Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 633 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung von S. 622 d. B.)
Neuerungen an Fahrrädern.
Bei dem 2 PS-Motor der Progress-Motoren- und
Apparatenbau-Gesellschaft m. b. H. in Charlottenburg befindet sich im
Gegensatz zu den bisher besprochenen Motoren das Schwungrad ausserhalb des
Kurbelgehäuses, wobei der Riemenzug c, wie Fig. 53
zeigt, zwischen Lager und Schwungrad verlegt ist. Das Kurbelgehäuse kann hierdurch
entsprechend kleiner und das Gewicht der Schwungscheibe bei gleicher Wirkung dadurch
geringer gehalten werden, dass man ihr einengrösseren Durchmesser gibt, wodurch
nebenbei ein sanfter stossfreier Gang des Fahrzeuges erzielt wird. Ausserdem ist
dieser Motor mit magnet – elektrischer Zündung versehen.
Der kleine Magnetinduktor m, der vorn am Motor sitzt,
wird, wie aus Fig.
54 ersichtlich, durch Zahnrad 8 mittels
Zwischenrad 2 von dem auf der Motorwelle sitzenden
Zahnrad 1 angetrieben, und die Zündung erfolgt durch
den Abreissmechanismus a d (Fig. 53a u. 54). Die
Steuerung desselben geschieht dadurch, dass die Daumenscheibe i bei
jeder Umdrehung gegen den Steuerhebel g (Fig. 54 u.
54a)
schlägt, wodurch dieser der Steuerstange f eine kleine
Drehung verleiht. Dieses hat zur Folge, dass der Abschlaghebel e gegen den Zündhebel b
schlägt, sodass letzterer den Abreisshebel d von dem
Zündstift a abhebt, wobei der Funke überspringt. Um die
Funkenstelle stets rein zu halten, ist der Abreisshebel d federnd gelagert, und der Zündstift a mit
kegelförmiger Anschlagfläche versehen, wodurch stets eine kleine achsiale
Verschiebung des ersteren auf der Kegelfläche stattfindet.
Textabbildung Bd. 318, S. 634
Motor mit magnet-elektrischer Zündung der Progress-Motoren- und
Apparatenbau-Gesellschaft m. b. H.
Mittels der erwähnten Daumenscheibe i wird gleichzeitig
das Auspuffventil durch Hebel k und Stange h gesteuert. Die Ingangsetzung des Fahrzeuges ist die
allgemein übliche. Um die Tätigkeit des Motors zeitweilig zu unterbrechen, genügt
auch hier ein leichtes Anziehen des Bremshebels, wodurch derselbe eine kleine, am
Lenkstangenschaft sitzende Feder der Ausschaltvorrichtung berührt, sodass die
Zündungen sofort aussetzen und das Fahrrad eine langsamere Geschwindigkeit annimmt.
Beim Freigeben des Bremshebels setzen die Zündungen sofort wieder ein. Die
Fahrgeschwindigkeit kann bis zu 60 km i. d. Stunde gesteigert werden. Das
Gesamtgewicht des Fahrzeuges beträgt etwa 42 kg.
Textabbildung Bd. 318, S. 634
Fig. 55. Anordnung des magnet-elektrischen Zündapparates.
Ebenfalls magnet – elektrische Zündung, jedoch ohne Abreissmechanismus und in anderer
Anordnung, verwenden jetzt lieben ihrer Batteriezündung auch die Neckarsulmer Fahrradwerke. Statt des Mittelrades ist
hier eine Kette mit Schutzgehäuse (Fig. 55)
vorgesehen. Dieselbe treibt durch ein ausserhalb der Motorriemenscheibe gelagertes
Kettenrad, das halbsoviel Zähne wie dasjenige des am Sattelstüzrohr sitzenden
Magnetapparates hat, den letzteren an. Die Transformatorspule ist in einem
Holzkästchen innerhalb des Benzinbehälters untergebracht.Die Regulierung der
Zündung ist dieselbe wie bei der Batteriezündung.
Bei diesem Zündapparat (System Eisemann), welchen Fig. 56 mit abgenommener Schutzkapsel zeigt, war der
Grundgedanke massgebend, die Vorteile der „magnet-elektrischen-“ und die der
Akkumulatorenzündung miteinander zu vereinigen.
Wie Fig. 57 zeigt, besteht der Apparat aus zwei
getrennten Teilen, und zwar dem Magnetinduktor m und
der Transformatorspule i.
Ersterer ist eine gewöhnliche Wechselstrommaschine, in deren Anker a Stromstösse von niedriger Spannung erzeugt, und dann
in die primäre Wicklung p der Transformatorspule i geleitet werden.
Um nun die zum Ueberspringen der Zündfunken an der Zündkerze b nötige hohe Spannung in der sekundären Wicklung s zu erzielen, wird im Augenblick des Zündzeitpunktes der für gewöhnlich
bestehende Kurzschluss k des Ankers durch die Nocken
der Scheibe n aufgehoben. Hierdurch fliesst der in
diesem Augenblicke in der Ankerwicklung entstehende Selbstinduktionsstrom zusammen
mit dem Ankerstrom durch die primäre Wicklung p der
Spule i, und erzeugt in der sekundären Wicklung s
hinreichende Spannung zum Ueberspringen des Funkens bei b.
Durch das passend gewählte Verhältnis der Wicklungen p
und s der Transformatorspule entsteht ein heisser,
flammiger Funke, welcher auch bei hoher Kompression im Zylinder genügend Spannung
besitzt, um stets sicher und genau bei der gewünschten Kolbenstellung
überzuspringen, was auf die Nutzleistung, wie Versuche erwiesen haben, von
wesentlichem Einfluss ist.
Textabbildung Bd. 318, S. 634
Fig. 56. Magnet–elektrischer Zündapparat (System Eisemann).
Ein grosser Vorzug dieser Zündung ist der, dass, wie eingangs erwähnt, in der
Ankerwicklung nur Ströme niedriger Spannung kreisen, während die Erzeugung der zum
Ueberspringen der Funken nötigen hohen Spannung in die leicht und sicher zu
isolierende Spule i verlegt ist.
Durch diese Anordnung wird das bei der gewöhnlichen magnet-elektrischen Zündung schon
beobachtete, durch die Schwierigkeit einer sicheren Ankerisolation für hohe
Spannungen bedingte, häufige Durchschlagen der Ankerwicklung vermieden.
Textabbildung Bd. 318, S. 635
Fig. 57. Schaltungsschema zum magnet-elektrischen Zündapparat von
Eisemann.
Die Verstellung des Zündzeitpunktes, zum Zwecke der Vor- oder Nachzündung erfolgt in
der Weise, dass die Stellung der Induktorwelle gegenüber derjenigen der Kurbelwelle
in bekannter Weise vom Sattel aus mittels Handgriff und Stängchen s (Fig. 56) geändert
wird.
Zu erwähnen ist noch, dass hier keine besonderen Zündkerzen nötig sind, sondern jede
im Handel befindliche Kerze ohne weiteres verwendet werden kann. –
Textabbildung Bd. 318, S. 635
Fig. 58. Schaltungsschema zum magnet-elektr. Zündapparat von Bosch.
Bei der in Fig. 58 dargestellten Boschzündung wird in der Wicklung a des Ankers ein elektrischer Strom dadurch erzeugt,
dass in der gezeichneten Ankerstellung das Ankereisen, das vorher in bestimmter
Richtung magnetisiert war, schnell umpolarisiert wird, wodurch die Anzahl und
Richtung der durch den Anker und dadurch auch durch die Wicklung gehenden
magnetischen Kraftlinien sehr schnell geändert werden.
Textabbildung Bd. 318, S. 635
Fig. 59. Motorzweirad von Rinne.
Wird nun ein Teil der Ankerwicklung vor Beginn der Induktion kurz geschlossen, so
fliesst in diesem Teil, der geringen Ohmschen Widerstand besitzt, während der
Induktion ein kräftiger Strom, der seinerseits im Ankereisenein zweites
magnetisches Feld hervorruft, welches das Umpolarisieren verzögert. Unterbricht man
jetzt diesen Stromkreis im geeigneten Augenblick, so verschwindet das von dem Strom
hervorgerufene magnetische Feld. Hierdurch tritt im Anker ein so plötzlicher
Kraftlinienwechsel ein, dass durch den hervorgerufenen Induktionsstoss die Spannung
an den Enden der Ankerwicklung so hoch steigt, dass an der Zündkerze ein Funke
überspringt, welcher den bisher offenen Stromkreis schliesst und die Bildung eines
Lichtbogens ermöglicht. Es wird also bei dieser Zündung die hohe Spannung, welche
zum Durchschlagen der Luftstrecke an der Zündkerze erforderlich ist, in der
Ankerwicklung selbst durch einen Induktionsstoss, ohne Zuhilfenahme einer
Transformatorspule erzeugt.
Wie aus dem Schaltungsschema (Fig. 58) zu ersehen ist,
ist der Anfang der Ankerwicklung a mit dem Ankerkörper
leitend verbunden. Nach einigen Lagen dickeren Drahtes ist eine Abzweigung gemacht,
welche durch die Leitung b mit der vom Apparat
isolierten Kontaktschraube c in Verbindung steht. Gegen
diese Schraube c legt sich der mit dem Ankerkörper in
Verbindung stehende Hebel d, sobald er durch die
Unterbrecherscheibe e freigegeben wird. Im geeigneten
Augenblick wird der Hebel d durch die Scheibe e von der Kontaktschraube c entfernt und dadurch der Stromkreis unterbrochen. Parallel zur
Unterbrechungsstelle ist der Kondensator f
geschaltet.
Der zweite Teil der Wicklung, aus dünnerem Draht bestehend, ist unmittelbar an den
ersteren Teil angeschlossen und bildet so eine Fortsetzung desselben. Das Ende der
dünnen Wicklung ist in entsprechender Weise mit dem isolierten Stift der Zündkerze
verbunden, während der Körper der Kerze durch den Motor und den Apparat mit dem
Ankerkörper Verbindung hat.
Auf diese Weise ist es also möglich, dass sowohl der hochgespannte Strom, welcher den
Lichtbogen einleiten soll, als auch der zur Speisung des letzteren dienende Strom in
einer und derselben Wicklung erzeugt wird, und hierdurch ist es auch bedingt, dass
nicht nur ein Induktionsfunke wie bei der Batteriezündung entsteht, sondern ein sehr
heisser lichtbogenartiger Funke, wie man ihn nur bei der Abreisszündung zu sehen
gewöhnt ist. Die Wirkung dieses Funkens ist deshalb auch eine ganz andere, als bei
der Batteriezündung. Sobald Oel an die Uebergangsstelle gespritzt wird, verbrennt
dasselbe mit helleuchtender Flamme.
Textabbildung Bd. 318, S. 635
Fig. 60. Magnet-elektr. Zündung von Rinne.
Der Umstand, dass die gewöhnliche Zündkerze mit einer Uebergangsstelle in kurzer Zeit
stark abgenützt wird, machte es erforderlich, neue Kerzen mit mehreren
Uebergangsstellen zu verwenden, sodass die Abnützung sich auf diese verteilt.
Die Isolation der Kerze erfolgt durch Glimmer, während die Zentrierung des
isolierten Stifts durch Specksteinkonusse erfolgt.
Die Verstellung des Zündzeitpunktes wird hier durch Verstellen des Unterbrechers
ebenfalls mittels Hebel vom Sitze des Fahrers aus am Apparat selbst vorgenommen.
R. Rinne in Hamburg baut bei seinem Motorzweirad (Fig. 59) den magnet-elektrischen Zündapparat (D. R. G.
M. No. 185261) so in das Kurbelgehäuse ein, dass alle Teile desselben vor äusseren
Einflüssen geschützt sind. Wie Fig. 60 zeigt, sind
die Magnete e im Innern des auf der Kurbelwelle c befestigten Schwungrades untergebracht.
Der Anker d ist feststehend angeordnet, und zwar, um
möglichst Raum zu sparen, am Schwungradgehäuse f, und
wird von den Magnetpolen umkreist. Natürlich ist der Magnetinduktor durch Abdichtung
gegen das Eindringen von Oel geschützt.
Textabbildung Bd. 318, S. 636
Fig. 61. Vergaser von Rinne.
Die Funkenbildung erfolgt durch Abreissen eines Kontakthebels im Motorkopf. Der
Arbeitsgang ist folgender:
Beim Anlassen des Motors wird die Kurbelwelle wie gewöhnlich durch Hand- oder
Fussbetrieb in Umdrehung versetzt, wodurch der elektrische Strom durch die
gleichzeitige Drehung der Magnete e erzeugt wird, und
so das inden Zylinder inzwischen eingetretene explosible Gemisch entzündet.
Versuche, welche dieses Jahr mit diesem Apparat bei einer grösseren Anzahl im
Betrieb befindlicher Fahrzeuge gemacht wurden, sollen günstige Ergebnisse geliefert
haben. Störungen durch mangelhafte Isolation des Ankers sind nicht aufgetreten. Auch
funktioniert der Kontaktgeber an der Zündkerze selbst bei 2000 Umdrehungen noch gut.
Um mehr Schwungmasse und noch intensive Zündung bei geringer Umdrehungszahl zu
erzielen, sind jetzt sechs Magnete in dem Schwungrad angeordnet.
Ebenso einfach ist der Vergaser (D. R. G. M. No. 187417). Bei demselben (Fig. 61) taucht in den Benzinbehälter a das Steigrohr b, welches
durch ein Rückschlagventil f, g, h mit dem Leitungsrohr
c verbunden ist. Letzteres mündet mittels der Düse
d in den Rohreinsatz e1 des Lufteinsaugerohres e. Der Hub der Kugel f des
Rückschlagventils ist durch den Draht g begrenzt, der
von dem mittels Gewinde einstellbaren Ring h getragen
wird.
Die Kugel wird bei jeder Ansaugperiode gehoben, und schliesst, nachdem sie die
erforderliche Menge Flüssigkeit in das Rohr c
durchgelassen hat, wieder ab. Die Flüssigkeit tritt jetzt, durch die Düse d zerstäubt in das Lufteinsaugrohr e ein, und vermischt sich innig mit der eingesaugten
Luft. Zur Regulierung des richtigen Gemisches ist, wie Fig.
62 zeigt, oben am Vergaser eine Trommel mit seitlichen Löchern angebracht,
welche durch Drehung verstellt werden kann. Der Kopf, auf welchem Sich diese Trommel
dreht, hat keilförmige Schlitze, über die sich die Luftzulasslöcher der Trommel
hinwegbewegen. Je nach der Drehung der Trommel kommen deren Löcher auf breitere oder
schmälere Teile der Schlitze zu liegen, und regeln so den Luftzulass. Dieser Apparat
vergast in gleicher Weise Benzin, Gasolin, Spiritus, sowie Erdöl.
Textabbildung Bd. 318, S. 636
Fig. 62. Motor mit Vergaser von Rinne.
Der Motor leistet 1 ½ PS und verleiht dem Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 30 – 40
km in der Stunde. Steigungen bis zu 1 : 10 werden ohne Hilfe der Pedale
überwunden.
(Fortsetzung folgt.)