Titel: | Neuerungen an den verschiedenen Systemen der drahtlosen Telegraphie. |
Autor: | Adolf Prasch |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 443 |
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Neuerungen an den verschiedenen Systemen der
drahtlosen Telegraphie.
Von Ingenieur Adolf Prasch,
Wien.
(Schluss von S. 427 d. Bd.)
Neuerungen an den verschiedenen Systemen der drahtlosen
Telegraphie.
Feststellung des Widerstandsabfalles der Fritter.
Die Art und Weise, wie Tissot dazu gelangt ist, den
Widerstandsabfall eines dem Einflüsse elektrischer Wellen ausgesetzten Fritters zu
schützen, ist eine der bemerkenswertesten und interessantesten Arbeiten dieses
gelehrten Offiziers. Die hierbei gemachten Feststellungen sind nicht nur vom
theoretischen Standpunkte von hervorragendem Interesse, sondern haben auch eine
bedeutende praktische Tragweite.
Als Verfahren für die Messungen diente die Substitutionsmethode. Sobald die
Frittröhre durch den Einfluss der Wellen zur Kohäsion gelangt, wird sie in einen
Stromkreis gebracht, der in jeder Beziehung gleichwertig mit jenem ist, in welchem
die Kohäsion erfolgt. In diesen Stromkreis ist ein Galvanometer eingeschaltet,
dessen Teilung so eingerichtet ist, dass aus dem Nadelausschlag sofort der
vorhandene Widerstand der Frittröhre abgelesen werden kann. Die Anwendung dieses
Verfahrens erfordert aber eine Reihe von Vorsichtsmassregeln. Um die Regelung der
Frittröhren zu ermöglichen, muss in den Stromkreis ein sehr grosser Widerstand
zwischengeschaltet werden (5-10000 Ohm). Der Strom, welcher das Relais durchläuft,
darf niemals eine grössere Intensität als einige Zehntel eines Milliampères
haben.
In einem derartigen Stromkreise kann man aber Widerstandsunterschiede von 100-200 Ohm
nicht mehr genau bestimmen. Um diesem Hindernisse einer genauen
Widerstandsbestimmung zu begegnen, hat nun Tissot zwei
getrennte Stromkreise angeordnet. In der Fig. 72
stellt F den Fritter dar. F, B,
R, Z1, r1 ist der Empfangsstromkreis und
F, M, N, G, Z, r der Messtromkreis.
Textabbildung Bd. 318, S. 443
Fig. 72.
In dem Messtromkreise ist das Relais durch das Galvanometer G ersetzt, welches mit einem Nebenschlusse n
versehen ist. Die Batterie wird zwischen die beiden Klemmen eingesetzt, und mit
einem Potentiometer in Verbindung gebracht, welches in den Messtromkreis die
Einführung eines stärkeren Stromes verhindert. Der Strom dieses Kreises ist unter
allen Umständen geringer als jener, welcher in dem Relaisstromkreis zirkuliert. Die
beiden Taste z, z1 gestatten die beiden Stromkreise nach Bedarf zu öffnen oder zu
schliessen.
Man kann auf diese Weise dem Widerstände r einen
sehr kleinen Wert geben, um ausreichende Ausschläge am Galvanometer zu erhalten,
ohne hierbei genötigt zu sein, den Strom, welcher den Fritter durchfliesst, zu
ändern, was eine der Hauptbedingungen für die richtige Durchführung derartiger
Messungen bildet.
Will man nach diesem Verfahren den praktischen Wert einer Frittröhre feststellen, so
ist es notwendig, eine sehr grosse Anzahl von Messungen zu machen. Sei in
Wirklichkeit W der Widerstand einer entfritteten Röhre,
und w der Widerstand derselben im frittenden Zustande,
so müssen die Messungen von W und w mit einem permanenten Strome in dem Stromkreise
durchgeführt werden.
Die im Fritter hervorgerufene Kohäsion ist eine Erscheinung, welche sich auf die
Oberfläche der einzelnen Teile der Feilspäne bezieht. Beim Messen des Widerstandes
mit konstantem Strom kommt aber die Gesamtmasse der Späne in Betracht, woraus folgt,
dass eine einzelne Beobachtung überhaupt kein Resultat ergeben kann.
Es ist im Gegenteile notwendig, die Messungen in grosser Anzahl vorzunehmen und die
Ergebnisse graphisch festzustellen. Dies macht die Arbeit selbstverständlich zu
einer sehr mühsamen und zeitraubenden.
Der Vorgang bei diesen Messungen soll an einem Beispiel klar gelegt werden. Für eine
gegebene Uebertragung T auf eine Entfernung, die eine
stets gleich bleibende sein muss, werden beispielsweise 200 Messungen an derselben
Frittröhre gemacht, wobei angenommen wird, dass der Widerstand der entfritteten
Röhre R stets der gleiche bleibe.
Man erhält bei diesen Messungen des kohärierten Fritters eine Reihe von Werten, die
sich zwischen r1 und r2
bewegen.
Werden nun die für die verschiedenen Werte von r
gewonnenen Zahlen als Abszissen und die Anzahl der Messungen, welche annähernd den
gleichen Wert für r ergeben haben, als Ordinaten
aufgetragen, so erhält man eine Kurve von der in Fig.
73 dargestellten Form, welche den mittleren wahrscheinlichen Wert des
Widerstandes r, welchen die Röhre unter dem Einflüsse
der entsendeten Wellen erhält, für eine gegebene Transmission und Entfernung
darstellt.
Textabbildung Bd. 318, S. 443
Fig. 73.
Wiederholt man diese Feststellung für eine andere Transmission T' auf dieselbe Entfernung d' so findet man für jede Röhre die erhaltenen Kurven in der Form
gleich.
Die Konstruktion der Kurven muss jedoch immer auf einer sehr grossen Zahl von
Messungen aufgebaut werden. Bei Vergleich der Kurven zeigt sich, dass der mittlere
wahrscheinliche Wert von r ein verschiedener ist, und
dass diese verschiedenen Werte auch verschiedenen Transmissionen entsprechen.
Hierdurch ist man in der Lage, die verschiedenen Transmissionsbedingungen gegenseitig
vergleichen zu können, ebenso wie sich der Einfluss der Entfernungen bei gegebener
Transmission vergleichen lässt. Vergleicht man die Form der Kurven für eine sehr
grosse Anzahl von Röhren, so ist festzustellen, dass sich diese Kurven in drei von
einander deutlich verschiedene Klassen einteilen lassen, deren Typen in den Fig. 74, A, B, C
wiedergegeben sind.
Textabbildung Bd. 318, S. 444
Fig. 74.
Die Type A ist die am häufigsten vorkommende und
entspricht einer regulär arbeitenden Röhre. Diese Type ist aber für jeden Fall
ungünstiger, als die Type B, welche ein viel mehr
hervortretendes Maximum aufweist und einen Spielraum für eine genaue Regulierung des
Relais frei lässt. Die Type C entspricht einer
mangelhaften Röhre, deren Mangelhaftigkeit in den grossen Sprüngen der gefundenen
Widerstände ihre Ursachen hat, die es eben unmöglich machen, das Relais und den
eingeschalteten Widerstand in einer Weise dauernd zu regulieren, dass ersteres den
verschiedenen Bedingungen einer guten Aufnahme entspricht, Eine derartige Röhre soll
daher, wenn sie sich auch als sehr empfindlich erweist, nicht verwendet werden, weil
sie praktisch unbrauchbar ist.
Man ersieht hieraus, dass die Durchführung solcher Messungen auch einen grossen
praktischen Wert haben, weil dieselben es ermöglichen, aus einer Reihe von
Frittröhren die schlechten herauszufinden. Die aus einer grossen Zahl von Messungen
gewonnenen Ergebnisse, welche auch einen Schluss auf die Konstruktion der Fritter
gestatten, lassen sich wie folgt zusammenfassen.
1. Die Oxydation oder eine chemische Aenderung der Oberfläche der verwendeten
Feilspäne oder der Elektroden eines Fritters ist nicht notwendig. Man kann gute
Fritter auch mit nicht oxydierten Elektroden und Feilspänen herstellen.
2. Die Gegenwart von Wasser oder Wasserdampf in dem Fritter ist unter allen Umständen
schädlich. Ein dauerhaftes Arbeiten mit einem Fritter ist nur dann möglich, wenn
alle Teile desselben vorher mit grosser Sorgfalt getrocknet wurden.
3. Die Kohäsion oder das Fritten erfolgt mit der gleichen Leichtigkeit im
luftverdünnten Raume wie in den verschiedenen indifferenten Gasen. Auch in
verdünnten Gasen wird das Fritten nicht besser.
4. In dem Fritter treten, während derselbe dem Einflüsse elektrischer Wellen
ausgesetzt ist, keine Funken zwischen den einzelnen Feilspänen auf.
Es ist in der Tat unmöglich, den geringsten Funken bei der Untersuchung des Fritters
während der Aufnahme in einem dunklen Raume mit dem Miskroskope wahrzunehmen.
Ebensowenig gelingt es, auf einer photographischen Platte, welche mit einem dem
Empfange ausgesetzten Fritter durch mehrere Stunden in einem lichtabschliessenden
Gehäuse eingeschlossen ist, bei der nachfolgenden Entwicklung einen Schleier zu
entdecken. Tissot glaubt auch, dass sich weder Brücken
noch Ketten im Fritter bilden.
5. Der Widerstand R der entfritteten Röhre und der
Widerstand r derselben Röhre im Frittzustande sind für
ein und dieselbe Röhre sehr veränderlich. Man beobachtet, dass der Wert von R unter dem Einfluss der Erschütterung beim Entfritten
zwischen einem grössten Wert R2 und einem geringsten Wert R1 hin- und
herschwankt. Bezeichnet Reinen mittleren Wert, so
ist R1 <
R < R2. In gleicher Weise nimmt der Wert von r unter dem Einflüsse der elektrischen Wellen einen
grössten und einen geringsten Wert an, zwischen welchem er hin- und herschwankt. Man
hat sonach auch hier die Beziehung r1 < r
< r2.
Wird eine entfrittete Röhre, welche einen Widerstand R
aufweist, der zwischen R1 und R2 liegt, dem Einflüsse elektrischer Wellen ausgesetzt, so behält sie nach
dem Einflüsse der Wellen entweder diesen Wert (der Fritter erweist sich dem
Einflüsse der elektrischen Wellen gegenüber unempfindlich) oder er nimmt einen
Widerstand an, dessen Wert r zwischen r1 und r2 liegt.
Es ergibt sich ferner, dass Entfrittung durch einen Schlag nur dann eintritt, wenn
die Intensität des Stromes oder besser gesagt die Dichte des die Röhre
durchlaufenden Stromes unter allen Umständen unter einem gewissen Grenzwert liegt,
der sich für jeden Fritter, ohne Rücksicht auf die elektromotorische Kraft, welche
zur Anwendung gelangt, ändert. Es kann z.B. ein Fritter, welcher unter einer
Spannung von 0,1 Volt funktioniert, unter günstigen Bedingungen auch bei einer
aufgewendeten Spannung von 1 und selbst 10 Volt unter der Bedingung gut
funktionieren, dass ein entsprechender Widerstand (r'
in Fig. 72) eingeschaltet wird, sodass die
Stromdichte immer unter der gegebenen Grenze liegt.
Dementsprechend scheint es, dass der Begriff der kritischen elektromotorischen Kraft
der Kohäsion nicht aufrecht erhalten werden kann und durch den kritischen Strom oder
die kritische Intensität ersetzt werden sollte.
Es sind nun zwei Werte dieser Intensität zu betrachten, und zwar der Wert \frac{E}{R+\rho}
(wobei ρ den Widerstand ausserhalb der Frittröhre
bedeutet), welcher zwischen \frac{E}{r_2+\varrho} und \frac{E}{R_1+\varrho} für die entfrittete Röhre hin-
und herschwankt, und der Wert \frac{E}{r+\varrho}, welcher zwischen \frac{E}{r_2+\varrho} und \frac{E}{r_1+\varrho}
bei der frittenden Röhre hin- und herschwankt. Für die Entfrittung unter dem
Einflüsse der Erschütterung kommt der Wert \frac{E}{r+\varrho} hauptsächlich in Betracht.
Für eine gegebene Röhre wird die Empfindlichkeit umso grösser, je geringeren Wert man
dem äusseren Widerstände gibt, d.h. je mehr man sich jener Grenze nähert, über
welche eine Entfrittung nicht mehr möglich wird.
Desgleichen wird die Empfindlichkeit umso grösser, je mehr sich der Wert von R dem geringsten Wert R1 nähert, oder um es schärfer auszudrücken,
der Fritter wird um so empfindlicher, je mehr sich R
von dem Werte R2 entfernt.
3. Die Versuche von A. Turpain.
Diese Versuche beschränkten sich darauf, die Wirkung von hohlen Leitern in bezug auf
den Schutz gegen die Durchdringung der Wellen sowie die Konzentration der Wellen an
der Innenseite der Leiter zu erforschen. Hierbei wurde ein Erreger in eine Kiste von
ungefähr 25 cm Kantenlänge eingeschlossen, welche innen mit Zinnfolie bekleidet war.
Der Empfänger bestand aus einem Fritter, einem Relais, einer Glocke und einer
Batterie, und wurde gleichfalls in einer ähnlichen Kiste eingeschlossen. Jede dieser
Kisten hatte eine kreisförmige Oeffnung von 14 mm Durchmesser, durch welches ein aus
einem blanken Drahte, einer Röhre oder einem Bleikabel bestehendes Leiterstück von
10 m Länge eingeführt werden konnte. Sobald die Kisten des Empfängers und Senders
vollkommen geschlossen sind, ist keine Wirkung möglich, ebenso wenn die Oeffnungen
frei sind und die Einrichtungen durch eine metallische Röhre verbunden werden.
Sobald jedoch die Röhre in die Kisten eintritt, ohne dass sie die Zinnverkleidung
berührt, oder wenn die Kisten überhaupt abgehoben werden, tritt ein entschiedenes
Ansprechen ein. Es scheint in diesem Falle die Röhre die Wellen auf dem Empfänger zu
konzentrieren. Die Wirkung wird jedoch eine bessere, wenn an Stelle der Röhre ein
metallisch belegtes Kabel verwendet wird, wobei die Kabelseele die beiden Apparate
verbindet. Die Wirkungsweise der Metallumkleidung lässt sich hier ebenfalls nur
durch eine Konzentrierung der Wellen erklären. Diese Wirkung wird jedoch nicht
verschlechtert, wenn ein kurzes Stück der Umkleidung des Kabels weggenommen wird, vorausgesetzt, dass
keine Berührung der Seele mit der Kistenverkleidung besteht. Diese Erscheinung lässt
sich nun auch für die drahtlose Telegraphie verwerten und schlägt Turpain diesbezüglich vor, sowohl Sender als Empfänger
mit dem Luftdraht durch ein metallisch umkleidetes Kabel zu verbinden. Die
Untersuchungen, die in dieser Richtung angebahnt wurden, zeigten, dass es keine
Störung verursacht, wenn die Kabelumkleidung unmittelbar mit dem Sendedrahte
verbunden wird. Beim Empfänger bildet die Verbindung der Kabelumhüllung mit dem
Empfangsdrahte einen sehr wirksamen und passenden Schutz gegen die von der eigenen
Station entsendeten Wellen. Diese Verbindung muss aber für den Empfang unbedingt
unterbrochen werden.
Einige Beobachtungen im praktischen Betriebe.
Kapitän Jakson bringt einige wertvolle Beobachtungen
über die Uebertragung elektrischer Signale auf der See über dazwischenliegendes
Land. Er stellte fest, dass die Wellen unter gewissen Umständen die Fähigkeit haben
müssen, durch oder über das zwischenliegende Hindernis, oder, was wahrscheinlicher
ist, um dasselbe zu gehen, wobei jedoch deren Energie unter allen Umständen
geschwächt wird, und der Grad dieser Schwächung von der Höhe, Weite und Natur des
Hindernisses abhängt. In einem Falle konnte über ein aussergewöhnliches, steiles
aber schmales Kap, dessen Höhe annähernd 265 m betrug, und welches aus hartem,
eisenhaltigen Gestein bestand, mit einem 46 km entfernten Schiffe, welches um dieses
Kap kreuzte, nur so lange gesprochen werden, als dieses Schiff nicht hinter dem Kap
verschwand. Sobald dies eintrat, war die Signalisierung sofort abgeschnitten,
obgleich auf offener See bis über 72 km anstandslos mit demselben verkehrt werden
konnte. Das Kap warf tatsächlich einen scharfen Schatten der elektrischen Wellen und
die Signale verschwanden in dem Augenblick, wo der Empfänger hinter den Klippen
verschwand. Andere Gesteinarten zeigten diese Störung in viel geringerem Masse, und
zwar erwies sich reiner Kalkstein schon weniger störend und Sandstein noch viel
günstiger. Ueber eine Klippe aus porösem Korallensandstein von annähernd 83 m Höhe
und 9,6 km Breite wurde die Entfernung, über welche noch gesprochen werden konnte,
von 40 km auf 32 km herabgemindert.
Das Wetter übt gleichfalls einen grossen Einfluss auf die Sicherheit der Nachrichten
Vermittlung und die Entfernung für selbige aus. Dies zeigt sich namentlich in den
subtropischen Gegenden. Im Mittelmeere behindert der Siroccowind, welcher
Feuchtigkeit, Salz und Staub mit sich führt, die Fortpflanzung der elektrischen
Wellen in starkem Grade. Blitzschläge erregen immer Signale, welche den
telegraphischen Verkehr mit Rücksicht auf die hierdurch möglicherweise
hervorgerufenen Verstümmelungen der Morsezeichen zu
einem unsicheren gestalten. In Bezug auf den Wert der Erdverbindung stellte Jakson fest, dass deren Abwesenheit im Empfänger die
sonst erreichbare Entfernung um 50 bis 70 v. H. und beim Sender um 85 v. H.
verringert. Wird jedoch ein passender Kondensator verwendet, so wirkt derselbe fast
ebenso gut wie die Erde. Der Sende- und Empfangsdraht erscheint hingegen
unentbehrlich, indem ohne solche trotz sehr guter Erdverbindung nicht über 3,6 km
signalisiert werden konnte.
Marconi machte bei seinen Voruntersuchungen zur
drahtlosen Telegraphie über sehr grosse Entfernungen die Wahrnehmung, dass in bezug
auf die erreichbare Entfernung der Vermittlung, zwischen Tag und Nacht ein
bedeutender Unterschied besteht, indem bei Ueberschreitung einer gewissen Entfernung
die gegebenen Zeichen am Tage ausblieben, während sie zur Nachtzeit vollkommen
deutlich anlangten. Die kritische Entfernung wird hierfür mit 800 km angegeben. Es
ist hierbei von Wichtigkeit, hervorzuheben, dass sich die Zeichen vom Uebergange der
Nacht zur Dämmerung, bis zum Erscheinen des vollen Tageslichtes fort und fort
verschlechterten um endlich gänzlich auszubleiben. Die Schwächung der Zeichen war,
so lange dieselben zur Tageszeit überhaupt noch anlangten, in der Zeit von 12-1 Uhr
mittags die stärkste, wogegen in der Mitternacht eine derartige Abschwächung nicht
beobachtet wurde.
Die Ursache dieses beobachteten Unterschiedes in der Wirkungsweise, wie solche im
Vergleiche zwischen Tages- undNachtzeit festgestellt wurde, schreibt Marconi der durch den Einfluss des Tageslichtes
hervorgerufenen Entladung des übertragenden elektrischen Leiters durch einfache
Ausstrahlung zu. Es dürften die elektrischen Schwingungen in dem übertragenden
erhöhten Leiter nicht jene Amplitude erreichen, wie solche in der Dunkelheit
auftritt. Die Entladung von negativ geladenen Körpern durch den Einfluss des Lichtes
wurde schon früher vielseitig beobachtet. (Elster &
Geitel, Righi u.a.) Da nun jede zweite Schwingung in dem übertragenden
Leiter, denselben notwendigerweise negativ ladet, kann angenommen werden, dass der
Einfluss des Lichtes auf den negativen Teil der elektrischen Wellen ausreichend ist,
um diese Abnahme der Schwingungsamplitude hervorzurufen.
Zur Untersuchung dieser sicher wichtigen Erscheinung der Verringerung der
Uebertragungsentfernung unter dem Einflusse des Tageslichtes, unternahm Marconi bei seiner Rückkehr von Amerika Versuche
zwischen der Station Poldhu und dem 243 km entfernten North-Haven und fand hierbei,
dass die Signale von Poldhu in North-Haven bei Nacht vollkommen deutlich einlangten,
wenn die vier vertikalen Sendedrähte 12,1 m hoch waren, während dieselben unter
sonst ganz gleichen Bedingungen auf 18,5 m erhöht werden mussten, um die Zeichen
unter Tags mit der gleichen Klarheit zu erhalten.
Andere Versuche zum Nachweise des Einflusses des Tageslichtes auf die Funkenstrecke,
lieferten ein negatives Ergebnis, indem die Wirkung, wenn die Funkenstrecke vom
Tageslichte abgeschlossen wurde, ganz dieselbe blieb, wie wenn sie vom Tageslichte
bestrahlt wurde.
Dass Marconi bei seinen früheren Versuchen einen
Unterschied zwischen der Signal Vermittlung bei Tag und Nacht nicht zu beobachten
vermochte, schreibt er, trotzdem sich dieselben über ziemlich grosse Entfernungen
erstreckten, dem Umstände zu, dass die hierbei verwendeten elektrischen Kräfte im
Vergleich mit jenen, welche für die erwähnten Versuche mit der Uebertragung auf sehr
grosse Entfernungen zur Anwendung gelangen, verhältnismässig geringe waren.
Wahrscheinlich hat das erhöhte Potential, auf welches der Luftdraht in Poldhu bei
diesen Versuchen geladen wurde, die Leichtigkeit, mit welcher Verluste durch die
Ausstrahlung unter dem Einflüsse des Tageslichtes eintreten, beträchtlich
vergrössert.
Textabbildung Bd. 318, S. 445
Fig. 75.
Von hervorragendem Interesse sind die Versuche, welche Marconi auf dem mit Einrichtungen zur Funkentelegraphie I ausgerüsteten
italienischen Kreuzer „Carlo Alberto“ im Verkehre mit der Station Poldhu
durchführte. Die Fahrt dieses Kreuzers erstreckte sich von Portland bis nach
Kronstadt; und von da über England zurück bis nach Neapel. Die Einrichtung des
Schiffes war eine den neueren Errungenschaften vollkommen entsprechende, und kamen
als Empfänger! entweder der neue Marconi'sche
elektromagnetische Wellenempfänger in Verbindung mit einem Telephon, oder ein
Fritter in Verbindung mit einem Morseschreiber zur Anwendung. Selbstredend waren
alle Vorrichtungen zur Herstellung einer genauen Abstimmung gleichfalls vorhanden.
Vor Beginn der Versuche wurden die Mäste des Schiffes um 10 m erhöht und mit der in
Fig. 75 dargestellten Auffangvorrichtung
versehen. Die Verbindungen der Drähte waren in der sorgfältigsten Weise isoliert. In
der Sendestation gelangten 100 Drähte, die in ähnlicher Weise, wie dies I Fig. 76 zeigt, angeordnet und 70 m hoch waren, zur
Anwendung. Diese Drähte wurden auf ein Potential geladen, welches aus! reichend war,
um zwischen einem dieser Drähte und einem geerdeten Kupferdraht einen 30 cm langen Funken
überspringen zu lassen.
Die Versuche wurden begonnen, als das Schiff auf seiner Fahrt nach Kronstadt bereits
500 km von Poldhu entfernt war. Anfänglich wurden die Signale nicht sehr gut
erhalten, dieselben verbesserten sich aber bis zur Vollkommenheit, nach dem die
genaue Abstimmung vorgenommen war. Während der Fahrt nach Kronstadt konnten die
Zeichen mit wenigen Ausnahmen fast stets mit dem elektromagnetischen Wellenempfänger
deutlich wargenommen werden. Die Aufnahme der Zeichen mit dem Morseschreiber blieb jedoch teilweise mangelhaft. Zu
bemerken ist hierbei, dass grosse Strecken Landes in der Luftlinie zwischen Poldhu
und dem Schiffe lagen, die trotz der grossen Bodenerhebungen, wie solche namentlich
Skandinavien aufweist, den Verkehr nicht behinderten. In Kronstadt, 1700 km von
Poldhu. kamen die Zeichen nur mehr kaum vernehmlich an. Es wurde demnach die
Auffangvorrichtung des Schiffes in der Weise abgeändert, dass, wie sich dies aus
Fig. 76 ergibt, 50 Drähte wohl isoliert gespannt
wurden. Hierdurch liess sich eine bessere Abstimmung erzielen, und konnten nunmehr
die Zeichen auf der Rückfahrt stets ohne besonderen Anstand aufgenommen werden.
Selbst in dem fast ganz vom Lande umschlossenen Hafen von Kiel, in welchem das
Schiff im Innenhafen Aufstellung nahm, wurden alle Nachrichten mit beiden Empfängern
anstandslos aufgenommen. Gewitterstörungen machten sich wohl teilweise bemerklich,
doch konnte deren Wirkung durch entsprechende Vergrößerung der Kapazität und
Induktanz beträchtlich herabgemindert werden. Der Einfluss des Tageslichtes trat
auch bei diesen Versuchen, sobald die Entfernung zwischen Sende- und Empfangsstation
mehr als 1000 km betrug, störend auf.
Textabbildung Bd. 318, S. 446
Fig. 76.
Bei der Rückkehr nach Porthmouth wurde die Auffangvorrichtung des Schiffes neu
hergestellt, wobei 54 Drähte, die 50 m über der Brücke in die Höhe reichten,
eingestellt wurden, da die Versuche auch auf der Rückkehr des Schiffes nach Italien
fortgesetzt werden sollten und zu diesem Zwecke mit Rücksicht auf die grosse
Entfernung, sowie die grössere Masse zwischenliegenden Landes, bessere
Empfangsbedingungen geschaffen werden mussten. Auch bei dieser Fahrt zeigte sich die
Aufnahme als eine vollkommen verlässliche. Im Hafen von Cadix wurden alle
Nachrichten am Schiffe früher bekannt als am Lande, trotzdem das fast ganz Spanien
in der geraden Verbindungslinie lag. Auch im Hafen von Gibraltar und bei der
Einfahrt in das Mittelmeer machte sich eine Verschlechterung der Aufnahme nicht
wahrnehmbar. Während der Fahrt im Mittelmeer wurden eine Reihe von Depeschen mittels
des Morseschreibers aufgenommen. Die grösste erreichte Entfernung betrug 1540
km.
Auch bei diesen Versuchen traten häufige Störungen durch atmosphärische
Entladungen auf. Dieselben konnten aber zumeist in der- bereits erwähnten Weise
unschädlich gemacht werden. Das zwischenliegende Land mit den hohen Erhebungen der
Alpen übte bei diesen Versuchen keinerlei hindernden Einfluss aus.
Auf Grund dieser Versuche gelangt Marconi zu folgenden
Schlussfolgerungen.
1. Für die Entfernung, über welche elektrische Wellen auf der Erde entsendet werden
können, gibt es keine Grenze, wenn die Energie der Uebertragung im Verhältnis zu der
Entfernung steht.
2. Zwischen zwei Stationen liegendes Land behindert den Verkehr nicht.
3. Sonnenlicht verringert die Entfernung, auf welche elektrische Wellen übertragen
werden können, und wird es daher notwendig, bei Tag grössere Energiemengen
aufzuwenden als bei Nacht.
4. Der Einfluss von atmosphärischen elektrischen Entladungen macht es notwendig, die
Empfindlichkeit der Empfangsapparate zu verringern, um diesen Einfluss unschädlich
zu machen. Infolgedessen muss jedoch auch die für die Uebertragung aufgewendete
Energie vergrössert werden, um für den Verlust an Empfindlichkeit einen Ersatz zu
schaffen.
5. Der elektromagnetische Wellenanzeiger erweist sich infolge seiner grossen
Empfindlichkeit und sicheren Wirkung dem Fritter gegenüber als überlegen.
Um noch einen Anhaltspunkt für den bei Fernübertragungen, wie solche über den
atlantischen Ozean in Aussicht genommen sind, erforderlichen Energiebedarf zu geben,
sei erwähnt, dass in den beiden Stationen Cornwall in Europa und Kap Breton in
Amerika, je eine Wechselstrommaschine von annähernd 32 Kilowatt Leistung zur
Anwendung gelangt, welche einen Wechselstrom von 2000 Volt Spannung liefern. Dieser
Strom wird durch einen Transformator auf 20000 Volt hinauf transformiert. In den
verwendeten Kondensatoren soll diese Spannung bis auf 70000 Volt erhöht werden.
Ueber den Wert der drahtlosen Ozeantelegraphie sind die Ansichten noch nicht geklärt,
doch fällt das Urteil in der Mehrzahl der Fälle absprechend aus, indem einesteils
die Sicherheit einer derartigen Uebertragung infolge der auftretenden
atmosphärischen Störungen angezweifelt wird, und auch eine Geheimhaltung der
übermittelten Nachrichten, zur Zeit wenigstens, trotz Abstimmung vollständig
unmöglich ist. Der berechtigste Einwand ist aber der, dass solche mächtige Stationen
den Betrieb aller im Umkreise von mehreren 100 km liegenden Stationen stören,
wodurch eben der Hauptvorteil der drahtlosen Telegraphie, die Möglichkeit des
gegenseitigen Verkehres der Schiffe mit den Küstenstationen und unter sich, verloren
geht.
Fleming behauptet dagegen auf Grund seiner eingehenden
Versuche, dass eine derartige Störung nicht stattfindet. Dr. G. Seibt findet jedoch andererseits, dass die Verstimmung zwischen Sender
und Empfänger bisweilen nicht gross genug ist, wenn der Sender längere Wellen
entsendet, als jene, auf welche der Empfänger abgestimmt ist, um ein Ansprechen des
letzteren zu verhindern, und glaubt demnach, dass die erwähnten Störungen
unvermeidlich sind, weil für die Ueberwindung sehr grosser Entfernungen sehr lange
Wellen zur Entsendung gelangen müssen.