Titel: | Neue Einrichtungen und Nebenvorrichtungen zur Zugsicherung auf Eisenbahnen. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 296 |
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Neue Einrichtungen und Nebenvorrichtungen zur
Zugsicherung auf Eisenbahnen.
Neue Einrichtungen und Nebenvorrichtungen zur Zugsicherung auf
Eisenbahnen.
I. Siemens & Halskesche Schaltungsweise für elektrische
Sperr- oder Meldevorrichtungen.
Wenn durch die fahrenden Züge von einer bestimmten Bahnstelle aus nach einer zweiten,
entfernten Stelle die erfolgte Vorbeifahrt mittels Signale angezeigt oder die Lösung
des Verschlusses eines Blockwerks oder eines Fahrstrassenhebels u.s.w. bewirkt
werden soll, so geschieht dies bekanntlich in der Regel auf elektrischem Wege, und
zwar mit Hilfe von Stromschaltern, welche von den Fahrzeugen der Züge tätig gemacht
werden. Einrichtungen dieser Art können jedoch, wenn es sich um die Aufhebung eines
Fahrverbots oder um Entriegelungen von ähnlicher Wichtigkeit handelt, erst dann als
vollwertig gelten, wenn die von den Zügen auszuübende Fernwirkung sich in der Tat
nicht früher vollzieht, bevor nicht die letzte Zugachse den in Frage kommenden
Gefahrpunkt richtig überschritten hat, weil andernfalls bei einem etwaigen
Liegenbleiben eines Zuges an kritischer Stelle die Aufhebung des gedachten
Verschlusses erfolgen könnte, ohne dass die sichernden Vorbedingungen erfüllt
sind.
Schon seit etwa sieben Jahren wird von Siemens &
Halske eine Schaltungsweise angewendet, welche der eben angeführten
Bedingung dadurch entspricht, dass neben einem gewöhnlichen Streckenstromschalter im
Gleise noch ein zweiter Kontakt in Gestalt eines isolierten Stückes des einen oder
des anderen Schienenstranges vorhanden ist, und dass ein beim Befahren des ersteren
durch die erste Radachse jedes Zuges entstehender Stromkreis so lange geschlossen
bleibt, als noch eine Achse desselben Zuges auf dem isolierten Schienenstück läuft.
Neuestens hat diese Schaltung eine unter Umständen günstig verwertbare Erweiterung
erfahren, wie sich dieselbe aus Fig. 1 des näheren
ersehen lässt. Im Gleis gg liegt an
erforderlicher Stelle irgend ein Radtaster, Sehienendurchbiegekontakt oder ein
ähnlicher, als Stromschliesser angeordneter Streckenstromschalter t, während gleichzeitig ein Stück i1i2 des Schienenstrangs
s1s1 vom Unterbau
und namentlich von den anstossenden Fortsetzungen des Schienenstrangs isoliert,
dagegen der zweite Strang s2s2 des Gleises an Erde gelegt ist. Natürlich
kann dasStück i1i2
je nach Bedarf ein längeres Gleisstück oder auch nur eine einzelne Schiene sein,
doch muss es jedenfalls eine um einige Meter grössere Länge besitzen, als der
grösste Radstand, welcher bei den auf der Strecke verkehrenden Eisenbahnfahrzeugen
vorkommen kann.
Textabbildung Bd. 318, S. 296
Fig. 1.
Befährt ein Zug den Streckenumschalter t, so gelangt
hierdurch die Leitung l über t und durch Vermittlung der Räderpaare des Zuges mit der Erde in
Verbindung, so dass von der Batterie b ein
geschlossener Stromkreis über e1, e2, s2, t, l und m1 entsteht, welcher
die Anziehung des Ankers a1 und daher die Herstellung eines neuen
Stromweges bei c1 bewirkt. Von diesem Augenblicke an erfolgt ersichtlichermassen der
Schluss eines zweiten Stromkreises über die Radachsen des Zuges, dann über e2, i1i2, d1, l1, a1, c1, n, m1
b und e1, der so lange unverändert anhält, als ein
Rad des in Betracht stehenden Zuges sich auf der isolierten Schiene befindet. Es
bleibt also nach dem Befahren des Streckenstromschliessers t die Wirksamkeit des Elektromagneten m1 d.h. die Anziehung des Ankers a1, bezw. der
Stromweg bei c1
auch noch aufrecht, wenn keine Betätigung dieses Stromschliessers mehr stattfindet;
sie wird jedoch, –- vorläufig angenommen, dass der zweite Anschluss d2 der Leitung
l2 an i1i2 nicht
vorhanden wäre – sofort unterbrochen werden, wenn die letzte Zugachse über i1i2
hinweggelangt ist und die Leitung l1 sonach die leitende Verbindung zur Erde e2 verliert.
Wenn nun unter der letzterwähnten Voraussetzung, dass der Anschluss d2 nicht
vorhanden sei, zwischen der Batterie b und dem Relais
m1 ein oder
mehrere Elektromagnete eingeschaltet würden, welche Signal- oder Sperrvorrichtungen
derart steuern, dass sie die Auslösung durch den Ankerabfall vollziehen, dem die
Anziehung vorausgegangen ist, so entspricht ihre Einrichtung nach der beschriebenen
Schaltung der eingangs aufgestellten Bedingung, laut welcher sie ihre Aufgabe erst
dann vollziehen dürfen, wenn der Zug die Gefahrstelle wirklich hinter sich gelassen
hat.
Dieses bildet das Wesen der ursprünglichen Siemens und
Halskeschen Schaltung, welche neuestens die in Fig. 1 ersichtlich gemachte einfache Weiterung erfahren hat, bei deren
Anwendung jener Stromschluss, der infolge Betätigung des Streckenstromschliessers
t entsteht, nach der Vorbeifahrt des Zuges nicht
aufhört, sondern sich zur Erregung anderer Elektromagnete ausnützen lässt und erst
später, nach verrichteter Arbeit, sei es selbsttätig oder von Hand wieder
unterbrochen werden muss. Zu diesem Ende sind z.B. die Spulen des Elektromagneten
m2
einerseits zur Erde e3, andererseits durch die Leitung l2 bei d2 an i1i2 angeschlossen. Hierdurch wird nun, sobald
der Elektromagnet m1
durch die erste Achse eines Zuges mittels des Stromschliessers t zur Wirksamkeit gelangt und den Strom weg bei c1 herstellt, nebst den
über t und über t
geschlossenen Strömkreisen noch ein weiterer Teil ström von d1 über d2, l2, m2, c2, e3 und e1 seinen Lauf nehmen, der jedoch bei richtiger
zweckdienlicher Bemessung der Leitungswiderstände so schwach bleibt, dass er eine
Anziehung des Ankers a2 nicht zu Stande bringt. Gelangt jedoch der
in Frage kommende Zug über i1i2
hinweg, wonach also die leitende Verbindung zwischen i1i2 und s2s2 aufhört, dann fliesst der volle
Strom der Batterie b über m1, n, c1, a1, l1, d1, d2, l2, m2, c2, e3 und derselbe ist nun kräftig genug, um
auch den Elektromagneten m2 angemessen wirksam zu machen. Dieser
zuletzt betrachtete Stromkreis bleibt nun dauernd so lange geschlossen, bis ein
zwischen m2 und
der Erdleitung eingeschalteter Unterbrecher vorübergehend geöffnet wird, wodurch die
Gesamteinrichtung die in der Zeichnung dargestellte Grundstellung wieder
zurückgewinnt.
Das der Fig. 1 zu gründe liegende Beispiel bezieht
sich auf den häufig vorkommenden Fall, dass an einem Signal- und Weichenstellwerk
die Sperrung eines Fahrstrassenhebels h durch die
letzte Achse der eingefahrenen Züge gelöst werden soll. Die Rückstellung des zum
Verschluss der Weichenhebel umgelegten Fahrstrassenhebels h wird durch eine Sperrklinke k verwehrt,
welche vermöge ihrer Federung bestrebt ist, in die Falle des mit h verbundenen Schiebers rr
einzuschnappen, sobald dieser angemessen verschoben wird. Das Einfallen der Klinke
k kann jedoch nur bei abgerissenem Anker a2 stattfinden,
wogegen k in der nichtsperrenden Lage zurückgehalten
bleibt, so lange m2 stromdurchtlossen, bezw. der Anker a2 angezogen ist. Die Unterbrechung des
Freigabestromes besorgt der Stellwerkswärter lediglich durch die Rückstellung des
Fahrstrassenhebels, wobei die Kontaktstelle c2 gelöst und hierdurch die leitende
Verbindung zur Erde e3 unterbrochen wird. Dass sich diese Schaltung ebensowohl für andere Stell
werksteile und mannigfache ähnliche Sicherungen ausnützen lässt, bedarf keiner
weiteren Erläuterung.
II. Arlts Vorrichtung zur
selbsttätigen Entblockung von Wechselstromfeldern.
Statt der Anwendung besonderer, zwischengelegter Sperrvorrichtungen, welche durch die
fahrenden Züge vermittels eines Streckenstromschalters entriegelt werden, schlägt
O. Arlt in Görlitz vor, das in Frage kommende Siemens & Halskesche Blockfeld gleich ohne
Vermittlung einer gedachten Sondersperre durch ein Uhrwerk freimachen zu lassen,
welches von den Zügen mittels eines Streckenstromschliessers und einer Batterie
ausgelöst wird und sodann in den Elektromagnet des Blockfeldes den zur Entblockung
erforderlichen Wechselstrom entsendet, gerade so, als sei derselbe von der
berechtigten Stelle aus durch Handhabung der Block taste und des Magnetinduktors
abgeschickt worden. Der Konstrukteur fasst nämlich bei seiner Vorrichtung im
besonderen die bekannte Anordnung der deutschenStations-Blockanlagen ins Auge,
bei denen die zu den Aus- und Einfahrtsignalen gehörenden Wechselstromblockfelder
des Signal- und Weichenstellwerks vom Dienstzimmer des Stationsbeamten aus
freigegeben werden, nachdem sich der letztere jeweilig die Ueberzeugung verschafft
hat, dass die Ein- bezw. Ausfahrt des Zuges ordnungsmässig vor sich gegangen
ist.
Textabbildung Bd. 318, S. 297
Fig. 2.
Aus Fig. 2, welche das Stromlaufschema einer
Stellwerksblockeinrichtung darstellt, lässt sich das wesentlichste der Arltschen Anordnung unschwer ersehen. Um die für die
Ein- oder Ausfahrt eines Zuges erforderliche Signalgebung zu ermöglichen, muss der
Stationsbeamte bekanntlich mittels seines im Dienstzimmer der Station befindlichen,
in der Zeichnung weggelassenen Signalfeldes durch Entsendung von Wechselströmen das
Signalblockfeld f1 des
Stellwerks entblocken, wodurch der Stellwerks Wärter in stand gesetzt wird,
zuvörderst seinen Fahrstrassenhebel angemessen einzustellen und sodann, nachdem er
letzteren durch Bedienung des Fahrstrassenblockfeldes f2 festgelegt hat, die
Freistellung des betreffenden Ein- bezw. Ausfahrtsignals zu bewerkstelligen. Bei der
vorgedachten Freigabe des Blockfeldes f1 wird gleichzeitig die Hemmung der Stange s'1 gelöst und sonach
der Kontakt c1
geschlossen. Von c1
führt eine Stromleitung einerseits zu einem als Stromschliesser angeordneten
Streckenstromschalter t, andererseits zu einer Batterie
b1, welche über die
Spulen eines Elektromagneten m bei z zur Erde e1 angeschlossen ist. Der abgerissene Anker
a des Elektromagneten m hält mit seinem abgeschrägten Hebelende p
einen um den Drehzapfen o beweglichen Auslösehebel q fest, wenn der letztere die in Fig. 2 durch gestrichelte Linien angedeutete Stellung
einnimmt. Auf einem seitlich aus q vorstehenden
Rollenstift lehnt sich der am unteren Ende um eine Achse lose drehbare Hebelarm h, dessen freies Ende ein Gewicht g trägt und der mit einer federnden Mitnehmerklaue k in ein Sperrad r
eingreift. Die Achse dieses Gesperrs überträgt ihre Drehung durch Vermittlung einer
von dem Windflügelrade w beeinflusste, mehrfache
Zahnradübersetzung auf einen rotierenden, als Pol Wechsler wirkenden Umschalter u.
Während ein Zug aus- oder einfährt, befindet sich der bezügliche Auslösehebel q nebst dem Treibgewichtshebel h immer in der durch gestrichelte Linien gekennzeichneten, gehobenen Lage,
bei welcher sich q auf den Ankerhebel stützt, das
Uhrwerk sich in Ruhe befindet, und ein mit einer Batterie b2 verbundener, auf q angebrachter Kontakt c3 unterbrochen ist. Diese Lage
der Auslösung wird jedesmal, d.h. für jeden Zug vom Stellwerkswärter bei Bedienung
des
Fahrstrassenblockfeldes f2 dadurch hervorgerufen, dass die
niedergehende Tasterstange s2 mittels einer Nase n den Auslösehebel q hochhebt und auf den
Ankerhebel legt. Befährt nun der Zug den Streckenstromschalter t, so gelangt die Batterie b1, da zur Zeit der Stromweg bei
c1
hergestellt ist, über m, e1, e2
t, c1 in
Schluss, der Auslösehebel q verliert infolge der
Ankeranziehung den bisherigen Halt bei p, so dass er in
die mit vollen Linien dargestellte Lage abfällt, wobei sich der Kontakt c3 schliesst. Das
Gewicht g wird wirksam und treibt durch die Klaue k das Laufwerk der Polwechselscheibe u an, deren Lauf, wie bereits erwähnt, durch die
Windflügelhemmung w gleichmässig gemacht wird. Von dem
Augenblicke an, wo durch den Abfall des Auslösehebels der leitende Weg bei c2 hergestellt
wird, findet der Strom der Batterie b2 seinen Weg über u nach den Spulen des Wechselstromverschlusses des Blockfeldes f2, und sobald
auf diese Weise die zur Entblockung erforderliche Zahl Ströme wechselnder Richtung
abgegeben ist, erfolgt das Hochgehen der Tasterstange s'2, wodurch sich der bisher bei
c2
bestandene Kontakt löst und also die Stromgebung von selbst wieder aufhört, nachdem
sie ihre Aufgabe erfüllt hat.
Textabbildung Bd. 318, S. 298
Fig. 3.
Es wäre natürlich ebensogut möglich, statt der Batterie b2 in Verbindung mit der sich
drehenden Polwechselscheibe das Uhrwerk einfach einen Magnetinduktur antreiben zu
lassen, der ohne weiteres die erforderlichen gewöhnlichen Wechselströme liefert und
über den Kontakt c3 in die Blockfeldspulen entsendet. Desgleichen kann die Anordnung des
Streckenstromschalters und die Auslösung des Laufwerkelektromagnetes – etwa in der
vorhin geschilderten Siemens & Halskeschen Weise –
derart getroffen sein, dass das Abfallen des Auslösehebels erst erfolgt, wenn die
letzte Achse der Züge die Gefahr stelle
überfahrenhat. Schliesslich lässt sich der selbsttätige Stromsender nicht blos für
die Entblockung von Fahrstrassenblockfeldern ausnützen, sondern in entsprechender
Anpassung ebensowohl für die Freigabe von Signal- oder von Zustimmungsblockfeldern,
wobei gegenüber den gewöhnlichen Anlagen Leitungen oder auch Blockfelder und für
alle Fälle im Signalbetriebe viel Zeit und Mühe erspart werden können. Ob sich aber
die in Rede stehende Vorrichtung so tadellos und verlässlich ausführen lässt, als es
bedingt erscheint, um sie in die Praxis einführen zu dürfen, wird allerdings vorher
erst durch eine längere strenge Erprobung festzustellen sein
III. Verbesserung an dem
Schimendurchbiege-Streckenstromschliesser der C. Lorenzschen Signalbauanstalt (Berlin).
Der seinerzeit an dieser Stelle ausführlich beschriebene obengenannte
Streckenstromschliesser (vergl. D. p. J. 1901, Bd. 316,
S. 649) hat seither eine grosse Verbreitung gefunden, die er zum Teil auch einer
geringen, aber für die gleichbleibend tadellosen Stromherstellungen und
Stromunterbrechungen wertvolle Verbesserung verdankt. Letztere besteht, wie die
Abbildung des im Gleis verlegten Streckenstromschliessers (Fig. 3) ersehen lässt, lediglich darin, dass das Winkeleisen, welches das
gusseiserne Kontaktkästchen trägt, nicht wie früher (vergl. 1901, Bd. 316, S. 650 Fig. 10) von der Fahrschiene völlig
losgetrennt, einfach auf zwei Oberbauschwellen liegt, sondern etwa die doppelte
Länge erhält und mit seinen beiden Enden an den Fuss der Fahrschiene nach der
gewöhnlichen Art dieser Verbindungen mittels Klemmbacken und Schraubenbolzen
festgemacht wird.
Die Auflager des Kontaktträgers auf den beiden Schwellen sind durch Eisenplatten
gebildet, welche mit dem wagerechten Teil des Winkeleisens durch je zwei
Schraubenbolzen in Verbindung stehen; eine dritte, in der Mitte zwischen den beiden
Bolzen vorhandene, stärkere Kopfschraube dient als Stell- bezw. Spannschraube und
Ist daher mit einer sichernden Gegenmutter versehen, welche den Rückgang ausder
einmal richtig eingestellten Lage verhindert. Mit Hilfe dieser beiden Spannschrauben
erhält der Kontaktträger seine endgiltige, d.h. richtige Lage. Hierzu werden die
Schrauben durch Lüften oder Anziehen derart eingestellt, dass der Abstand, welcher
sich zwischen der Unterkante des den Kontakt tragenden Winkeleisens und den
Schwellenoberkanten ergibt, wenn die Befestigung der Trägerenden an der Fahrschiene
erfolgt ist und die Roheinstellung der Gesamtvorrichtung stattgefunden hat, um 3–4
mm vergrössert wird, demzufolge das Winkel eisen einen sanften, aber festgespannten
Bogen bildet. Die übrige Anordnung des Stromschliessers hat keine Abänderung
erfahren, sondern ist genau so geblieben, wie sie an der oben angeführten Stelle
beschrieben wurde und wie sie sich auch in der Praxis, namentlich in Rücksicht des
Umstandes, dass die Vorrichtung nur geringe Unterhaltung und fast gar keine
Beaufsichtigung beansprucht, durchaus bewährt hat.
IV. Vervollkommnung der Webb- und Thomsonschen
Zugstabeinrichtung.
Die bekannte elektrische Einrichtung zur Durchführung der Zugdeckung mittels des englischen Zugstabes wird neuestens von verschiedenen
eingleisigen Nebenbahnen, namentlich aber auch von elektrisch betriebenen Bahnen
höherer Ordnung angewendet. Sie hat dabei z.B. auf einigen italienischen Linien eine
einschneidende Erweiterung erfahren, indem zwischen den Weichen- und
Signalstellwerken in den Stationen und den Stromkreisen für die Freigebung der
Zugstäbe eine strenge Abhängigkeit in der Weise geschaffen ist, dass der Zugstab als
Schlüssel zur Freimachung der Stellhebel für die Ausfahrtsignale dient, während die
Stellhebel der Ein- und der Ausfahrtsignale Zustimmungskontakte steuern, welche
behufs Freimachung der Zugstäbe geschlossen sein müssen.
Bei der Zugstabeinrichtung von Webb & Thomson
(vergl. D. p. J. 1893, Bd. 288, S. 197) erfolgt – wie zum
Verständnis des Späteren zu erinnern geboten erscheint – die Deckung jedes einzelnen
Zuges zwischen zwei Nachbarstationen mittels eines besonderen, eigens gestalteten,
nur dieser Strecke geltenden Zugstabes, welchen der Zugführer während der Fahrt bei
sich haben muss. Dieser Stab kann aber nur dann aus seinem Aufbewahrungsorte
entnommen werden, wenn letzterer nicht versperrt ist, d.h. wenn sich kein anderer
Zug auf der in Frage stehenden Strecke befindet, weil jede Entnahme eines Zugstabes, sei es in der Anfangs- oder in der
Endstation der Strecke, den Verschluss der beiden Zugstabbehälter im elektrischem
Wege selbsttätig hervorbringt und diesen Verschluss ebenfalls beiderseits
selbsttätig wieder öffnet, nachdem der entnommen gewesene Zugstab in den einen oder
anderen Behälter zurückgebracht werde. Bei richtiger Ausführung kann also ein Gegen-
oder Folgezug immer erst dann abgesendet werden, wenn der letztverkehrende Zug in
seiner Bestimmungsstation eingetroffen oder in seine Ausgangsstation zurückgekehrt
ist.
Die eingangs erwähnte, namentlich von Leone Olper in
Bologna, herrührende Verbesserung zielt darauf ab, die bei der Webb & Thomsonschen Einrichtung nicht völlig
hintangehaltene Möglichkeit dass ein Zug irrtümlich ohne Zugstab seine Fahrt
antritt, nahezu auszuschliessen. Zu dem Ende sollen in den Stationen zuvörderst Ein-
und Ausfahrtsignale vorgesehen sein, deren Stellhebel mit Stromschliessern verbunden
sind, durch welche die betreffenden Stromleitungen der Zugstabbehälter laufen und
daselbst unterbrochen werden, so lange das Signal auf „Freie Fahrt“ steht, hingegen geschlossen bleiben, so lange das
Signal „Halt“ zeigt. Jeder Signalbebe] hat
ferner einen besonderen, selbsttätig wirkenden Verschlussriegel, der nur mit Hilfe
des betreffenden Zugstabes, welcher deshalb als Schlüssel von bestimmter Bartform
ausgeführt ist, ausgehoben werden kann. Dieser Verschluss muss mittels des Zugstabes
bei den Aus fahrt Signalen für jedes Umstellen von Halt
auf Freie Fahrt und bei den Einfahrtsignalen umgekehrt,
d.h. für jedes Umstellen von Freie Fahrt auf Halt vorher erst aufgesperrt werden. Das Ergebnis
dieser Wechselwirkung lässt sich mit Hilfe der schematischen Darstellung einer
Mittel Station (Fig. 4, 5 und 6), wo die Einfahrtsignale mit ei und e2, die Ausfahrtsignale mit a1 und a2 bezeichnet
sind, leicht verfolgen. Zu bemerken kommt vorher nur noch, dass in den Figuren die
beiden Zugstabbehälter der Station für die anstossenden Strecken I und II bei s1 und s2 angedeutet sind,
ferner, dass die stark ausgezogenen Linien die Gleisanlage, die gestrichelten
hingegen, die zur Zugstabeinrichtung gehörenden zwei elektrischen Leitungen l1 und l2 vorstellen, welche
in jeder Zwischenstation etwa an eine gemeinsame Batterie b und dann zur Erde anschliessen. Vorausgesetzt ist auch, dass die Weichen
und Signale der Station von einem gemeinsamen Stellwerke aus gehandhabt werden, wo
die Stellhebel in bekannter Weise auf mechanischem Wege gegenseitig von einander in
Abhängigkeit gebracht sind.
Textabbildung Bd. 318, S. 299
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 318, S. 299
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 318, S. 299
Fig. 6.
Würden nun beispielsweise auf Grund der letzt gedachten Anordnung im Stellwerk die
von I kommenden Züge regelmässig links, d.h. auf die
Ausweiche einzufahren haben, so wird man, um den
Zügen dieser Richtung die Abfahrt zu gestatten, vor allem den Stellhebel hw2 der
Weiche w2
umlegen, damit die letztere in die durch Fig. 5
gekennzeichnete Lage kommt. Nunmehr kann, soweit es die gewöhnliche Stellwerks
Verriegelung anlangt, der Signalhebel ha1 auf Freie
Fahrt gebracht werden, wenn er vorher mittels des Zugstabes der Strecke II aufgesperrt wird. Es hängt sonach die Erlaubnis zur
Abfahrt unbedingt davon ab, dass der massgebende Zugstab auch wirklich dem Behälter
s2
entnommen worden ist. Da bei der Freistellung von a,
übrigens durch den umgelegten Hebel ha (Fig. 5) die Zugstableitung l2 unterbrochen wurde, ist
hierdurch der Zwang geschaffen, dass das Ausfahrtsignal nach Abgang des Zuges wieder
auf Halt zurückgebracht wird, weil anderenfalls kein
weiterer Zugverkehr auf der ganzen Strecke II mehr
stattfinden könnte.
Wäre von der Station z.B. ein von der Strecke I
kommender Zug anzunehmen, so ist zuvörderst der Hebel hei umzulegen, wie es Fig. 6 zeigt, wobei
gleichzeitig der Weichenhebel hw1 im Stellwerk für die oben
angeführteNormallage der Weiche w1 festgelegt wird. Diese Signalumstellung
darf allerdings erst vorgenommen werden, wenn die Station auf telegraphischem oder
telephonischem Wege oder, wie es bei den italienischen Einrichtungen dieser Art zu
geschehen pflegt, durch ein am Zugstabbehälter erscheinendes, von einem
Glockenzeichen begleitetes Scheibensignal Gewissheit erhält, dass für den zu
erwartenden Zug der Zugstab bereits aus dem Behälter der Nachbarstation entnommen
worden ist. Nach erfolgter Ankunft des ins Auge gefassten Zuges muss das
Einfahrtsignal unbedingt wieder auf Halt gebracht
werden, weil die Zugstableitung l1 durch den umgelegten Hebel he1
unterbrochen ist und sonach eine Zugstabentnahme für die Strecke I, d.h. überhaupt jeder Verkehr auf I unmöglich wäre. Dank dieser Unmöglichkeit bliebe
allerdings der in der Station angelangte Zug auch dann gedeckt, wenn die Einziehung
des Einfahrtsignals verspätet oder verabsäumt würde. Für alle Fälle lässt sich
dieselbe aber erst bewerkstelligen, nachdem mittels des mit dem Zuge eingetroffenen
Zugstabes der Strecke I der weiter oben erwähnte
Sonderverschluss des Signalhebels aufgesperrt worden ist, welche Nötigung es
unmöglich macht, dass nach erfolgter Freigebung des Einfahrtsignals eine falsche,
bezw. vorzeitige Umstellung der Weiche w1 stattfinden könnte. Sollte etwa
ausnahmsweise ein Zug, für dem das Einfahrtsignal bereits gezogen wurde, nicht
eintreffen, weil er z.B. liegen geblieben ist oder zurückschieben musste u. dergl.
oder wäre das erteilte Fahrsignal aus örtlichen Gründen von der Station wieder
zurückzunehmen, so geschieht dies mit Hilfe eines Vorratschlüssels, der sich in der
Station unter streng kontroliertem Bleisiegelverschlusse befindet und in solchen
Ausnahmsfällen an Stelle des Zugstabes zum Oeffnen des Signalhebelverschlusses
benutzt werden darf.
Gleichwie die eben geschilderten Abhängigkeiten auf der einen Seite der Station
angeordnet worden sind, so bestehen sie auch auf der anderen Seite, und es ist wohl
kaum mehr nötig, weitere Beispiele ausführlich vorzunehmen, um zu erhärten, dass mit
Hilfe der Zustimmungskontakte und der mittels Zugstäben zu öffnenden
Sonderverschlüsse, in Verbindung mit Signalstellwerken, allen nur immer
wünschenswerten Sicherungsbedingungen unschwer Rechnung getragen werden kann.
Selbstverständlich lässt sich die Einrichtung, wenn auch nicht so umfassend und
bequem, so doch ebenfalls mit bestem Nutzen, auch in denjenigen Stationen verwerten,
wo keine besonderen Weichen- und Signalstellwerke vorhanden sind. Ein gewisser,
nicht zu unterschätzender Vorteil der Einrichtung liegt schliesslich auch darin, dass sie
mit einer namhaften Schonung der Zugstabbatterien verbunden ist.
Auf einigen elektrisch betriebenen Bahnen hat die Webb &
Thomsonsche Zugstabeinrichtung noch eine andere, wertvolle Weiterung
erfahren, indem durch Zustimmungskontakte, die von den Signal- oder
Weichenstellhebeln gesteuert werden, und unter Zuhilfenahme der Zugstäbe den Zügen
an jenen Stellen, welche nicht überfahren werden dürfen, der Zutritt des
Betriebsstromes abgeschnitten wird. In besonders vollkommener und nachahmenswerter
Durchführung finden sich derartige Sicherungsanlagen beispielsweise auf der
eingleisigen elektrischen Vollbahn Lecco-Sondrio- Chiavenna, deren
Stationen mit hydraulischen Weichen- und Signalstellwerken nach Bianchi-Servettazscher Anordnung und mit einem Teile
der oben betrachteten von Leone Olper angegebene
Angliederung an die Webb & Thomsonsche elektrische
Zugstabeinrichtung versehen sind. Hier hat man nämlich die den Zugförderungsstrom
zuführende Arbeitsleitung überall in Stücke zerlegt, die nur bedingungsweisemit
der Speiseleitung verbunden werden, d.h. jedes einzelne Gleis der Stationen hat
zwischen den beiden Endweichen seine eigene getrennte Arbeitsleitung, ebenso die
Stücke der laufenden Bahn von der Hauptweiche bis zum vorgeschobenen Einfahrtsignal
(Distanzsignal). Diese Leitungsstücke erhalten nur dann den zur Zugförderung
erforderlichen Betriebsstrom, wenn die Anschlussverbindung zur Speiseleitung
hergestellt ist. Diese Verbindung läuft jedoch durch ähnliche Zustimmungskontakte,
wie sie eingangs in Betracht gezogen worden sind, und ist sonach von der richtigen
Lage der Hebel im Signal- und Weichenstellwerke abhängig gemacht. Auf diese Weise
wird den Zügen, wenn die einschlägigen Signale nicht freie
Fahrt gestatten, oder falls die für die Zugs fahrt in Frage kommenden
Weichen nicht richtig eingestellt wären, überhaupt die Möglichkeit benommen, den
Gefahrpunkt zu überfahren, weil sie infolge der in einem massgebenden
Zustimmungskontakte bestehenden Unterbrechung keine Triebkraft vorfinden.
(Fortsetzung folgt.)