Titel: | Elektrisch betriebene Hauptbahnen. |
Autor: | H. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 539 |
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Elektrisch betriebene Hauptbahnen.
Elektrisch betriebene Hauptbahnen.
Ueber die bisherigen Betriebsergebnisse des elektrischen Betriebes auf
Hauptbahnen und die Einrichtung der inzwischen dem Betriebe übergebenen elektrischen
Zugbeförderungsanlage Berlin-Lichterfelde hielt in der Versammlung des
Vereins für Eisenbahnkunde in Berlin
Herr Geh. Baurat Bork einen Vortrag, welcher in dem Heft No. 622 „Glasers
Annalen für Gewerbe und Bauwesen“ veröffentlicht
wurde. Die wichtigsten dieser Angaben und Ausführungen seien im Nachstehenden
wiedergegeben. Der Vortragende behandelte besonders die Ergebnisse der oben
genannten Wannseebahnstrecke, da bei dieser sehr eingehende Aufzeichnungen gemacht
wurden. Insbesondere wandte sich der Vortrag den Betriebsergebnissen zu, nachdem die
Einrichtung der Zugförderungsanlage in Glasers Annalen Bd. 47, No. 563 ausführlich
beschrieben war.
Der Wattstundenverbrauch ergab sich im Zuge und Mittel
für das Tonnenkilometer zu 22,0 Wattstunden im Sommer und 23,3 Wattstunden im
Winter; im Kraftwert zu 27,1 Wattstunden im Sommer und 29,4 Wattstunden im
Winter.
Die Wirkungsgrade bezifferten sich bei dauerndem
Parallelbetriebe zwischen Dynamomaschinen und Batterien wie folgt: Speiseleitungen
0,977, Streckenleitungen 0,964 und Batterien 0,910.
Der Leitungs- und Isolationswiderstand. Für 1 km Hin- und Rückleitung der zweigleisigen
Strecke hatte sich anfänglich ein Widerstand von 0,0449 Ohm ergeben, welcher sich
dann auf 0,04 Ohm verringern liess. Der kleinste, beobachtete Isolationswiderstand
für eine 1 km eingleisigeStrecke betrug 16000 Ohm und im Mittel 500000 Ohm. Der
Isolationsverlust betrug daher bei rund 25 km Leitungslänge und 700 Volt Spannung
0,035 Ampère, bezw. 22,5 Watt.
Die Streckenleitungen, Akkumulatoren und elektrische
Ausrüstung des Zuges haben sich im allgemeinen gut bewährt.
Die Motoren haben wohl den Anforderungen entsprochen,
doch mussten die Motorlager wegen des grossen Oelverbrauches bemängelt werden. Die
Wicklungen der Magnetschenkel liessen anfangs bei stärkerer Inanspruchnahme durch zu
grosse Erwärmung Isolationsschäden zu.
Die Stromabnehmer haben in den verschiedensten
Ausführungsformen sämtlich den Anforderungen entsprochen. Zugeschrieben wird dieser
günstige Zustand der Anbringung der Abnehmer an den Achsbuchsen, wodurch die
relativen Bewegungen der Stromabnehmer zu den Leitungsschienen auf das geringste
Mass beschränkt wurde.
Der Bau der Motorwagen hatte sich als vorteilhaft
erwiesen. Die Motoren, welche direkt auf den Achsen sitzen, führten nur zu sehr
unbedeutenden Abnutzungen der Reifen. Auch verschiedenartige Anbringung hat
wesentliche Unterschiede in der Abnutzung der Radreifen nicht herbeigeführt. Stösse
und Zerrungen sind auch bei der An- und Abfahrt und bei dem Bremsen nicht
vorgekommen, und sind die Ergebnisse eines solchen elektrisch betriebenen Zustandes
günstiger, als bei dem Lokomotivbetrieb gewesen.
Von der elektrischen Heizung musste der erheblichen
Stromkosten halber abgesehen werden.
Auch die elektrische Bremsung wurde verworfen, weil diese den
Luftdruckbremsen nicht überlegen ist und wirtschaftliche Vorteile nicht bietet.
Die elektrische Beleuchtung hat beträchtliche
Schwankungen in der Lichtstärke beim Anfahren gezeigt und wurde zuletzt wieder die
Gasbeleuchtung eingeführt. Dieser Uebelstand wird durch geeignete Massnahmen aber
wieder beseitigt werden können.
Textabbildung Bd. 318, S. 540
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 318, S. 540
Fig. 2.
Die Betriebskosten wurden in einer vergleichenden
Zusammenstellung für 1000 Zugnutzkilometer zu 1065,90 M. für den elektrischen und zu
1065,50 M. für den Lokomotivbetrieb unter gleichen Betriebsverhältnissen
ermittelt.
Textabbildung Bd. 318, S. 540
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 318, S. 540
Fig. 4.
Mithin ist der Dampfbetrieb nur unbedeutend billiger, als der elektrische Betrieb auf
Vollbahnen.
Textabbildung Bd. 318, S. 540
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 318, S. 540
Fig. 6.
Als Vorzüge des elektrischen Betriebes gegenüber dem
Dampfbetrieb wurden hervorgehoben die bessere und leichtere Anpassungsfähigkeit an
die Verkehrsbedürfnisse, die Beseitigung der Rauch- und Russplage, weitgehendste
Steigerung des Adhäsionsgewichtes, Erzielung grösserer Anfahrtsbeschleunigung und
verringerte Abnutzung des Oberbaues.
Ueber den konstruktiven Teil sei angeführt, dass
dieStromzuführung zur Strecke bei einer Betriebsspannung in der Kraftstation
von 550 Volt mit Gleichstrom durch drei eisenbandarmierte Bleikabel von je 500 qmm
und längs der Strecke durch die isolierte sogenannte dritte Schiene erfolgt. Diese
besteht aus besonders gut leitendem Eisen, Normalprofil No. 8, von 15 m Länge und 41
Kilo f. d. laufenden Meter, bei einer Leitungsfähigkeit von etwas über 8 statt 5,3,
wie bei den normalen Stahlschienen. Die Anordnung auf der freien Strecke zeigt Fig. 1.
Der Stahlgussträger trägt den Isolator, bestehend aus einer Stütze, einer Stahlkappe
und dem Isolationskörper. Letzterer ist aus künstlichem Granit hergestellt. Zu
beiden Seiten sind Schutzbretter.
Die elektrische Verbindung der dritten Schiene ist in Fig.
2 abgebildet. Je drei Schienen sind zusammengeschweisst und damit bei je
45 m ein aus dehnbarer Schienenverbinder angebracht.
Bei den Speisepunkten und Abteilungsausschaltern wird das Kabel nicht direkt an die
dritte Schiene angeschlossen, sondern es würden zum Zwecke des Schutzes vor
atmosphärischen Entladungen Induktionsspulen dazwischen geschaltet (Fig. 3). Zur Verhinderung des Wanderns der dritten
Schiene wurde diese in Abständen von 1 km verankert.
Die Stromführung am Abteilungsisolator wird durch Fig.
4 veranschaulicht. Fig. 5 zeigt die Abnahme
des Betriebsstromes mittels doppelten Stromabnehmers. Diese sind an demjenigen
Untergestell angebracht, in welchem die Motoren eingebaut sind.
Fig. 6 zeigt den Führerabteil mit den Schalt- und
Sicherungseinrichtungen. Ein auf der Walze angebrachter Druckknopf muss von dem
Wagenführer vor dem Einschalten niedergedrückt, werden, um die elektrische
Verbindung zwischen der Stromleitung zu den Schaltleitungen herzustellen. Lässt der
Führer den Druckknopf los, so wird die Verbindung unterbrochen, den Motoren kein
Strom zugeführt und ein führerloses Weiterfahren des Zuges verhindert.
H.