Titel: | Neue Fahrgeschwindigkeitsmesser für Lokomotiven. |
Autor: | Hs. Ms. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 491 |
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Neue Fahrgeschwindigkeitsmesser für
Lokomotiven.
Neue Fahrgeschwindigkeitsmesser für Lokomotiven.
In den Kreisen der Eisenbahnfachleute herrscht wohl eine Meinung darüber, dass
es immer mehr dringendes Bedürfnis wird, dem Lokomotivführer einen sicher wirkenden
und genau anzeigenden Geschwindigkeitsmesser zu geben,damit er imstande ist,
die jeweilige Fahrgeschwindigkeit zu jeder Minute ebenso mühelos ohne Proben
abzulesen, wie den Wasserstand und Dampfdruck im Kessel. Durch grosse Uebung lassen
sich kleinere Fahrgeschwindigkeiten genügend genau abschätzen oder mit der Uhr in der Hand nach
Massgabe der Fahrzeit zwischen zwei Kilometersteinen sicher genug bestimmen; bei
grösseren Fahrgeschwindigkeiten versagen beide Arten der Schätzung und Feststellung
ganz aus leicht ersichtlichen Gründen; die nachfolgende Tabelle zeigt den Einfluss
der Fahrgeschwindigkeit auf die sekundliche Fahrzeit für 200 m.
Für eineFahrgeschwindigkeitvon
km/Std.
beträgtdie Fahrzeit in Sek.auf 200 m
30
24
40
18
45
16
50
14,4
60
12,0
70
10,0
75
9,6
80
9,0
90
8,0
100
7,2
110
6,5
120
6,0
Die durchgängige Einführung von Geschwindigkeitsmessern erscheint umsomehr geboten,
als die Fahrgeschwindigkeit an besonderen Stellen der Strecke – Gefälle, Brücken,
Einfahrten in Kopfstationen – durch Ueberwachungsanlagen bekannter Bauart
aufgezeichnet wird, um die Ueberschreitung der festgesetzten Grösstgeschwindigkeiten
feststellen zu können, und es daher nur billig ist, dem Lokomitivführer ein Mittel
in die Hand zu geben, diese mit Sicherheit erkennen zu können.
Textabbildung Bd. 318, S. 492
Fig. 1.
Dies Bestreben, die Fahrgeschwindigkeit zu messen, ist zusammen mit der Entwicklung
des Eisenbahnwesens gross geworden. Zahlreiche Bauarten von
Fahrgeschwindigkeitsmessern sind entstanden, die, so verschieden der Grundgedanke
ihrer Wirkungsweise sein mag, man als mechanische Geschwindigkeitsmesser bezeichnen
kann.
Nachdem nun in den letzten Jahren Versuche mit elektrischer Zugbeleuchtung angestellt
worden sind, zu welchem Zweck einige Lokomotiven mit Dampfdynamos ausgerüstet
wurden, lag der Gedanke nahe, die Frage der Geschwindigkeitsmesser auf elektrischem
Wege zu lösen.
Die Anregung ging von Regierungs- und Baurat Wittfeld
aus und führte zu folgenden zwei Bauarten, die als wesentlicher Fortschritt zu
bezeichnen sind.
Die erste Bauart stellt sich als ein nach dem Induktortypus gebauter
Wechselstromerzeuger in Verbindung mit einem aperiodischen Spannungsmesser dar.
Der Rotor trägt keine Wicklung, sondern besteht lediglich aus weichem, geblättertem
Eisen. Der Stator ist ein Feldmagnet mit 12 Polansätzen; 6 tragen die durch
Gleichstrom gespeiste Erregerwicklung, 6 die Wicklungen für den zu erzeugenden
Wechselstrom. Beide Wicklungen sind je in Reihe geschaltet; die
Gleichstromwicklungen sind so verbunden, dass abwechselnd ein positiver und
negativer Pol entsteht. Die Feldmagnete werden durch Batteriestrom erregt; an die
Wechselstrom Wicklung ist das auf dem Führerstand angebrachte Messinstrument
angeschlossen. Bei Bewegung des Rotors tritt eine Aenderung der Feldstärke
einund mit ihr ändert sich die Spannung des erzeugten Wechselstroms. Werden
z.B. zwei nebeneinander liegende Polansätze durch den Rotor vollständig überbrückt,
so erreicht die Feldstärke ihren Grösstwert, der bei Weiterdrehung des Rotors bis
Null abnimmt, um mit geänderter Richtung wieder bis zum Grösstwert anzuwachsen. Je
grösser die Umdrehungszahl, um so schneller die Aenderung der Feldstärke, und um so
grösser die Spannung im Wechselstromkreis. Der Apparat selbst ist im unteren Teil
einer Tenderachsbuchse staub- und wasserdicht angebracht. Der Rotor ist durch
Kreuzkupplung mit der Tenderachse verbunden. Es sind keinerlei Schleifringe
vorhanden. Der Spannungsmesser ist ein Voltmeter nach Ferraris, dessen Skala empirisch in km/Std. geaicht ist. Um stets eine
konstante Spannung des Erregerstromes zu haben, ist ein Stromregler in den
Gleichstromkreis eingebaut. Das Messinstrument ist durch eine eigentümliche
Schaltung von Temperaturschwankungen ganz unabhängig. Die Abnutzung der Radreifen
und die dadurch bedingte Regelfähigkeit des Geschwindigkeitsmessers wird
berücksichtigt durch Regelung der Feldmagneterregung mit Hilfe eines dreistufigen
Widerstandes. Dieser Apparat ist von Siemens &
Halske gebaut worden.
Textabbildung Bd. 318, S. 492
Fig. 2.
Der zweite elektrische Geschwindigkeitsmesser, von Dettmar konstruiert, ist erheblich einfacher, als der eben beschriebene
und vermeidet alle die Nachteile, die sich bei jenem im Betriebe herausgestellt
haben. Er beruht auf folgender Eigenschaft der Drosselspulen: Durchfliegst
Wechselstrom verschiedener Periodenzahl eine Drosselspule, so nimmt seine Stärke mit
wachsender Periodenzahl ab. Dieselbe Erscheinung tritt auch bei pulsierendem
Gleichstrom auf. Wird nun der Körper, dessen Umdrehungsgeschwindigkeit gemessen
werden sott, mit einem Apparat verbunden, der einen vorhandenen Gleichstrom
zeitweise auf die Drosselspule schaltet, und wieder unterbricht; so wird der die
Drosselspule durchfliessende Gleichstrom mit wachsender Winkelgeschwindigkeit des
Körpers abnehmen. Der Stromverbrauch ist also das Mass für die Umdrehungszahl des
Körpers. Ein Apparat, nach diesem Prinzip gebaut, wäre jedoch praktisch noch nicht
brauchbar, weil mit wachsender Umdrehungszahl die Stromstärke sinkt, womit auch die
Genauigkeit kleiner wird, während es gerade darauf ankommt, die höheren
Geschwindigkeiten sicher feststellen zu können.
Aus diesem Grunde führt man folgende Schaltung aus (Fig.
1). Der pulsierende Gleichstrom wird in die Primärwicklung eines kleinen
Transformators geleitet, in dessen Sekundärwicklung eine annähernd gleichbleibende
Spannung induziert wird, weil der Strom in der Primärwicklung mit der Anzahl der
Einschaltungen des Apparates zunimmt. Praktisch verwendbar wird aber diese Schaltung
erst dadurch, dass vor die Primärwicklung ein Widerstand geschaltet wird, wodurch
sich der Stromverbrauch in ihr in geringem Masse ändert, wogegen die Spannung in der
Sekundärwicklung aber mit zunehmender Umdrehungszahl des Unterbrechers stark
zunehmen wird. Gleichzeitig wird der vorgeschaltete Widerstand dazu benützt, die
Skala des Geschwindigkeitsmessers, der in den sekundären Stromlauf eingeschaltet
ist, zu beeinflussen. Die auftretende Stromstärke beträgt 0,1 bis 0,2 Ampère, kann
also zu Zerstörungen an dem Unterbrecher kaum führen. Um jedoch ein Funken an den
Unterbrechungsstellen gänzlich zu verhindern, ist parallel zur Unterbrechungsstelle
ein Widerstand geschaltet, der auf den Transformator aufgewickelt ist; dadurch wird
der Ausschlag des Geschwindigkeitsmessers zudem noch erhöht.
Nun ist noch der Einfluss von Spannungsänderungen der Gleichstromquelle zu
beseitigen, da mit diesen sich auch die Angaben des Messinstrumentes ändern. Hierzu
bedient man sich der sogenannten kompensierten Schaltung, die auf der Verwendung von
Leitern mit verschiedenen Temperaturkoeffizienten beruht. Es gelingt, die
Spannungsschwankungen ganz zu beseitigen.
Auch von Temperaturschwankungen ist der Geschwindigkeitsmesser fast gänzlich
unabhängig, da die sämtlichen Widerstände nur von Wechselstrom durchflössen werden,
bei dem die Aenderung des Ohmschen Widerstandes ganz
zuvernachlässigen ist. So ist durch Versuche festgestellt, dass bei
Temperaturschwankungen von ± 35° C. nur ± 0,2 v. H. Schwankungen in den Angaben des
Instruments eintreten.
Die bisherigen Versuche mit diesem Geschwindigkeitsmesser haben befriedigende
Ergebnisse gehabt. Die konstruktive Durchführung lässt an Einfachheit nichts zu
wünschen übrig. Fig. 2 zeigt den Unterbrecher im
Schnitt, während Fig. 3 die Anordnung desselben in
der Achsbuchse zeigt. Fig. 4 ist eine schematische
Darstellung der Gesamtanordnung aller Teile: Auf dem Tender sind untergebracht ein
Ausschalter A, die Batterie B, eine Anschlussdose D, der Steckkontakt S und der Unterbrecher in der vorderen rechten
Achsbuchse. Auf der Lokomotive sind Messinstrument M
und Transformator T angeordnet. Die zugehörigen
Leitungen sind ebenfalls ersichtlich. Der Messbereich erstreckt sich von 20 km bis
120 km in der Stunde Fahrgeschwindigkeit mit grösster Genauigkeit.
Textabbildung Bd. 318, S. 493
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 318, S. 493
Fig. 4.
Dieser Geschwindigkeitsmesser hat ein grosses Anwendungsgebiet, da er sich in
gleicher Weise nicht nur zur Ueberwachung der Fahrgeschwindigkeit von Fahrzeugen,
sondern auch zur Anzeige der Geschwindigkeit von ortfesten Maschinen aller Art
eignet. Namentlich für elektrische Bahnen wird er Bedeutung gewinnen, da hier ohne
weiteres der Oberleitungsstrom zur Messung benutzt werden kann.
Die Anschaffungskosten des elektrischen Geschwindigkeitsmessers betragen etwa nur ein
Drittel von denen des mechanischen, sodass er auch wirtschaftlich diesem überlegen
ist.
Hs.
Ms.