Titel: | Moderne Dampfkesselanlagen. |
Autor: | O. Herre |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 403 |
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Moderne Dampfkesselanlagen.
Von O. Herre, Ingenieur und Lehrer in
Mittweida.
(Fortsetzung von S. 399 d. Bd.)
Moderne Dampfkesselanlagen.
Die Firma Petry-Dereux baut ausser dem
Zweikammerkessel auch noch Kessel nach dem System
Mac-Nicol als Spezialität (Fig. 178).
Im Vergleich zu dem in den Fig. 168-172
dargestellten, von der Firma E. Willmann gebauten Mac-Nicolkessel unterscheidet sich der in Fig. 178 wiedergegebene Kessel der Firma Petry-Dereux durch die etwas abweichende Führung der
Heizgase, durch den Einbau des Ueberhitzers und durch die Anwendung nur eines
Oberkessels, doch baut die Firma Petry-Dereux auch Mac-Nicolkessel mit zwei Oberkesseln.
Textabbildung Bd. 318, S. 402
Fig. 178. Röhrenkessel System Mac-Nicol mit Ueberhitzer von
Petry-Dereux.
Die folgenden Angaben beziehen sich auf einen ausgeführten Mac-Nicolkessel von rund 252 qm Heizfläche, der bei einer Konstruktion
nach Fig. 178 für 10 Atm. Ueberdruck gebaut wurde.
Die Heizfläche setzt sich zusammen aus 186,4 qm Wasserrohrfläche, 6,67 qm
Wasserkammerfläche, 28,8 qm Fläche am Oberkessel, 25,82 qm Fläche am Unterkessel und
4,06 qm Fläche an den Stutzen. Die Rostfläche des Kessels beträgt 4,82 qm.
Der Oberkessel hat 1,7 m Durchmesser, 10,9 m Länge,16 mm Wandstärke und ist in
der Längsnaht dreireihig,Fig. 178 zeigt in der Längsnaht nur
zweireihige Nietung, die bei kleinerem Durchmesser des Oberkessels zur
Anwendung kommt. in der Rundnaht einreihig überlappt genietet.
Die Böden haben 22 mm Wandstärke.
Der Oberkessel steht durch zwei Stutzen von 0,5 m Weite und 14 mm Wandstärke mit den
beiden Unterkesseln von 6,2 m Länge, 1 m Durchmesser und 10,5 mm Wandstärke in
Verbindung. Die Unterkessel sind in den Rundnähten einreihig, in den Längsnähten
zweireihig überlappt genietet.
Das Röhrenbündel besteht aus 139 Röhren von 95 mm Durchmesser und 4,5 m Länge. Die
vordere Wasserkammer trägt wieder den kastenförmigen Wasserabscheider, die hintere
Wasserkammer ist mit einem Dampfableitungsstutzen von 130 × 400 Weite und 14 mm
Wandstärke versehen.
Der Ueberhitzer von etwa 70 qm Heizfläche ist über dem vorderen Ende des
Oberkessels in einer besonderen Heizkammer untergebracht.
Die Heizgase bestreichen zuerst das Röhrenbündel, steigen dann am vorderen Ende des
Oberkessels in die Höhe und gelangen in den Ueberhitzer. Aus diesem werden die Gase
durch einen abwärts führenden Zug wieder an den Oberkessel gebracht, der jetzt in
einem Längszuge an der wasserberührten Fläche bestrichen wird. Durch Mauerzungen
werden die Gase hierbei mehrfach abgelenkt. Am hinteren Kesselende fallen die Gase
dann in zwei seitlichen Zügen nach unten, bestreichen die beiden Unterkessel auf den
Aussenseiten in der Richtung nach vorn, um schliesslich zwischen beiden Unterkesseln
in einem Mittelzuge wieder nach hinten und in den Fuchs zu gelangen.
Textabbildung Bd. 318, S. 403
Wasserrohrkessel mit Ueberhitzer von Büttner & Cie.
Die Feuerbrücke ist auch hier, wie bei dem Kessel (Fig. 173-175), bis
auf 100 mm an das Rohrbündel herangezogen, andererseits aber mit Aussparungen
versehen, um die Gase mit möglichst grossen Flächen glühender Mauermassen in
Berührung zu bringen.
Der Mac-Nicolkessel eignet sich besonders gut für grosse
Kesselanlagen. Die Firma Petry-Dereux führt den Mac-Nicolkessel bis zu 350 qm, event. auch noch grösser
aus. Eine der grössten Kesselanlagen, nach dem System Mac-Nicol wurde von der Firma Petry-Dereux
für die Petersburger elektrische Centrale der Elektr.
Akt.-Ges. „Helios“ geliefert. Diese Anlage besteht aus 14 Kesseln
von je 300 qm Heizfläche mit Ueberhitzern von je 70 qm Heizfläche.
Beim Büttnerkessel, Fig. 179 und 180, ist die
bemerkenswerteste Einrichtung die Umlaufvorrichtung.
Die vordere Wasserkammer trägt einen Aufsatz in Form eines nach hinten gekrümmten
Rohres, welches in eine nach dem Dampfraum offene Rinne übergeht; letztere reicht
bis zur hinteren Wasserkammer und wird durch einen Krümmer an diese angeschlossen.
Das Wasser, welches in der vorderen Wasserkammer emporgetrieben wird, findet seinen
Wegvollständig vorgezeichnet und kann daher die einmal erhaltene Geschwindigkeit
ohne Störung beibehalten. Das verdampfte Wasser kann durch seitliche Oeffnungen des
hinteren Krümmers des Umlaufrohres dem Unterkessel ersetzt werden. Das Speisewasser
wird dem Oberkessel durch den vordersten Stutzen mittels Tauchrohres zugeführt. Der
hintere Stutzen mit Tauchrohr dient zum Abblasen des Schlammes.
Der dargestellte Kessel hat eine Heizfläche von 95,2 qm, eine Rostfläche von 2,62 qm
und ist mit einem Ueberhitzer ausgestattet. Die Konstruktion der Kammer Verschlüsse
ist aus Fig. 181 zu ersehen.
Die Kammern, sowie auch der Oberkessel, werden aus bestem Siemens-Martin-Flusseisen,
Feuerblechqualität, angefertigt. Die ersteren werden geschweisst, während die
Oberkessel hydraulisch genietet sind.
Als Siederohre werden für die unterste Rohrreihe nahtlose Mannesmannstahlrohre
und für die übrigen Reihen patentgeschweisste Siemens-Martin-Flusseisenrohre
verwendet.
Der von der Rheinischen Röhrendampfkesselfabrik A. Büttner
& Cie. in Uerdingen a. Rh. gebaute Grosswasserraumkessel nach dem
System Mac-Nicol,
Fig. 182, weist eine prinzipielle Abweichung von den
beiden bisher besprochenen Kesseln dieses Systems (Fig 168-172 und 178) dadurch auf,
dass die hintere Wasserkammer des Röhrenkessels keinen unmittelbaren Zusammenhang
mit dem Walzenunterkessel besitzt, und dass infolgedessen auch die Umlaufbewegung
des Wassers in ganz anderer Weise vor sich geht.
Das Röhrenbündel ist in derselben Weise mit dem Oberkessel verbunden, wie bei dem
einfachen Zweikammerkessel, nur dass die Umlaufvorrichtung nicht an die hintere
Wasserkammer, sondern an den vorderen Verbindungsstutzen des Walzenunterkessels
angeschlossen ist. Hierdurch ist die Wasserbewegung in ihrer Richtung bestimmt. Das
Wasser steigt aus dem Röhrenbündel vorn in die Höhe, passiert die Verbindungsrinne
im Oberkessel, gelangt in den Walzenunterkessel, durchströmt denselben nach hinten,
steigt in den Oberkessel und fällt durch die hintere Wasserkammer in das
Röhrenbündel zurück. Die unteren Röhren werden hierbei allerdings nicht so gut
gekühlt, wie es der Fall ist, wenn das Wasser dem Röhrenbündel durch den
Walzenunterkessel direkt zufliesst.
Textabbildung Bd. 318, S. 403
Fig. 181. Kammerverschluss von Büttner & Cie.
Die folgenden näheren Angaben beziehen sich auf einen derartigen zur Ausführung
gebrachten Kessel von 300 qm wasserberührter Heizfläche, 6,93 qm Rostfläche und für
10 Atm. Betriebsdruck.
Das Röhrenbündel besteht aus 198 Röhren von 4,4 m Länge, 95 mm äusserem Durchmesser
und 3,5 mm Wandstärke; die Steigung gegen die Horizontale ist 24 : 100.
Der Oberkessel hat eine Länge von 10,8 m; einen Durchmesser von 1,8 m und eine
Wandstärke von 17 mm; die Böden sind 24 mm stark. Der Unterkessel ist 4,4 m lang,
hat 1,3 m Durchmesser, 14 mm Wandstärke und eine Steigung entsprechend der
Umlaufrichtung des Wassers von vorn nach hinten. Die Böden sind 17 mm stark.
Die Verbindungsstutzen sind 0,5 m weit bei 13 bezw. 15 mm Wandstärke. Die
Speiseleitung mündet in den vorderen Stutzen des Walzenunterkessels.
Der Inhalt des Wasserraumes berechnet sich auf 33,2 cbm, derjenige des Dampfraumes
auf etwa 8 cbm.
Die Führung der Heizgase ist aus Fig. 182 ohne
weiteres zu ersehen.
Textabbildung Bd. 318, S. 404
Fig. 182. Wasserröhrenkessel System Mac-Nicol nach der Ausführung von Büttner
& Cie
Längenschnitt.
Die gebräuchlichen Ausführungsgrössen dieses Grosswasserraumröhrenkessels liegen
zwischen 80 und 300 qm Heizfläche. Die erste Tabelle auf S. 405 gibt Aufschluss über
einige Hauptdimensionen dieser normalen Ausführungen.
Textabbildung Bd. 318, S. 404
Wasserröhrenkessel von Göhrig & Leuchs.
Der Wasserröhrenkessel der Göhrig & Leuchsschen
Kesselfabrik in Darmstadt, Fig. 183 u. 184,
zeichnet sich durch die Anwendung einer Aussen-Tenbrink-Feuerung aus.
Unter dem Röhrenbündel liegen vorn über dem Schrägrost zwei Quervorlagen A und B, die durch zwei
Stutzen C und D an den
Enden miteinander verbunden sind. Zur Erzielung eines Wasserumlaufes liegen die
beiden Vorlagen etwas geneigt zur Horizontalen.
Das Wasser steigt in der Vorlage A,
Fig. 183,
von rechts nach links auf, gelangt durch den Stutzen C,
Fig.
184,in die vordere Vorlage B, durchströmt
diese von links nach rechts, Fig. 183, und fällt
durch den Stutzen D wieder nach A zurück. Der entwickelte Dampf kann von der höchsten Stelle der Vorlage
B aus durch das Rohr E
in den Oberkessel gelangen. Das Ersatzwasser fliesst der Vorlage A an der tiefsten Stelle durch das Rohr F zu. Der Oberkessel ist mit dem seitlichen Stutzen G versehen, um einen bequemen Anschluss der Rohre E und F an den Oberkessel
zu ermöglichen.
Die Wasserbewegung in den Vorlagen ist eine gute, so dass eine schnelle Verdampfung
neben einer sicheren Kühlung der Feuerplatten erreicht wird.
Der Rost ist ein Schrägrost mit treppenförmigen Ansätzen in der oberen Hälfte. Die
Heizgase steigen zwischen den beiden Vorlagen in die Höhe, umspülen die erste Hälfte
des Röhrenbündels, gelangen dann an den Oberkessel, wobei; sie zugleich den
Ueberhitzer bestreichen, um schliesslich ihre letzte Wärme an die zweite Hälfte des
Röhrenbündels abzugeben.
Durch Einstellung einer Klappe H,
Fig. 184,
können die Gase teilweise vom Ueberhitzer abgelenkt werden.
Mac-Nicolkessel von A. Büttner & Cie.
Heiz-fläche
Dimensionen
Inhalt
in Liter
Dampfreservein kg. Dampffür 10 Atm.
Kon-zessionsdruck und5 Atm. niedrigstzulässigem Druck
in qm
Oberkessel
Unterkessel
Wasser
Dampf
80
1400 × 10000
800 × 4400
13500
6100
680
90
1500 × 10000
900 × 4400
15700
7100
791
100
1600 × 10000
1000 × 4400
17500
7400
801
120
1600 × 10000
1200 × 4400
20500
7400
1033
150
1800 × 10000
1200 × 4400
25000
7800
1260
175
1800 × 10000
1300 × 4400
26600
7800
1340
200
1800 × 10000
1300 × 4400
27000
7800 *
1361
250
1800 × 10800
1300 × 4400
31000
8000
1560
300
1800 × 10800
1300 × 4400
33200
8000
1620
Der Ueberhitzer ist zweiteilig. Der Dampf strömt den beiden äusseren
Verteilungsrohren K1 und K2, Fig.
184, zu,durcheilt die Rohrschlangen und vereinigt sich in dem
mittleren Sammelrohr K3. Da hierbei die erste Hälfte K1
K3 im
Parallelstrom, die zweite Ueberhitzerhälfte K2
K3 im
Gegenstrom zu den Heizgasen liegt, so findet einerseits eine Schonung der ersten
Hälfte der Rohre statt, während andererseits durch die zweite Hälfte der Rohre eine
möglichst weitgehende Ausnutzung der Gase erreicht wird.
Der Ueberhitzer hat 90 qm Heizfläche, während die wasserberührte Heizfläche des
Kessels 178 qm beträgt. Hiervon entfallen 157,4 qm auf die Röhren, 9,2 qm auf den
Oberkessel, 3,47 qm auf die Wasserkammern und 7,93 qm auf die Quersieder.
Einen zuverlässigen Beweis für die Leistungsfähigkeit des Göhrig & Leuchsschen Wasserrohrkessels erhält man in dem folgenden
Auszuge aus dem Bericht über die an der neuen von Göhrig
& Leuchs gebauten Kesselanlage des Stadt. Elektrizitätswerkes Mainz am
9. und 10. Januar 1902 durch Herrn Geheimrat Prof. Dr. Kittler in Darmstadt ausgeführten Abnahmeversuche (siehe folgende
Tabelle).
Textabbildung Bd. 318, S. 405
Art des Betriebs; Pferdestärken:;
Ueberhitzter Dampf u. Kondensation; Gesättigter Dampf u. Kondensation;
Gesättigter Dampf u. Kondensation; Ueberhitzter Dampf und Auspuff; Versuchstag;
Versuchsdauer (Beginn – Ende); Heizfläche der beiden Kessel; Heizfläche der
beiden Ueberhitzer; Rostfläche der beiden Kessel; Brennmaterial:; verfeuert im
ganzen; verfeuert in 1 Stunde; verfeuert pro 1 qm Rostfläche und 1 Stunde;
Heizwert des verfeuerten Brennmaterials (einschl. Rückstände); Herdrückstände:;
Asche und Schlacke im ganzen; Asche und Schlacke in v. H. des Brennmaterials;
Speisewasser:; verdampft im ganzen; in 1 Stunde und auf 1 qm Heizfläche;
Temperatur des Speisewassers im Mittel; Dampf:; mittlerer Ueberdruck; mittlere
Temperatur des überhitzten Dampfes.; Kondensat in den Rohrleitungen bis zur
Maschine im ganzen; in v. H. der gesamten Speisewassermenge; Verlust durch
Undichtheiten der Dampfleitung; Nützlich verbrauchte Dampfmenge; Erzeugung wärme
von 1 Kilo gesättigten Dampfes bei Versuchsverhältnissen; Erzeugungswärme von 1
Kilo überhitzten Dampfes bei Versuchsverhältnissen; Heizgase:; Temperatur der
Heizgase: vor dem Ueberhitzer; im Fuchs; Zugstärke im Fuchs; Gehalt der Heizgase
an Kohlensäure; an Sauerstoff; Verdampfungsziffer:; 1 Kilo Brennmaterial
verdampft bei Versuchsverhältnissen; 1 Kilo Brennmaterial gibt nutzbringend ab;
Wirkungsgrad des Kessels; 1 Kilo Brennmaterial von 7500 Kalorien Heizwert würde
bei Versuchsverhältnissen verdampfen; 1 Kilo Brennmaterial von 7 500 Kalorien
Heizwert erzeugt aus Wasser von 0°C, in Dampf von 100° C. (637 Kalorien
Erzeugungswärme)
Hieraus ergibt sich, dass durch die Ueberhitzung bei gleicher Leistung der
Dampfmaschine 18,8 v. H. Kohlen gespart wurden.
(Fortsetzung folgt.)