Titel: | Die künstliche Kälte im Handel und Gewerbe. |
Autor: | W. M. Lehnert |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 694 |
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Die künstliche Kälte im Handel und
Gewerbe.
Von W. M. Lehnert.
(Schluss von S. 638 d. Bd.)
Die künstliche Kälte im Handel und Gewerbe.
Künstliche Kälte in der heute allgemeinen Form, also nicht als Eisersatz (nach
Carré) oder kalte Luft (nach Windhausen usw.) finden wir erstmalig mit der im Jahre
1875 in der Brauerei von Gabriel Sedlmayr in München
zum Ersatze des „Manipulationseises“ für die Würze- und Gährbottichkühlung
dem Betriebe übergebenen Linde anlage und hierdurch
zunächst die Bedienung dieser Apparate mit maschinell auf 0-1 Grad C. gekühltem
Zirkulationswasser, anstatt Eis, in die Brauerei eingeführt (Fig. 5). Im Jahre 1876 trat hierzu die erste Abkühlung
untergähriger Gährkeller mittels maschineller Ventilation der in besonderen Kammern
gekühlten Kellerluft, 1880 die erste der heute ebenfalls noch üblichen
Gährkellerkühlanlagen, jene, bei denen über den Gängen von kalter Soole
durchflossene Rohrsysteme auf gehängt sind, und Ende 1881 die Lagerkellerkühlung
nach demselben System (Fig. 6). womit der Bann
gebrochen war und das Braugewerbe vom Saisonbetriebe zum ständigen Betriebe
übergehen konnte.
Textabbildung Bd. 318, S. 694
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 318, S. 694
Fig. 6. Lagerkellerkühlung.
Fig. 7 veranschaulicht die Kühlanlage der Brauerei Marienthal, Wandsbeck, und ist u.a. aus den
Plänen auch ersichtlich, in welcher Weise durch Benutzung der jetzt nicht mehr
erforderlichen Eiskeller als Lagerkeller ohne besondere Kosten eine bedeutende
Steigerung der Produktion, sowie eine Verbesserung der Luftverhältnisse erreicht
worden ist.
Die Annehmlichkeiten, welche die Verwendung künstlicher Kälte zu bieten
vermochte, auch auf andere Industriezweige auszudehnen, ging damit Hand in Hand und
finden wir namentlich all die Gewerbe, welche sich mit der Aufbewahrung von Lebens-
und Genussmitteln befassen, immer mehr und mehr die Konservierung durch Eis
verlassend und zur maschinellen Kälte übergehend. Und dies mit Recht, da
erfahrungsgemäss Eiskühlung nasskalte Raume ergibt, in ihnen Fleisch- und Esswaren
feucht, schlüpfrig und schimmlig werden und nur die künstliche Kälte die Möglichkeit
gewährt, die vor allem erforderliche reine, gute, möglichst bakterienfreie Luft von
bestimmter Feuchtigkeit zu erzeugen, resp. durch die Temperaturerniedrigung und
Beseitigung der überschüssigen Luftfeuchtigkeit den vorhandenen Mikroorganismen den
zu ihrer Weiterentwicklung nötigen feuchten Nährboden zu entziehen, sie in ihrer
Vermehrung wirksam zu hindern.
Nach dem Systeme der indirekten Verdampfung, jener der Anordnung von von kalter Soole
durchflossenen Rohrsystemen, wurden auch hier die ersten Kühlhallen herstellt, doch
konnte man bald erkennen, dass damit die Nachteile der Eiskühlung nur wenig
vermieden wurden. Der Grund war zu hohe Feuchtigkeit der Raumluft, und ein
vorteilhafter Betrieb derartiger Anlagen erst möglich, seitdem man die Raumluft in
besonderen Apparaten kühlte und entfeuchtet dem Raume überwies.
Die gebräuchlichsten Apparate zur gleichzeitigen Erniedrigung der Temperatur und des
Feuchtigkeitsgehaltes sind Einrichtungen, bei denen Luft an kalten Rohren
hinstreicht, oder solche, bei denen Luft mit gekühlter Flüssigkeit selbst in
Berührung kommt, Röhrenluftkühler und Salzwasserluftkühler. Röhren luftkühler sind
analog dem Kühlsysteme in Gähr- und Lagerkellern konstruiert, Salzwasserluftkühler
teils als Regenapparate, teils als Apparate mit beweglichen Oberflächen ausgeführt,
und wird in jedem Falle mittels Ventilatoren und entsprechend verlegten Kanälen die
zu kühlende und zu reinigende Luft zu und von den Kühlern befördert.
Am meisten Verbreitung gefunden haben von diesen Konstruktionen die Luftkühlapparate
mit beweglichen Oberflächen, die Lindeschen
Scheibenkühler (Fig. 9) (siehe hierzu die Fig. 8, die Fleischkühl- und Eiserzeugungsanlage der
Stadt Mainz) und tauchen hier gruppenweise auf drehbaren wagerechten Achsen sitzende
Blechscheiben zu je ⅓ die gekühlte Salzlösung ein, während der übrige Teil mit
seinem dünnen Ueberzuge kalten Salzwassers der Luftkühlung, Reinigung und
Entfeuchtung dient. Bei den Regenluftkühlern (Fig.
10) wird die von dem Ventilator angesaugte Luft durch einen Salzwasserregen
hindurchgedrückt, welcher im Sinne der Fig. 9, oder
in ähnlicher Weise, über etagenförmig angeordnete Bleche usw., herabfällt. Bei den
Röhrenluft-kühlem, den sogenannten trockenen Luftkühlapparaten (Fig. 11), findet die Bindung der Wärme durch direkte
Verdampfung des Kälteinediums oder Zirkulation kalten Salzwassers in dem Röhren
Systeme statt.
Inbezug auf ihre Anwendungsfähigkeit gilt im grossen und ganzen nasse Kühlung für
kontinuierlichen, trockene Kühlung für unterbrechbaren, z.B. Tagesbetrieb und zwar
deshalb, weil bei dem trockenen Kühler der aus der Luftfeuchtigkeit sich bildende
Eisansatz den Wirkungsgrad so herabdrückt, dass Weiterarbeiten ohne vorheriges
Abtauen
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Fig. 7. Kühlanlage in der Aktien-Brauerei Marienthal zu Wandsbeck. Ausgeführt
von der Gesellschaft für Lindes Eismaschinen A.-G. Wiesbaden
Schnitt durch die Keller; Grundriss
der Keller; Schnitt durch den Generatorraum; Grundriss der Maschineanlage;
Schnitt durch den Maschinenraum.
zwecklos wäre; bei Tagesbetrieb mit Abtauenlassen während
des nächtlichen Stillstandes der Anlage. Hilfsmittel, um einen trockenen Kühler für
kontinuierlichen Betrieb einrichten zu können, sind nach einem Linde-Patent temporäre Umwandlung eines Teiles
desselben in einen Kondensator, oder, nach Fixary,
Anlegen des Kühlers in zwei gleich grossen Abteilungen, von denen immer die eine in
Betrieb ist, während die andere abtaut; Nachteile dieser Anordnungen sind im ersten
Falle etwas komplizierte Leitungen, im zweiten Falle dieses und doppelte
Anlagekosten.
Von den nassen Luftkühlern sind die Scheibenkühler den Regenapparaten vorzuziehen und
zwar deshalb, weil bei ihnen das kalte Salzwasser in dünner Schicht fest an den
langsam rotierenden Flächen haftet und Mitreissen von Wasser in die Kühlhalle nicht
möglich ist. Unbequem ist in allen Fällen, wo Luft in unmittelbare Berührung mit
kalter Soole kommt, die durch die Absorption der Luftfeuchtigkeit herbeigeführte
Verdünnung der Salzsoole; jedoch ist deren Konzentration durch Eindampfen oder
Zufuhr frischen Salzes leicht möglich.
Fig. 12-14 geben
Nachbildungen etlicher Kulturplatten, welche gleich lange vor und hinter einem Lindeschen Scheibenluftkühler und in der Kühlhalle
eines städtischen Schlacht- und Viehhofes ausgelegt waren und dürften Erklärungen
dazu wohl überflüssig sein. Nicht grossgezogen werden soll mit dieser
Bakterienfurcht, da er-fahrungsgemäss bei richtiger Regulierung der Temperatur und
Luftfeuchtigkeit im Kühlraume Mikroorganismen sich nicht weiter entwickeln können
und die durch die Nase wahrnehmbare Luftverschlechterung sonstiger guter
Beschaffenheit nachteiliger auf die Ware ist, als das Dokument auf der
Kulturplatte.
Während in überseeischen Ländern Stätten für Aufstapelung von Lebens- und
Genussmitteln in grossem Umfange dem Handel und Gewerbe dienstbar sich erweisen,
finden wir in Deutschland ausser Fleischkühlhallen in Verbindung mit Schlachthöfen,
neben den Kühlhäusern in Berlin, Hamburg, Köln und Leipzig, wenig Hervorragendes und
sind wohl namentlich die Zoll Verhältnisse die Ursache dafür, dass bei uns nicht,
wie beispielsweise in England, Unternehmungen entstehen, deren Zweck die Versorgung
weitester Volkskreise mit billigem Fleische aus transatlantischen Ländern ist. Nicht
richtig ist der Satz von der Minderwertigkeit derartigen Fleisches, im Gegenteil,
gefrorenes Neuseeländer Hammelfleisch ergab höheren Nährwert und bessere
Verdauung,als frisches englisches Hammelfleisch, und die zur Zeit auf dem
Festlande herrschende Abneigung dürfte damit zu erklären sein, dass das grosse
Publikum in dem beim unrichtigen Auftauen möglichen Abfliessen von Fleischsaft
fälschlicherweise einen Zustand ersieht, welcher mit dem identisch sei, welchen auf
Eis aufbewahrtes Fleisch annimmt.
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Fig. 8. Fleischkühl- und Eiserzeugungsanlage auf dem Schlachthofe der Stadt
Mainz. Geliefert von der Gesellschaft für Linde's Eismaschine A.-G.,
Wiesbaden
a, b) Marktställe für Grossvieh. c)
Kälber und Hammelhalle. d) Weichenwärter. e) Börsengebäude mit Gasthof. f)
Betriebsgebäude (Kasse und Wohnung). g Betriebsgebäude (Amtszimmer des
Vorstehers, darüber Wohnung). h) Schlachthallen. i) Markthalle für Schweine. k)
Schlachthalle für Schweine, l) Vorkühlraum. m) Kühlhaus, m) Maschinenhaus,
darüber Wohnung des Maschinisten und Heizers, im Kellergeschoss Pumpen und
elektr. Beleuchtung, o) Betrietsnebengebäude. p) Pferdeschlächterei, q)
Krankenschlachthaus. r) Krankenstallung. s) Pferdestallung. t) Gebäude für Fett,
Häute usw. u) Schlachtstallungen, v) Feine Kuttelei, w) Grobe Kuttelei. x)
Düngerhaus. y) Kesselhaus, z) Wasserturm.
Als Vorboten für Aufklärung auf diesem Gebiet betrachten können wir die immer weitere
Kreise ziehende Einfuhr von Fischen nach dem Inlande und wird bei den geradezu
unerschwinglichen Fleischpreisen der Standpunkt, dass unsere Fleischnahrung zu
Gunsten einzelner nur der eigenen Zucht entnommen werden dürfe, mit Recht über kurz
oder lang der Allgemeinheit geopfert werden müssen.
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Fig. 9. Lindescher Scheibenluftkühler.
Uebersehen wird dabei stets, dass überseeisches Vieh durchschnittlich einen höheren
Gesundheitsgrad aufweist, als unser im Stalle gezogenes Produkt, für den Export nur
bestes Rohmaterial verwendet werden kann und in den Exportschlächtereien und
Gefrieranstalten, infolge der herrschenden peinlichsten Sauberkeit und schärfsten
Kontrolle, Unregelmässigkeiten ebenso ausgeschlossen sind, wie bei uns sog.
Pantschereien in halbwegs anständigen Brauereien. Immer werden die für den Versand
bestimmten Tiere vor dem Gefrieren sorgfältig ausgewählt, geschlachtet, untersucht,
nach Grösse und Beschaffenheit geordnet, hierauf in Kühlräumen in 24 Stunden auf 1
Grad gekühlt und dann erst bei Temperaturen von etwa minus 10 Grad gefroren,
welcheVornahme bei Hammeln 2-3, bei Rinder viert ein 3 ½-5 Tage dauert. Nach
dem Gefrieren werden die Körper, um Beschädigungen zu vermeiden, in Säcke eingenäht
und derart präpariert, in Lagerräumen bei Temperaturen von minus 5 bis minus 6 Grad
so lange anfgestapelt, bis die entsprechenden Dampfer für ihre Ueberführung
sorgen.
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Fig. 10. Regenluftkühler.
a. Kalte Luft. b. Warme Luft. c.
Salzwasserzuleitung.
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Fig. 11. Röhrenluftkühler.
Die Abbildung (Fig. 15) zeigt den Transport von
Fischen und hat sich für kleinere Sorten als das Beste erwiesen, die Fische sofort
nach dem Fange sauber zu waschen, unausgenommen in der veranschaulichten Weise in
galvanisierte Eisenblechtröge zu packen und gefrieren zu lassen. Zweckmässige
Temperaturen sind für den Gefrierraum minus 15 Grad bis minus 20 Grad, für den
Lagerraum minus 8 Grad bis minus 10 Grad. Bei Temperaturen von über minus 6 Grad
sollen die Fische insofern leiden, als in der Gegend der Leber gelbliche Färbungen
sich bemerkbar machen, welche auf das Platzen der Galle zurückzuführen sind.
Grössere Fische, wie Stör usw., werden in den Gefrierräumen einzeln gefroren, nach dem
Gefrieren in kaltes Wasser eingetaucht und mit dieser Eisschutzschicht versehen, wie
sonstige Güter in den Lagerräumen oder an Bord aufgestapelt (Fig. 16).
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Fig. 12. Kulturplatte aus Luft vor dem Kühler.
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Fig. 13. Kulturplatte aus Luft hinter dem Kühler.
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Fig. 14. Kulturplatte gewonnen in der Kühlhalle.
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Fig. 15. Gefrorene Fische.
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Fig. 16. Lagerraum für Fische im Kühlhause Hamburg.
Von den Landanlagen unterscheiden sich die Kühlmaschinen für Schiffszwecke nur
hinsichtlich ihrer äusseren Gestaltung, und finden wir dort meist das Grundgestell
für Kompressor und Dampfmaschine für Aufnahme des Kondensators eingerichtet. Fig. 17 zeigt hierzu einen Blick in den
Kühlmaschinenraum an Bord des Hamburg – Amerika – Dampfers „Blücher“, und
Fig. 18 Pläne der Fleischkühlanlage an Bord des
Bremer Lloyd – Dampfers „Grosser Kurfürst“.
In demselben Masse, wie der Transport zur See, bricht sich auch das Bestreben, leicht
verderbliche Waren in gekühlten Eisenbahnwagen her anzuschaffen, immer mehr und mehr
Bahn. Unter anderem hat die spanische Gesellschaft für Kühlanlagen mit den
wichtigsten Eisenbahnen jenes Landes Verträge abgeschlossen, wonach sie Kühlwagen
für den Transport von Fleisch, Fischen, Früchten,Gemüsen, Milch usw. zur
Verfügung stellt; woraus eine beträchtliche Steigerung der Ausfuhr nach Frankreich,
England und Deutschland erwartet werden darf. Im Mai v. J. wurde vom russischen
Finanzministerium ein Abkommen behufs Einrichtung direkter Dampferlinien Riga-London
abgeschlossen und angeordnet, dass für den Transport der Güter, wie Butter und
andere ländliche Erzeugnisse des Innern Sibiriens direkte Kühlzüge auf den
sibirischen Bahnen laufen sollten. Fig. 19 zeigt
einen Teil eines derartigen Zuges nach dem System Linde-Felser. Er besteht ausser der
erforderlichen Lokomotive aus je einem Maschinen wagen und mehreren Kühlwagen, von
denen die Hälfte vor, die Hälfte hinter dem ersteren laufen. Die Kälteverteilung
geschieht vom Maschinenwagen aus nach links und rechts durch die in letzterem
gesondert betriebene Kühlanlage. Die Dauer einer Reise beträgt 21 bis 28 Tage.
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Fig. 17. Maschinenraum an Bord des Dampfers „Blücher“.
Empfindlicher in ihrer Behandlung als Kühlgüter, wie Fleisch, Fisch und
Geflügel, sind Vegetabilien und Eier. Sie verlangen immer, ausser einer ganz
bestimmten Raumtemperatur, peinlichste Erhaltung der Luftfeuchtigkeit, derart, dass
einerseits die aufgestapelte Ware nicht austrocknet, bezw. unscheinbar wird, und
andererseits an ihr Feuchtigkeit sich nicht niederschlägt, weil dadurch Frucht und
Packmaterial feucht und muffig würden und Fäulnis die Folgen wären. An Aepfeln
beobachtet wurde in letzter Zeit vielfach, und namentlich in Amerika, eine
Krankheit, die der Engländer scald (Grind) nennt, und die darin besteht, dass die
Färbung der Frucht allmählich ins dunkelbraune übergeht, die Haut lederartig wird
und Faulen eintritt. Untersuchungen ergaben, dass gute, reife, nicht überreife
Früchte Kühl- am wenigsten befallen wurden, und Temperaturen von minus 0,5 bis 0
Grad C. am vorteilhaftesten sind. Die Lagerzeit beträgt bis 8 Monate.
FürKirschen und Erdbeeren gelten Lagern vor völligem Ausreifen, Verpacken der
unbeschädigten Frucht in Baumwolle bezw. Papierschnitzel, und Temperaturen 0 Grad
bis minus 1 Grad C.; Lagerzeit 4 Wochen. Apfelsinen und Pfirsiche verlangen 2-3 ½
Grad C; Lagerzeit 4 Wochen. Pflaumen und Trauben 3 ½-5 Grad C; Lagerzeit bis 8
Wochen, usw.
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Fig. 18. Fleischkühlanlage an Bord des Bremer Lloyd-Dampfers „Grosser
Kurfürst“. Ausgeführt von der Gesellschaft Linde, Wiesbaden.
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Fig. 19. Kühlzug.
Mit Eiern werden die besten Erfolge dann erzielt, wenn nur frisch gelegtes Material
zur Aufbewahrung kam, dasselbe vor der Einlieferung ohne Anwendung von Feuchtigkeit
gereinigt wurde und in durchaus trockener und geruchloser Verpackung auf kürzestem
Wege zum Kühlhause gelangte. Im Kühlraum (Fig. 20)
selbst soll die relative Feuchtigkeit 70 bis 80 v. H. und die Temperatur etwa 0 Grad
betragen, bezw. nie 1 Grad über- und bis 1 Grad unterschreiten. Vermieden werden
soll immer Eier ohne allmählichen Uebergang auf höhere Temperaturen unmittelbar vom Kühl- zum
Verkaufsraume zu bringen. Die Lagerzeit beträgt 4-6 Monate.
Bemerkenswert sind auch die Erfolge auf dem Gebiete der Unterdrückung des
Pflanzenwachstums und es ist heute der Kältetechnik eine Leichtigkeit, für Pflanzen
aller Art die Blütezeit ganz nach Wunsch, z.B. in den Herbst, zu verlegen.
Lilienknollen entwickeln sich nach dem Herausnehmen in etwa 20 Tagen zu voller
Blüte.
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Fig. 20. Kühlraum für Eier im Kühlhause Hamburg.
Ausser diesen finden wir künstliche Kälte verwendet in chemischen Fabriken zur
Chlorverflüssigung, für Durchführung von Destillationsprozessen, in Fabriken
ätherischer Oele zur Gewinnung von Blumenextrakt, in Färbereien zur Bereitung kalter
Laugen, welche Stoffen intensiv leuchtende Farben verleihen, zu Brunnenbohrungen in
schwimmendem Gebirge, in Gummifabriken zum Erstarren der Gummimasse, in
Dynamitfabrikenzum Nitrieren, in Paraffinfabriken zur Auskrystallisierung des
Paraffins, in Stearinfabriken zum Erstarren der Stearinkuchen, in Universitäten,
tierärztlichen Hochschulen, öffentlichen Schulhäusern, zur Leichenkonservierung für
Sektionszwecke, in Vergnügungslokalen zur Herstellung künstlicher Eislauf bahnen, in
Wohn-, Geschäftsund Versammlungsräumen zur Herbeiführung ertragbarer Temperaturen,
in Weinkellereien zur Konzentration der nicht transportfähigen südlichen Weine
(statt Zusetzung von Alkohol), zur Entfernung des bei der Flaschengährung gebildeten
Trübes in Schaumweine (sog. Degorgieren), zur Raumkühlung bei der
Melasseentzuckerung u.s.w., und geben wir uns der angenehmen Hoffnung hin, mit
vorstehendem ein Geringes zum Verständnis dieser jungen Technik beigetragen zu
haben.