Titel: | Elektro-pneumatische Stellwerksanlagen, Bauart Westinghouse. |
Autor: | Hans Martens |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 546 |
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Elektro-pneumatische Stellwerksanlagen, Bauart
Westinghouse.
Mitgeteilt vom Regierungs-Baumeister Hans
Martens.
Elektro-pneumatische Stellwerksanlagen, Bauart
Westinghouse.
Die Zuverlässigkeit in der Weichen- und Signalstellung bedeutet ein grosses Mehr
in der Eisenbahnbetriebssicherheit. Naturgemäss ist es, dass jede Weiche und jedes
Signal an Ort und Stelle von Hand aus gestellt wird. Da aber bei ausgedehnten
Bahnhofsanlagen zur Bedienung der Weichen und Signale mehrere Beamten nötig sind,
die sich in den Anfängen des Eisenbahnwesens nur durch Zuruf oder Signale
verständigten, so machte schon George Stephenson auf
die Gefahr aufmerksam, die vorlag, wenn die Signalstellung hauptsächlich durch
„so many unskilfull hands“ erfolgte, sodass man dazu überging, die
Bedienung naheliegender Weichen und Signale von einem Punkt aus zu besorgen. Lange
hat sich die Umstellung der Weichen von Hand mit Hilfe von mechanischen
Uebertragungsmitteln, wie Gestänge oder Drahtzüge, allein behauptet, bis man im
Auslande zuerst versuchte, die Handstellwerke durch sogenannte Kraftstellwerke zu
ersetzen, bei denen der Arbeitsträger zur Umstellbewegung Druckluft, Druckwasser
oder der elektrische Strom ist. In den 80er Jahren wurden in Amerika mehrere
Handstellwerksbezirke zu einem Zentralstellwerk vereinigt, von dem aus nun die
Umstellung der oft sehr entfernt liegenden Weichen von Hand mittels der Drahtzüge
nicht mehr angängig erschien.
Im Jahre 1883 wurden von George Westinghouse Versuche
mit einem Kraft Stellwerk gemacht, bei dem die Druckluft sowohl zur eigentlichen
Arbeitsleistung, als auch zur Steuerung der Antriebe benutzt wurde.
Eine Verbesserung wurde erzielt, als die Steuerung nicht durch Druckluft, sondern
durch eine Flüssigkeit – Alkohol – betrieben wurde, sodass den hydro-pneumatischen
Anlagen grosses Vertrauen entgegengebracht wurde.
Zur selben Zeit war ein rein hydraulisches Stellwerk in Italien erbaut worden, das
jedoch unter Witterungseinflüssen zu leiden hatte, sodass dies System keine weitere
Verbreitung fand.
Mitte der 90er Jahre baute die Firma Siemens &
Halske, Berlin, das erste rein elektrische Stellwerk in Oesterreich, die
Grundlage eines neuen Systems, das berufen scheint, die Betriebssicherheit den
heutigen hohen Ansprüchen gemäss zu erhöhen und deswegen allgemeine Verbreitung zu
finden.
Inzwischen arbeitete jedoch Westinghouse unermüdlich an
der Ausgestaltung seines Systems, das in Amerika schon einige Verbreitung gefunden
hatte. Er setzte an Stelle der Druckluftsteuerung die Steuerung mit niedrig
gespanntem Gleichstrom und erzielte damit Erfolg, sodass das elektro-pneumatische
System einen noch grösseren Anwendungskreis in Amerika und England fand. Es ist
bekannt, dass die umfangreichen Stell Werksanlagen auf dem Bahnhof Boston nach
diesem System eingerichtet worden sind.
Dies System, dass in seiner Bauart nicht ganz den deutschen Vorschriften über das
Sicherungswesen entspricht, ist von der Firma G.
Stahmer in Georgmarienhütte konstruktiv so ausgebildet worden, dass es
nunmehr ohne Bedenken auf die deutschen Eisenbahnen übertragen werden kann.
Die für deutsche Bahnen passende Bauart des amerikanischen Systems soll im folgenden
beschrieben werden.
Zum vollen Verständnis der konstruktiven Ausführung des elektro-pneumatischen
Stellwerks wird es nützlich sein, die wesentlichsten Anforderungen, denen Stellwerke
der Neuzeit entsprechen müssen, hier zusammenzustellen. Es sollen namentlich die auf
den Preussischen Staatsbahnen geltenden Bedingungen berücksichtigt werden, denen die
ursprüngliche amerikanische Bauart durch die Firma Stahmer angepasst ist:
1. Jeder einzelne Weichenhebel soll so lange frei beweglich sein, als das von ihm
abhängige Signal auf Halt steht.
2. Für eine Fahrstrasse darf nicht eher das Fahrsignal gegeben werden können, als bis
alle in ihr liegenden und von ihr abhängigen Weichen richtig stehen.
3. Nachdem alle für eine Zugfahrt in Betracht kommenden Weichen richtig stehen,
müssen diese durch den Fahrstrassenhebel in ihrer Stellung festgelegt werden; erst
dann kann das Signal auf freie Fahrt gezogen werden. Die nicht beteiligten Weichen
müssen natürlich frei beweglich bleiben.
4. Fahrsignale für Züge, die einander Gefahr bringen, sog. „feindliche“
Signale, dürfen nicht gleichzeitig gegeben werden können.
5. Bei ordnungswidrigem Zustand der Weichen dürfen Fahrsignale nicht gegeben werden
können.
6. Die Signale müssen bei Störungen in den Antrieben selbsttätig aus der Fahrstellung
in die Haltstellung zurückfallen.
7. Die Bauart des Stellwerks soll derart sein, dass leicht und schnell die
Abhängigkeiten von Weichen und Signalen geändert werden können, wenn eine andere
Fahrordnung eingeführt wird.
Folgende Grundbegriffe mögen erklärt werden, da sie bei der Beschreibung Erwähnung
finden.
1. Fahrordnung: Für jeden Bahnhof wird für jede Zugfahrt und für bestimmte
Verschiebebewegungen vorgeschrieben, auf welchen Gleisen sie stattzufinden
haben.
2. Fahrstrasse: Die Gleise mit den zugehörigen Weichen, welche nach der Fahrordnung
von den einzelnen Zügen befahren werden müssen, bilden die Fahrstrasse.
3. Feindliche Weiche: Weichen, die bei falscher Stellung Fahrzeuge in eine
Fahrstrasse gelangen lassen und dadurch dem erwarteten Zuge Gefahr. bringen, heissen
feindliche Weichen. In ähnlicher Weise erklärt sich der Begriff „feindliches
Signal“.
4. Die Grundstellung einer Weiche ist diejenige Stellung, aus der sie am wenigsten
häufig umgestellt wird; ihr entspricht die Ruhelage des Weichenhebels im
Stellwerk.
Der Antrieb der zur Erzeugung der Pressluft erforderlichen Luftpumpen kann durch jede
beliebige verfügbare Energie geschehen. Ist Dampfkraft vorhanden, dann werden meist
direkt wirkende, schwungradlose Dampfluftpumpen verwendet. Bei Benützung von Gas
oder Elektrizität wird der Luftpresser von den Motoren durch Treibriemen oder
Zahnradvorgelege angetrieben. Die Kraftstation wird am besten im Erdgeschoss des
Stellwerksgebäudes eingerichtet, uni dort der unmittelbaren Aufsicht des
Stellwerkswärters zu unterstehen. Einer besonderen Wartung und Beaufsichtigung bedürfen die
Maschinen während des Betriebes nicht, da sie mit selbsttätig wirkenden
Vorrichtungen versehen sind, welche die Luft stets unter dem bestimmten
Betriebsdruck halten, sodass das etwaige Stillstellen und Wiederanlaufen der Motoren
also selbsttätig erfolgt. Ausserdem findet im Maschinenraum noch ein Luftkühler
Aufstellung, der im wesentlichen ein Rohrbündel darstellt, durch welches die im
Luftpresser erzeugte warme Druckluft hindurchgeführt wird, um in ihm abgekühlt und
entwässert zu werden. Vom Luftkühler gelangt die Druckluft unmittelbar in den
Hauptrohrstrang, aus dem sie durch Abzweigrohre den Weichen- und Signal –antrieben
zugeführt wird. Das Rohrnetz steht also stets unter Druck. Umfangreiche Versuche
haben die Betriebsspannung auf 4-5 Atm. Ueberdruck festsetzen lassen.
Die Steuerung aller Antriebsvorrichtungen geschieht unter Verwendung elektrischer
Energie, die auch zur Ueberwachung der eigentlichen Umstellbewegungen und zur
selbsttätigen Meldung von Störungen an den Apparaten dient. Es wird Strom von
niedriger Spannung und geringer Stärke verwendet, sodass als Kraftquelle eine kleine
Sammlerbatterie ausreicht. So wird z.B. für eine mittelgrosse Anlage von 50
Stellhebeln eine Batterie von 7 Zellen mit einer Kapazität von etwa 200
Ampèrestunden bei 15 Volt Spannung genügen, die dann etwa 10 Tage betriebsfähig
wäre. Der äusserst geringe Stromverbrauch gestattet die Batterie versendbar zu
gestalten, um sie auf einer anderen Station, wo Strom zur Verfügung steht, laden zu
lassen. Es kann also das vorliegende Stellwerkssystem auch auf solchen Stationen
eingerichtet werden, auf denen elektrische Energie nicht vorhanden ist.
Der Stellwerksapparat besteht aus einem leichten, etwa Im hohen, eisernen Gestell,
das in üblicher Weise im Obergeschoss des Stellwerksturmes aufgestellt ist. Das
Gewicht des ganzen Apparates ist äusserst gering, sodass besondere Träger nicht
einzubauen sind; die Kabel werden an der Wand entlang hoch geführt, sodass besondere
Fussbodenöffnungen, wie bei mechanischen Stellwerken, sich erübrigen. Auf dem
Gestell werden die für die bequeme Handhabung ausgebildeten Weichensignal- und
Fahrstrassenhebel in der allgemein gebräuchlichen Reihenfolge nebeneinander
angeordnet, unter Hervorhebung der einzelnen Gattungen durch verschiedenartigen
Farben anstrich. Die Erweiterung des Stellwerks ist in der leichtesten Weise
möglich. Der Abstand der einzelnen Hebel von einander beträgt 100 mm.
Ebenso wie bei den mechanischen Stellwerken ist auch hier zwischen den Weichen- und
Fahrstrassenhebeln einerseits und zwischen diesen und den Signalhebeln andererseits
die vorschriftsmässige, mechanische Abhängigkeit durch das Verschlussregister
erreicht, welches in übersichtlicher Weise an der dem Stande des Stellwerkswärters
gegenüberliegenden senkrechten Wand des Stellwerks angebracht ist. Nötig werdende
Aenderungen im Verschlussregister, bedingt durch eine andere Bahnhofsfahrordnung der
Züge, können in leichtester Weise und kürzester Zeit durchgeführt werden.
Ausser dem mechanischen Verschlussregister ist noch eine elektrisch wirkende
Abhängigkeit zwischen den einzelnen Hebeln angeordnet, deren Konstruktionsteile in
wagerechter Lage im oberen Teil des Gestells eingebaut sind. Die Verkleidung des
Gestells ist zerlegbar und abnehmbar eingerichtet, sodass alle einzelnen Teile des
Apparates leicht erreicht werden können. Die Kabel endigen im Innern des Apparates
in übersichtlich angeordneten Klemmen, von wo aus die i einzelnen Adern nach den
elektrischen Einrichtungen weitergeführt werden.
Die Anzahl der Hebel kann im Vergleich zu einem! mechanischen Stellwerk bedeutend
vermindert werden durch die Möglichkeit, sowohl mehrere Signale, als auch mehrere
Weichen durch nur einen Hebel umzustellen. Es ist z.B. möglich, ein dreiflügeliges
Einfahrtssignal nebst Vorsignal und einer beliebigen Anzahl dazu gehöriger
Wegesignale durch einen einzigen Hebel zu bedienen, während bei mechanischen Anlagen
schon für je zwei Signalflügel ein besonderer Hebel notwendig ist. Beim mechanischen
Stellwerk wird die Kupplung mehrerer Weichen vermieden, weil die Bedienung dann
durch einen Hebel zu viel Kraft erfordert und beim Aufschneiden der Weichen
Störungen auftreten würden. Diese Bedenken entfallen gänzlich bei dem
vorliegendenSystem. Die zum Umstellen der Weichen nötige Kraft macht sich im
Stellwerk bei der Bedienung nicht geltend und das Aufschneiden vollzieht sich in
folgender Weise. Wird die eine von zwei gekuppelten Weichen aufgeschnitten, so
bleibt sie zunächst in der aufgeschnittenen Stellung liegen, solange das Fahrzeug in
der Weiche steht. Verlässt das Fahrzeug die Weiche, so werden die Zungen der Weiche
in ihre ursprüngliche Lage zurückgebracht und durch den Spitzenverschluss
verriegelt: Es ruht nämlich stets der Druck der Luft auf dem Kolben des
Weichenantriebs, der die Weiche in eine bestimmte Stellung zurückzubringen strebt,
wenn sie aus ihr gewaltsam entfernt wird. Die andere, gekuppelte Weiche wird von dem
Aufschneiden der ersteren überhaupt nicht berührt, sondern bleibt unverändert in
ihrer Stellung. Dagegen tritt im Stellwerk ein hör- und sichtbares Zeichen ein, wie
das auch bei mechanischen Stellwerken der Fall ist.
Das Umlegen der einzelnen Stellhebel erfordert keinerlei Kraftaufwand, geschieht fast
vollkommen geräuschlos unter dem Schall einer gedämpften Ueberwachungsklingel. Bei
Störungen im Stellwerk ertönt die Klingel solange, bis sie beseitigt sind. Die Lage
einer Weiche wird durch ein über dem zugehörigen Stellhebel angebrachtes Farbschild
angezeigt. Die Rückmeldung über die Bewegung der Weichenzungen wird dadurch bewirkt,
dass sie mit einer Kontaktvorrichtung versehen sind, durch welche bei Ruhelage der
Weiche ein schwacher elektrischer Strom fliesst: dieser wird unterbrochen, sobald
eine der beiden Zungen aus ihren Endlagen sich entfernt. Dadurch wird gleichzeitig
ein zweiter Stromkreis geschlossen, der die Rückmeldung nach dem Stellwerk betätigt.
Jeder Weichenstellhebel steht mit der Weiche durch vier in einem Kabel vereinigte
Leitungen in Verbindung, von denen je zwei für die Umstell- und Ueberwachungswirkung
dienen. Ausserdem führt eine gemeinschaftliche, blanke Rückleitung von sämtlichen
Weichen und Signalen nach dem Stellwerk.
Auf den Kolben des Weichenantriebes wirkt ständig die Pressluft und zwar je nach der
Lage der Weiche von der einen oder andern Seite, sodass also ständig die Weiche in
der jeweiligen Lage festgehalten wird, in welchem Bestreben der Luftdruck noch von
dem Spitzenverschluss unterstützt wird, sodass die Weiche stets in der
vollkommensten Weise umgestellt und verriegelt sein muss. Ausserdem wird, wie schon
mitgeteilt, die richtige Lage jeder Zunge durch die Rückmelde Vorrichtung überwacht.
Diejenigen Weichen, welche in einer Fahrstrasse für den Zugverkehr liegen, also die
betreffenden Signale bezw. Fahrstrassenhebel von ihrer Stellung abhängig machen, was
durch das Verschlussregister erreicht ist, erhalten ausserdem noch eine Vorrichtung,
welche die Herbeiführung eines Fahrsignals auch dann verhindert, wenn der jeweilige,
abhängige Fahrstrassenhebel bereits eingestellt worden ist, inzwischen aber ein
Aufschneiden einer Weiche der Fahrstrasse stattgefunden hat. Auch für den Fall, dass
das abhängige Signal bereits auf Fahrt gestellt worden ist, wird dessen Haltstellung
wieder herbeigeführt, sobald ein Aufschneiden einer zugehörigen Weiche eintritt.
Eine Umstellbewegung der Weichen dauert etwa 2 Sekunden.
Während die Antriebe an den Weichen dauernd unter Pressluft stehen, ist der Antrieb
der Signale hiervon grundsätzlich verschieden: Nur wenn die Flügel auf Fahrt
gestellt werden sollen, tritt die Wirkung der Pressluft ein; das Zurückfallen auf
Halt geschieht durch die eigene Schwere. Dies ist betriebstechnisch von grosser
Bedeutung, weil durch diese Anordnung die Herbeiführung der Haltstellung ganz
unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebskraft ist. Es kann also stets die
Haltstellung des Signals wieder hergestellt werden, indem nur der Signalhebel im
Stellwerk in die Haltstellung zurückgenommen wird. Somit ist es ausgeschlossen, dass
bei einem unglücklichen Zusammentreffen der Notwendigkeit des Haltsignalgebens und
des Versagens der Betriebskraft das Haltsignal nicht gegeben werden könnte. Die
Haltstellung tritt selbsttätig ein bei Unwirksamsein der elektrischen Steuerung und
der Kraftquelle. Zur Verbindung des Signalhebels mit der Steuerung des Signals ist
nur eine elektrische Leitung erforderlich, welche noch durch eine für alle Weichen
und Signale bestimmte gemeinschaftliche Rückleitung ergänzt wird. Auch zwischen
Haupt- und Vorsignal ist nur eine Leitung zu verlegen.
Soll das Stellwerk in Abhängigkeit von der Station sein, so erhält diese einen
Apparat mit den Hebeln, die zur Freigabe der Signale dienen und gleichzeitig auch
zur Festhaltung der Fahrstrasse dienen können. Jeder einzelne dieser Hebel kann zur
Freigabe von zwei sich gegenseitig ausschliessenden Signalen benützt werden. Der
Stationsapparat kann auch auf einfache Weise mit etwa vorhandenen
Weichenverriegelungswerken in Abhängigkeit gebracht werden. Es ist auch möglich, das
Stationsfreigabe werk so auszuführen, dass dem Stationsbeamten die Möglichkeit
bleibt, ein bereits auf Fahrt gezogenes Signal selbstständig wieder auf Halt
zurückzunehmen, eine Möglichkeit, die in Bezug auf die Betriebssicherheit hoch
einzuschätzen ist. Denn es bleibt dadurch die Herrschaft über die Station, Züge im
letzten Moment nicht einfahren zu lassen, in der Hand des
verantwortlichen,diensttuenden Stationsbeamten. Dagegen ist es natürlich
ausgeschlossen, vom Stationswerk ein Signal auf freie Fahrt zu stellen.
Textabbildung Bd. 318, S. 547
Fig. 1. Weichenhebel.
Feindliche Fahrten werden wie im Stellwerk durch eine mit den einzelnen
Freigabehebeln in Verbindung stehende mechanische und elektrische
Verschlusseinrichtung verhindert. Zur Verbindung der Station mit dem Stellwerk ist
für jede einzelne Fahrstrasse bezw. für jedes einzelne Signal eine Leitung
erforderlich, wozu noch eine gemeinschaftliche Rückleitung für sämtliche
Signalfreigaben kommt. Eine weitere Leitung wird erforderlich, um die Signale von
der Station aus auf Halt stellen zu können. Um auch noch die Fahrstrasse
festzuhalten ist eine Vermehrung der Leitungen jedoch nicht erforderlich.
Für die elektrischen Leitungen werden nur Erdkabel mit doppelter Bewehrung
verwendet; nur die gemeinschaftlichen Rückleitungen werden als unterirdisch zu
verlegender, blanker Kupferdraht angeordnet, da die Erde allein als Rückleitung
grundsätzlich ausgeschlossen ist. Zur Sicherung gegen Starkstrom erhält jede Leitung
eine leicht auswechselbare Bleisicherung.
Die Schaltung aller Apparate ist so gewählt, dass bei Störungen keinerlei Bewegung an
den Weichen und Signalen eintritt; die auf Fahrt gestellten Signale fallen bei
Störungen selbsttätig auf Halt zurück.
Textabbildung Bd. 318, S. 548
Fig. 2. Kontrollvorrichtung mit Signalwähler für Weichen.
Die Druckluftleitungen sind teils unter–, teils oberirdisch verlegt, je nach der
Oertlichkeit. Der Durchmesser überschreitet 51 mm (2 Zoll engl!) nicht. Im Rohrnetz
sind Hähne verteilt, um einzelne Gruppen von Weichen und Signalen abschliessen zu
können; ausserdem kann noch jeder Antrieb für sich ausgeschaltet werden. In der Nähe
jedes Antriebes dient ein kleiner Luftbehälter als Speicher für Druckluft, um stets
reichlich Betriebskraft zur Stelle zu haben; ausserdem wirkt er als Wasserabscheider
und hat zu diesem Zweck ein verschliessbares Ausflussrohr, aus dem das
Niederschlagwasser von Zeit zu Zeit mit Hilfe der Druckluft ausgeblasen wird.
Nach dieser allgemeinen Darstellung des elektro-pneumatischenStellwerks gehen
wir nun zu der Konstruktion der Einzelteile über.
Fig. 1 stellt einen Weichenstellhebel mit dem
zugehörigen Mechanismus dar. Der Hebel ist in einem besonderen Rahmen a gelagert, der auf dem Apparatgestell befestigt wird.
Der etwa 170 mm lange, mit Federfalle b versehene
Stellhebel, der um die Achse d drehbar ist, greift mit
seinem über die Achse d hinaus verlängerten Ende in
einen horizontal gelagerten Schieber e ein, der die für
die elektrischen Abhängigkeiten nötigen Kontakte betätigt und mit den Rückmelde–,
Ueberwachungs- und Sperrvorrichtungen in unmittelbarer Verbindung steht. An den
Hebel c schliesst sich ausserdem der senkrecht
angeordnete Schieber g an, der die Abhängigkeit des
Weichenhebels vom Verschlussregister herstellt. Bei der in der Figur dargestellten
Ruhelage des Hebels verbinden die am Schieber e
isoliert befestigten Kontakte f und f1 je zwei
Schleiffederpaare h, von denen das eine oben, das
andere unten angeordnet ist.
Durch die oben gelegenen wird beim Umlegen des Weichenhebels derjenige Stromkreis
geschlossen, der die Umstellbewegung der Weiche einleitet, während über die unteren
Federnpaare der Rückmeldestromkreis geht. Unterhalb des Schiebers e befinden sich zwei Elektromagnete k und k1, deren Anker durch die Spule hindurchtreten und
mit einer am unteren Ende befestigten Ankerplatte versehen sind. Das obere
gabelförmige Ende des Ankers umfasst den Schieber e
derartig, dass bei tiefliegendem Anker der Schieber und mit ihm auch der Handhebel
gesperrt, bei angezogenem Anker hingegen freigegeben ist. Die Sperrung wird dadurch
bewirkt, dass bei stromlosem Elektromagneten die Anker herabsinken und mit ihren
Gabeln in Nuten des Schiebers e eintreten. Normal steht
immer einer der beiden Elektromagnet e unter Strom, in der Ruhelage des Hebels c – wie gezeichnet – Magnet k, im umgekehrten Zustande k1. Der Anker k ist also angehoben, der Schieber beweglich. Beide Anker sind mit ihren
oberen Enden noch mit der den Farbschildwechsel her vorbringenden Pendelvorrichtung
verbunden. Diese besteht aus einer über dem Schieber e
drehbar gelagerten Welle m, die durch zwei oberhalb k1
angeordneteangordnete Spiralfedern in einer bestimmten Lage festgehalten wird. Die Welle m trägt das Pendel n, das
am oberen Ende das hinter den Penstern liegende Farbschild trägt. Durch die Bewegung
des einen oder anderen Ankers wird das Pendel in der einen oder anderen Richtung
abgelenkt, wodurch die Stellung der Weiche angezeigt wird. Sind beide Anker
abgefallen – Störungen irgendwelcher Art – so steht das Pendel senkrecht und lässt
das rote Schild vor dem Fenster als Zeichen der Sperrung des Hebels erscheinen.
Textabbildung Bd. 318, S. 549
Fig. 3. Signalhebel.
Diese Stellung nimmt das Pendel auch während der Dauer der Zungenbewegung ein.
Ausserdem wird bei senkrechter Pendelstellung noch ein Stromkreis für eine gedämpfte
Klingel geschlossen, um auf die Störung aufmerksam zu machen.
Der Schieber e treibt durch eine Kurbel b (Fig. 2) die senkrecht
gelagerte, mit Schleifkontakten g versehene Trommel a an.Ueber die Kontakte fliesst beim Stellen des
von der Weiche abhängigen Signals der Betriebsstrom. Die Kontakte sind in zwei
Reihen übereinander angebracht, von denen die eine bei der Ruhelage des Stellhebels,
die andere bei umgelegtem Hebel in Benützung genommen wird. Diese Einrichtung ist
der sogenannte „Signalwähler“. Die Verbindung des Schiebers e mit dem Signalwähler a
ist lösbar eingerichtet, indem die Kurbel b nicht fest
auf der Trommelachse sitzt, sondern auf ihr verschiebbar ist. Eine oberhalb der
Kurbel angebrachte Feder drückt sie nach unten und bewirkt durch Zahneingriff die
Verbindung zwischen Kurbel- und Trommelachse. Die Kupplung zwischen Kurbel und
Trommel ist dagegen gelöst, wenn erstere nach oben auf der Achse verschoben ist;
Schieber e ist dagegen immer mit Kurbel b in Verbindung. Die Verschiebung der Kurbel wird durch
folgende Einrichtung bewirkt. Für gewöhnlich zieht der stromführende Elektromagnet
k seinen Anker an, der an seinem oberen Ende den
Hebel f beeinflusst, der seinerseits mit einer Gabel in
die Nabe der Kurbel b derart eingreift, dass eine
Kurbeldrehung den Hebel f nicht beeinflusst, die Kurbel
b aber bei Bewegung des Hebels verschoben wird.
Wird der Magnet stromlos, so sinkt der Anker herab und entkuppelt Kurbel und
Trommel.
Solange die Weiche in Ordnung ist, sind die Schleifkontakte g geschlossen, der Magnet unter Strom. Kurbel und Trommel also gekuppelt.
Ist die Weiche aber in Unordnung, d.h. liegen die Zungen nicht an, oder befindet sie
sich im aufgeschnittenen Zustande, so ist der durch den Magneten fliessende
Ueberwachungsstrom unterbrochen, der Anker fällt ab, die Entkupplung zwischen Kurbel
und Trommel ein und letztere wird durch zwei unter ihr liegende Federn so gedreht, dass der
Betriebsstrom über die Schleifkontakte g unterbrochen
wird, sodass nun, wie schon gesagt, ein von der Weiche abhängiges Signal nicht
gestellt werden kann. Ist die Weiche wieder in Ordnung, so ist der abgefallene Anker
von Hand wieder an den Magneten zu bringen – der Magnet kann ihn allein nicht
anziehen – und die Weiche ist wieder betriebsfähig. Am äusseren Ende des Hebels f befindet sich noch eine Kontaktstelle, die bei
angezogenem Anker – ordnungsgemässer Zustand – geschlossen ist und über welche der
Betriebsstrom für die Weichenumstellung fliesst. Es ist also auch ein Umstellen der
Weiche nicht möglich, solange durch Störungen der Elektromagnet stromlos und daher
der Anker abgefallen ist.
Der Mechanismus der Signalhebel (Fig. 3) ist
wesentlich einfacher als der der Weichenhebel. Schieber e und Schieber g sind ebenfalls vorhanden.
Auf dem Schieber e stellt das Kontaktstück f bei umgelegtem Hebel mit den Klemmen h Kontakt her, über den der zum Steuern der
Signalantriebe dienende Strom fliesst. Ferner wird Schieber e durch einen dem vorher beschriebenen ähnlichen Anker eines
Elektromagneten k beeinflusst, der für gewöhnlich den
Schieber freigibt, solange, der Magnet unter Strom stellt. Beim Abfallen des Ankers
wird der Schieber, mithin auch der Signalstellhebel festgelegt. Tritt das Abfallen
des Ankers bei umgelegtem Hebel, also bei Fahrtstellung des Signals, ein, so tritt
zunächst nur teilweise eine Sperrung ein, sodass der Hebel um ein gewisses Stück
zurückgelegt werden kann. Es fallen zunächst die Signalflügel in die Haltstellung,
und erst nachdem sie diese erreicht haben, tritt die Rückmeldung vom Signal ein,
sodass der Magnet wieder Strom erhält, den Anker anzieht und dadurch den Schieber
freigibt, sodass nun der Hebel ganz umgelegt werden kann. Audi bei Auffahren einer
vom Signal abhängigen Weiche tritt Sperrung ein. Das Farbschild wird unmittelbar
vomAnker betätigt und zeigt dadurch die jeweilige Stellung des Signals an.
Textabbildung Bd. 318, S. 550
Fig. 4. Fahrstrassenhebel.
Der Fahrstrassenhebel unterscheidet sich äusserlich von dem Weichen- und Signalhebel
dadurch, dass er senkrecht steht und nach 2 Seiten umgelegt werden kann (Fig. 4). Er steht ebenfalls mit einem Schieber e und einem Schieber g in
Verbindung. Auf dem Schieber e stellt ein Kontaktstift
f2
Kontakt entweder mit dem Klemmenpaar h oder h1 her. Bei
Ruhelage des Hebels stehen diese Klemmen durch die Kontakte f und f1 in leitender Verbindung. Die beiden Elektromagnete k und k1 beeinflussen mit ihren Ankern in
gleicher Weise wie beim Weichenhebel den Schieber; k
hält den Schieber in der Ruhelage und in umgelegter Stellung S1 fest, k1 in der Ruhelage und in Stellung S2. Im
Ruhezustande sind beide Magnete stromlos, der Schieber also gesperrt, der Hebel
nicht umlegbar. Durch das Umlegen eines Freigabehebels in der Station erhält dagegen
der eine oder der andere Magnet Strom und gibt dadurch den Schieber für die
entsprechende Umstellung frei. Die Freigabe wird durch Ertönen einer Klingel und
Erscheinen eines Farbenschilds im Stellwerk erkennbar. Sobald der Hebel umgelegt
ist, wird er in dieser Stellung nunmehr wiederum festgelegt, da beim Umlegen
derjenige Stromkreis unterbrochen wird, der vorher die Freigabe des Hebels bewirkt
hat. Daraus folgt, dass ein Zurücklegen des Hebels in die Ruhelage, gleichbedeutend
mit dem Auflösen der Fahrstrasse, nicht eher angängig ist, als bis von der Station
die Möglichkeit dazu durch Zurücklegen ihres Freigabehebels gegeben wird. Das
Farbschild wird in derselben Weise wie beim Weichenhebel betätigt.
(Schluss folgt.)