Titel: | Erster Bericht über den V. Internationalen Kongress für angewandte Chemie. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 400 |
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Erster Bericht über den V. Internationalen
Kongress für angewandte Chemie.
Erster Bericht über den V. Internationalen Kongress für angewandte
Chemie.
Chemische Industrie der anorganischen Produkte.
Sektion II.
Unter den Vorträgen aus der Sektion II ist zunächst derjenige von F. Mylius aus Charlottenburg: „Ueber die Beurteilung des Glases und über Verbesserungen in der
Glasfabrikation“ zu erwähnen. Mylius,
der sich durch seine bekannten Arbeiten über die Widerstandsfähigkeit des Glases
ausgezeichnet hat, wies darauf hin, dass es sehr schwierig sei, Gläser zu
klassifizieren, da ihre Zusammensetzung so ausserordentlich wechsele. Handle es sich
um die Widerstandsfähigkeit eines Glases gegen Verwitterung, so brauche man im
allgemeinen auf dessen chemische Zusammensetzung überhaupt keine Rücksicht zu
nehmen, sondern könne sich damit begnügen, die Gläser nach ihrer Angreifbarkeit
durch Reagentien zu beurteilen, und zwar sei unter ihnen reines Wasser das
Wichtigste.
Der Vortragende hat sechs Klassen von Gläsern aufgestellt und diese nach ihrem
Verhalten gegen Wasser von 18° C. bei achttägiger Einwirkung und Wasser von 80° C.
bei dreistündiger Einwirkung geordnet. Die erhaltenen Zahlen wurden in Einheiten
ausgedrückt, die anzeigen, wieviel Tausendstel mg Natron aus 100 qcm Oberfläche des
betreffenden Glases gelöst worden waren. Die Zahlen geben also nicht den
Gesamtverlust an, den das Glas durch Einwirkung des Wassers erleidet, sondern nur
den Verlust an Natron. Diese Beurteilungsweise wurde gewählt, da die Verwitterung
der Gläser sich wesentlich als eine Alkalientziehung darstellt. Es ist klar, dass
hierbei das von Heraeus neu hergestellte Quarzglas als
unangreifbar erscheint, da es ja kein Alkali enthält. In der Tat ist es auch das
widerstandsfähigste bis jetzt bekannte Glas. Nachstehende Tabelle enthält die
gefundenen Ergebnisse:
Die Ermittlung der einschlägigen Zahlen geschieht entweder durch die bekannte
Jodeosinprobe, wobei sich eine Lösung dieses Stoffes je nach der Angreifbarkeit des
Glases mehr oder weniger stark rosa färbt, oder durch unmittelbares Titrieren des
mit dem Glase in Berührung gestandenen Wassers mit Hilfe sehr empfindlicher
Indikatoren, oder durch Ermittlung der elektrischen Leitfähigkeit des Wassers, die
mit steigender Aufnahme von gelösten Stoffen grösser wird.
Die Angreifbarkeit des Glases durch Sodalösung und Natronlauge ist bedeutend
grösser, als die durch Wasser; jedoch ordnen sich die Gläser bei jedem dieser Stoffe
nach steigender Angreifbarkeit hintereinander gestellt in verschiedenen Reihen. Durch saure Lösungen wird Glas bedeutend, weniger
angegriffen, als durch reines Wasser oder gar Alkali. Ausnahmen machen nur Flussäure
und Metaphosphorsäure, die Glas sehr stark angreifen.
Klassevon Gläsern
Verlust in 0,001 mg Natron auf 100
qcmOberfläche
durch Wasser v. 18° C.in 8 Tagen
durch Wasser v. 80° C.in 3 Stunden
1. Quarzglas
–
–
2. Wasserbeständige Gläser
0-4
0-15
3. Resistente Gläser
4-12
15-45
4. Härtere Appa- raten-Gläser
12-36
45–150
5. Weichere Appa- raten-Gläser.
36-150
150-600
6. Mangelhafte Gläser
über 150
über 600
Versuche, minderwertige Gläser durch Verändern der Oberfläche widerstandsfähiger zu
machen, haben keine brauchbaren Ergebnisse geliefert, wie auch vorauszusehen war,
zumal derartige Verfahren immerhin nicht einfach sind.
In der Diskussion wies Foerster, der seinerzeit mit Mylius zusammen die bekannten Untersuchungen über
Gläser angestellt hat,D. p. J. 1808, 307, 166. darauf hin, dass sich
manchmal beim Arbeiten mit gläsernen Gefässen ein Angreifen des Glases durch Wasser
u.s.w. nicht umgehen lasse. Für diesen Zweck müsse es sehr wertvoll sein, mit
solchen Gläsern zu arbeiten, die aus möglichst wenig verschiedenen Stoffen
zusammengesetzt seien. Hierdurch werde die Zahl der in Betracht zu ziehenden
Verunreinigungen wesentlich eingeschränkt.
An diesen Vortrag schloss sich unmittelbar ein solcher von R. Dralle aus Hameln: „Ueber
Glasblasmaschinen“ an. Der Vortragende gab zunächst eine kurze
Aufzählung der für die Praxis in Betracht kommenden Maschinen und eine gedrängte
Beschreibung der Art und Weise, wie diese Maschinen arbeiten. Als solche erwähnte er
diejenigen von Ashley,D. p. J. 1890, 287
* 376 und 1893, 289 *, 298 und 1903, 318 *, 155. von Hilde,D. p. J.
1894, 292 *, 55. die aber nicht in
Betrieb gekommen sei, von Vernay,D. p. J. 1903, 318
*, 155. von Heerdt, von Grote,D. p. J.
1903, 318 *, 155. von Boucher,D. p. J.
1903, 318 *, 155. und von Severin, und ging dann ausführlicher auf diese letztere
Maschine ein. Sie zeichne sich dadurch aus, dass die Art und Weise, wie mit ihr
gearbeitet werde, dem Handbetriebe am nächsten komme, sodass es sogar möglich sei,
mit dieser Maschine an Oefen zu arbeiten, an denen zugleich Flaschen auf gewöhnliche
Weise geblasen würden. Die übrigen Maschinen verlangten bei weitem heisseres Glas,
sodass es für die gleichzeitige Verarbeitung auf gewöhnliche Weise zu dünnflüssig
sei. Jedoch lasse die Maschine von Severin doch
deswegen nicht den Hauptzug vermissen, der der Maschinenarbeit eigen ist, nämlich
den, dass der Flaschenkopf hierbei von vorneherein
geformt wird, während sonst der Glasmacher nach
Fertigstellung des Flaschenkörpers den Kopf noch mittels eines schwierigen
Verfahrens anfügen muss. Dieser Vorzug zeige sich namentlich dann, wenn es sich um
Flaschen handele, bei denen sogenannte Patentverschlüsse angebracht werden sollen,
indem diese genau gleichmässig gearbeitete und genau gleich grosse Köpfe verlangen.
Ein Nachteil, der den mit der Maschine geblasenen Flaschen anhafte, bestehe darin,
dass die Flaschen keine so glatte und glänzende Oberfläche hätten; jedoch sei dies
kein wesentlicher Mangel, da einmal bei gefüllten Flaschen hiervon nichts zu
bemerken sei und andererseits dieser Umstand für den Gebrauchswert der Flaschen
überhaupt ganz gleichgiltig sei.
Leider seien die deutschen Flaschenfabrikanten nur sehr langsam an die Einführung von
Glasblasmaschinen herangetreten und hätten die Versuche damit auch nur mit sehr
wenig Ausdauer fortgesetzt. Es sei unter diesen Umständen nicht zu verwundern
gewesen, wenn sie schon nach kurzer Zeit in den meisten Hütten wieder eingestellt
worden wären, mit Ausnahme von einigen wenigen Fabriken, in denen übrigens überall
die Maschine von Severin in Verwendung stände, die
somit die einzige in Deutschland noch im Betriebe befindliche Glasblasmaschine sei.
Es sei zu wünschen, dass auch die Glasfabrikanten sich mehr maschinelle Schulung
aneigneten, um den Fortschritten der Maschinentechnik mit demselben Verständnis
folgen zu können, wie die Fabrikanten in anderen Industriezweigen, in denen man sich
nicht durch die Anfangsschwierigkeitenvon der Einführung von Arbeitsmaschinen
abschrecken zu lassen pflege.
Die angekündigten Vorträge von W. Loebell aus
Karlshorst; „der heutige Stand der Erkenntnis der
chemischen Verbindungen im Portlandzement und, der chemischen und
physikalischen Vorgänge bei seiner Erhärtung,“ sowie derjenige von
A. Schuliatschenko aus St. Petersburg über „die Einwirkung des Seewassers auf die hydraulischen
Bindemittel“ fielen leider aus, dagegen trat I. Klaudy aus Wien mit einigen interessanten
Mitteilungen über die Zerstörung eines Betonkanals an
die Oeffentlichkeit. Es hatte sich in einem von ihm vor kurzer Zeit eingehend
untersuchten Falle herausgestellt, dass ein Kanal aus Beton, der unterirdisch
verlegt war, einer sehr starken Zerstörung erlegen war. Diese Zerstörung trat zuerst
auf der äusseren Oberfläche der Kanalwandung auf und drang von da aus nach innen
vor, wobei der Beton durch und durch zu Brei zerfiel. Bei der Untersuchung des
Betons und des Grundwassers zeigte es sich, dass letzteres im Bereich der zerstörten
Stelle einen starken Gehalt an schwefelsaurem Natron aufwies, und dass dieser von
den Abwässern zweier Fabriken herrührte. Diese Abwässer wurden einfach in den Boden
einfliessen gelassen, und versickerten hier ohne genügenden Abfluss zu finden, zumal
sich unter der Oberfläche des Bodens eine Mulde aus undurchlässigem Material befand.
Das von dem Vortragenden vorgeschlagene Mittel zur Abhilfe besteht darin, dass man
die Abwässer nicht mehr in den Boden versickern lässt, sondern sie in den Kanal
einführt, und dass man ausserdem den Boden drainirt, um die darin befindlichen
Salzlösungen abzuführen. Diese Drainirung soll ebenfalls durch den Kanal selber
stattfinden. Der Vortragende glaubt, dass auf diese Weise statt der starken,
stehenden Salzlösung nur eine verdünnte, rasch abfliessende Salzlösung mit dem Beton
in Berührung kommen könne, die nicht im Stande sei, ihm wesentlichen Schaden
zuzufügen.
Abgesehen von diesem Einzelfalle habe die Sache aber auch eine systematische
Bedeutung, da es sich gezeigt habe, dass Alkalisulfatlösungen äusserst schädlich für
Beton seien, und zwar viel schädlicher als
Gipslösungen. Sogar konzentrierte Gipslösungen greifen Beton nur an seiner Oberfläche an. Ueberhaupt bezweifelt der Vortragende,
dass Gipslösungen so schädlich für Beton seien, wie allgemein angenommen werde und
ist der Ansicht, dass auch das Meerwasser nicht eigentlich durch seinen Gehalt an
Gips auf Beton schädlich einwirke, sondern durch seinen Gehalt an Alkalisulfat, das
sich aus der Umsetzung des darin enthaltenen Gipses und Kochsalzes immer wieder
bilde. Sei Gips wirklich so schädlich, wie man annehme, so würde es auch nicht
angängig sein, Betonbauten mit gipshaltigen Bodenschichten in Berührung zu bringen,
da sie alsdann durch das gipshaltige Wasser, das diese Schichten führten, sehr
schnell zerstört werden würden.
(Schluss folgt.)