Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 618 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung von S. 601 d. Bd.)
Neuerungen an Fahrrädern.
Einen senkrecht in den Rahmen eingebauten Motor der Adler – Fahrradwerke vormals H. Kleyer in Frankfurt a. M. zeigt Fig. 41. Neben dem Akkumulator und dem Oelbehälter ist
auch der Induktionsapparat in den Benzinbehälter, der durch ein wagerechtes Rohr
unterstützt wird, verlegt. Hinter dem Steuerrohr befindet sich die Oel-pumpe, sodass
sie während der Fahrt benutzt werden kann. Auch hier ist zwischen Auspuffnocken und
Ventilstange des Auspuffventils ein Ventilheber angeordnet, welcher beim Schieben,
Anfahren usw., um die im Zylinder befindliche Kompression aufzuheben, durch ein
Stängchen mit Handgriff das Ventil offen hält. Diese Anhebevorrichtung hat noch den
Vorteil, geräuschlos an Fuhrwerken vorbeifahren zu können unter gleichzeitiger
Herabminderung der Motorgeschwindigkeit, was dadurch geschieht, dass sich das
Ansaugventil jetzt nicht mehr öffnen kann; dagegen gelangen durch das Auspuffventil
immer wieder verbrannte Gase in das Zylinder-Innere. Auch bei sonstigen Anlässen, wo
die Fahrgeschwindigkeit herabgesetzt werden muss, ist das Anheben des Auspuffventils
von Vorteil, da bei einfachem Anziehen des erwähnten Stängchens die
Motorgeschwindigkeitvermindert wird, ohne die Zündung oder die Drosselung oder
beide betätigen zu müssen. Der Auspufftopf ist nach vorn verlegt, jedoch so
konstruiert, dass nicht nur das Geräusch bei normalem Betrieb vermindert, sondern
auch der Fahrer in keiner Weise von den abziehenden Gasen belästigt wird.
Der Motor entwickelt 2 PS und gibt dem Fahrzeug auf ebener Bahn eine Geschwindigkeit
bis zu etwa 50 km in der Stunde. Der Akkumulator reicht für eine Fahrt von 2-3000 km
aus, und kann an jeder Ladestation leicht geladen werden. Zum Antrieb dient ein
Riemen, der während der Fahrt durch eine Rolle mittels einer links am oberen
Rahmenrohr geführten Stange gespannt wird. Ferner ist selbsttätige Auslösung des
Kontaktes vorgesehen. Bei leichtem Anziehen der Vorderradbremse wird die Zündung
unterbrochen, und die Fahrgeschwindigkeit, ohne das Gemisch zu verändern oder das
Auspuffventil anzuheben, für kurze Zeit verringert.
Bei dem Zweisitzer der Brennabor – Fahrradwerke von Gebr. Reichstein in Brandenburg a. H. (Fig. 42) ist die Trockenbatterie hinter den ersten,
und der Induktionsapparat samt der Oelpumpe hinter den zweiten Sattel verlegt. Der am oberen Rahmenrohr
gelagerte Behälter ist also nur für Benzin und Oel bestimmt. Die Handhabung und
Führung der Maschine erfolgt lediglich von dem hinteren Sitz aus. Die Bauart des
Motors und seiner Zubehörteile ist die gleiche wie beim Neckarsulmer Fahrzeug. Beide
Motorräder werden auch statt der Riemenschnur mit Riemen und Spannrolle
ausgeführt.
Textabbildung Bd. 318, S. 619
Fig. 41. Motorzweirad der Adler-Fahrradwerke vorm. Kleyer.
Textabbildung Bd. 318, S. 619
Fig. 42. Motorzweirad Tandem der Brennabor-Fahrradwerke.
Textabbildung Bd. 318, S. 619
Fig. 43. Motorzweirad der Fabrique Nationale.
Das Motorzweirad der Fabrique Nationale in
Herstal-Lüttich (Belgien), welches E. Glombitza in
Berlin in den Handel bringt, zeichnet sich durch die eigenartige Lagerung des Motors
im Rahmen aus. Wie Fig. 43 zeigt, ist der Motor von
einer geschmiedeten Gabel umgeben, durch welche er beim Stürzen u.s.w. vor Schaden
geschützt ist. Einen weiteren Vorteil bietet diese Gabel dadurch, dass sie
wesentlich zur Verstärkung des Rahmens beiträgt.
Ausgerüstet ist dieses Fahrzeug mit einem 2 PS F.
N.-Motor(Fig. 44) mit 60 mm Bohrung, 70
mm Hub bei 1800 Umdrehungen in der Minute; das Gesamtgewicht beträgt 50 kg. Von den
sonst gebräuchlichen zeichnet sich dieser Motor dadurch aus, dass zwischen dem
Zahnrad 50 der Kurbelachse und dem Steuerungszahnrade
52 noch ein Zwischenrad 51 eingeschaltet ist. Hierdurch wird es, wie Fig.
45 bei einem Motorzweirad der Wanderer-Fahrradwerke vorm. Winkelhofer & Jänicke A.-G. in Schönau bei
Chemnitz erkennen lässt, möglich, den Nocken 53 zur
Betätigung des Auspuffventils 43 vorn über dem
Kurbelgehäuse anzuordnen, also ungefähr in der Ebene der Pleuelstange, wodurch das
Auspuffventil und der Explosionsraum nicht wie sonst (s. Fig. 46) besonderen Raum in der Breite des Motors beansprucht. Der ganze
Motor nimmt also wenig Raum in der Breite ein, was zu Gunsten eines „schmalen
Tritts“ ausgenutzt werden kann. Ausserdem ist durch diese Lage des Explosionsraumes
eine Ueberhitzung des Motors dadurch ausgeschlossen, dass letzterer dem beim Fahren
entstehenden Luftzug am meisten ausgesetzt ist.
Textabbildung Bd. 318, S. 620
Fig. 44. F. N.-Motor zum Motorzweirad der Fabrique Nationale.
Das F. N.-Motorzweirad zeichnet sich auch noch dadurch
aus. dass ein Hebel, der an der linken Seite der Lenkstange oder am oberen
Rahmenrohr angebracht wird, gleichzeitig das Auspuffventil anhebt und den Kontakt
unterbricht. Hierdurch braucht die elektrische Leitung nicht zur beweglichen
Lenkstange geführt zu werden. Der Benzinbehälter fasst etwa 6 Liter, womit eine
Strecke von über 250 km zurückgelegt werden kann. In diesem Behälter sind in
getrennten Abteilungen ebenfalls der für 1500 km ausreichende Akkumulator, sowie die
Induktionsspule untergebracht.
Der Vergaser arbeitet insofern selbsttätig, als keine besondere Luftregulierung von
Hand erforderlich ist, d.h. beim Antreten nicht erst die beste Stellung des
Lufthebels gesucht zu werden braucht.
Der Stromunterbrecher (Trembleur) befindet sich gegenStaub, Nässe und Oel
geschützt in einem Gehäuse 66 mit Bajonettverschluss
(D. R.-G.-M. No. 190603), mittels welchem er leicht abnehmbar am Motor befestigt
ist.
In diesem Gehäuse stützt sich der um den Zapfen u (Fig. 47)
drehbare, den einen Kontakt j tragende Ring p gegen die Gabel m des in
den Kopf h hineinreichenden Zapfens n, der unter dem Einfluss der Feder w steht. Dieser Zapfen ist stets bestrebt, den Ring p so zu stellen, dass der Kontakt j in Berührung mit dem anderen Kontakt s treten kann, welcher auf dem Ende der Stellschraube
i, die entsprechend isoliert ist, sitzt. In den
Ring p reicht die mit der Rolle r des Ringes zusammenwirkende Nockenscheibe b, die auf der durch das Getriebe der Motorachse angetriebenen Achse c sitzt. Die Wirkung ist folgende:
Bei der in Fig.
47 gezeichneten Stellung sind beide Kontakte j und s in Berührung, da der Ausschnitt der
Nockenscheibe b vor der Rolle r liegt. Bei weiterer Drehung dieser Scheibe in der einen oder anderen
Richtung drückt ihre Umfangsfläche gegen die Rolle r, sodass der
den Kontakt j tragende Ring p unter Zusammendrücken der Feder w
ausschwingt, und der Kontakt j in die Stellung Fig. 48
gelangt (also von dem Kontakt s abgehoben wird). Die
beiden Kontakte bleiben nun solange ausser Berührung, bis der Ausschnitt der
Nockenscheibe b wieder vor die Rolle r zu liegen kommt, und der gegabelte Zapfen n unter dem Einflüsse der gespannten Feder w den Ring p
zurückdrückt.
Textabbildung Bd. 318, S. 621
Zündungsregulierung zum Motorzweirad der Fabrique Nationale.
Um die Stellung der Kontakte zu beobachten, und erforderlichenfalls den Kontakt s mittels der Stellschraube i in die richtige Lage einstellen zu können, ist im Gehäusedeckel eine
verschliessbare Oeffnung a vorgesehen.
Das Fahrzeug kann auf guten Strassen bis über 50 km in der Stunde gesteigert werden,
wobei der Benzinverbrauch für 40 bis 45 km 1 Liter beträgt. Demnach stellen sich die
Betriebskosten für 100 km auf etwa 70 Pfennige.
Die Express – Fahrradwerke A.-G. in Neumarkt bei
Nürnberg ordnen hinter einer Türe des Benzinbehälters zwei längliche, durch
Marienglas verschlossene Schlitze an, um stets den Oel- bezw. Benzinvorrat
kontrollieren zu können. An dem einen Schlitz befindet sich eine Skala, welche die
für jede Oelung nötige Menge mittels eines Schwimmers anzeigt.
Das Oel befindet sich unter Luftdruck, wodurch es dem Motor schnell zugeführt wird.
Sämtliche Drahtleitungensind verdeckt angeordnet, und doch leicht zugänglich,
ebenso der Akkumulator und der Induktionsapparat. Zur stetigen Prüfung der noch
vorhandenen Strommenge ist innerhalb des Behälters eine Normal-Glühlampe angeordnet,
die durch einen Druckknopf eingeschaltet werden kann.
Der Antrieb geschieht mittels Riemen und Spannrolle, welche durch einen am
Benzinbehälter einstellbaren Hebel angedrückt wird.
Durch diese Anordnung kommt das Antreten des Fahrzeuges in Fortfall, da der Motor bei
gespanntem Riemen durch kurzes Anschieben des Rades in Gang gesetzt wird. Sobald
Zündung erfolgt, wird die Spannrolle gelöst, sodass der Motor leer läuft. Zum
Abfahren braucht dann nur der Riemen wieder gespannt zu werden. Das Auspuffventil,
sowie das Ventil zur Regulierung des Gasgemisches werden durch einen gemeinsamen
Hebel betätigt.
Die Ein- und Ausschaltung der Zündung geschieht mittels des Bremshebels. Der Motor
entwickelt 1 ¾ PS, die Fahrgeschwindigkeit beträgt 40-45 km in der Stunde.
Die Presto-Werke Günther & Co.
Kommandit-Gesellschaft in Leipzig verbinden die Riemenscheibe, um den Motor
unabhängig vom Fahrzeug laufen lassen zu können, mittels Friktionskupplung mit der
Motorachse. Die Betätigung der Kupplung erfolgt durch einen, am oberen Rahmenrohr
gelagerten, einstellbaren Hebel.
Textabbildung Bd. 318, S. 621
Fig. 45. Motorzweirad der Wanderer-Fahrradwerke A.-G.
Textabbildung Bd. 318, S. 621
Fig. 46. Motorzweirad von Gritzner.
Th. Schild & Co. in Madretsch-Biel (Schweiz) baut
den 1 ¾ PS-Motor schräg in den Rahmen ein, sodass er mit dem Benzinbehälter fast den
ganzen Rahmen ausfüllt (Fig. 49). Der Vergaser ist
vorn in den Benzinbehälter eingebaut, sodass die Vergasung durch die Stösse des Fahrzeuges
in keiner Weise beeinflusst wird. Vor dem Benzinbehälter ist der ⅖ l haltende
Oelbehälter aufgehängt. Der Akkumulator ist an der Hinterradgabel, und der
Induktionsapparat am Sattelstützrohr angebracht. Der Antriebsriemen wird mittels
Holle gespannt, und zwar vom Sitz aus mittels eines am Motor drehbar gelagerten
Hebels (Fig. 49 und 50). Die Steuerung der Zündung und des Auspuffventils zeigt Fig. 51.
Textabbildung Bd. 318, S. 622
Fig. 49. Motorzweirad von Schild & Co.
Textabbildung Bd. 318, S. 622
Fig. 50. Spannrolle mit Hebel zum Motorzweirad von Schild & Co.
Textabbildung Bd. 318, S. 622
Fig. 51. Zündungs- und Auspuffventilsteuerung zum Motorzweirad von Schild
& Co.
Textabbildung Bd. 318, S. 622
Fig. 52. Vergaser der Progress-Motoren- und Apparatenbau G. m. b. H.
Die Progress – Motoren- und Apparatenbau G. m. b. H. in
Charlottenburg bringt eine Vereinigung des Spritz- undOberflächen-Vergasers in
Anwendung, der die Hauptvorteile beider Systeme in sich vereinigt. Derselbe hat sich
seit 2 Jahren als zuverlässig arbeitend bewährt; ein Versagen, wie es bei den
eigentlichen Spritz-Vergasern durch die gegebenen kleinen Abmessungen,
Leitungsröhrchen, Düsen usw. leicht vorkommen kann, ist durch die grossen
Abmessungen dieses Systems, sowie durch das Fehlen der heiklen Röhrchen oder
Einzelteile ausgeschlossen. Wie Fig. 52 zeigt, ist
der Vergaser in den das Benzin sowie die Oelpumpe aufnehmenden Behälter eingebaut.
In dem vorderen Teil des Behälters befindet sich der etwa 7 Liter fassende
Benzinraum, an den sich der Vergaser anschliesst. Letzterer ist mit einer
Ansaugvorrichtung für warme Luft versehen, wodurch ein sicheres Funktionieren auch
bei Frostwetter gewährleistet wird. Zur selbsttätigen Regulierung des
Benzinzuflusses zum Vergaser, ist das Ventil 2 vorgesehen, welches jedoch nur
während der Fahrt geöffnet sein darf, damit der Benzinstand im Vergaser unverändert
bleibt. Falls nun durch Zufall doch zu viel Benzin eingetreten ist, so kann dasselbe
mittels Hahnes 3 abgelassen werden. Den hinteren Teil des Behälters bildet der
Oelraum mit darin angeordneter Pumpe 4.
(Fortsetzung folgt.)