Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 586 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
Neuerungen an Fahrrädern.
I. Systeme und Rahmen.
a) Fahrräder mit Fussbetrieb.
Seit der Zeit des letzten Berichtes (D. p. J., 1899, 313, 87 *) hat der Fahrradrahmen in seiner äusseren Form so i gut wie
keine Veränderung erfahren; nur wird das Scheitelrohr, welches sich im Anfang
nach hinten zu neigte und nach und nach wagerecht gelegt wurde, jetzt fast
allgemein nach vorne geneigt angeordnet (Fig.
1).
Der Dreiradrahmen dagegen hat insofern eine Veränderung erfahren, als einige
Firmen, wie z.B. Seidel & Naumann oder die Brennabor – Fahrradwerke dieselbe Form wie
diejenige der Zweiräder wählen. Fig. 2 zeigt ein
nach diesen Prinzipien, gebautes Herrenrad, Fig.
5, ein solches für Damen.
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Fig. 1. Zweirad Modell 1903.
Um dem ganzen Rahmen ein gefälligeres Aussehen zu geben, kommt bei allen besseren
Erzeugnissen Innenlötung zur Anwendung, d.h. die Rohre sind nicht in, sondern
über die Muffen (Fittings) geschoben (Fig. 3),
wodurch der Rahmen neben gefälligerem Aussehen auch mehr Steifheit und
Festigkeit erlangt. Da aber trotz der sorgfältigsten Behandlung ein Verbrennen
der Rohre an den Lötstellen nicht ausgeschlossen ist, was dann stets zu
unliebsamen Rahmenbrüchen führt, so sind verschiedene Firmen von der Hartlötung
ganz abgegangen,und haben zu anderen Verbindungen gegriffen. So verbinden
z.B. Hoyer u. Glahn in Schönebeck a. E. die Rohre
mit den Muffen durch Einwalzen (D. p. J., 1896, 302 251, Fig. 4). Liepe u. Co. in Halle a. S. durch Einpressen derselben (D. p. J., 1896, 302, 199, Fig. 12).
R. Roderwald in Magdeburg dagegen versieht nach
seinem D. R.-P. 110326 die Muffen mit Rillen b,
Fig. 4. Letztere werden mit einer!
verhältnismässig weichen Metallkomposition ausgefüllt, sodann wird das Rohr c stramm über die Muffe a geschoben und an den Stellen, wo es über der Metallkomposition
liegt, eingedrückt.
Um die Vorderradgabel, welche die heftigsten Stösse erleidet, gegen Reissen und
Brechen zu schützen, werden nach dem Verfahren, welches M. Marcus in Lichtenberg bei Berlin nach seinem D. R. – P. 118962
vorschlägt, die Kanten der Gabelscheiden nicht wie bisher in den Stossfugen
verlötet, sondern die beiden Hälften greifen übereinander, wodurch eine grosse
Berührungsfläche für die Lötung entsteht. Wie Fig.
7 zeigt, ist zu diesem Zwecke die Hälfte a um die Blechstärke eingefalzt, so dass sich bei der Zusammensetzung
die Ränder der Hälfte b in diesen Falz legen
können. Auf diese Weise ist in der ganzen Lötlinie doppelte Blechstärke erzeugt
und hierdurch ermöglicht, unbeschadet der Sicherheit, schwächere Bleche als
sonst üblich zu verwenden.
Auch der Gabelkopf wird, um denselben am Brechen zu verhindern, fast
allgemein verstärkt. Die Viktoria-Fahrradwerke A.-G. in
Nürnberg stellen eine besonders haltbare Verbindung der Vorderradgabelscheiden
und des Steuerrohres mit dem Gabelkopf dadurch her, dass sie nach Fig. 8 alle diese Teile durch grosse Lötflächen
untereinander verbinden.
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Fig. 2. Herrendreirad von Seidel u. Naumann.
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Fig. 3. Rahmen mit Innenlötung.
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Fig. 4. Rahmenverbindung von Roderwald.
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Fig. 5. Damendreirad von Seidel u. Naumann.
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Fig. 6. Federnder Rahmen von Goldschmidt u. Mindus.
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Fig. 7. Lötverfahren von Marcus.
Um die das Fahrrad treffenden Stösse, ehe sie zum Fahrer gelangen, abzuschwächen,
werden entweder die Naben, die Vorderradgabel oder die Sattelstütze federnd
angeordnet, oder zwischen die Rahmenrohre werden Federn eingeschaltet. Letzteres
System hat sich jedoch bis jetzt keinen Eingang in die Praxis verschaffen
können. Einen Kreuzrahmen, welcher die Federung durch die Anordnung der
Rohrenrahme abgeben soll, baut die Norddeutsche
Metallwarenmanufaktur von Goldschmidt u. Mindus in Hamburg. Zum
Unterschied von demjenigen (D. p. J., 1897, 303, 225,
Fig. 4) sind die sich kreuzenden Rohre am
Kreuzungspunktnicht starr mit einander verbunden, sondern wie Fig. 6 zeigt, geht das von der Sattelmuffe nach
dem Steuerkopf führende Rohr zwischen den zwei D
förmigen Rohren hindurch, ohne diese zu berühren.
L. Feuerlein in Nürnberg sucht die Stösse durch
einen federnden Gabelkopf (D. R.-P. 106111) abzufangen. Zu diesem Zweck ist das
Gabelrohr b (Fig. 9)
mit den Gabelscheiden e durch eine Reihe paralleler
Blattfedern a verbunden. Letztere sind unterhalb
des Gabelrohres durch einen Stellring d
zusammengefasst. An ihrem anderen Ende sind diese Federn mit Augen versehen, die
über die Gabelscheiden e geschoben und dort mittels
Stellringen f festgehalten werden. Die Anordnung
der Federn soll einerseits grosse Steifigkeit des Systems, anderseits einen
grossen Hub gewährleisten.
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Fig. 8. Verstärkter Gabelkopf der Viktoria-Fahrradwerke A.-G.
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Fig. 9. Federnder Gabelkopf von Feuerlein.
Um die das Fahrrad in senkrechter wie in wagerechter Richtung treffenden Stösse
abzufangen, trifft A. Schibli in Baden (Schweiz)
nach seinem D. R.-P. 120296 folgende Anordnung: Die Sitzstange b (Fig. 10) ist als
Bogenstück ausgebildet, zwischen Rollen cd
und ef gelagert und bei g gelenkig mit der Schieberstange h verbunden. Letztere ist in einer bei l auf Zapfen beweglichen Hülse i geführt und trägt einen Bund m. Zwischen diesem und der Hülse i ist die auf Druck wirkende Feder n eingeschaltet.
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Fig. 11. Federnde Nabe von Harlow, Stratton u. Groves.
Die Rollen cd sind in der Gabelung o gelagert, deren Verlängerung in dem Scheitelrohr
p verschiebbar geführt und durch die in
letzteres eingeschobene Druckfeder q beeinflusst
ist; die Schiebebewegung von o wird vermittels des
Bolzens r, der durch den Schlitz s greift, begrenzt. Die Rollen ef sind in der Gabelung u des Rahmenrohres t
angebracht.
Um die Stösse unmittelbar mit dem Rade abzufangen, ehe sie den Rahmen erreichen,
ordnen Ch. F. Harlow, W. Patterson Stratton und Ch. J. Groves in Boston eine federnde Nabe an. Wie
Fig. 11 zeigt, besteht die Neuerung darin,
dass zwischen der eigentlichen Nabe a und der Achse
b eine aus zwei Hälften c und c1
gebildete zweite Nabe angeordnet ist, deren beide Teile durch eine Gewindemuffe
d zusammengehalten werden. Auf letzterer sind
mittels Schrauben e die Federn f befestigt, welche die beiden Naben in ihrer
richtigen Stellung zueinander halten. Der zwischen den Naben verbleibende Raum
wird durch die Flansche g und h der zweiten Nabe, welche von den Lagerkugeln
getragen wird, abgeschlossen. (D. R.-P. 118344.)
Ausser den fest zusammengefügten Rahmen wurden schon seit längerer Zeit auch
solche zum Zusammenklappen oder Auseinandernehmen angefertigt. Eine solche
schnell zu lösende und doch sichere Verbindung des Rahmens zeigt Fig. 12,welche J. H.
Barry in London und J. Hall in Westcliffe
on Sea (England) durch D. R.-P. 118530 gegen Nachahmung geschützt ist. Die
Anordnung besteht darin, dass die eine Hälfte der Rahmenrohre mit Hohlkegel d versehen ist, während die andere Hälfte einen
entsprechend kegelförmigen Zapfen c trägt, der in
den Hohlkegel d eingreift. An letzterem ist nun ein
mit Innengewinde versehener Flansch i angebracht,
durch den ein schräg nach dem Boden des Hohlkegels gerichteter Schraubenbolzen
s tritt, der mit seinem Ende in eine Vertiefung
des Zapfens c greift, wodurch derselbe tiefer, und
somit fester in die Hülse d eingetrieben wird.
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Fig. 10. Federnde Sattelstütze von Schibli.
Als besondere Neuerung an Zweiräder ist die Freilaufeinrichtung (Free wheel) zu
nennen, deren Konstruktionen später in einem besonderen Abschnitt behandelt
werden sollen.
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Fig. 12. Zerlegbarer Rahmen von Barry & Hall.
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Fig. 13. Transportzweirad der Cito-Fahrradwerke.
Dem Warentransportrad, welches immer mehr in den Verkehr tritt, wurde seitens der
Fabrikanten ebenfalls grössere Aufmerksamkeit zugewendet. Hier, wurde der
Rahmen, ohne dass sein Aussehen darunter zu leiden hatte, durch Verstreben so
verstärkt, dass Brüche nahezu ausgeschlossen sind. So bauen z.B. die Cito-Fahrradwerke
A.-G. in Köln-Klettenberg für kleinere
Transporte ein Zweirad mit über dem Hinterrad angeordneten Kasten. Um dieses zu
ermöglichen, ist nach Fig. 13 die Hinterradgabel,
an welcher der Kasten mit Streben befestigt ist, entsprechend tief an das
Sattelstützrohr angeschlossen. Zwei unter dem Kasten angeordnete Füsse, welche
bei der Fahrt hochgenommen werden, dienen dazu, das Rad frei aufstellen zu
können. Praktischer im Gebrauch sind jedoch die dreiräderigen Fahrzeuge, wie
solche von den meisten Firmen gebaut werden. So zeigt Fig. 14 ein Transportdreirad der Adler-Fahrradwerke vorm. H.
Kleyer in Frankfurt a. M. welches mit geradem Vorderrahmen und starken
seitlichen Verstrebungen des Rahmens mit der auf Federn ruhenden Brücke
ausgestattet ist. Das Gewicht beträgt etwa 38 kg und in leichterer Bauart etwa
32 kg. Bei letzterem sind beide Rohre des Vorderrahmens, um das Besteigen zu
erleichtern, nach Art der Damenräder geschweift.
Textabbildung Bd. 318, S. 589
Fig. 14. Transportdreirad der Adler-Fahrradwerke.
Denselben Zweck suchen die Brennabor – Fahrradwerke von
Gebr. Reichstein in Brandenburg a. H. dadurch zu erreichen, dass sie
nur das obere Rohr des Vorderrahmens schweifen (Fig.
15). Die Plattform ruht statt auf Blattfedern auf Gummiklötzen. An
Stelle der Plattform kann natürlich auch ein Kasten, Korb oder Rohrkoffer
treten.
Textabbildung Bd. 318, S. 589
Fig. 15. Transportdreirad der Brennabor-Fahrradwerke.
Textabbildung Bd. 318, S. 589
Fig. 16. Transportdreirad der Brennabor-Fahrradwerke.
Vollständig abweichend von der bisherigen Bauart ist das Transportdreirad, Fig. 16, der letztgenannten Firma.
Dasselbeist für leichte Transporte und mit Kasten nach vorne gebaut.
Hervorzuheben ist noch das Transportdreirad der Maschinenfabrik Gritzner A.-G. Durlach.
Wie Fig. 17 zeigt, ist hier die Steuerung ähnlich
derjenigen an Zweirädern, wodurch nicht nur eine sichere Führung des Rahmens in
der Brücke, sondern auch eine sehr leichte Lenkung des Fahrzeuges erzielt
ist.
Für besonders schwere Lasten bauen die Brennabor –
Fahrradwerke ein Dreirad mit zwei Sitzen nebeneinander. Dieses Fahrzeug
(Fig. 18) besteht nach Art des Kompanionrades
(D. p. J. 1896 301 177 Fig.
13), sowie des Zwillingsrades von Dürkopp
(D. p. J. 1897 303 227 Fig.
13) aus zwei parallel zu einander verbundenen Rahinen, zwei
Lenkststangen, zwei Tretkurbellagern und zwei Ketten. Die Lenkung besorgt der
Fahrer rechts, dessen Lenkstange mit dem Lenkgabelschaft gelenkigverbunden ist,
während der Fahrer links, dessen Lenkstange fest ist, im Verein mit dem Fahrer
rechts nur auf den Antrieb wirkt.
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Fig. 17. Transportdreirad von Gritzner.
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Fig. 18. Zweisitziges Transportdreirad der Brennabor-Fahrradwerke.
Textabbildung Bd. 318, S. 590
Fig. 19. Einsitziges Eisenbahnfahrrad der Brennabor-Fahrradwerke.
Eine besondere Gattung von Fahrrädern ist das Eisenbahnfahrrad, welches
vorzugsweise von Bahnmeistern und Oberbeamten zur Besichtigung der Bahnstrecke
Verwendung findet. Solche von den Brennabor-Fahrradwerken gebauten Fahrzeuge bieten Platz für
1-4 Personen. Diese Räder sind ähnlich den modernen Strassen-Vierrädern gebaut,
nur mit dem Unterschied, dass die Lenkstangen fest sitzen, und die mit
Gummireifen bespanntenRäder einen dem Eisenbahnwagenrad ähnlichen
Querschnitt besitzen. Das Tretwerk ist auch hier in die Mitte des Fahrzeuges
eingebaut, wodurch eine merkliche Kraftersparnis und ein leichter Gang erzielt
wird. Als Bremsen sind Bandbremsen vorgesehen, welche auf die auf der
Hinterradnabe aufgekeilte Bremsscheibe einwirken.
Ein solches Fahrzeug mit einem Sitz zeigt Fig. 19,
während Fig. 20 ein solches mit zwei
hintereinander angeordneten Sitzen zeigt. Zur gleichzeitigen Beförderung von 4
Personen, sei es zur Ausführung eiliger Reparaturen auf der Strecke, sei
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Fig. 20. Zweisitziges Eisenbahnfahrrad der Brennabor-Fahrradwerke.
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Fig. 21. Viersitziges Eisenbahnfahrrad der Brennabor-Fahrradwerke.
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Fig. 22. Viersitziges Eisenbahnfahrrad der Brennabor-Fahrradwerke.
es zur ersten
Hilfeleistung bei Unglücksfällen, ist das Fahrzeug Fig.
21 bestimmt. Seine Anordnung ist so getroffen, dass zwei Rahmen nach
Art des in Fig. 20 gezeigten nebeneinander
verbunden sind.
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Fig. 23. Krankentransportwagen der Cito-Fahrradwerke.
Einen anderen Viersitzer zeigt Fig. 22. Derselbe
wird jedoch nur von zwei Personen fortbewegt, der Vordersitz ist für zwei
Oberbeamte vorgesehen.
Die Cito – Fahrradwerke A.-G. Köln – Klettenberg baueneinen Krankentransportwagen, der durch
zwei Fahrer fortbewegt wird (Fig. 23). Bei der
Konstruktion ist besonders Wert auf sichere und zweckentsprechende Bauart
gelegt, die bei geringer Breite des Wagens den Verkehr in den engsten Passagen
gestattet und ein leichtes Fahren ermöglicht. Das Gewicht beträgt etwa 90 kg.
Die Tragbahre ist leicht abnehmbar und ruht auf einer Anzahl kleiner
Spiralfedern.
(Fortsetzung folgt.)