Titel: | Moderne Dampfkesselanlagen. |
Autor: | O. Herre |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 436 |
Download: | XML |
Moderne Dampfkesselanlagen.
Von O. Herre, Ingenieur und Lehrer in
Mittweida.
(Fortsetzung von S. 422 d. Bd.)
Moderne Dampfkesselanlagen.
Auch die Firma W. Fitzner & K. Gamper in
Sielce, Russland (vergl. auch die Fig. 81-83 auf S. 267 des vorigen Bandes), baut
ihre Wasserröhrenkessel nach Fig. 196 mit Rücksicht
auf sichere Kühlung der unteren Rohrreihen, doch fehlt der Querkessel und die
eigenartige Wasserverteilung des Leinhaaskessel. Die
ebenfalls angewendete Rohrpumpe zeichnet sich dadurch aus, dass nach Fig. 197 und 198 die
Dampfhaube ein eigenes Wasserstandsglas besitzt, was für die Bestimmung der Lage des
niedrigsten Wasserstandes im Kessel und für die rechtzeitige Erkennung einer
etwaigen nach Angabe der Dubiau vertreter zwar nie
eintretenden) verstopfung der Röhren des Apparates von Wert ist. –
Bei der üblichen Bauart der Wasserkammern mit ebenen Wänden ist eine kräftige
Verankerung durch Stehbolzen notwendig, die natürlich um so kostspieliger wird, je
höher die Dampfspannung ist. Man hat daher versucht, diese prismatischen Kammern
durch zylindrische zu ersetzen, welche jede Verankerung entbehren können.
Eine sehr zweckentsprechende Konstruktion dieser Art ist der Grosswasserraumkessel
von G. Kuhn, Stuttgart-Berg, der in Fig. 199 und 200
dargestellt ist. Dieser Kessel weist nur zylindrische Formen auf.
Unter der vorderen Wasserkammer liegen in direkter Verbindung mit derselben zwei
Quersieder, von denen der grössere als Feuerbrücke dient. Der vordere Quersieder ist durch kurze
Ringstutzen mit zwei schrägliegenden Längssiedern verbunden, die ihrerseits wieder
mit dem ganz unten in der Verlängerung des Schrägrostes liegenden Quersieder
verbunden sind. Dieser endlich steht durch zwei fast senkrechte Stutzen mit dem
oberen grösseren Quersieder in Verbindung.
Die einzelnen Röhrenbündel werden über- und nebeneinander in einer Zahl, wie es die
erforderliche Heizfläche nötig macht, angeordnet. An Stelle der vielen Rohr- und
Kammerverschlüsse sind hier nur wenige Mannlöcher vorhanden, welche leicht
verschliessbar sind.
Textabbildung Bd. 318, S. 436
Fig. 196. Wasserröhrenkessel mit Dubiauscher Rohrpumpe von Fitzner u.
Gamper.
Textabbildung Bd. 318, S. 436
Dubiau pumpe am Kessel von Fitzner u. Gamper.
Textabbildung Bd. 318, S. 436
Grosswasserraumkessel mit zylindrischen Wasserkammern von Kuhn.
Die Fabrik von A. W. Bary in Moskau hatte 1900 in Paris
einen Kessel nach dem System Schuchow (Fig. 201 und 202)
ausgestellt, der ebenfalls die prismatischen Wasserkammern vermeidet. Der Kessel
hatte 93,8 qm Heizfläche und war für 10 Atm. Ueberdruck bestimmt, Die Elemente
bestanden aus den beiden zylindrischen Wasserkammern von 648 mm Durchmesser und 597
mm Länge, welche durch Wasserröhren von 76 mm Durchmesser verbunden waren. Zwei bis
drei solcher Elemente werden übereinander gelegt und mit dem Oberkessel verbunden.
Die einzelnen Wasserkammern stehen unter sich durch Ringstutzen in Verbindung. Je
nach der Grösse des Kessels werden dann zwei oder mehr der zusammengesetzten
Elemente nebeneinander gestellt und durch einen gemeinsamen Schlammsammler und einen
Dampfsammlervereinigt. Die Wasserkammern werden durch innen liegende Deckel
geschlossen, welche ähnlich wie die Verschlüsse von Simonis
& Lanz (Fig. 143 und 144, S. 373
d. Bd.) eingebracht werden.
Der Kessel besitzt einen Ueberhitzer und wird mit Naphtarückständen geheizt; die Luft
wird durch zahlreiche Schlitze von allen Seiten durch das Mauerwerk zugeführt.
Besondere Anerkennung verdient die sorgfältige Durchbildung der Einzelteile des
Kessels.
Textabbildung Bd. 318, S. 436
Fig. 203. Wasserröhrenkessel von Garbe.
Ingenieur H. Garbe, Berlin N., hat. sich einen
Wasserröhrenkessel mit senkrechten Röhren patentieren lassen, der durch die
charakteristische Ausbildung der Rohrplatten besonders bemerkenswert ist. Der Kessel
besteht aus einem Ober- und einem Unterkessel von 1,1 oder 1,3 m Durchmesser und den
verbindenden senkrechten Wasserröhren, welche in Doppelreihen angeordnet sind (Fig. 203-207). Die Rohrplatten
haben stufenartige Vorsprünge, sodass jedes Rohr in einer ebenen und senkrecht zur
Rohrachse liegenden Rohr wand eingewalzt werden kann (Fig. 208 u. 209). Ferner
befindet sich zwischen je zwei Doppelreihen eine Vertiefung in der Rohrwand, welche
das Einbringen der Rohre an jeder beliebiger. Stelle ohne weiteres ermöglicht, wie
dies Fig.
210 u. 211 verdeutlicht. Die verschliessbaren und abzudichtenden Oeffnungen in
der Kesselwand beschränken sich auf je ein Mannloch im Ober- und Unterkessel, um
letztere befahrbahr zu machen. Es sind daher alle Kammer- und Rohrverschlüsse
vermieden. Das Einwalzen und Reinigen der Rohre geschieht vom Ober- bezw.
Unterkessel aus. Zum Reinigen der Rohre kommt eine besonders für den Kessel
konstruierte Vorrichtung in Anwendung.
Die eigenartige Form der Rohrplatten des Garbe kessels
wird durch die Fig. 212 u. 213 sehr deutlich zur
Darstellung gebracht.
Textabbildung Bd. 318, S. 437
Wasserröhrenkessel System Schuchow mit zylindrischen Wasserkammern von
Bary.
Textabbildung Bd. 318, S. 437
Wasserröhrenkessel von Garbe.
Textabbildung Bd. 318, S. 438
Die Konstruktion der Rohrplatten am Garbe-Kessel.
Textabbildung Bd. 318, S. 438
Einbringen und Auswechseln der Röhren am Garbe-Kessel.
Die senkrecht gestellten Röhren lassen den entwickelten Dampf bequem entweichen: der
Dampf wird daher trocken ausfallen, auch wird die Bildung einer Wärmestauung durch
stagnierende Dampfblasen verhindert. Der Kesselstein wird sich nur schwer festsetzen
können, vielmehr in den Unterkessel zurücksinken, oder durch die Wasserbewegung in
den Oberkessel geführt werden,so dass die wichtigste Heizfläche dauernd gut
wirksam bleibt. Der dargestellte Kessel hat eine Heizfläche von 130 qm, eine
Rostfläche von 3 qm, einen Wasserraum von 11 cbm, einen Dampfraum von 3,8 cbm, eine
Wasserspiegelfläche von 8,9 qm und ist für 12 Atm. Betriebsdruck bestimmt.
Auf 1 qm Heizfläche entfallen daher 0,085 cbm Wasser, 0,030 cbm Dampf und 0,069 qm
Wasserspiegel, was etwas günstiger als bei den üblichen Wasserrohrkesseln ist. Der
Garbekessel kann daher auch bei wechselnder Dampf
entnähme Verwendung finden.
Ueber der als Planrostunterfeuerung ausgebildeten Feuerung liegen zwei Vorlagen, die
durch je ein weites Fallrohr und eine Anzahl enger Siederöhren mit dem Oberkessel in
Verbindung stehen. Die Heizgase gelangen über die Vorlagen hinweg zu den vertikalen
Röhren, die in senkrecht und wagerecht geführten Zügen umspült werden. Der
Unterkessel wird im letzten Zuge geheizt.
Das Speisewasser gelangt zuerst in eine Rinne, die im Wasserraum des Oberkessels
liegt, wird hier angewärmt, strömt dann durch die hinteren nicht geheizten Fallrohre
in den Unterkessel, steigt durch die Röhren in den Oberkessel, fällt vorn durch die
Fallrohre in die Vorlagen und steigt von hier durch die Siederöhren wieder in den
Oberkessel. Fig.
205 lässt die Wasserführung durch die punktierten Linien im Oberkessel
erkennen.
Textabbildung Bd. 318, S. 439
Fig. 212 u. 213. Rohrplatten des Garbe-Kessels.
Textabbildung Bd. 318, S. 439
Fig. 214. Garbe-Kessel während der Montage nach der Ausführung von
Gebauer.
Die Ausnutzung der Grundfläche stellt sich beim Garbekessel etwas weniger günstig als bei den üblichen Zweikammerkesseln, wenn
nur die durch den Kesselblock bebaute Fläche in Rechnung gezogen wird. Beim Garbekessel kann jedoch der Raum vor dem Kessel event.
beschränkt werden, da kein Platz zum Einziehen der Rohre nötig ist, wodurch der
erwähnte Nachteil wieder ausgeglichen werden dürfte.
Der Garbekessel ist auch in einer etwas anderen
Ausführung als Schiffskessel geplant, wo die leichte Auswechselbarkeit eines Rohres
gewiss ein erwünschter Vorzug ist.
Die Ausführung des Garbekessels ist von der
Maschinenfabrik, Eisengiesserei, Kessel- und Kupferschmiede Fr. Gebauer in Berlin NW., übernommen worden.
Ein von dieser Firma gebauter Garbekessel von 148 qm
Heizfläche für 12 Atm. Betriebsdruck befindet sich seit mehreren Monaten im
anstandslosen Betriebe. Fig. 214 zeigt
diesenKessel während der Montage. Gegenüber den Fig.
203-207 ist zu bemerken, dass bei dem Kessel, Fig.
214, die vier schrägliegenden Rohrreihen, welche den Oberkessel mit den
beiden Vorlagen verbinden, mit gebogenen Röhren ausgeführt worden sind. Hierdurch
werden die Rohre besser befähigt, ungleiche, durch unregelmässige Erwärmung
hervorgerufene Längenänderungen ohne bedeutende Spannungen zu erleiden. Die beiden
äusseren Rohrreihen weisen erheblich stärker gekrümmte Rohre auf, was jedenfalls
durch die Erstrebung eines möglichst zentralen Anschlusses der Rohre an den
Oberkessel, bezw. an die Vorlagen, bedingt ist. Ferner sind die Stirnböden der
Vorlagen nicht, wie in den Fig. 203 bis 207, als
ebene Platten ausgebildet, welche durch Schrauben an aufgenieteten Winkeleisenringen
zu befestigen sind, sondern es haben gewölbte, eingenietete Böden Anwendung
gefunden, welche auf der Vorderseite der Vorlagen Mannlöcher enthalten, um das
Innere der Vorlagen sowohl für die Reinigung, wie für das Einwalzen nachträglich
einzuziehender Rohre zugänglich zu machen.
(Fortsetzung folgt.)