Titel: | Moderne Dampfkesselanlagen. |
Autor: | O. Herre |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 372 |
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Moderne Dampfkesselanlagen.
Von O. Herre, Ingenieur und Lehrer in
Mittweida.
(Fortsetzung von S. 355 d. Bd.)
Moderne Dampfkesselanlagen.
1. Wasserrohrkessel mit geraden Röhren und zwei
Wasserkammern.
Dieses System ist für Landkessel am verbreitetsten. Die beiden an den Enden der Rohre
angeordneten und mit dem Oberkessel verbundenen Wasserkammern unterstützen die
Wasserbewegung und bieten auch dem entwickelten Dampf einen bequemen Ausweg. Diese
Kessel besitzen daher eine wirksame Heizfläche und liefern auch
verhältnismässigtrocknen Dampf. Das Einwalzen der Rohre an beiden Enden
verhindert aber die verschieden starke Ausdehnung der Rohre bei ungleichmässiger
Erwärmung. Wo daher ein sehr schnelles Anheizen und starke Dampfentnahme, wie z.B.
bei Schiffskesseln, notwendig ist, werden sich die gradrohrigen Zweikammerkessel
weniger gut eignen als Einkammerkessel oder krummrohrige Kessel.
Die Fig.
140-142 zeigen den Wasserröhrenkessel von Simonis & Lanz, Sachsenhausen – Frankfurt a. M. Dieser Kessel hat eine
Heizfläche von 346,5 qm und eine Rostfläche von rund 8 qm. Der Ueberhitzer weist
eine Heizfläche von 65 qm auf. Die beiden Wasserkammern sind geschweisst; die
hintere steht durch einen genügend weit gehaltenen Stutzen mit dem Oberkessel in
Verbindung, sodass ein leichtes Nachfliessen des Wassers aus dem Oberkessel nach den
Wasserrohren erfolgen kann. Die vordere Wasserkammer erhält bei ihrem Eintritt in
den Oberkessel einen Aufsatz zum Abscheiden des Sprühwassers. Es sei in dieser
Beziehung auf frühere Veröffentlichungen in diesem Journal, z.B. auf die Fig. 34 bis
40 S. 54 und 55, Jahrgang 1899, Bd. 312 verwiesen.
Textabbildung Bd. 318, S. 373
Wasserröhrenkessel von Simonis & Lanz.
Längsschnitt; Schnitt a–b; Ansicht;
Schnitt c d; Schnitt e f.
Textabbildung Bd. 318, S. 373
Die Konstruktion des Ueberhitzers ist dieselbe geblieben; ∪ förmig gebogene Röhren von 63 ½ mm Durchmesser sind in eine Kammer
eingewalzt, welche durch Scheidewände in Abteilungen zerlegt wird, die vom Dampfe
nacheinander durchströmt werden müssen. Die Anordnung des Ueberhitzers ist dagegen
eine abweichende.
Während die beiden früher veröffentlichten Anordnungen den Ueberhitzer zwischen dem
Röhrenbündel und dem Oberkessel gelagert zeigen, ist bei dem in Fig. 140–142
dargestellten Kessel ein Zwillingsüberhitzer gewählt, dessen beide Hälften seitlich
zum Oberkessel liegen. Der Dampf strömt in Fig. 140 der hinteren,
nicht sichtbaren Ueberhitzerkammer von oben zu, geht durch die einzelnen
Abteilungen, wird dann unten durch die drei querliegenden Rohre (Fig. 142) nach der
vorderen Kammer geleitet, dessen Abteilungen dann von unten nach oben durchströmt
werden. Der Dampf muss hiernach einen langen Weg zurücklegen und hat dabei
Gelegenheit, sich hinreichend hoch zu überhitzen. Der häufige Richtungswechsel sorgt
durch die eintretende Durchmischung der Dampfteile auch für eine hinreichend
gleichmässige Ueberhitzung der ganzen Dampfmenge. Die neuere Zwillingsanordnung des
Ueberhitzers wird hauptsächlich für grosse Kessel in Anwendung gebracht.
Textabbildung Bd. 318, S. 374
Wasserröhrenkessel mit Ueberhitzer von Steinmüller.
Textabbildung Bd. 318, S. 374
Aussenverschluss von Steinmüller.
Durch Drehung einer Klappe kann der Ueberhitzer aus dem unmittelbaren Heizgasstrome
ausgeschaltet werden. Diesonstige Führung der Heizgase ist aus der Zeichnung
ersichtlich. Bei der Einmauerung wurde auf eine bequeme Beseitigung der
Verbrennungsrückstände und auf eine gute Flugaschenabscheidung Rücksicht genommen.
Die verschiedenen Stutzen für den Wasserablass, für den Schlammablass, die
Dampfentnahme, die Speisung u.s.w. sind aus der Zeichnung zu ersehen.
Die Fig. 143
und 144
zeigen noch den von aussen einzubringenden Sicherheits-Innenverschluss, welcher sich
durch die bequeme Handhabung von den ähnlichen Innenverschlüssen auszeichnet, ohne
ihnen bezüglich der Dichtheit und Sicherheit nachzustehen.
Die sonst gebräuchlichen Innenverschlüsse bestehen aus einer einfachen konisch
abgedrehten Scheibe, welche durch die Verschlussöffnung nicht hindurch geführt
werden kann. Es müssen deshalb entsprechend weite Handlöcher vorgesehen werden,
welche das Einbringen der konischen Verschlusscheiben ermöglichen. Die Handlöcher
müssen dann durch besondere Verschlussdeckel geschlossen werden, wobei gewöhnlich
die bequeme Metalldichtung mit konischen Flächen nicht mehr Anwendung finden kann,
vielmehr eine Dichtung mit elastischer Zwischenlage erfolgen muss.
Textabbildung Bd. 318, S. 374
Innenverschluss von Steinmüller mit ebener Dichtungsfläche.
Bei dem Verschluss von Simonis & Lanz,Fig. 143
und 144 ist
dagegen die Einführung des Verschlussdeckels durch die zugehörige Verschlussöffnung
ohne weiteres möglich; es wird zu diesem Zwecke, wie Fig. 143 erkennen
lässt, der Rand der Verschlussöffnung an zwei gegenüberliegenden Stellen bis auf den
mittleren Durchmesser der konischen Ausbohrung beseitigt.
Textabbildung Bd. 318, S. 375
Innenverschluss von Steinmüller mit konischer Dichtungsfläche.
Ebenso wird der Verschlussdeckel an zwei gegenüberliegenden
Stellen des Randes so weit in der Dicke geschwächt, dass hier das Material nur bis
zummittleren Durchmesser des Kegels stehen bleibt. Es kann dann bei der in Fig. 143
dargestellten Stellung das Einbringen des Verschlussdeckels erfolgen. Beim Anziehen
des Deckels müssen selbstverständlich die geschwächten Stellen der Dichtungsflächen
um 90° versetzt sein. Es entstehen hierbei allerdings an 4 Stellen nur halb so
breite Dichtungsflächen, wie bei der gewöhnlichen Ausführung der Innenverschlüsse,
doch haben sich hieraus beim Betriebe empfindliche Mängel nicht ergeben.
Textabbildung Bd. 318, S. 375
Fig. 152. Ueberhitzer von Steinmüller.
Textabbildung Bd. 318, S. 375
Fig. 153. Längsschnitt. Röhrenkessel der Maschinenbauanstalt Humboldt.
Die Firma L. & C. Steinmüller in Gummersbach,
Rheinpreussen, baut seit mehr als 25 Jahren Wasserrohrkessel und hat sich auf diesem
Gebiete einen wohlbegründeten Weltruf erworben. Nach einer Angabe der Firma sind in
den letzten Jahren Wasserrohrkessel, System Steinmüller, mit einer Gesamtheizfläche bis zu 40000 qm jährlich geliefert
worden.
Fig.
145–145b zeigen einen Steinmüller kessel mit
Ueberhitzer. Die Wasserröhren sind bei den normalen Kesseln 5 m lang, haben 95 mm
äusseren Durchmesser und eine Wandstärke von rund 3,5 mm; sie sind an beiden Enden
in die geschweissten Wasserkammern eingewalzt.
Die Wasserkammern haben gewöhnlich an den Stirnflächen 18 mm, an den schmalen Seiten
20 mm Wandstärke. Die Rohrverschlüsse werden bei geringeren Spannungen als
Aussenverschlüsse nach Fig. 146 und 147, bei
höheren Spannungen dagegen als Innenverschlüsse nach Fig. 148 und 149 oder
nach Fig.
150 und 151 ausgeführt. Die Dichtungsflächen sind sauber gefräst; als
Dichtungsmaterial wird ein dünner Gummiring zwischengelegt.
Textabbildung Bd. 318, S. 376
Fig. 154. Vorderansicht. Fig. 155. Querschnitt. Röhrenkessel der
Maschinenbauanstalt Humboldt.
Ueber der vorderen Wasserkammer (Fig. 145) ist in den
Oberkessel ein Blechzylinder eingebaut, in welchen das aufsteigende Dampf- und
Wassergemisch gelangt. Das Wasser fliesst dann hauptsächlich durch das untere
horizontale Rohr nach hinten, während der Rest des Wassers, welcher mit dem Dampfe
nach oben gelangt, sich im oberen horizontalen Rohre ausbreitet und von hier durch
Oeffnungen in den Wasserraum zurückfliegst. Das obere Rohr hat flachen, rechteckigen
Querschnitt und ist nur an dem hinteren Ende offen. Der Dampf muss daher dieses Rohr
der ganzen Länge nach durchströmen, ehe er in den eigentlichen Dampfraum gelangt.
Durch diese Konstruktion wird daher dem Dampfe Zeit gelassen,mitgerissenes
Wasser in dem Rohre abzusetzen, um trocken in den Dampfraum einzutreten.
Der zwischen dem Ober- und Unterkessel eingebaute Ueberhitzer (Fig. 145-145b u.
152) hat 50 qm Heizfläche. Derselbe besteht aus
einer Zahl dünner, ∪-förmig gebogener, glatter
Ueberhitzerrohre, welche parallel geschaltet sind und mit ihren Enden in eine
schmiedeeiserne geschweisste Verteilungskammer eingewalzt sind. Durch eingelegte
Bleche wird die Dampfkammer in zwei Abteilungen, die eine für den eintretenden, die
andere für den austretenden Dampf zerlegt.
Charakteristisch für den Steinmüller überhitzer ist eine
Vorrichtung, welche eine möglichst gleichmässige Verteilung des Dampfes auf alle
Röhren des Ueberhitzers bezweckt. An der Eintrittsstelle sind nämlich die
Querschnitte der Röhren durch eingehängte Bolzen oder kreisrunde Scheiben (Fig. 152) derartig verengt, dass der Dampf nur eine
ringförmige Fläche für den Durchgang findet. Die Spaltbreite ist hierbei je nach der
Lage des Ueberhitzerrohres zum Eintrittsstutzen des Dampfes verschieden gross.
Per Einbau des Ueberhitzers erfolgt gewöhnlich in einer solchen Weise, dass durch
Umlegen einer Klappe und durch Einschieben einer Platte der Ueberhitzer ganz aus dem
Strome der Heizgase ausgeschaltet werden kann. Natürlich lässt sich auch mit
denselben Hilfsmitteln nötigenfalls die Temperatur des überhitzten Dampfes
regeln.
Der Raum für den Einbau des Ueberhitzers wurde bisher vielfach dadurch geschaffen,
dass der Oberkessel durch seitliche Gewölbe zur Hälfte an die Feuerzüge
angeschlossen wurde. Der Ueberhitzer lag dann unmittelbar unter dem Oberkessel,
sodass die Heizgase zugleich den Ueberhitzer und den Oberkessel bestreichen mussten,
was im Interesse einer hohen Ueberhitzung jedenfalls
nicht vorteilhaft sein kann. Es wird daher in solchen Fällen, wo eine möglichst hohe
Ueberhitzungstemperatur erwünscht ist, neuerdings eine etwas abweichende Einmauerung
des Ueberhitzers gewählt. Der Oberkessel wird von den Heizgasen nicht bestrichen; es
wird vielmehr zwischen Ueberhitzer und Oberkessel eine Trennungsmauer eingeschaltet,
sodass der Ueberhitzer allseitig von Mauerflächen umgeben ist. Die Heizgase können
daher beim Eintritt in die Ueberhitzerkammer ihre Wärme nur an den Dampf, nicht etwa
auch an die wasserberührte Heizfläche des Oberkessels abgeben. Ferner ist die
Führung der Heizgase im Wasserröhrenbündel bei der neuen Einmauerungsart etwas
abweichend von bisher gebräuchlichen. Während bei der Anordnung des Ueberhitzers
nach den Fig.
145-145b die Gase zuerst etwa drei Viertel der ganzen Heizfläche der
Wasserröhren bestreichen, also eine sehr weitgehende Wärmeentziehung vorausgeht, ehe
die Heizgase an den Ueberhitzer gelangen, kommen bei der neueren Einmauerung die
Gase nur etwa mit der Hälfte der Heizfläche der Wasserröhren vor dem Ueberhitzer in
Berührung. Es ist ohne Weitereseinleuchtend, dass beide Hilfsmittel auf eine
stärkere Ueberhitzung des Dampfes hinwirken müssen. Das zweite Hilfsmittel bringt
die Heizgase mit höherer Temperatur an den Ueberhitzer und das zuerst erwähnte
Hilfsmittel verhütet, dass die den Heizgasen innewohnende Wärme vom Ueberhitzer
abgelenkt wird.
Textabbildung Bd. 318, S. 377
Fig. 156. Längsschnitt. Grosswasserraumröhrenkessel der Maschinenbauanstalt
Humboldt.
Die Maschinenbauanstalt Humboldt, Kalk bei Köln, baut
neben ihren Grosswasserraumkesseln (Fig. 79-80, S. 266, Bd. 317, 1902, sowie Fig. 94 und 95, S. 270 desselben Bandes) auch
Wasserrohrkessel, von denen die Fig. 153-157 zwei Ausführungsformen kennzeichnen.
Der Kessel (Fig. 153-155) ist für 12 Atm.
Ueberdruck gebaut und besitzt eine wasserberührte Heizfläche von 110 qm, bei 2.56 qm
Rostfläche. Die Wasserrohren sind 5 m lang, haben 108 mm äusseren Durchmesser und 3
¾ mm Wandstärke; sie haben gegen die Horizontale eine Neigung von 13 : 100.
Die vordere Wasserkammer ruht fest auf eingemauerten Trägern und besitzt einen
Aufsatz, der bis zum niedrigsten Wasserstande reicht, um dem in Umlauf gesetzten
Wasser und dem
Dampfe ein leichtes Aufsteigen zu ermöglichen. Die Speiseleitung schliesst sich an
den vorderen Boden des Oberkessels an und setzt sich im Innern des Oberkessels bis
zur Mitte fort. Um den hier sich abscheidenden Schlamm zu verhindern, in die hintere
Wasserkammer einzudringen, ist der 500 mm weite Verbindungsstutzen mit einem
zylinderischen Aufsatz versehen. Die hintere Wasserkammer stützt sich mittels Rollen
auf eingemauerte Träger ab.
Textabbildung Bd. 318, S. 378
Fig. 157. Grosswasserraumröhrenkessel der Maschinenbauanstalt Humboldt.
VorderansichtQuerschnitt.
Sowohl der Oberkessel, wie die hintere Wasserkammer sind mit besonderen Ablasstutzen
für 40 mm lichte Rohrweite versehen.
Bei dem in den Fig. 156 und 157 dargestellten Wasserrohrkessel, System Humboldt, ist durch Hinzufügung der unteren Sieder ein besonders grosser
Wasserraum geschaffenworden. Jeder einzelne Kessel, der aus zwei Siedern von
0,8 m Durchmesser, 6,2 m Länge und 12 mm Wandstärke, aus 98 Stück in sieben
Horizontalreihen angeordneten Wasserröhren, und aus zwei Oberkesseln von 1,1 m
Durchmesser, 6,45 m Länge und 13 ½ mm Wandstärke besteht, besitzt 200 qm Heizfläche
und etwas über 4 qm Rostfläche. Der Betriebsdruck beträgt 10 Atm.
Jeder Oberkessel ist mit einem Dampfdom versehen; eine Rohrleitung verbindet die
beiden Dome eines Kessels unter sich und mit dem für zwei Kessel gemeinsamen
Dampfsammler von 0,8 m Durchmesser und 10 mm Wandstärke. Im übrigen weicht die
Konstruktion des Kessels von der zuerst beschriebenen nicht wesentlich ab.
(Fortsetzung folgt.)