Titel: | Spielt die Erde bei der drahtlosen Telegraphie eine wesentliche Rolle? |
Autor: | A. Koepsel |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 385 |
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Spielt die Erde bei der drahtlosen Telegraphie
eine wesentliche Rolle?
Von Dr. A. Koepsel.
Spielt die Erde bei der drahtlosen Telegraphie eine wesentliche
Rolle?
Die Frage, ob die Erde bei der drahtlosen Telegraphie eine wesentliche Rolle
spielt, ist schon vielfach erörtert worden. In den Anfangsstadien dieses neuen
Zweiges der Technik glaubte man der Erde eine solche Rolle zuschreiben zu müssen, da
eine Erdung des Systemes unumgänglich nötig war. Als indessen durch das Braunsche System die Entbehrlichkeit der Erdung
nachgewiesen wurde, neigte man wieder der entgegengesetzten Ansicht zu, dass der
Erde kein wesentlicher Einfluss auf die Fortleitung elektrischer Wellen durch den
Raum zuzuschreiben sei. Versuche in Freiballons schienen diese letztere Ansicht zu
bestätigen und so gewöhnte man sich an die Auffassung, die Fortpflanzung
elektrischer Wellen analog derjenigen der Lichtwellen zu betrachten. Immerhin blieb
die Ueberwindung der Krümmung der Erde ein nicht ganz aufgeklärtes Rätsel, und wenn
man sich darüber auch mit der überaus grossen Länge der elektrischen Wellen
gegenüber den Lichtwellen hinwegzutäuschen suchte, so blieb doch für den Skeptiker
immer noch ein Rest des Zweifels, welcher durch die Versuche Marconis zur Ueberbrückung des Ozeans nur verstärkt werden konnte, zumal
da die Entbehrlichkeit der Erde bei dem Braunschen
System nur als eine scheinbare betrachtet werden konnte, indem auch hier immerhin
Vorrichtungen notwendig werden, welche zur benachbarten Erde in so naher Beziehung
stehen, dass von einer vollständigen Ausschliessung derselben nicht die Rede sein
kann.
Die Entscheidung dieser Frage ist um so schwieriger, als wir uns ja von der
Mitwirkung der Erde nicht gut freimachen können und die im Verhältnis zu den
Abmessungen der Erde massigen Höhen, in welche wir uns zur Untersuchung dieser Frage
erheben könnten, sind doch kaum genügend, um mit Sicherheit eine solche Einwirkung
der Erde als ausgeschlossen zu erachten.
Indessen dürfte man der Entscheidung dieser Frage doch um ein bedeutendes Stück naher
kommen, wenn es nachzuweisen gelänge, dass die Wirkungen, welche man mit einem der
gebräuchlichen Geber auf die Erde auszuüben vermag, derartige sind, dass ihr
elektrisches Potential dadurch wesentlich beeinflusst wird und zwar so, dass die
Funktion der sehr empfindlichen Empfangsstation dadurch erklärlich wird.
Ein solches Unternehmen wird jedem beim ersten Anblick paradox erscheinen, denn einen
Körper von den Abmessungen der Erde mit irdischen Mitteln nachhaltig zu
elektrisieren, dürfte vielen als eine Unmöglichkeit erscheinen; und das kommt daher,
dass fast jedermann gewöhnt ist, die elektrostatische Kapazität der Erde als für
unsere Begriffe unendlich gross anzusehen. Indessen hat die Erde einen auch für
unsere Begriffe immerhin nicht allzu hohen Wert der elektrostatischen Kapazität.
Derselbe ist gleich ihrem Radius, d.h. 6,37 . 108
cm oder 708 Mikrofarad, und unsere Betrachtung wird sich darauf erstrecken, ob es
möglich ist, mit den immerhin geringen Mitteln der modernen Funkentelegraphie das
Potential einer Kugel von dieser Kapazität wesentlich zu stören oder dieselbe gar in
Schwingungen zu versetzen.
Betrachten wir zu diesem Zweck einen Schwingungskreis mit beiderseits
angesetzten Resonanzdrähten. Letztere kommen zur vollkommenen Resonanz, wenn ihre
Längen je gleich einer Viertelwellenlänge des Schwingungskreises ist. Die
Wellenlänge des Schwingungskreises von der Kapazität C
(elektrostatisch) und der Selbstinduktion L
(elektromagnetisch) ist λ = 2π√LC. Bezeichnet C' und L' Kapazität und
Selbstinduktion eines jeden Resonanzdrahtes, so muss bei vollständiger Resonanz
folgende Gleichung bestehen
L'\,C'= \frac{\pi^2}{4}\,L\,C
Die vollständige Resonanz hängt also nur ab von dem Produkt der beiden Grossen L und C bezw. L' und C'.
Wir können daher eine dieser beiden Grossen beliebig ändern, die Resonanz wird
erhalten bleiben, wenn wir nur dafür sorgen, dass das Produkt beider konstant
bleibt.
Schneiden wir z.B. von einem der Resonanzdrähte ein Stück ab, so ändern wird damit
seine Selbstinduktion und seine Kapazität und die Resonanz wird gestört; ersetzen
wir aber das abgeschnittene Stück durch eine Kapazität z.B. eine Kugel von der
Kapazität C''', so dass
L'' (C''
+ C''') = L'C'
ist, so wird wieder vollständige Resonanz vorhanden sein,
ebenso wenn wir weitere Stücke abschneiden und diese durch immer grössere Kugeln
ersetzen.
Um dies noch anschaulicher zu machen, betrachten wir die nachfolgenden Tabellen
I-III.
Die Tabellen enthalten in der ersten Spalte, erste Linie, die zu der zugehörigen
Wellenlänge λ notwendige Resonanzlänge, und weiter die
verkürzten Resonanzlängen, Spalte 2 die zugehörige Selbstinduktion für einen Draht
von 1 mm Dicke, Spalte 3 die zugehörige Kapazität und Spalte 4 die Radien der
Kugeln, welche an das Ende des Drahtes angeschlossen werden müssten, um mit der
vorhandenen Länge der Resonanzbedingung zu genügen.
I.
Λ = 40 m
l
L
C
R
1000
cm
19200
cm
50,5
cm
0
cm
900
„
17100
„
46
„
10,7
„
800
„
15010
„
41,4
„
23,2
„
700
„
12940
„
36,6
„
38,3„
600
„
10910
„
32
„
56,9
„
500
„
8900
„
27,2
„
81,8
„
400
„
6944
„
22,3
„
117,4
„
300
„
5040
„
17,3
„
175,1
„
200
„
3196
„
12,1
„
291
„
100
„
1460
„
6,6
„
657,5
„
0
„
0
„
0
„
∞
II.
λ = 400 m
l
L
C
R
10000
cm
238000
cm
409,5
cm
0
cm
9900
„
235600
„
405,6
„
8
„
9800
„
233100
„
401,7
„
16
„
9700
„
230600
„
397,8
„
25
„
9600
„
228100
„
393,9
„
33
„
9500
„
225600
„
390
„
42
„
9000
„
213000
„
371
„
87
„
8000
„
187000
„
332,5
„
189
„
7000
„
161600
„
295
„
208
„
6000
„
136700
„
256,5
„
456
„
5000
„
112200
„
217
„
652
„
4000
„
87920
„
177,1
„
932
„
3000
„
64200
„
136,4
„
1382
„
2000
„
41160
„
94,3
„
2354
„
1000
„
19200
„
50,5
„
5026
„
500
„
8900
„
27,2
„
10923
„
100
„
1460
„
6,6
„
66753
„
0
„
0
„
0
„
∞
III.
λ = 4000 m
l
L
C
R
100000
cm
2837000
cm
3451
cm
0
cm
99900
„
2834000
„
3447
„
7,6
„
800
„
831000
„
443
„
15,3
„
700
„
828000
„
440
„
22
„
600
„
826000
„
437
„
28
„
500
„
823000
„
434
„
34
„
99000
„
2811000
„
3414
„
69
„
90000
„
2535000
„
3127
„
736
„
80000
„
2235000
„
2800
„
1580
„
70000
„
1936000
„
2473
„
2584
„
60000
„
1642000
„
2141
„
3821
„
50000
„
1349000
„
1809
„
5449
„
10000
„
238000
„
410
„
40720
„
5000
„
112100
„
217,2
„
87123
„
1000
„
19200
„
50,5
„
509850
„
500
„
8900
„
27,2
„
1100000
„
100
„
1460
„
6,6
„
5325000
„
10
„
100
„
0,9
„
97900000
„
0
„
0
„
0
„
∞
Aus diesen Tabellen ersieht man, dass, je kürzer die Resonanzlänge wird, um so
grösser wird der Radius der das abgeschnittene Stück ersetzenden Kugel.
Ferner: je grösser die Wellenlänge wird, um so grösser wird der Radius der einen
aliquoten Teil des Drahtes ersetzenden Kugel; um z.B. bei 40 m Wellenlänge 90 v. H.
der Länge des Resonanzdrahtes zu ersetzen, benötigt man einer Kugel von 6,57 m
Radius, bei einer Wellenlänge von 4000 m werden 90 v. H. der Resonanzlänge aber erst
durch eine Kugel von 407 m Radius ersetzt.
Ferner ersieht man hieraus, dass bei einer Wellenlänge von 4000 m eine Resonanzlänge
von 10 cm aus 1 mm dickem Drahte die Anschaltung einer Kugel von 979000 m Radius
erfordern würde. Die Kapazität einer solchen Kugel ist 9,79 . 107 cm, die der Erdkugel ist 6,37 . 108 cm; die Kapazität einer solchen Kugel kommt also
der Kapazität der Erde schon ziemlich nahe.
Bei Verwendung dickerer Drähte werden aber die Kugelradien noch grösser und man wird
unter diesen Umständen die Kapazität der Erde tatsächlich erreichen.
Betrachten wir die Sache allgemein: Es seien L und C Selbstinduktion und Kapazität des unverkürzten
Drahtes, L' und C' die
entsprechenden Werte des verkürzten Drahtes, R die
Kapazität der anzuschaltenden Kugel, um vollständige Rosonanz zu erreichen, dann
muss sein:
L\,C=L'\,(C'+R)=\frac{\lambda^2}{16}
oder
R=\frac{L}{L'}\,C-C'=\frac{\lambda^2}{16\,L'}-C'
Man sieht hieraus ohne weiteres, dass, je grösser die Wellenlänge (4√LC) wird, um so grösser
wird R' und je kleiner L'
wird, d.h. je kürzer das übrigbleibende Stück wird, um so grösser wird ebenfalls R.
Fragen wir nun, bei welcher Wellenlänge die Erde inResonanz mit dem schwingenden
System sein wird, wenn wir eine minimale, mit praktischen Mitteln noch erreichbare
Selbstinduktion für das Leiterstück, welches die Verbindung mit der Erde herstellt,
zulassen. Wir wollen diese minimale Selbstinduktion zu 100 cm annehmen. Da seine
Kapazität gegen die der Erde vernachlässigt werden kann, so geht unsere
Gleichung
\frac{L}{L'}\,C-C'=R
über in
\frac{L}{L'}\,C=R
oder da
L\,C=\frac{\lambda^2}{16}
\frac{\lambda^2}{16\,L'}=R
λ = 4√L'R
Setzen wir hierin
L' = 100 cm
R = 6,3 . 108 cm
so ergiebt sich
λ = 10000 m
Das heisst, man würde mit einem Schwingungskreis von 10000 m Wellenlänge, an dessen
eine Seite ein Resonanzdraht von 2500 m Länge, welcher senkrecht in die Höhe geführt
wird und dessen andere Seite durch einen Draht von 100 cm Selbstinduktion geerdet
ist, die Erdkugel in Rosonanz versetzen.
Sehen wir zu, von welcher Grössenordnung die Schwankungen des Erdpotentials in diesem
Falle sein würden.
Die Kapazität eines 2500 m langen, 1 mm dicken Drahtes ist
C=\frac{l}{2\,l\,n-\frac{2\,l}{d}}=8,3\cdot 10^3
Das Verhältnis dieser Kapazität zu der der Erde ist
\frac{C_d}{C_e}=\frac{8,3\cdot 10^3}{6,3\cdot 10^8}=0,000013
Da sich die Potentiale umgekehrt wie die Kapazitäten verhalten, so wird, wenn man das
Potential des Drahtes zu 100000 Volt annimmt, was in der Praxis erreichbar sein
dürfte, die Potentialschwankung der Erde
100000 . 0,000013 Volt = 1,3 Volt
betragen.
Die hierzu nötige Elektrizitätsmenge beträgt 0,0009 Coulomb, eine Grösse, die man
praktisch ohne besondere Mühe erreichen kann. Der maximale Stromstoss würde bei
minimaler Dämpfung 15 Amp. nicht übersteigen.
Bei Anwendung mehrerer Drähte wird natürlich diese Potentialschwankung beliebig
gesteigert werden können.
Wie ich bereits in einem früheren AufsatzeD. p.
J. 1903, Bd. 318, S. 331. erwähnt
habe, steigt bei der Verwendung mehrerer Drähte die Kapazität in einem anderen
Verhältnis, als die Selbstinduktion sinkt, woraus eine Verkürzung der Resonanzlänge
resultiert. Nimmt man diese Verkürzung vor, so bleibt also der Wert von LC ungeändert, d.h. es ändert sich in bezug auf
die Resonanz der Erde nichts. Da aber C gewachsen ist,
so ist auch das Verhältnis \frac{C_a}{C_e} gewachsen, d.h. die Potentialschwankungen der
Erde werden durch die Vermehrung der Resonanzdrähte grösser. Bei Verwendung von 400
Drähten in etwa 0,5 m Abstand dürfte, wenn man die entsprechende Verkürzung mit in
Rechnung zieht, die Kapazität von der Grössenordnung 105 werden; die Schwankung des Erdpotentials würde sich demnach zu etwa 16
Volt ergeben, wenn im Luftdraht ein Potential von 100000 Volt vorausgesetzt
wird.
Wenn nun auch Marconi mit seinen Einrichtungen für die
Ozeantelegraphie die Erde auch noch nicht in vollkommene Resonanz versetzt haben
dürfte, da hierzu die von ihm verwendete Wellenlänge noch zu kurz ist, so kommt er
doch den angeführten Zahlen schon recht nahe, und wenn man bedenkt, dass die
Resonanzerscheinungen meist nicht plötzlich auftreten, sondern oft, und zumal bei
den hier in Rede stellenden Erscheinungen recht flache Maxima aufweisen, so ist es
nicht ausgeschlossen, dass er die Erde, wenn auch nicht in vollkommene, so doch in
recht merkliche Resonanz versetzt habe, so dass immerhin Potentialschwankungen von
der Grössenordnung von 1 Volt nicht ausgeschlossen erscheinen und die
Ozeantelegraphie würde sich als eine Erdtelegraphie entpuppen. Gleichzeitig wäre
auch der Weg vorgezeichnet, auf dem man zu noch besseren Ergebnissen kommen
kann.
Die vorstehenden Erörterungen sollen nun durchaus nicht den Anspruch machen, die
auftretenden Erscheinungen zahlenmässig festzulegen. Die Zahlen sollten vielmehr nur
dazu dienen, die vorgetragenen Ansichten glaubhafter zu machen, als dies ohne sie
möglich gewesen wäre.
So z.B. dürfte die Rückwirkung des Gebedrahtes auf die Erde hier auch noch eine Rolle
spielen, die die Ergebnisse nicht unwesentlich zu beeinflussen imstande wäre. Ferner
wurde die sinusartige Verteilung der Spannung auf den Resonanzdrähten nicht
berücksichtigt, was bei einer rechnungsmässigen Behandlung der Sache gerade als
unstatthaft bezeichnet werden müsste. Immerhin dürften aber die angeführten Zahlen
in der Grössenordnung doch zo ziemlich stimmen und einen weiteren Anspruch machen
sie auch nicht.
Ob man nun nach dem Vorstehenden der Erde nicht eine wesentliche Mitwirkung bei der
drahtlosen Telegraphie zuschreiben muss, überlasse ich dem Urteile des Lesers.
Jedenfalls lassen sich verschiedene Dinge so zwanglos erklären, die bisher nicht
ohne weiteres erklärlich waren, so z.B. die Ueberwindung der Erdkrümmung.
Aber auch die Tatsache, dass man mit wagerechten Drähten lange nicht so weit kommt
als mit senkrechten, dürfte hiernach begreiflich werden. Die wagerechten Drähte
lokalisieren, da sie der Erde sehr nahe sind, die Wirkung; die Potential
Schwankungen werden in der Nähe des Gebers sehr stark sein, sich aber auf
nennenswerte Entfernungen nicht erstrecken; der senkrechte Draht, der an sich schon
keine merkliche Rückwirkung auf die Erde ausübt, wird auch wegen seiner immer
zunehmenden Entfernung von der Erde eine solche Wirkung immer weniger ausüben
können, weshalb sich die Potentialschwankungen über die ganze Erde ausbreiten
müssen.
Wenn ich nun auch nicht behaupten will, dass überhaupt keine Ausbreitung der Wellen
durch den Raum stattfindet, so glaube ich doch als wahrscheinlich annehmen zu
dürfen, dass von einer gewissen Entfernung ab, infolge der Krümmung der Erde nur die
Erscheinungen der Erdresonanz in Frage kommen, und dass von einer Ozeantelegraphie
ohne Vermittlung der Erde nicht die Rede sein kann.
Die Erdung ist unter diesen Umständen unter einem neuen Gesichtspunkte zu betrachten.
Dieselbe ist selbst bei sehr grossen Wellenlängen durch einen Leiter von sehr
geringer Selbstinduktion zu bewerkstelligen; je grösser diese Selbstinduktion ist,
um so unvollkommener ist die Resonanz des Systems. Deshalb ist es auch erklärlich,
warum man mit einem verhältnismässig kleinen Gegengewicht oft weiter kommt, als mit
Erdung; das passt zu dem kurzen Resonanzdraht immer noch besser, als das grosse der
Erde, wie folgendes Beispiel lehrt. Man betrachte einen Schwingungskreis von 200 m
Wellenlänge:
Der unverkürzte Resonanzdraht ist 50 m lang, seine Kapazität bei 1 mm Dicke ist 217
cm, seine Selbstinduktion ist 112100 cm, der verkürzte Resonanzdraht sei 3 m lang,
seine Kapazität ist bei 1 mm Dicke 17,3 cm, seine Selbstinduktion 5040 cm, hieran
befinde sich ein Gegengewicht von 150 cm Kapazität.
Für vollständige Resonanz müsste das Gegengewicht etwa 4800 cm sein. Wie man sieht;
steht dasselbe dem verwendeten Gegengewicht von 150 cm viel näher, als dem bei
Erdung verwendeten von 630000000 cm. Wenn trotzdem bei Erdung die Wirkung nicht
aufhört, so ersieht man hieraus, wie flach die Maxima hierbei verlaufen. Vollständig
aufhören wird die Wirkung erst, wenn entweder der zweite Resonanzdraht überhaupt
fehlt, oder wenn sein Ende beieiner Länge von \frac{\lambda}{4} an Erde gelegt
wird.
Wollte man bestimmen, ob und wieviel die Erde zu der Wirkung auf eine bestimmte
Entfernung beiträgt, so könnte man dies in der Weise machen, dass man beide
Resonanzdrähte senkrecht in die Höhe führt, indessen müssen dieselben, damit sich
ihre Wirkungen auf einen entfernten Punkt nicht gegenseitig aufheben, einen
bestimmten Abstand von einander haben. Es sei dieser Abstand e, und sei φ der Winkel, welchen die
Verbindungslinie von dem Punkte A mit der Mitte von e (M) mit e bildet, dann
ist, wenn a die Amplitude der Schwingung des
Resonanzdrahtes ist, die Amplitude A der Schwingung in
A.
A=C\,a\,\sqrt{2-2\,cos\,2\,\pi\,\left\{\frac{e}{\lambda\,\sqrt2}\,\sqrt1+cos\,2\,\varphi\right\}}
Für einen einfachen Draht wäre die Amplitude nur proportional mit a, also
A' = Ca
Wird in obigem Ausdruck e=\frac{\lambda}{4} und φ = 0 gesetzt, d.h. sind die beiden Drähte mit
entgegengesetzter Phase um eine Viertelwellenlänge von einander entfernt, so ist für
einen entfernten Punkt, der in ihrer Ebene liegt, die Amplitude proportional mit a√2, also
A = Ca√2
und daher
\frac{A}{A'}=\sqrt2
d.h. die Wirkung von zwei Drähten, die um eine
Viertelwellenlänge von einander entfernt sind, auf einen Punkt in ihrer Ebene müsste
√2 mal grösser sein, als die Wirkung nur eines
Drahtes.
Ist
e=\frac{\lambda}{16}
so wäre die Wirkung zweier Drähte nur 0,28 mal so gross, als
die eines einzigen Drahtes.
Ein solches Experiment würde also Aufschluss über die Grösse der Mitwirkung der Erde
zu geben imstande sein.
Was nun die Empfangseinrichtung betrifft, so wird man hier dieselben Regeln beachten
müssen, wie beim Gebersystem, da ersteres in die kräftigsten Schwingungen versetzt
werden wird, wenn es die gleiche Schwingungsdauer besitzt wie der Geber, der die
Störung verursacht. Sind indessen die Potentialschwankungen der Erde wirklich so
gross zu machen, wie es nach obigen Ausführungen den Anschein haben dürfte, so
müsste es möglich sein, auch ganz ohne Empfangsdraht Zeichen auf beliebige
Entfernung zu erhalten, wenn nur der Geber so eingerichtet wird, dass mit seiner
Hilfe die Erde wirklich in Resonanz versetzt werden kann, und es dürfte Mittel
geben, dies auch ohne eine zur Verfügung stehende Höhe von 2500 m zu
bewerkstelligen.
Bei näherer Betrachtung der Schlussfolgerungen, welche aus dieser Theorie gezogen
werden können, erscheint diese Hypothese doch manchen vielleicht etwas kühn und ich
selbst kann mich am Schlusse meiner Betrachtungen dieses Gedankens nicht ganz
erwehren. Der einzige, induktive Schluss, der indessen bei diesen Betrachtungen
gezogen wurde, ist der, dass die Erscheinungen, welche bei einem System kleiner
Wellenlänge beobachtet werden, auf ein solches von grösser Wellenlänge übertragen
wurden, und angenommen worden ist, dass die Erscheinungen, welche sich wegen der
schliesslich gewaltig steigenden Dimensionen nur bis zu einem bestimmten Punkte
experimentell verfolgen lassen, bei immer weiter steigenden Dimensionen, demselben
Gesetze folgen, welches die Theorie vorschreibt und das Experiment bis zu der mit
praktischen Mitteln erreichbaren Grenze zu bestätigen scheint. Ob das Gesetz bei
immer weiter steigenden Dimensionen eine Abweichung erfährt, könnten nur Versuche in
sehr grossem Masstabe lehren; da indessen Aenderungem der Resonanzlänge bis zu 60 v.
H. bei Wellenlängen von 40 m noch keine nennenswerte Abweichung von dem
Resonanzgesetz ergeben, welche nicht durch Beobachtungsfehler und durch die unvermeidliche Nähe
der Erde erklärlich wären, so hielt ich mich für berechtigt, die äussersten
Konsequenzen aus diesem Gesetz zu ziehen, die allerdings geeignet sein dürften, auf
die Vorgänge bei der drahtlosen Telegraphie ein ganz neues Licht zu werfen.
Es könnte auch vielleicht noch der Einwand gemacht werden, dass es nicht statthaft
sei, nur die eine Seite der Schwingungsbahn für sich zu betrachten, dass man
vielmehr die ganze Bahn von der Länge \frac{\lambda}{2} betrachten müsse.
In diesem Falle wäre in der Gleichung:
LC = L'(C' + R)
L und C Selbstinduktion und
Kapazität der ganzen Schwingungsbahn, L' und C' dieselben Grossen für die verkürzte ganze Bahn, so
dass im Grenzfalle L'=\frac{L}{2}, C'=\frac{C}{2} werden würde und
R=\frac{3}{2}\,C
d.h. man würde vollständige Resonanz bereits erzielen, wenn
bei Fortnahme der halben Schwingungsbahn die Kapazitätdes Gegengewichts 50 v.
H. grösser wäre, als die des Luftdrahtes. Dies ist indessen aus dem Grunde nicht
anzunehmen, weil man Gegengewichte von dieser Grösse schon bei einer Verkürzung der
ganzen Schwingungsbahn um 35 v. H. anwenden muss, während sie erst bei einer
Verkürzung um 50 v. H. in Frage kommen würden; auch dürfte, wenn R=\frac{3}{2}\,C der
Grenzfall wäre, eine Erdung des Systems in jedem Falle die Resonanz vermindern, was
den Tatsachen widerspricht.
Bei Berücksichtigung der Spannungsverteilung auf den Draht in Form einer gedämpften
Sinuskurve würden beide Betrachtungsweisen möglicherweise zu demselben Ergebnis
führen, welches wohl für die Erdresonanz eine noch kleinere Wellenlänge ergeben
würde. Jedenfalls wäre eine eingehende Beobachtung dieser Erscheinungen und eine
rechnerische Verfolgung derselben eine recht dankbare Aufgabe, welche wichtige
Aufschlüsse über das Wesen der drahtlosen Telegraphie zu geben geeignet wäre.
Ob die Annahme einer Erdresonanz, auf welche Beobachtungen im kleinen hinzudeuten
scheinen, richtig ist, und ob also die Schlüsse, welche daraus gezogen wurden,
berechtigt sind oder nicht, muss die Zukunft lehren.