Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 596 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung von S. 592 d. Bd.)
Neuerungen an Fahrrädern.
b) Fahrräder mit Kraftbetrieb.
Wenn das Motorzweirad bis vor Kurzem nicht die ihm gebührende Beachtung fand, so lag
dies wohl in der Hauptsache daran, dass sich die Techniker bisher mit dem Motorwagen
„en miniature“ noch zu wenig befassten. Erst seit etwa zwei Jahren, seit
das Motordreirad fast gänzlich ausser Gebrauch gekommen ist, wurde dem Motorzweirad
mehr Aufmerksamkeit zu teil und seine Vorzüge, die es unstreitbar besitzt, von den
Radfahrern mehr und mehr erkannt. Das heutige Motorzweirad ist gegenüber den
früheren, so z.B. dem in den 90er Jahren von Hildebrand
& Wolfmüller in München auf den Markt gebrachten (D. p. J. 1895, 296, 108 *) von so einfacher Bauart, dass es Jedermann,
der im Radfahren geübt ist, sofort bedienen kann, und in einigen Stunden über seine
Konstruktion im Klaren ist. Trotz grosser Fahrgeschwindigkeit ist der
Benzinverbrauch verhältnismässig klein, und infolge der geringen Breite und Länge
des Rades kann sowohl der engste Weg befahren, als auch das Fahrzeug in jeder
Wohnung untergebracht werden. Ebenso verursacht seine Instandhaltung nur geringe
Kosten.
Einen Vergleich der letzteren berechnet nach halbjähriger Leistung – laut Cyclometer
3600 km – mit den Unterhaltungskosten eines Geschirres, wie ihn der Leipziger
Fuhrwerksbesitzer H. Reinhardt in den „Leipziger
Neuesten Nachrichten“ vom 19. März 1903 aufgestellt hat, zeigt folgende
Tabelle.
Geschirr(Anlagekapital
2000 M.)Unterhaltungskosten f. d. Woche:
M.
Pf.
Motorzweirad(Anlagekapital 850 M.)Unterhaltungskosten f. d.
Woche:
M.
Pf.
1. Stallung und Remise2. Ein Mann zur Abwartung3.
Futter und Streu4. Beschläge
31811–
–––75
1. Remise2. Ein Mann zum Putzen je 1 Stunde im Tag3. Benzin und
Oel4. Ein neuer Riemen im Jahr, anteilig
–21–
–102015
32
75
3
35
Dazu kommt, dass das Motorzweirad etwa 5 mal so viel leistet, als ein Einspänner.
Touren von 60 km an einem Tage sind mit letzterem in fortgesetzter Folge
ausgeschlossen, während mit dem Motorrad etwa 175 km a. d. Tag gefahren werden
können.
Die Konstruktion des Rahmens ist dieselbe, wie die der gewöhnlichen Fahrräder, nur
kräftiger, d.h. die Rohre, sowiedie Verbindungsmuffen haben stärkere
Abmessungen, erstere in der Regel 1,5 mm; die Vorderradgabel, welche besonders stark
sein muss, hat nicht unter 1,8 mm Wandstärke.
Das Hinterrad ist stets mit Freilauf, auf den wir, wie schon erwähnt, noch
zurückkommen, versehen, sodass der Fahrer, nachdem das Fahrzeug durch die
Tretkurbeln in Bewegung gesetzt ist, letztere ausschaltet und nun als Fussstützen
benutzen kann, im Notfall jedoch oder bei grösseren Steigungen jederzeit in den
Stand gesetzt ist, den Motor durch Treten zu unterstützen. Ferner sind entweder mit
dem Freilauf verbundene Nabeninnenbremsen oder Bandbremsen vorgesehen. Eine weitere
Bremse stellt die Gegenkompression nach Abstellen des Motors dar, wodurch ermöglicht
ist, rascher als beim gewöhnlichen Fahrrad anzuhalten.
Als Triebkraft kommt ein schnellgehender Motor von 1-3 PS mit eingekapseltem
Kurbelgehäuse in Anwendung. Derselbe ist vorherrschend entweder stehend, an Stelle
des sonst üblichen Tretkurbel lagers, oder halbschräg nach vorne geneigt vor dem
Tretkurbellager angeordnet, und zwar so, dass die Motorachse etwa in gleicher Höhe
eher etwas tiefer, als das Tretkurbellager liegt. Hierdurch ist der Schwerpunkt sehr
tief gelegen, sodass die Balanzierung anderen Anordnungen gegenüber bedeutend
erleichtert ist.
Die stehende Anordnung hat der schrägen gegenüber den Vorteil, dass neben geringerer
Abnutzung, besonders des Zylinders und Kolbens, ein gleichmässiges Arbeiten der
Ventile gesichert ist, welche beim schrägliegenden Motor etwas Neigung zum
„Ecken“ haben. Doch kommt dieses nur für das ungesteuerte Saugventil in
Betracht, dagegen kaum für das Auspuffventil. Die Schmierung sowie die Kühlung des
Motors ist ebenfalls eine gleichmässigere; dagegen hat die schräge Anordnung den
Vorzug, dass der Zylinder, mit seinem am meisten der Hitze ausgesetzten
Explosionsgehäuse weiter von dem Fahrer entfernt ist.
Die Lagerung des Motors am Fahrrad ist bei der schrägen Anordnung so gewählt, dass
derselbe am unteren Verbindungsrohr aufgehängt ist. Bei der stehenden Anordnung
dagegen sind die Rahmenrohre entweder an Ansätzen des Kurbelgehäuses ver schraubt
oder das Sattelstützrohr führt im Bogen um dasselbe herum und geht zum
Steuerrohr.
Textabbildung Bd. 318, S. 597
Fig. 24. Motorzweirad (Type 1902) der Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G.
Diese beiden Modelle besitzen Hinterrad–Antrieb. Manche Fabriken fertigen
Motorzweiräder mit vor dem Steuerrohr des Fahrzeuges, teils oberhalb, teils
innerhalb des Vorderrades angebrachtem Motor. In diesem Falle wird das Vorderrad
angetrieben. Diesen Fahrzeugen wird mitunter die Fähigkeit nachgerühmt, dass sie
sich, wenn ins Schwanken geraten, leichter aufzurichten vermögen als Zweiräder mit
Hinterrad-Antrieb. Der Grund liegt darin, dass das angetriebene Vorderrad stets das
Bestreben hat, das Hinterrad in seine Spur hineinzuziehen.
Textabbildung Bd. 318, S. 597
Motor (Zedel) zum Neckarsulmer Motorzweirad.
Die früher fast allgemein gebräuchliche Oberflächenvergasung (D. p. J. 1898, 308 215, Fig. 21) findet nurnoch vereinzelt
Verwendung. Dieselbe besitzt zwar den Vorzug grösster Einfachheit für sich, hat aber
neben diesem Vorzug den Nachteil, unregelmassig zu arbeiten. So ist z.B. die
Vergasung beim Befahren einer guten Strasse eine andere, als die beim Befahren einer
schlechten. Durch diesen Umstand ist man gezwungen, das Gasluftgemisch fortwährend
nachzuregulieren. An Stelle der Oberflächenvergasung ist die
Einspritzbeziehungsweise Zerstäubungsvergasung getreten und die Zündung ist durchweg
Kerzenzündung mit Trockenelementen oder Akkumulatorenbatterie. Leider haben erstere
eine geringe Lebensdauer, die einerseits darauf zurückzuführen ist, dass man diesen
Elementen sehr kleine Abmessungen gibt; andererseits aber ist die Kurzlebigkeit der
Selbstverzehrung zuzuschreiben, da, wenn sie einmal betriebsfähig zusammengestellt
sind, auch wenn ihnen kein Strom entnommen wird, sie sich mit der Zeit selbst
aufbrauchen.
Auch durch Anwendung des Akkumulators ist nicht viel gebessert. Da derselbe die beim
Zweirad auftretenden Erschütterungen nicht vertragen kann, wird er sich demgemäss
auch wenig haltbar erweisen. In neuester Zeit tritt deshalb auch die
magnet–elektrische Zündung erfolgreich in Wettbewerb.
Was nun die Art des Mittels der Kraftübertragung betrifft, so ist der Kampf zwischen
Kette und Riemen mit und ohne Spannrolle bezw. Riemenschnur zu Gunsten der beiden
letzteren entschieden. Bevorzugt wird zur Zeit der Riemen mit Spannrolle, weil er am
schnellsten und bequemsten nachstellbar, und dabei zuverlässiger als die
Riemenschnur ist. Natürlich muss die arbeitverzehrende und nicht immer geräuschlos
laufende Spannrolle mit in Kauf genommen werden.
Im folgenden sollen nun die in der Hauptsache den Markt beherrschenden Typen, sowie
die wichtigsten Erfindungen einer Betrachtung unterzogen werden.
Die Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G. in Neckarsulm ordnen
den Motor bei der einen Ausführungsform unterhalb des Rahmens und zwar schräg an.
Bei der anderen dagegen ist derselbe senkrecht stehend eingebaut. Fig. 24 zeigt die Type von 1902. Das Benzin, die
Trockenelemente oder Akkumulatoren sowie das Schmieröl befinden sich in dem
innerhalb des Rahmens aufgehängten, dreiteiligen Behälter 8, während die Induktionsspule 20 sowie die
Oelpumpe 13 am Sattelstützrohr befestigt sind. Unten an
diesem sitzt auch der Auspufftopf 12, wodurch die
verbrannten Gase hinter dem Fahrer abziehen.
Der 1 ¾–PS-Motor (Original Zedel) (Fig. 25 und 26) arbeitet
wie gewöhnlich im Viertakt. Also: 1. Ansaugen, 2. Komprimieren, 3. Explosion, 4.
Auspuff. Das Ansaugventil a arbeitet selbsttätig, es
wird während der Ansaugperiode bei abwärtsgehendem Kolben etwa 4-5 mm geöffnet und
nach beendetem Kolbengang durch eine Spiralfeder auf seinen Sitz zurückgedrückt. Das
Auspuffventil b dagegen wird mittels des von der
Motorachse durch Nocken c auf –und abbewegten Stiftes
d gesteuert. Hierbei sorgt ein Zahnradgetriebe 2 :
1 (e und f) dafür, dass
das Ventil bei jedem zweiten Kolbenaufgange geöffnet wird. Die verbrannten Gase entweichen dann in
den Auspufftopf (Fig. 27), welcher, um das Geräusch
zu dämpfen, mit drei Abteilungen versehen ist. Eine Spiralfeder 23 schliesst das Ventil sofort wieder, wenn der Stift
d abwärts geht.
Textabbildung Bd. 318, S. 598
Fig. 27. Auspufftopf zum Neckarsulmer Motorzweirad.
Der vordere Teil 8a des Behälters 8 (Fig. 24) ist für den
Benzin Vorrat bestimmt; er fasst etwa 7 Liter. Durch einen Schwimmer lässt sich das
Benzinquantum stets kontrollieren. An den Boden des Behälters 8 schliesst sich das Röhrchen 3a, zum Vergaser 3 führend, an.
Letzterer (Fig. 28) besteht in der Hauptsache aus zwei
Hohlzylindern, dem weiteren mit dem Benzinzulauf und der Regulierung der
zuströmenden Menge, sowie dem engeren für die Zerstäubung des Benzins und die
Luftzufuhr. Das Benzin, vom Behälter kommend, gelangt durch das Rohr 3a (Fig. 28) zum Raum
a, umströmt die Verschlusschraube 2 in einer ringsumlaufenden Rille, geht durch zwei
Bohrungen in das Innere der Schraube und von hier durch die Ventilöffnung 4 zu dem weiteren Hohlzylinder. Zum Abfangen von
Verunreinigungen sind der Benzinhahn am Reservoir und der Ausgang aus der
Verschlusschraube 2 mit einem feinen Sieb versehen.
Die selbsttätige Benzinzufuhr und deren Regelung erfolgt durch die luftdichte
Schwimmerkapsel 6. Sie steckt auf dem Ventilstift 4 und trägt die auf letzteren einwirkenden Balanciers
7. Ist genügend Benzin eingeflossen, so wird die
Schwimmerkapsel so weit gehoben, dass die Balanciers den Ventilstift 4 mit seiner unteren Spitze in die Ventilöffnung
hineindrücken und der weitere Zufluss des Benzins gehemmt ist. Die Vorrichtung wirkt
derart, dass bei jeder Ansaugeperiode nur soviel Benzin einströmen kann, als jeweils
bei dieser Periode verbraucht wird.
Textabbildung Bd. 318, S. 598
Fig. 28. Vergaser zum Neckarsulmer Motorzweirad.
Die eigentliche Vergasung findet nun in den engeren Hohlzylindern dadurch statt, dass
das Benzin durch Ausspritzen aus dem Röhrchen 9 gegen
den gerippten Zerstäuberkegel 12 schnell verdunstet und
sich mit der durch Rohr 18 eingesaugten Luft mischt.
Dieses Rohr liegt, um die Luftzwecks schnellerer Vergasung anzuwärmen, um den
Motorzylinder herum. (Vergl. Fig. 24.)
Die Zufuhr des Gasgemisches zum Motorzylinder wird mittels des Drosselhahnes 4a (Fig. 24), an welchem
sich ein mit Handgriff 4 versehener Hebel befindet, vom
Sitz aus reguliert. Diese Einrichtung ist aus Sparsamkeitsrücksichten sehr
vorteilhaft. Beim Bergabfahren kann die Gaszufuhr vollständig abgestellt, und auf
ebener glatter Strasse soweit abgedrosselt werden, als eben der Motor noch
regelmässig funktioniert; dadurch wird viel Betriebsmaterial erspart. Einen weiteren
Vorzug hat der Drosselhahn zum Langsamfahren insbesondere durch Orte, wo in der
Regel eine Geschwindigkeit von 12 km in der Stunde einzuhalten ist. Wenn nun bei
Nachzündung das Tempo immer noch zu rasch ist, so kann man durch Abdrosseln der
Gaszufuhr das Tempo bis auf die geringste zulässige Geschwindigkeit
herabmindern.
Zur weiteren Nachregulierung ist im Vergaser (Fig. 28)
eine Oeffnung 17 vorgesehen, die bei warmer Witterung,
sowie nach längerer Fahrt bei sehr heiss gewordenem Zylinder geöffnet wird.
Textabbildung Bd. 318, S. 598
Fig. 29. Elektrische Stromzirkulation beim Neckarsulmer Motorzweirad.
Die hintere Abteilung 8c des Behälters 8 (Fig. 24) fasst etwa ½
kg Schmieröl, das zu einer Fahrt von 600 km ausreicht. Die Schmierung geschieht
vermittels eines Dreiweghahnens durch die Pumpe 13, die
das Oel durch Röhrchen 14 unmittelbar dem Motorgehäuse
zuführt.
Von der mittleren Abteilung 8b, in welcher sich die
Batterie befindet, führt, wie Fig. 29 zeigt, der
Leitungsdraht L1 nach dem an der Lenkstange sitzenden. Kontaktstiftgehäuse 5, der Draht L2 zu dem Induktionsapparat 20. Das Gehäuse 5 dient gleichzeitig zur
Aufnahme des Kontaktstiftes 6. Letzterer wird vor
Beginn der Fahrt eingesteckt, und nach Beendigung derselben wieder herausgenommen,
wobei der Strom unterbrochen ist, auch wenn der im linken Lenkstangengriff 7 befindliche Kontakt noch eingeschaltet sein
sollte.
Der dritte Leitungsdraht L3 geht von der Schraube T des
Induktionsapparates 20 durch die Achse der mit
Handgriff 2 versehenen Schubstange (s. auch Fig. 24) zum Unterbrecher 19 (Trembleur). Vom unteren Teil des Induktionsapparates bei Z geht der Leitungsdraht L5 zur Zündkerze 10. Diese Leitung endigt in einer Kupferhülse.
Textabbildung Bd. 318, S. 599
Fig. 30. Kontaktgriff zum Neckarsulmer Motorzweirad.
Textabbildung Bd. 318, S. 599
Kontakthebel der Fahrrad- und Maschinenfabrik A.-G. vorm. H. W.
Schladitz.
Da sich die Vorrichtung zum Ein- und Ausschalten des Stromes im Lenkstangengriff
(Fig. 30) befindet, so kann der Fahrer die
Arbeitsleistung des Motors dadurch spielend mit der linken Hand regeln, dass er
durch eine kleine Linksdrehung dieses Griffes den Strom einschaltet, während
derselbe durch Rechtsdrehen ausgeschaltet wird, und der Motor zu arbeiten aufhört.
Bei Anwendung der Trockenbatterie reicht der Strom für etwa 5-7000 km aus.
Die Fahrrad- und Maschinenfabrik A.-G. vorm. H. W.
Schladitz in Dresden verlegt dagegen den Kontakt nicht in den
Lenkstangengriff, sondern verbindet ihn mit dem Bremshebel (D. R.-P. No.
119314).
Zu diesem Zweck ist, wie Fig. 31 zeigt, das eine
Kontaktstück a an dem, mit dem Lenkstangenrohr b fest verbundenen Arm c,
und zwar isoliert zu diesem, angeordnet. Das andere Kontaktstück d ist an der Bremsstange e
ebenfalls isoliert befestigt. Beim Hochziehen der Stange mittels des Bremshebels f, d.h. beim Bremsen wird also gleichzeitig der Strom
unterbrochen und nach Freigabe des Bremshebels wieder geschlossen.
Textabbildung Bd. 318, S. 599
Fig. 33. Zündungsregulierung zum Neckarsulmer Motorzweirad.
Um nun, z.B. bei Aussergebrauchstellung des Fahrzeuges, den Kontakt auch ohne
Benutzung der Bremse lösen zu können, ist der Arm i mit
der Isolationsbrücke k zwischen dem Stellring l und der Spiralfeder m
auf der durch denArm c lose geführten Bremsstange
e drehbar angeordnet, sodass nach seiner
Beiseitedrehung der Kontakt ad gelöst bleibt
(Fig.
32). Die Feder m ist vorgesehen, um zu verhüten,
dass durch Erschütterungen der Kontaktarm i selbsttätig
in oder ausser Kontaktstellung tritt.
Textabbildung Bd. 318, S. 599
Zündungsregulierung der „Rapid“ Akkumulatoren- u. Motorwerke G. m. b.
H.
Die Vorrichtung zum Regeln der Zündung zeigt Fig. 33.
Auf der Achse 1 sitzt fest die Unterbrecherscheibe 24. Sie drückt die Abschlagfeder 25 bei jeder Umdrehung einmal nach rechts, indem. ihr
Nocken 2 unter dem Kopf 3
der Feder fortgleitet. Hierbei wird der Platinkontakt 4
gegen das Ende der Kontaktschraube 26 gedrückt und der
Strom zur Zündung geschlossen. Die Abschlagfeder ist mit den Schrauben 37 an der birnförmigen Scheibe 19 befestigt, welche die Unterbrecherscheibe umfasst und mittels
Schubstange mit Handgriff 2 (Fig. 24) um die Achse 1 verstellt werden
kann. Fig. 24 und 33
zeigen die normale Stellung, bei ihr tritt „Nachzündung“ ein, d.h. die
Zündung erfolgt, nachdem der Kolben seine höchste Stellung im Motorzylinder erreicht
hat. Wird der Handgriff gehoben, die Scheibe 19 also
nach rechts (unten) gedreht, so bewegt sich der Kopf 3
dem Nocken 2 entgegen und die Zündung erfolgt als
„Vorzündung“, kurz bevor der Kolben seinen höchsten Stand erreicht, seine
Kompressionstätigkeit beendet hat. Die Fahrgeschwindigkeit wird durch die Vorzündung
erheblich gesteigert, und zwar macht der Motor bei Nachzündung 1200 bis 1400
Umdrehungen, bei Vorzündung dagegen 1800 Umdrehungen.
Textabbildung Bd. 318, S. 599
Fig. 36. Motorzweirad Type 1903 der Neckarsulmer Fahrradwerke A.-G.
Auf der Achse 1 sitzt ferner der Nocken e, der mittels eines am Ventilstift d sitzenden Nockens c das
Auspuffventil lüftet.
Textabbildung Bd. 318, S. 600
Fig. 37. Motorzweirad der Bielefelder Maschinenfabrik vorm. Dürkopp &
Co.
Statt des Platindruckkontaktes versehen die „Rapid“
Akkumulatoren- und Motorwerke G. m. b. H. in Schöneberg-Berlin ihre
Zündregulierung mit einem Schleifkontakt. Bei ihm sitzt das Kontaktstück, wie Fig. 34
zeigt, auf der Hartgummiunterbrecherscheibe und schleift bei jeder Umdrehung
derselben an der Kontaktfeder vorbei. Da die Feder nicht nachstellbar ist, so
verändert sich infolgedessen mit der Abnutzung der Kontaktflächen auch deren
Andruck. Ausser-dem verliert die Biegungsfeder im Laufe der Zeit einen Teil ihrer
Federkraft. Diese Uebelstände sucht letzgenannte Firma dadurch zu vermeiden, dass
sie eine Torsionsfeder in Anwendung bringt (Fig. 35) die auf einen
Kontaktstift wirkt, der zur Regelung des Andruckes der Kontaktflächen, der Abnutzung
der Schleifscheibe entsprechend, nachgestellt werden kann.
Textabbildung Bd. 318, S. 600
Fig. 38. Verbesserter Vergaser.
Textabbildung Bd. 318, S. 600
Fig. 39. Motorzweirad von Opel.
Die Betätigung des eben beschriebenen Motorzweirades (Fig.
24) geschieht folgendermassen: Nachdem der Kontaktstift 6 (Fig. 24 u. 29) in das Gehäuse o
eingesteckt ist, wird der Handgriff 1 vollständig nach
oben gestellt und hierdurch der Kompressionshahn h
(Fig.
26) geöffnet. Der Handgriff 2 wird in seine
tiefste Lage auf Nachzündung gestellt, und der Handgriff 4nach vorne gezogen, wodurch das Gaszufuhrrohr 9 (siehe auch Fig. 25 u. 26) geöffnet
wird. Der Kontaktgriff 7 wird nun nach links gedreht,
und der zur Zündung nötige Strom ist geschlossen. Der Fahrer treibt jetzt das
Fahrzeug wie ein gewöhnliches Zweirad mittels der Tretkurbeln an, bis die
Explosionen regelmässig erfolgen. Der Kompressionshahn h wird jetzt geschlossen, sodass der Motor nun seine volle Kraft
abgibt.
Die Kraftübertragung geschieht mittels gedrehter Riemenschnur auf eine am Hinterrad
befestigte Scheibe.
Die neueste, diesjährige Konstruktion dieses Motorzweirades, wie solche Fig. 36 zeigt, hat wesentliche Verbesserungen und
Vereinfachungen erfahren. So ist die Bedienung des Motors jetzt auf einen einzigen
Hebel, den Zündungshebel 2, beschränkt. Zum Anfahren
oder Schieben des Fahrzeuges wird nicht mehr der früher vorgesehene Kompressionshahn
h (Fig. 25 u. 26) geöffnet,
sondern es wird das Auspuffventil b vermittels eines
Fingerhebels, wie bei dem Dürkopp-Motorzweirad (Fig. 37), jedoch zugleich durch den Zündungshandgriff
in die Höhe gehoben und zwar dann, wenn derselbe ganz nach unten steht. Dieser Hebel
hat jetzt gewissermassen drei Stationen, nämlich:
1) Handgriff ganz nach unten zum Anfahren oder Schieben des Fahrzeuges. 2) Handgriff nach der Mitte
gestellt, sodass der Auspuffventilhebel an dem Auspuffventilstift, d (Fig. 26) nicht mehr
aufschlägt. Hierdurch wird Nachzündung (langsame Fahrt) erzielt. 3) Handgriff nach
oben verstellt, ergibt Vorzündung (rasche Fahrt).
Der Vergaser (Fig. 28) ist nach den Ergebnissen der
Erfahrungen in der Praxis wesentlich verbessert worden. Der Gasentwicklungsraum ist
erweitert und dadurch eine reichlichere Gasabfuhr ermöglicht worden.
Um auch bei strenger Kälte ein wirksames Gemisch zu erzielen, hat dieser Vergaser
dahingehend eine Verbesserung erfahren, dass an Stelle des um den Zylinder
herumgeführten Luftansaugerohres 18 (Fig. 24) ein Röhrchen 11
(Fig. 38) tritt. Dieses steht, wie Fig. 39 bei einem Opelrad
zeigt, mit dem Auspuffrohr in Verbindung und mündet in einen ringförmigen Kanal der
Hülse 10 des Vergasers (Fig.
38). Die Hülse wird dadurch von den heissen Auspuffgasen umspült, wodurch
die bei 18 angesaugte Luft erwärmt wird, sodass eine
schnellere Vergasung erfolgt. An warmen Tagen, wo keine Vorwärmung nötig ist, wird
die Oeffnung im Vergasergehäuse mittels Schiebers verschlossen, und hierdurch der
Durchgang der Auspuffgase durch den Ringraum verhindert.
Eine weitere Vorrichtung zum Anwärmen der Luft ist die, dass an Stelle des mit dem
Auspufftopf verbundenen Röhrchens 11 ein Trichter
tritt, der bis nahe an den Motorzylinder reicht, sodass die Luft, ehe sie in den
Trichter eintritt, am Zylinder vorbeistreichen muss. Diese Anordnung zeigt Fig. 37.
Im Grunde genommen, kann von einem automatischen Vergaser bei dieser kleinen Type für
Motorzweiräder kaum die Rede sein, denn das Verhältnis zwischen Luft- und Benzingas
ist je nach der Tages- und Jahreszeit, nach dem Klima, nach der Hitze und Tourenzahl
des Motors um eine Kleinigkeit zu verändern und dieses muss durch den Fahrer selbst
geschehen. Zu diesem Zwecke ist eine Vorrichtung in Verbindung mit dem Drosselhahn
(Fig. 40) derart angebracht, dass die Regulierung
auf bequemstem Wege während der Fahrt vorgenommen werden kann, und zwar in der
Weise, dass die obere Hülse 4 (Fig. 36 und 40) an dem Luftzufuhrrohr je
nach Bedarf verstellt wird, wodurch die oben angebrachten Luftlöcher teilweise oder
ganz geöffnet oder geschlossen werden. Der Drosselhahn selbst ist vollständig
geöffnet, wenn der an der Hülse 4 angebrachte Handgriff
(Fig. 40) ganz nach vorn steht; durch
Rückwärtsdrehen desselben wird die Gaszufuhr abgedrosselt, bis beim Stand des
Griffes ganz nach hinten der Hahn vollständig geschlossen ist und kein Gas mehr in
den Zylinder tritt. Im übrigen trifft das auf S. 598 Gesagte über den Drosselhahn
auch hier zu.
Als weitere Verbesserung ist die Vergrösserung des Auspufftopfes zu nennen, wodurch
das Geräusch der Abgase um ein ganz bedeutendes verringert ist.
Mit dem 1 ¾ PS Fahrzeug können Geschwindigkeiten bis zu 50 km in der Stunde, mit dem
2 PS-Motor weit grössere erreicht werden.
Trotzdem sind die Betriebskosten nur gering, da je nach dem Gelände für 35-50 km
Wegstrecke nur 1 Liter Benzin erforderlich ist. Eine einmalige Füllung des Behälters
reicht für 250-350 km aus. Das Gewicht ist etwa 40-45 kg für das 1 ¾ PS, und etwa 50
kg für das 2 PS Fahrzeug.
Textabbildung Bd. 318, S. 601
Fig. 40. Drosselhahn und Gemisch-Nachregulierung zum Neckarsulmer
Motorzweirad.
(Fortsetzung folgt.)