohäsionsdruckes, des Dopplerschen und des Weberschen Grundgesetzes. |
Autor: | Rudolf Mewes |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 285 |
Download: | XML |
Erklärung der Elektrolyse mittels des
Kohäsionsdruckes, des Dopplerschen und des Weberschen Grundgesetzes.
Von Rudolf Mewes, Ingenieur und
Physiker.
(Schluss von S. 255 d. Bd.)
Erklärung der Elektrolyse mittels des Kohäsionsdruckes, des
Dopplerschen und des Weberschen Grundgesetzes.
Untersuchen wir nun, um die vorliegende höchst wichtige Frage möglichst
eingehend zu erledigen, wie Dühring die Kohäsionsgesetze und
diejenigen des ihm entgegenwirkenden Wärmedruckes behandelt. Wir wollen zunächst gar
nicht in Betracht ziehen, dass Dühring dabei von der
nur als Näherungsformel brauchbaren Zustandsgleichung
(p + z) (v –
x) = p0
(v0
– x)T = bnT
ausgeht, also garnicht berücksichtigt, dass Spannung und
Volumen der Stoffe in geometrischer Reihe mit der Temperatur sich ändern. Sein
Gedankengang ist kurz folgender (siehe S. 91 und 92 „Neue Grundgesetze der
rationellen Physik und Chemie“):
„Differenzieren wir unsere statische Grundgleichung
(p + z) (v –
x) = bnT
zunächst nach t, unter
Vernachlässigung der etwaigen kleinen Veränderung des Molekülvolumens x, so erhalten wir
(v – x)dp = bndt +
bTdn,
und hieraus
b\,n=(v-x)\,\frac{d\,p}{d\,t}-b\,T\,\frac{d\,n}{d\,t}
Setzt man den so erhaltenen Ausdruck für bn in die rechte Seite der Stammgleichung ein, so
ergibt sich
(p+z)\,(v-x)=(v-x)\,\frac{T\,d\,p}{d\,t}-b\,T^2\,\frac{d\,n}{d\,t}
Dividieren wir nun auf beiden Seiten der Gleichung mit v –
x, so findet sich
p+z=T\,\frac{d\,p}{d\,t}-\frac{b\,T^2}{v-x}\cdot \frac{d\,n}{d\,t}
Erwägt man nun, dass das auf der rechten Seite dieser letzteren Gleichung zu
subtrahierende Glied in der Regel positiv ausfallen wird, da die Wärme meist auf
Auflösung der zusammengesetzten Moleküle, also auf eine Vermehrung der Molekülzahl
hinwirken, demzufolge n mit der Temperaturerhöhung
zunehmen und folglich der Faktor \frac{d\,n}{d\,t} des fraglichen Gliedes positiv sein
wird, so gelangt man zunächst zu dem Schluss, dass p +
z also auch z, stets
kleiner als T\,\frac{d\,p}{d\,t} sein muss. Es lässt sich also ein Maximum für z angeben, sobald man \frac{d\,p}{d\,t} kennt. Letztere Grösse
ist aber sowohl für Flüssigkeiten als für feste Körper leicht berechenbar, sofern
man deren kubische Ausdehnungs- und Kompressibilitätskoeffizienten kennt, wie wir
sogleich sehen werden.
Die Ausdehnung eines Körpers durch Temperaturerhöhung bei konstantem Druck wird durch
vadt, seine Kompression durch Druckvermehrung
bei konstanter Temperatur durch vβdp dargestellt,
wobei a den Ausdehnungs–, β den Kompressibilitätskoeffizienten und v
das Ausgangsvolumen bezeichnen. Die Volumenänderung dv, welche durch gleichzeitige Temperaturerhöhung dt und Druckvergrösserung dp hervorgebracht wird, ist also gleich v(adt – βdp). Wird aber die
Temperatur bei konstantem Volumen erhöht, so muss hierdurch der Druck in dem Masse
gesteigert werden, dass sich die Ausdehnung, welche bei konstantem Druck eintreten
würde und die Kompression, welche jene Drucksteigerung hervorbringen würde, einander
aufheben. Aus der Gleichung
dv = v(adt – βdp) = 0
ergibt sich also für diesen Fall \frac{d\,p}{d\,t}=\frac{\alpha}{\beta}. Für Quecksilber
ist z.B. bei 0° α = 0,000181163, β = 0,00000295, also\frac{d\,p}{d\,t}=61,413
Atmosphären f. d. Celsiusgrad. T ist gleich 274, also
\frac{T\,d\,p}{d\,t}=274\,\times\,61,413=16827. Demgemäss kann p +
z für Quecksilber nicht grösser als 16827
Atmosphären sein, und da p in diesem Falle gleich einer
Atmosphäre vorausgesetzt wurde, so ergibt sich, dass der Kohäsionsdruck in
Quecksilber von 0° 16826 Atmosphären oder etwas weniger beträgt.“
Die vorstehende Deduktion Dührings krankt an der von ihm
schon vorher dargelegten Grundanschauung über das Wesen der Kohäsion, welche er für
gleichwertig mit der statischen Wärmekraft bei sich ändernder Wärmezu- oder abfuhr
hält. Was der Wärmespannung entgegengesetzt sei, darüber bildete er sich folgende
Vorstellung: „Bei den Gasen im Grenzzustande ist es fast nur äusserer Druck; bei
Flüssigkeiten und festen Körpern hat aber die Wärmespannung in ihrem
Ausdehnungsbestreben ein Zusammenhalten der Moleküle mit sich selbst
aufzuwiegen. Dieser Zug nach innen, der immerhin Kohäsion heissen mag, bildet
gleichsam die Last, welche vorzuschieben ist, wenn die Ausdehnungswirkungen der
Wärme sich betätigen sollen, und er ist auch die Gegenpressung, welche sich
steigert, wenn bei gleicherhaltenem Volumen die Erhöhung der Temperatur den
statischen Druck entsprechend erhöht. Dagegen spielt der äussere Druck bei den
Flüssigkeiten und festen Körpern gemeiniglich nur eine äusserst geringfügige
Nebenrolle, von der man vorläufig für die Hauptsache ganz absehen kann, wie man
im extremen Gaszustande vom inneren Zuge völlig absieht......
Auch ist das Natürlichste, die Zugkraft zwischen den Molekülen als etwas
Selbständiges zu denken, was nur von dem Volumen abhängt, mit der Temperatur
aber direkt nichts zu schaffen hat. Uns scheint es sogar ebenso unberechtigt,
die Kohäsion unmittelbar als von der Temperatur bestimmt denken zu wollen, als
wenn man es sich einfallen liesse, die Schwere als von der Temperatur abhängig
zu fingieren.“ Nach den in der obigen Tabelle enthaltenen Versuchen ist aber
die Kohäsion tatsächlich von der Temperatur abhängig; indessen auch nach der Dühringschen Auffassung, nach welcher die Kohäsion sich
mit dem Zwischenvolumen ändert, muss die Kohäsion, da ja das Zwischenvolumen sich
mit der Temperatur ändert, ebenfalls von der Temperatur abhängig sein. Wäre dies
nicht der Fall, d.h. würde man die Kohäsion nicht als Wirkung der Wärmestrahlen
ansehen, so würde dieselbe als eine von allen übrigen Naturkräften wesentlich
verschiedene Urkraft gelten müssen und dadurch das sonst in der Naturwissenschaft
all überall gültige Prinzip der Einheit der Naturkräfte umgestossen und in Frage
gestellt werden. Dagegen ergibt sich aus der oben angeführten Formel Dührings
(p + z) (v –
x) = p0
(v0
– x) T,
dass die Kohäsionskraft z mit
steigender Temperatur zunimmt, während dieselbe tatsächlich mit wachsender
Temperatur kleiner wird. Es ist von ihm ganz übersehen worden, dass die Grösse der
Kohäsion lediglich von der abgegebenen Wärmemenge abhängt, welche vom dünnsten
Gaszustände bis zur tatsächlich beobachteten Verdichtungsstufe infolge der
ausgestrahlten Wärme abgegeben worden ist, – dass somit die Kohäsion nur eine
besondere Wirkungsform der Wärmestrahlung und durch letztere mechanisch sich
vollkommen begreiflich machen lässt, ohne zu einer spezifischen Kohäsionskraft seine
Zuflucht nehmen zu müssen. Dagegen stellt die von Dühring aus der Formel \frac{T\,d\,p}{d\,t}=p+z berechnete Zahl 16827 für den
Kohäsionsdruck nichts anderes dar, als die Spannung, welche man, die Richtigkeit der benutzten
Zustandsgleichung vorausgesetzt, durch Erwärmung des auf den absoluten Nullpunkt
abgekühlten Quecksilbers bei dem Anfangsvolumen des Nullpunktes auf T0 erhalten
würde, also die summierte Gegenspannung des Wärmedruckes gegen den äusseren darauf
von den Gefässwandungen ausgeübten Druck, nicht aber die Kohäsionsspannung dar.
Die vorstehenden Grundgesetze gelten jedoch, wie schon nebenbei erwähnt wurde, nur
für statische Zustände, nicht aber für dynamische Vorgänge, wie solche bei der
Elektrolyse in Frage kommen; für diese muss man vielmehr das dynamische
Kraftbetätigungsgesetz, wie solches sich aus der Uebertragung des Dopplerschen Prinzips auf die Arbeitsleistung der
Aetherschwingungen der Wärme, des Lichtes und der Elektrizität und der Schwerkraft
ableiten lässt. Denn bei der Elektrolyse werden nicht nur die Atome, sondern auch
die Moleküle infolge der Absorption der elektrischen Schwingungen des Aethers in
Bewegung gesetzt, wodurch das quadratische Wirkungsgesetz in das elektrodynamische
Webersche Grundgesetz übergehen muss.
Die Ableitung des Weberschen Gesetzes aus dem Dopplerschen Prinzip, bezw. eine theoretische
Begründung dieses Gesetzes, die nach Platner zu finden
der Zukunft vorbehalten bleiben soll, ist von mir bereits im Jahre 1892 gerade im
Anschluss an die Begründung der Elektrolyse durch die Vibrationstheorie gegeben
worden. Ich lasse daher hier die betreffenden Entwicklungen nach der „Physik des
Aethers“ folgen.
Da die Elektrizität eine Wellenbewegung des Aethers ist, so muss dieselbe natürlich
auch ohne Ausnahme nach den Gesetzen der Wellenbewegung sich räumlich den
Wirkungsgelegenheiten entsprechend betätigen. Dieser Forderung muss die Elektrizität
auch beim Durchgang durch schlechte, chemisch zusammengesetzte Leiter genügen.
Demnach müssen die einzelnen Moleküle der zu elektrolysierenden binären
Flüssigkeiten in erster Linie sich so aneinander lagern und ordnen, dass diejenige
Seite des Moleküls, welche von dem besser leitenden Atom (Radikal) gebildet wird,
sich nach der Seite hin richtet, von wo der Strom herkommt, während das schlechter
leitende Atomradikal sich nach der anderen Seite wenden muss; denn dem Eintreten des
Stromes setzt das besser leitende Atom einen geringeren Widerstand entgegen als das
schlechter leitende, so dass nach den Gesetzen der Mechanik die elektrischen
Schwingungen sämtliche Atome so ordnen, dass das besser leitende das elektronegative
und das andere das elektropositive Radikal wird. Dass die Elektrizität tatsächlich
eine solche Drehung auszuüben vermag, beweisen die Beobachtungen Boots über die Drehung der in zwei Richtungen
verschieden leitenden Krystalle. Die hierüber angestellten Beobachtungen (Wiedemanns Lehre von der Elektrizität im § 74) haben
nämlich zu folgender Regel geführt:
„Hiernach würde sich im allgemeinen die Ausbreitung der Elektrizität auf den
Krystallen in der Richtung am stärksten ausbilden, welche sich bei längerer
elektrischer Influenz achsial einstellt, in welcher die optische Elastizität am
grössten ist und sich das Licht am langsamsten fortpflanzt.“
Wenden wir dies, um das Verständnis zu erleichtern, auf einen bestimmten Fall an, und
zwar wollen wir die Elektrolyse des Wassers dazu wählen, da diese Verbindung, welche
aus den beiden für die theoretische Chemie wichtigsten Elementen H und O zusammengesetzt
ist, gewissermassen eine typische Bedeutung hat. Nach dem soeben angeführten Gesetz
von Boot müssen die Sauerstoff- und Wasserstoffteilchen
sich so ordnen, dass in sämtlichen Atomgruppen die beiden Wasserstoffatome dem
ankommenden Strome abgewandt, jedes Sauerstoffatom aber demselben zugekehrt ist. In
zweiter Linie müssen aber die elektrischen Wellen, wie oben bewiesen ist,
proportional dem Leitungsvermögen von den Atomradikalen der einzelnen Wassermoleküle
absorbiert werden. Die Folge dieser Absorption ist, die Erwärmung, also die
Verminderung der Kohäsion der Moleküle und damit schliesslich die chemische Trennung
(Dissociation) der Atomradikale. Da die Trennung der Atome danach der absorbierten
Wellenmenge proportional sein muss, so muss die Zahl der einzelnen, von einander
sich loslösenden Atome lediglich von der Wärmemenge abhängen, welche die einzelnen
Atome von den durchgehendenWellen absorbieren. Nun ist aber diese Wärmemenge,
wie in der Arbeit in Heft 2 bis 4 der „Elektrochemischen Zeitschrift“ (Jahrg.
1902) einwandsfrei gezeigt worden ist, der brechenden Kraft der Materie direkt
proportional. Sollen nun die elektrischen Kräfte oder Schwingungen die alleinige
Ursache sein, welche die Trennung des Wassers in seine Radikale H2 und O bewirkt, so muss. da bei der Elektrolyse des Wassers
die beiden Radikale nach den Volumverhältnissen, in denen sie zur Verbindung
zusammengetreten sind, auch wieder getrennt werden, die brechende Kraft des
Sauerstoffes 0,000544 zu der des Wasserstoffes 0,000278 wie 2 : 1 verhalten.
Tatsächlich verhält sich die brechende Kraft des O zu
derjenigen des H wie 2 : 1. Der
mechanisch-physikalische Grund dafür, dass ein Volumen Sauerstoff gerade mit zwei
gleich grossen Volumina Wasserstoff verbindet, dass, um mich der chemischen Sprache
zu bedienen, Sauerstoff gegen Wasserstoff zweiwertig ist, liegt also darin, dass die
brechende Kraft des ersteren gerade doppelt so gross ist, als. die des letzteren.
Diese für rein statische Vorgänge geltenden Beziehungen sind von mir in „Licht–,
Elektrizität und X-Strahlen“ in dem Kapitel „Das Gesetz der
Absorptionsäquivalente“ ausführlich erläutert worden, sodass ich darauf hier
nicht noch besonders einzugehen brauche, zumal da es sich bei der Elektrolyse nicht
um einen statischen, sondern um einen dynamischen Vorgang handelt, bei welchem auch
die Eigenschwingungen der körperlichen Moleküle gemäss dem Dopplerschen Prinzip in Rechnung zu bringen sind.
In der Tat haben die modernen Theoretiker bei der Erklärung der Elektrolyse stets die
Eigenbewegung der Ionen berücksichtigt und somit sich auf den Boden der alten Laplaceschen Anschauung gestellt, dass die kleinsten
Körperteilchen, die physikalischen Moleküle, ebenso wie die chemischen Atome in
ähnlicher Weise, wie sich dies für die Moleküle und Atome des Weltsystems, für die
Sonnen und Planeten, beobachten und nachweisen lässt, bestimmte Bahnen periodisch
wiederkehrend durchlaufen oder in gesetzmässigen Schwingungen sich bewegen. Hieraus
folgt aber ohne weiteres, dass, da die Moleküle und Atome sich nach dem
quadratischen Wirkungsgesetze beeinflussen, sofern sie selbst wechselseitig in Ruhe
sind, sich dieselben bei der Elektrolyse, durch welche infolge der zu geführten
Wellenenergie der Schwingungszustand der Atome verändert wird, auch die Kraft
Wirkung gemäss der geänderten Bewegung sich ändern muss, zumal da ausser der
Vibrationsbewegung der Ionen noch eine Eigenbewegung derselben von einer Elektrode
zur anderen stattfindet. Das für eine derartige Aenderung der Kraftbetätigung allein
in Frage kommende Gesetz ist das aus dem Dopplerschen
Prinzip abzuleitende dynamische Kraftbetätigungsgesetz der Materie, das Weber und Ganss durch
zahlreiche Versuche unter dem Namen des elektrodynamischen Grundgesetzes erkannt und
bekannt gegeben haben, ohne jedoch dessen Zusammenhang mit der Aethertheorie nur zu
ahnen.
Da bei der Elektrolyse nicht nur die statische, sondern auch die dynamische Strahlung
der Aetherweilen wirksam wird, so mag, um die Grundlagen einer mechanischen Theorie
der Elektrolyse nach jeder Richtung hin sicher zu stellen, dies Problem noch
eingehend erörtert werden. Die von einem Körper oder einem Molekül oder Atom
ausgestrahlten Wellen, mögen dieselben nun Licht–, Wärme oder Elektrizitätswellen
sein, breiten sich nach allen Richtungen des Raumes hin aus, d.h. also kugel- oder
strahlenförmig. Hieraus folgt ohne weiteres, dass die Intensität der ausgesandten
Wellenbewegung mit wachsender Entfernung von dem strahlenden Körper abnehmen muss,
und zwar in derselben Weise, wie die mit dem Abstand als Radius beschriebenen
Kugeloberflächen wachsen; denn die ursprüngliche Wellenmenge muss sich bei
wachsender Entfernung vom Körper wegen der radialen Ausbreitung auf die betreffende
Kugeloberfläche gleichmässig verteilen. Nun ist aber die Oberfläche einer Kugel vom
Radius r gleich 4r2π, die Kugeloberflächen sind also dem Quadrate
des Radius direkt proportional. Da nun aber die Intensität der Strahlen der Grösse
der Oberfläche, auf welche sie sich ausbreiten, umgekehrt proportional ist, so muss
demnach die Intensität der Wellenbewegung dem Quadrate der Entfernung vom
strahlenden Punkte umgekehrt proportional sein. In der Tat beweisen die angestellten
Beobachtungen, dass nicht nur die Intensität der Licht- und Wärmestrahlen, sondern
auch diejenige der elektrischen Schwingungen dem Quadrate der Entfernung
umgekehrt proportional ist. Bei dem Licht benutzt man zur Messung die Intensität das
Photometer, bei der Wärme das Thermometer oder die Thermosäule und bei der
Elektrizität das Elektroskop oder besser noch die Coulombsche Drehwage. Gerade die Versuche Coulombs mit der Drehwage haben unzweifelhaft bewiesen, dass die
Intensität der strahlenden Elektrizität ebenso wie diejenige der Licht- und
Wärmewellen mit dem umgekehrten Quadrat der Entfernung abnimmt. Da die Intensität
ausserdem noch der wirksamen Elektrizitätsmenge direkt proportional ist. so kann man
das räumliche Wirkungsgesetz der statischen Elektrizität also formulieren: „Die
Anziehung oder Abstossung elektrisch geladener Körper ist den wirksamen
Elektrizitätsmengen direkt, dem Quadrate ihrer Entfernung umgekehrt proportional. Da
die Elektrizität eine Kraft ist, so hätte man dieses Resultat auch ohne weiteres aus
dem Grundgesetze folgern können, dass die funktionelle Beziehung einer Kraft zu
ihrer räumlichen Betätigungsmöglichkeit stets dieselbe sein muss.
Das soeben aus der Wellentheorie für die statische Aetherstrahlung abgeleitete
Kraftbetätigungsgesetz gilt jedoch nicht für die hier in Frage kommenden dynamischen
oder die strömenden Aetherschwingungen. Für die letzteren gilt vielmehr ganz
allgemein das Webersche Grundgesetz, welches
lautet:
W=\frac{e\cdot e'}{r^2}\,\left\{1-a\,\left(\frac{d\,r}{d\,t}\right)^2\right\}
darin sind e und e' die wirksamen elektrischen Massen im Abstande r,
welche gegeneinander die Geschwindigkeit \pm\,\frac{d\,r}{d\,t} haben. Nun wird nach dem Doppier scheu Prinzip, das als bekannt vorausgesetzt
werden kann, die Zahl der Schwingungen, welche das Ohr oder Auge treffen, durch die
Formel \left(1+\frac{s}{c}\right) dargestellt, worin s die relative
Geschwindigkeit der Ton- oder Lichtquelle, bezw. für die Elektrizität diejenige der
Schwingungen in den Leitern oder Elektrolyten und c die
Geschwindigkeit der betreffenden Schwingungen in der umgebenden Luft bedeutet.
Die Annahme Webers, dass in jedem elektrischen Strome
gleichzeitig beide Elektrizitäten in gleicher Menge nach entgegengesetzten
Richtungen fliessen, ergiebt sich als Folgerung aus dem Umstände, dass die
elektrischen Schwingungen infolge der radialen Ausbreitung und der totalen Reflexion
an der Innenseite der Leiterfläche nach der positiven und negativen Stromrichtung
hin den Draht durchlaufen und daher, soweit sie nicht infolge der Totalreflexion im
Leiter verbleiben müssen, nach beiden Richtungen hin ausstrahlen. Ist nun die
Geschwindigkeit der elektrischen Strahlen im ersten Leiter n und im zweiten n' so sind die relativen
Geschwindigkeiten, mit welchen die elektrischen Schwingungen einander entfliehen
oder aufeinander zueilen:
1.
von
+ e
und
+ e' : n –
n'
2.
„
– e
„
– e' : – (n – n')
3.
„
+ e
„
– e ': n + n'
4.
„
– e
„
+ e' : – (n +
n')
Während einer Sekunde wird also, wenn im ersten Leiter u, im zweiten u Schwingungen in der Sekunde
stattfinden, nach dem Dopplerschen Prinzip eine in der
positiven Stromrichtung sich fortpflanzende Welle des zweiten Leiters sich mit
u\,\left\{1+\frac{n-n'}{c}\right\}
Wellen des ersten und umgekehrt gleichzeitig eine in der
positiven Richtung sich fortpflanzende Welle des ersten Leiters sich mit
u_1\,\left\{1+\frac{n-n'}{c}\right\}
Wellen des zweiten zusammensetzen, sodass bei der relativen
Geschwindigkeit + (u – u') infolge der
Wechselseitigkeit der Strahlung die Gesamtzahl der von den Stromelementen ds und ds
einander zugesandten Wellen dem Produkt
u\,u_1\,\left(1+\frac{n-n'}{c}\right)^2
und dem der strahlenden Flächen ds und ds' proportional, also
gleich
d\,s\,d\,s'\cdot u\,u_1\,\left(1-\frac{n-n'}{c}\right)^2
Ganz entsprechend erhält man für die Gesamtzahl der Schwingungen bei der relativen
Geschwindigkeit
-(u-u')\,:\,d\,s\,d\s'\cdot u\,u_1\,\left(1-\frac{n-n'}{c}\right)^2
u+u'\,:\,d\,s\,d\s'\cdot u\,u_1\,\left(1+\frac{n-n'}{c}\right)^2
-(u+u')\,:\,d\,s\,d\s'\cdot u\,u_1\,\left(1-\frac{n+n'}{c}\right)^2
Nach den Versuchen von Crookes, Neesen, Pringsheim und
anderen ist aber die anziehende oder abstossende Wirkung der Aetherschwingungen der
Zahl der ausgesandten Schwingungen direkt und wegen der Intensitätabnahme dem
Quadrate der Entfernung der ausstrahlenden Körper umgekehrt proportional und
folglich erhält man für die mechanische Wirkung der Wellen in den angeführten vier
Sonderfällen
1. \frac{d\,s\,d\,s'}{r^2}\cdot u\,u_1\,\left(1+\frac{n+n'}{c}\right)^2
2. \frac{d\,s\,d\,s'}{r^2}\cdot u\,u_1\,\left(1-\frac{n+n'}{c}\right)^2
3. -\frac{d\,s\,d\,s'}{r^2}\cdot u\,u_1\,\left(1+\frac{n+n'}{c}\right)^2
4. +\frac{d\,s\,d\,s'}{r^2}\cdot u\,u_1\,\left(1-\frac{n+n'}{c}\right)^2
Die algebraische Summe aller dieser vier Wechselwirkungen ist dann die Wirkung der
beiden Stromelemente aufeinander; diese Summe ist, wie man sich leicht durch
Ausquadrierung und Addierung der gleichnamigen Glieder überzeugen kann, gleich
\frac{u\,u_1\cdot d\,s\,d\,s'}{r^2}\cdot -\left(\frac{b\,n\,n'}{c^2}\right)
Dieser Ausdruck ist, da sich nach Ampères Entwicklung
das Webersche Gesetz auf die Form
8\,a\,\frac{e\,e'\,d\,s\,d\,s'}{r^2}\,u\,u'
bringen lässt, mit letzterer Formel, abgesehen vom Vorzeichen,
identisch, wenn man 8\,a=\frac{8}{c^2} also a=\frac{1}{c^2} setzt.
Das vorstehende Gesetz giebt, da in demselben auch die relative Geschwindigkeit der
Ionen Berücksichtigung findet, die Möglichkeit, die Elektrolyse rein mechanisch auf
Grund der Sellmeierschen Emissions- und
Absorptionstheorie zu begründen, ohne zu besonderen, mit allen möglichen
Eigenschaften begabten Elektronen seine Zuflucht nehmen zu müssen. Durchführung und
Prüfung der Theorie an der Hand von Versuchen und Beobachtungen wird einer
besonderen Arbeit vorbehalten.