Titel: | Die Kartenschlagmaschine für französischen Feinstich. |
Autor: | M. R. Köhler |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 530 |
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Die Kartenschlagmaschine für französischen
Feinstich.
Von M. R. Köhler.
Die Kartenschlagmaschine für französischen Feinstich.
Wenn wir unter den verschiedenen Systemen der mit Schnurenwerk versehenen
Kartenschlagmaschinen Umschau halten, so müssen wir gestehen, dass seit dem Erbauen
der ersten Maschine dieser Art sehr wenig nennenswerte Fortschritte in ihrer
weiteren Ausbildung gemacht worden sind. Den Franzosen gebührt die Ehre, diejenigen
gewesen zu sein, welche die erste wesentliche Umgestaltung dieser wichtigen
Hilfsmaschine hervorbrachten. Mit dieser Neukonstruktion sollten natürlich zugleich
auch Verbesserungen ins Leben treten, deren praktischer Wert bisher in den
verschiedenen Industriezentren Deutschlands und des Auslandes eine sehr
verschiedenartige Beurteilung fanden. Abgesehen von den beiden französischen
Feinsticharten, dem Vinzenci- und dem Verdolstich selbst, welche eben so gut wie jede andere
Neuerung auf maschinellem Gebiete auf Freunde und Gegner stiessen, suchte und fand
man bei der Aufnahme dieser neugestalteten Schlagmaschinen in der Praxis Mängel
verschiedener Art.
Der Kernpunkt aller dieser Untersuchungen und Erörterungen gipfelt in der
aussergewöhnlichen Feinheit des Stiches, welcher die Veranlassung zu feinen,
empfindlichen Organen in diesen Maschinen wurde.
Betrachten wir nun fragliche Schlagmaschinen, so finden wir, dass bei ihnen mit den
Grundsätzen der alten und der ersten deutschen Konstruktion völlig gebrochen worden
ist. Obgleich die ursprüngliche Bauart sehr weit verbreitet ist, so ist sic doch
nicht überall bekannt. Zum Verständnis der französischen Konstruktion müssen wir die
alte in ihrem Hauptteile erläutern (Fig. 1). Sie
diente ursprünglich dem Lyoner (Chemnitzer) Grobstich, wie ihn Altmeister Jacquard geschaffen hat, fand Aufnahme beim Wiener und
englischen Feinstich, sowie dem Conglomerat der Elberfelder, Schweizer und mit
Knotenschnuren, an Stelle von hölzernen oder eisernen Schwängen (Platinen),
arbeitenden englischen Brüsselmaschinen. Erst vor etwa 9 Jahren wurde sie auch für
den Vinzenci stich in Chemnitz umgemodelt.
Textabbildung Bd. 318, S. 529
Fig. 1.
Bei dieser Bauart werden die Stössel S (Fig. 1), welche die Löcher in der Jacquardkarte erzeugen, so in Tätigkeit gesetzt, dass
sie positiv wirken. Die Stössel S, wovon bei dem Lyoner
Grobstich 8 für 400 und 12 für 600 Maschine, bei dem Schweizer und Elberfelder
Sondergrobstich 10, dem Wiener Feinstich 16 in der senkrechten, sogenannten kurzen
Reihe übereinander gelagert sind, tragen kleine Nasen bezw. Knöpfe K. In geordneter Folge sind diese Stösselwiederum
eingeschichtet in senkrechte, flache, eiserne Platinen P, welche ihrerseits Einschnitte aufweisen, die im Ruhezustande der
Platinen P den Stösselknöpfen K gegenüberstehen. An den
Platinen P sind selbstverständlich oben die nach den
Sempern und der Kopiermaschine führenden Schnuren befestigt, in welch erstere das
Muster eingelesen ist. Wird nun die Schnur vor dem Schlagen des Kartenblattes
entweder mittels des Sempers von Hand oder mit Hilfe der Kopiermaschine hoch
gezogen, so geht mit der Platine P auch ihr ausgesparter Einschnitt in die Höhe und
die Knöpfe K können sich an die Platine selbst anlegen.
Die Stössel S sind am geschärften, –vorderen Ende in
einer Führungsplatte f gelagert, der eine zweite Platte
f1 mit genau
denselben Bohrungen gegenübersteht. In den Zwischenraum Z wird das zuschlagende Kartenblatt eingelegt. Es erfolgt mittels
Umdrehung einer Kurbel bezw. vermöge von Exzentern und Hebelübersetzung von vorn ein
Druck auf die beiden Führungsplatten f und f1. Dieselben bewegen
sich wagerecht in Coulissenführung mit dem zwischen ihnen gelagerten Kartenblatt
gegen die Stössel. Diejenigen Stössel, welche nicht lochen sollen, werden durch das
Blatt zurückgedrängt. Ihre Knöpfe können in die Einschnitte der Platinen P eintreten
und so dem Kartenblatt ausweichen, dagegen treten nunmehr die Stössel der
hochgezogenen Platinen P in die Tätigkeit des Lochens
ein, da sich ihre seitlichen Nasen gegen die hochgezogenen Platinen stemmen Nachdem
sämtliche Platinen wieder eingefallen und die etwa sitzengebliebenen durch einen
oberhalb derselben angebrachten Rechen R in ihre
Ruhelage, dem tiefsten Standpunkte, niedergedrückt worden sind, nachdem ferner ein
neues Kartenblatt eingelegt und der nächste Zug erfolgt ist, wiederholt sich das
Spiel solange, bis das ganze Muster geschlagen ist. Die Platinen P bis P7 sind zur Sicherung ihrer senkrechten Lage zwischen
2 eiserne Gitterroste G und G1 gelagert. Die Stössel S, welche in ihrem hinteren Ende übrigens ebenfalls mit
Einschnitten in einem Führungs- und Ordnungsgitter laufen, werden mittels der vollen
Platte f2 von
hinten in ihre alte vordere Stellung zurückgebracht.
Ganz anders verhält sich dieses Spiel der Stössel bei der französischen
Neukonstruktion für oben genannte Feinsticharten. Während die Stössel bei der
deutschen Schlagmaschine im Ruhezustand bereits positiv feststehend ihren Standpunkt zum
Lochen der Karte einnehmen und erreicht haben, ist dies bei der französischen
Schlagmaschine nicht der Fall. Hier kennzeichnet sich der wesentliche Unterschied.
Bei letzterer Bauart müssen sie nach erfolgtem Semperzug zunächst erst einen kurzen
Weg beschreiben, bevor sie bereit sind, in die Tätigkeit des Lochens selbst
einzutreten; dies hat seine guten Gründe.
Wir müssen hier zunächst die Veranlassung kennzeichnen, aus welcher diese
Neukonstruktion hervorging. Das Einlesen der Muster, das sogen. Levieren, ist eine
mühsame, zeitraubende, kostspielige und nur im Verlaufe von mehreren Jahren zu
erlernende Arbeit. Die neuzeitliche Weiterentwicklung der Kunstweberei in den
letzten 25 Jahren hat im Verein mit dem raschlebigen Kaufmannsgeiste das Bestreben
schnellster Produktion gezeitigt, aber auf der andern Seite auch Gewebe, welche in
ihrem inneren Aufbau so vielerlei verschiedene Bindungen und eine so verwickelte
Technik aufweisen, dass nur die geübtesten und gewandtesten Liseure imstande sind,
die Levierarbeit fehlerfrei zu verrichten. Die Stoffe und Muster, welche wir hierbei
im Gedächtnis führen und die man volkstümlich mit dem unkorrekten Ausdruck
„Gobelinstoffe“ bezeichnet, die aber in ihrer Technik mit Gobelins
garnichts gemein haben, sind mehrfache, verbundene Gewebe mit partienweise
wechselnden Bindungsarten, aber gewöhnlich ohne etwaige, figurmässig gesetzte
Einzelbinder. Sie erfordern seitens der Levierer die aufmerksamste geistige
Tätigkeit. Es entstand also das praktische Bedürfnis, auf Mittel und Wege zu sinnen,
um diese schwierige, kostspielige und zeitraubende Arbeit zu vereinfachen und die
geistige Tätigkeit des Levierers in eine rein mechanische umzuwandeln. Dies war der
leitende Grundgedanke zu der Neukonstruktion. Dass dieses Ziel vollkommen erreicht
sei, kann niemand behaupten. Es ist das einfach unmöglich, wie wir im weiteren sehen
werden.
Fig. 2 zeigt einen schematischen Längsschnitt
einer solchen neuen Maschine. Z ist der eingelesene und
eingehängte Semper (Zampel), W die ihn anstreckende
Walze, D sind Gitter bezw. Harnischbretter, welche das
ganze Semperwerk in Ordnung zu halten bestimmt sind. R
sind Roste mit eingelagerten Laufrollen, in deren Nuten die einzelnen Semperschnuren
Z laufen; G sind
Glasroste, die demselben Zwecke dienen. X sind Gewichte
(Bindeisen) zum Anstrecken der Semperschnuren Z1, um letztere in ihrer Lage straff zu
erhalten bezw. um sie in ihre Ruhelage nach geschehener Arbeit, also nach dem
erfolgten Zuge zurückzubringen. X2 sind Sempergewichte, welche das Heben der
Stössel S durch Anstrecken der Stösselschnuren Z1 besorgen;
gleichzeitig dienen sie aber als Bindeeisen für die Jacquardmaschinen B und C und bringen deren
Platinen in ihren tiefsten Stand, in die Ruhelage zurück. Die Pfeile zeigen die
Bewegungsrichtungen, während sämtliche Maschinen arbeiten und eine Semperschnur
gezogen wird, wovon in Fig. 2 der Uebersichtlichkeit
wegen nur eine einzige mit ihren zugehörigen Rollen und ihrem Stössel gezeichnet
ist.
Textabbildung Bd. 318, S. 530
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 318, S. 530
Fig. 3.
A, B und C sind drei
Jacquardmaschinen; P, P1 und P2
deren Schwingen (Platinen). Die Haken der Platinen P
von Jacquardmaschine A stehen nach hinten, also
entgegengesetzt, als gewöhnlich; L, L1 und L2 sind deren Jacquardzylinder; b, b1 und b2 die
aufgelegten Bindungskarten, K ihre Kordeln. X1 sind
Bindegewichte für die Schwingen P der Maschine A, die dazu bestimmt sind, die Schwingen beim Einfallen
der Maschine A in ihren tiefsten Stand zurückzubringen.
Sie verfolgen also genau denselben Zweck, wie, die Harnischeisen einer Jacquard
Vorrichtung, sind aber infolge Raummangels nur kurz und stark geformt. f sind kurze Zugfedern, dieselben sind zwischen die
Bindeeisen X1 und die
Stösselschnuren Y eingeschaltet, um die
Längenunterschiede der Schnuren Y bei erfolgendem
Auftritt der Jacquardmaschine A
auszugleichen, da die Maschine A mehr hebt, als der Weg
der Stössel beträgt. Ausserdem sollen die Stösselschnuren Y vor Brach, und die Stössel vor seitlicher Verbiegung geschützt werden.
Da der Messerkasten und mit ihm die Platinen P der
Maschine A beim Hube diesen grösseren Weg zurückzulegen
haben, als die durch sie bindungs- oder mustergemäss hochgezogenen Stössel, so
können die Schnuren Y nicht straff angeschnürt
werden.
S sind die bei diesem Systeme lotrecht angeordneten
Stössel, welche zum Lochen der Karte dienen. Ihre Form zeigt Fig. 3 in einem zusammengehörigen Paare in der zum
Schlagen fertigen Stellung. Sie besitzen drei Ausschnitte. Der oberste Ausschnitt I
dient lediglich ihrer Führung in einem Kamme N1, welcher von vierkantigen Eisenzähnen
gebildet wird. Die Stössel sind reihenweise auf diesen Kamm geschichtet und zwar
immer je zwei kurze Reihen zu je 16 Stössel auf einen Zahn. Der oberste Ausschnitt I
entspricht in seiner Länge dem vollen Wege, welchen das Stössel bei seinem Hube zu
beschreiben hat. Die Höhe der Zähne dieses oberen Führungskammes N1 ist
natürlich eine viel geringere. Sie beträgt 8 mm, sodass das Stössel sich 22 mm in
der Senkrechten bewegen kann, und zwar im Beginn der Arbeit zunächst nach abwärts.
Nach dem unteren, also dem halbrund ausgeschliffenen, geschärften Ende des Stössels
zu, befinden sich zwei weitere Ausschnitte II und III von je 13 ½ mm Länge mit einem
festen Zwischenraum von 8 mm. Das Stössel ist ferner oben, in der Mitte und unten am
Arbeitsende, durch gelochte Platten geführt, welche in ihrer Teilung genau dem
Stiche der Jacquardmaschine entsprechen müssen. Der
Platte O gegenüber ist die im Stich genau gebohrte
Schlagplatte M gelagert. Auf diese letztere wird das zu
schlagende Kartenblatt gelegt. Der ganze Arbeitsgang der Maschine ist nun der
folgende:Wir wollen hierbei
des leichteren Verständnisses wegen zunächst auf den Zweck der 3 Jacquardmaschinen A,
B und C nicht eingehen.
Sobald eine Schnur des Sempers Z gezogen wird, heben
sich ihre zugehörigen Gewichte X und X2, die nach
dem Stössel S führende Stösselschnur Z1 wird locker,
das Stössel S fällt zufolge seines eigenen Gewichtes
herab, tritt in der Platte O soweit vor, dass sein
geschärftes Ende mit der unteren Fläche der Platte O in
einer Ebene liegt. Nunmehr zieht der Kartenschläger einen bis jetzt noch nicht
erwähnten, zweiten eisernen Kamm N mittels eines
Handgriffes durch die Stössel hindurch, dessen vierkantige Zähne in den Ausschnitt
II der Stössel passen. Nicht völlig eingefallenen Stosseln wird gegebenen Falles mit
der Hand nachgeholfen, verbogene werden ausgerichtet. Ist Alles in Ordnung und der
Rechen N hindurchgezogen, so ist hiermit das Muster des
betreffenden Zuges und Blattes durch diesen Kamm N
gesichert aufgelesen. Die Stössel, welche zur Arbeit kommen sollen, stehen starr, da
der Kamm N während des Schlagaktes mit der Hand
festgehalten und durch ein besonderes Exzenter nebst Hebelzuhaltung in seiner
zweiten Stellung gesichert ist, die erst wieder freigegeben wird, wenn der Schlag,
vorüber ist. Derselbe erfolgt durch einen Hebeldruck. Während dieser Tätigkeit
bewegt sich die in Gleisen geführte, niedere Schlagplatte M mit dem Kartenblatte nach oben und presst das letztere an die obere
Platte O an. Letztere nimmt die aufwärts gerichtete
Bewegung auf, da auch sie beiderseitig in Gleisen gleitet, die naturgemäss
gefallenen und durch den Kamm N festgehaltenen Stössel
treten hervor und durchstossen die Karte, während die vorher nicht gefallenen
Stössel oben blieben und die Karte gar nicht berühren.
Wir kommen nun zu dem Zweck der 3 Jacquardmaschinen, und
zwar zunächst zur Maschine A. Dieselbe soll ebenso wie
die anderen 2 Maschinen B und C Ersparnisse an Patronier- und Levierarbeit dadurch bringen, dass z.B.
in der Patrone nur die Figur in einer Farbe, ohne jede
Bindung gemalt und auch nur diese Figur voll leviert wird. Das Einpressen
der erforderlichen Bindungen besorgen die Maschinen.
Dies hat natürlich seine Grenzen, die ziemlich enge sind. Nehmen wir als einfachstes
aller Beispiele an, es wäre ein Jacquardstoff
auszuführen, dessen Figur in 4 bindigem Kettenköper, und dessen Grund in 4 bindigem
Schussköper herzustellen wäre, so würde man nur die Figur voll, ohne
jedeBindung patronieren, nur die Figur levieren, auf Maschine B eine 4 bindige Schussköperkarte, und auf Maschine A eine 4 bindige Kettenköperkarte auflegen, da letztere
infolge ihrer umgekehrten Haken negativ wirkt. Bei dem Ziehen jedes Zuges müssen die
Maschinen A und B
aufgetreten und dann ausgepresst werden. Maschine B
veranlasst, dass durchaus also im Grunde und in Figur 4bindiger Schussköper
geschlagen wird. In der Figur stört dies nicht, da die Figur sowieso bereits voll
genommen und gezogen war, infolgedessen auch der durch Maschine B gelassene dreifache Schussbindergrad (Weiss und × in
Patrone I) aufgehoben ist. Der für den Schussgrund zur Wirkung kommende
Kettenköpergrad (Schwarz in Patrone I) fällt aber mit den genommenen Kettenbindern
der Figur zusammen, da diese voll gezogen war. Die Leseweise für die Bindungskarte
von Maschine B muss demnach lauten: „Schwarz
genommen!“ – Diejenige für die Bindungskarte zu Maschine A aber: „Schwarz und Weiss genommen!“ – Die
Maschine A trifft infolgedessen nur die Auslese in der
Figur. Sie zieht jeden vierten vom Semperzuge her bereits genommenen Stössel = ⊠
zurück, so dass er nicht mit fallen und lochen kann. Im Grunde stimmen die Binder
auch wieder, denn: „× auf Maschine B gelassen,“
ist gleichwertig mit: „× auf Maschine A gelassen =
hochgezogen.“
Textabbildung Bd. 318, S. 531
Fig. 4.
Hieraus ist bereits zu ersehen, wie die Technik der Stoffe beschaffen sein muss und
wie die Bindungen einzurichten sind, deren Karten auf diesem Wege hergestellt werden
sollen.
Selbstverständlich müssen die Bindungskarten in der richtigen Binderfolge aufgelegt
werden. Ist der Anfang richtig und setzen die Karten regelmässig fort, so muss das
ganze Muster richtig ausfallen. Bei dieser Methode des Kartensschlagens gilt für
Gewebe mit einer Kette und einem Schuss der Grundsatz: „Die Bindungen für Grund
und Figur müssen so gewählt werden, dass sich die einzelnen Binder, die im
Gewebe den Bindungseffekt erzeugen, nicht begegnen und gegenseitig
aufheben.“ Diese negative Wirkungsweise kann aber andererseits wiederum bei
anderen Stoffen, z.B. mehrfachen verbundenen Hohlgeweben dazu benützt werden, um die
Gewebe mittels einzelner bestimmter Bindergrade zu verbinden. Auf keinen Fall dürfen
die durch Maschine B und C
erzeugten Binder durch diejenigen von Maschine A
sämtlich aufgehoben werden.
Im allgemeinen müssen die Bindungen so zu einander gestellt sein, wie es das Beispiel
von Patrone I zeigt. Auch der Grad der Bindungen muss in diesem Falle und aus obigem
Grunde bei Köper nach ein und derselben Richtung laufen, eine Beschränkung, welche
nicht jeder Stoff des vollen, richtigen Ausfalles wegen gestattet. Wir erinnern
hierbei nur an Kleiderstoffe, Decken u. dergl., wobei rechts- und linksdrähtige Garne in
Frage kommen, deren beabsichtigter Effekt hierbei verloren gehen würde.
Patrone II zeigt ein Beispiel für 4- und 8bindigen Köper, Patrone III ein solches für
8bindigen Atlas, bei dem aber bereits Schuss- und Kettatlas im Grade entgegengesetzt
laufen. Patrone IV zeigt ein demonstrativeres Beispiel von 12 bindigem Schussatlas
in Verbindung mit 4bindigem Kettenflechtköper und Patrone V mit VI ein solches für
verbundenes zweifaches Hohlgewebe, Nachfolgend die Dispositionen zu Beispiel
III-V:
Beispiel III:
Voraussetzung: 1 Kette und ein Schuss.
Grund des Gewebes: 8bindiger Kettatlas.
Figur des Gewebes: 8bindiger Schussatlas.
Patrone: Figur voll gemalt ohne Bindung.
Leseweise für die Figurpatrone: Grund alles genommen.
Wirkung beim Schlagen: Ganzer Grund kommt voll, Figur bleibt
alles.
Bindungskarten:
Maschine A: 8bindiger Kettatlas =
Weiss und Schwarz genommen.
Maschine B: 8bindiger Schussatlas =
Schwarz genommen.
Beispiel IV:
Voraussetzung: 1 Kette, 1 Schuss.
Grund des Gewebes: 4bindiger Kettflechtköper.
Figur des Gewebes: 12bindiger Schussatlas.
Patrone: Figur voll gemalt ohne Bindung.
Leseweise für die Figurpatrone: Grund alles genommen.
Wirkung beim Schlagen: Ganzer Grund kommt voll, Figur bleibt
Alles.
Bindungskarten:
Maschine A: 4bindiger
Kettenflechtköper = Weiss und Schwarz genommen.
Maschine B: 12bindiger Schussatlas =
Schwarz genommen.
In den bisher erläuterten Fällen kann ebensowohl Maschine B wie Maschine C benutzt werden, da dieselben
in ihrer Wirkung ganz gleich sind. Sie wirken beide positiv, wie der direkte
Semperzug auf die Stössel ein, während Maschine A
negativen Effekt erzeugt und die Stössel am Schlagen verhindert.
Die ganze Methode ist natürlich durchaus nicht auf so einfache Gewebe beschränkt. Sie
lässt sich ganz vorteilhaft auch bei mehrkettigen und mehrschussigen Waren anwenden.
Siehe:
Beispiel V/VI für 3 Maschinen:
Fig. V ist ein Teil der Figurpatrone
„ VI ist die Patrone für die Bindungen.
Voraussetzung: Verbundenes zweifaches Hohlgewebe, Ober- und
Unterware in Leinwand bindend mit flottliegenden Schussfiguren, 1 Ober- und 1
Unterschuss. Rechte Warenseile im Webstuhle unten.
Zeichnung: In waffelmassiger Regel gezeichnet.
Jacquard Vorrichtung: 1200\overset{r}{=} Maschine, französische Feine
(1320 Platinen), gerade durch galliert und gereiht.
Einteilung der Maschine (im Stuhle):
I. Chor Grundkette: Platine 1, 4, 7, 10, 13 usw., bis Platine
1260.
II. Chor Futterkette: Platine 2, 5, 8, 11, 14 usw., bis Platine
1260.
III. Chor Steppkette: Platine 3, 6, 9, 12, 15 usw., bis Platine
1260.
Reserve: Platine 1261–1300 = glatter Rand
„ „ 1301–1320 = Leiste
Einlesung der Figurpatrone: In der vollen Maschine Schwarz
genommen.
Vorschrift für den Kartenschläger: Jeden Zug zweimal ziehen.
Disposition für die Bindungskarten: (Leseweise von Patrone
VI.)
Grundkette= WeissI. ChlorMaschine B= Plat. 1, 4, 7, 10usw.
Futterkette= SchwarzII. ChlorMaschine
C= Plat. 2, 5, 8, 11usw.
Steppkette = ⊠III. ChorMaschine A= Plat. 3, 6, 9, 12usw.
1. Schusslinie1. Schuss
=Grundschuss
Weiss u. Schwarzgenommen
Alles genommen
⊠ und ⊡genommen, daMaschine Anegativ arbeitet
1. Schusslinie2. Schuss
=andersfarbigerFigurschuss
Alles gelassen
Weiss u. Schwarzgenommen
⊠ genommen, daMaschine A nega-tiv arbeitet undrechte Warenseiteim Stuhle
unten
Zu beachten ist bei diesen Dispositionen immer, welche Warenseite im Stuhle nach oben
zu nehmen ist und dass Maschine A zufolge ihrer
umgekehrten Platinennasen negativ arbeitet. Im vorliegenden Falle lässt sich der
Stoff mit Hilfe dieser Methode nur dann ausführen, wenn die rechte Warenseite nach
unten genommen wird. Ferner würden im letzten Beispiele die Bindungskarten von
Maschine B und C je vier
Blatt enthalten, während diejenige von Maschine A = 20
Blatt besitzen müsste, damit die Bindungen zusammen aufgehen. Die letztere müsste
also einmal kopiert werden.
Diese Beispiele mögen genügen, um das Prinzip zu veranschaulichen. Man erkennt aber
an denselben, dass diese ganze Methode im Prinzipe eine gewisse Aehnlichkeit mit dem
damastartigen Weben besitzt, also mit dem Weben mittels Vorschäften auf Kreuzfach,
wobei Hoch- und Tiefzug getrennt in verschiedenen Bindungen zur Wirkung gelangt,
verschieden in Grund und Figur, aber immer mit einander aufgehend und sich nicht
störend. Der grosse Unterschied ist aber der, dass man hier in der Wahl der
Bindungen lange nicht so beschränkt ist, als beim damastartigen Weben, weil man
nicht an die beschränkte Anzahl von Vorschäften gebunden ist, sondern Hunderte von
Platinen für jeden Bindungsrapport zur Verfügung hat, in dem man sich ziemlich frei
bewegen kann. Zu berücksichtigen ist nur der obenerwähnte Grundsatz, gemäss dessen
die einzelnen Binder der verschiedenen Bindungskarten sich in ihrer Wirkung
gegenseitig nicht stören dürfen, ausser es liegt in der Absicht von Anbindung bei
Hohl- oder mehrfachen Geweben, die übereinander entstehen und verflochten werden
sollen. Die Schussbinder des Grundes dürfen nicht mit den Kettenbindern der Figur
zusammen auf ein und dieselbe Platine, bezw. ein und dasselbe Stössel fallen und
umgekehrt. Die Sache lässt sich natürlich viel weiter ausdehnen, als oben im Prinzip
erklärt, also auf mehrkettige und mehrschussige Gewebe, hohle und verbundene
Doppelstoffe, 3, 4 und 5 fache Zeuge. Die Wahl der anwendbaren Bindungen wird eine
immer kleinere, je mehrfach der verbundene Doppelstoff
arbeitet.
Die Hauptarbeit hat dabei derjenige zu leisten, der das Gewebe durchdacht und die
erforderlichen Bindungskartell angegeben hat. Der Kartenschläger hat nur richtig
anzufangen und das regelrechte Fortschreiten der Arbeit zu beobachten, wie dies
hierbei ja auch sonst der Fall ist.
Bei Mustern und Gewebearten, in denen die Bindungen in den nebeneinanderstehenden
Figuren bei demselben Schuss, also auf derselben Linie wechseln, müssen die Figuren
in ihren Farben auf besondere Schnurengruppen (Semper) fallen, wenn man zugleich
mehr als 2 Bindungsaushebemaschinen benutzen will. Man kann alsdann unter Umständen
auch ganz beliebig geartete Bindungen zugleich von den 3 Maschinen auspressen lassen
und hat dann nur noch auf die Anbindung der verschiedenen Gewebe unter sich
Rücksicht zu nehmen. Sowie fast Alles in diesem Teile der Technik unvollkommen ist,
verhält es sich leider auch mit dieser Methode. Man kann sie nicht überall anwenden,
besonders nicht bei solchen Geweben, wo es auf eine sorgfältig durchgeführte
Abbindung und Reinheit der Konturen ankommt. Nicht anwendbar ist sie ferner in fast
allen den Fällen, wobei die Bindung nicht bis an die Figur heranreichen darf, sei es
nun in der Schussoder Kettenrichtung, ferner, wo in der Patrone einzelne Binder unbedingt ausser
der Regel gesetzt werden müssen, wo figurenmässig gebunden werden muss, wo reiche
Abwechslung in den angewendeten Fantasiebindungen herrschen soll und dergleichen
mehr. Man kann sich allerdings in manchen Fällen mit einer Hilfspatrone helfen, die
fragliche Stellen besonders aushebt und die falschen Effekte der Bindungsmaschinen
aufhebt. Dies ist aber nur in beschränktem Masse anwendbar und schliesslich auch mit
Kosten verbunden. Ein weiterer, wenn auch nicht so grosser Nachteil tritt ein, wenn
das zu schlagende Muster die Maschine öfters passieren muss, die Blätter also
mehrere Male eingelegt werden müssen, um sie fertig zu machen. Nicht genau
eingelegte Lats ergeben unreinen Stich und fehlerhaftes Weben. Sie müssen kopiert
werden. Dies sind aber geringe Mängel, denen man nachhelfen kann. Bei dichten
Damasten und ähnlichen Stoffen, sowie bei manch anderem Gewebe stellt sich die
Methode als wohl anwendbar dar.
Sie beruht auf demselben Prinzip, wie das Sczcepaniksche
Verfahren, die Bindungen auf die Patrone zu photographieren. Auch dabei muss mit der
Hand nachgeholfen werden, um reine Konturen zu erhalten. Dieser Teil der geistigen
Arbeit lässt sich eben durch kein Verfahren und durch keine Maschine ersetzen. Was
die kaufmännische Seite dieses ganzen Prinzipes anlangt, so hat Herrmann Günther in Chemnitz diese gesamte Frage mit
seiner Damastmaschine für mechanisches Weben ohne Kreuzfach für den grössten Teil
der in Betracht zu ziehenden Gewebe immer noch am günstigsten gelöst. Er ist damit
fast genau gleich nahe ans Ziel gelangt, bietet aber ausserdem noch den Vorteil,
dass er ein und dieselbe Figurkarte in ganz verschieden gearteten Stoffen, Grossen,
Dichten und in ganz verschiedenen Bindungen ausführen kann, ohne etwas anderes zu
bedürfen, als andere, ganz billige kleine Bindungskarten für seine in der Maschine
vorhandenen Heb- und Senkschäfte, deren Zahl sich beliebig (bis auf 2 × 120
praktischer Weise) erhöhen lässt.
Die ganze Methode beruht auf denselben Gründsätzen,wie das damastartige Weben,
und insofern stimmen alle 3 Verfahren, das der geschilderten Konstruktion von
Schlagmaschinen, das Sczcepaniksche Patronierverfahren
und das der Güntherschen Damastmaschine überein.
Was das Kopieren der Karten anlangt, so wird hierzu Maschine A benutzt. Zu dem Zwecke ist der Rost G mit
einer einfachen Hebevorrichtung versehen, die es ermöglicht, die Bindeeisen X2
hochzuwinden, damit sämtliche Stössel zugleich fallen und zum Schlagen bereit sind.
Die Maschine A wirkt dann positiv, wie es bei der alten
Bauart auch der Fall ist, weil die Nasen ihrer Schwingen P entgegengesetzt, also nach hinten weisen. Die zu kopierende Karte wird
auf das Prisma L aufgelegt. Wenn ein Loch im Original
vorhanden ist, so bleibt die zugehörige Schwinge P in
Ruhe, infolgedessen ihr zum Schlagen bereites Stössel auch. Letzteres nahm aber
bereits die zum Schlagen erforderliche tiefste Stellung ein, weil sein Bindegewicht
X2 nicht
mehr wirkte. Ist in der Orginalkarte kein Loch vorhanden, so drückt die betreffende
Nadel ihre Schwinge P auf das gleichfalls verkehrt
stehende Messer. Maschine A wird aufgetreten, die
Schwinge P geht hoch und hebt die Wirkung des
zugehörigen Stössels auf.
Einen Nachteil hat diese neue Bauart noch insofern, als beim Semperziehen sehr viel
Gewicht zu heben ist, nämlich 2 bezw: 3 Bindeeisen auf jede Schnur, während bei der
alten Bauart nur je eine viel leichtere flache. Platine in Frage kommt. Man hat
indess Vorrichtungen konstruiert, die das mechanische Ziehen mittels der Kraftanlage
ermöglichen. Es muss aber hierbei für jeden Zug ein Stab eingelegt werden, der
mittels eines Exzenterpaares das Ziehen besorgt. Es ist dies aber etwas zeitraubend.
Die Semper selbst werden verschieden angerichtet. Meistens bedient man sich
automatisch einzuhängender Zampel, zu welchem Zweck die Haken H eingeschalten sind. Dieselben sind unten offen. In
sie können die endlos geknüpften Semper partieenweise durch seitliches Verschieben
schnell eingehängt werden. Die Maschine wird aber auch mit mehreren, feststehenden
Sempern gebaut.