Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 765 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung von S. 683 d. Bd.)
Neuerungen an Fahrrädern.
II. Antrieb.
a) Tretkurbellager.
Einer der wichtigsten Teile des Fahrrades ist das Tretkurbellager; von
seiner Konstruktion und Einstellung ist der leichte und zuverlässige Lauf, sowie
die Lebensdauer der Maschine zum grossen Teil abhängig. Die ungünstige und hohe
Beanspruchung dieses Lagers durch das wechselseitige Treten des Fahrers bewirkt,
dass an diesem Teil der Maschine die meisten Störungen vorkommen. Es ist daher
von grosser Wichtigkeit, dass das Tretkurbellager nicht allein richtig in bezug
auf seine Beanspruchung und auf leichten Lauf, sondern auch derartig konstruiert
ist, dass das Nachsehen md Reinigen, sowie seine Einstellung so leicht und
einfach sind, dass jeder Fahrer imstande ist, solche Arbeiten überall selbst
auszuführen.
Der grösste Nachteil der älteren Tretkurbellager Alte Anordnung des Kettenrades.
bestand darin, dass das Kettenrad ausserhalb der Kugelreihen lag, wodurch die
Kette das Bestreben hatte, der Achse, welche sich auf die Punkte a und b stützen soll,
eine schräge Stellung zu geben (Fig. 99). Die
Achse hebt sich vom Punkt b ab und übt hierdurch
ungleichmässigen Druck auf die Lager aus, womit leicht Klemmungen verbunden
sind.
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Fig. 99. Alte Andordnung des Kettenrades.
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Fig. 100. Neue Anordnung des Kettenrades.
In neuerer Zeit wird das Kettenrad zwischen den Kugelreihen angeordnet (Fig. 100). Der Kettenzug verteilt sich hierdurch
auf beide Lagerstellen, und zwar auf dieselbe Seite, und zugleich wird der
Antrieb regelmässiger auf das Treibrad übertragen. Infolgedessen ist auch der
Lauf des Fahrzeuges leichter als bei der alten Anordnung; der Unterschied soll
bis zu 10 v. H. betragen.
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Fig. 101. Kugellaufring.
Um nun auch noch das gegenseitige Reiben und Schleifen der Kugeln zu verhindern,
verwenden alle bedeutenden Firmen Kugellaufringe nach Fig. 101. Dieser Ring, der sich gleichzeitig mit den Kugeln dreht,
ist aus Stahlblech gepresst und so konstruiert, dass die Kugeln die ihnen
angewiesenen gegenseitigen Entfernungen nicht verändern können, trotzdem aber in
ihrer freien Bewegung in keiner Weise gehindert werden.
Ein weiterer Vorteil des Kugelringes ist der, dass beim Auseinandernehmen des
Lagers die Kugeln aus demselben nicht herausfallen können. Die Anbringung
solcher Laufringe zeigt Fig. 102 an dem
Tretkurbellager der „Brennabor“-Räder.
Dasselbe gestattet zum Unterschiede von den bisher gebräuchlichen Systemen bei
gleicher Achsenlänge eine um 20 mm breitere Kugellaufbasis. Sie soll dem
seitlichen Druck besser widerstehen, der durch das fortgesetzte abwechselnde
Treten auf das Lager ausgeübt wird. Die Kurbel am Kettenrade ist zu einer über
das Lagergehäuse greifenden, glockenförmig vertieften Scheibe ausgebildet, an
der das Kettenrad leicht abnehmbar befestigt ist.
Gebr. Nevoigt in Reichenbrand-Chemnitz machen bei
ihrem Glockenlager (Fig. 103) die Achse
zweiteilig, sodass je eine Hälfte samt der Tretkurbel ein Stück bildet. Die
Achshälften greifen keilförmig ineinander und werden vonder Hülse a, deren Enden die Konen b bilden, umschlossen und vermittelst einer durchgehenden Schraube mit
Linksgewinde fest zusammengehalten.
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Fig. 102. Tretkurbellager der Brennabor-Fahrradwerke, Gebr.
Reichstein.
Die Bielefelder Maschinen- und Fahrradwerke, A. Göricke in Bielefeld stellen die ganze Achse mit
der rechten Tretkurbel aus einem Stück her (Fig.
104). Die linke Kurbel wird mittels Mutter so fest auf den
sechskantigen Zapfen am freien Ende der Achse aufgepresst, dass ein Verschieben
oder Lockern ausgeschlossen ist.
In recht einfacher Weise wird das Lager der Mars –
Fahrradwerke A.-G. in Doos bei Nürnberg,
ohne die Tretkurbel abzunehmen, nachgestellt und gesichert.
Wie Fig. 105 zeigt, ist zu diesem Zwecke in der
Kurbel eine Fixierschraube a vorgesehen. Diese wird
zwecks Nachstellung des Lagers gelöst, und sodann der Konus e mittels des Ringes b
etwas gedreht, und zwar so weit, bis die Fixierschraube in dem nächsten Loch
desselben zu stehen kommt. Beim Zerlegen des Lagers wird die Gegenmutter c gelöst, und sodann der Stift d herausgeschraubt (D. R.-P. 134885).
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Fig. 103. Tretkurbellager von Gebr. Nevoigt.
Denselben Zweck erreichen die Herkules-Fahrradwerke A.-G. in
Nürnberg durch folgende Anordnung. Die linke Kurbel ist mit einer niedrigen
Glocke a (Fig. 106)
mit Aussengewinde versehen. Auf letzterer ist der Ring b aufgeschraubt, der die Verlängerung der Glocke bildet, und somit das
Lager abdichtet. Beim Nachstellen des Lagers wird der Ring b von der Kurbel abgeschraubt (punktierte Lage).
Das Lager wird hierdurch blossgelegt, sodass der mit Nuten versehene Konus
mittels Hackenschlüssels nach Belieben eingestellt werden kann (D. R. G. M.
179867).
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Fig. 104. Tretkurbellager der Bielefelder Maschinen- und Fahrradwerke, A.
Göricke.
Trotzdem sich diese Nachstellung der Lager einer grossen Einfachheit erfreut, so
muss doch ein Teil gelöst, und sodann der Konus besonders verstellt werden. Um
auch noch dieses zu vermeiden, ist bei dem Glockenlager der Mindener Maschinen- und
Fahrradfabrik von Hoppe & Homann in Minden i. W. eine
Schneckenradregulierung vorgesehen. Wie Fig.
107 zeigt, ist in den hohlen Lagerkörper ein Schneckenrad g eingebaut, das durch die Schnecke l gedreht wird. Die Lagerschale c trägt zwei Mitnehmerstifte h, welche durch zwei entsprechende Bohrungen durch
das Schneckenrad g hindurchgehen und beim Drehen
des letzteren die Lagerschale mitnehmen.
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Fig. 105. Tretkurbellager der Mars-Fahrradwerke A.-G.
Das Tretkurbellager der Coronet-Fahrradwerke und Metallindustrie A.-G. in Brandenburg a. H. weicht von den eben
besprochenen dadurch ab, dass es nicht fest mit dem Rahmen verbunden ist,
sondern in das ausgedrehte, am Rahmen sitzende Lagergehäuse hineingeschoben
wird.
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Fig. 106. Tretkurbellager der Herkules-Fahrradwerke A.-G.
Textabbildung Bd. 318, S. 766
Fig. 107. Tretkurbellager der Mindener Maschinen- und Fahrradfabrik, Hoppe
und Homann.
Textabbildung Bd. 318, S. 766
Tretkurbellager der Corona Fahrradwerke und Metallindustrie A.-G.
Zu diesem Zwecke sind die beiden Kugelschalen nach Fig. 108 auf den
einander zugewendeten Seiten zu Zylindern a, b
ausgebildet, die mit ihren Rändern verschraubt sind. Die so gebildete
zylindrische Kapsel wird nun mit der darin befindlichen Achse und den Kugeln in
das Lagergehäuse (Fig. 109)
hineingeschoben. Letzteres ist aufgeschlitzt und wird, um Verschieben der Kapsel
zu verhüten, mit Klemmbolzen c
zusammengezwängt.
Beim Nachstellen dieses Lagers braucht nur die linke Klemmbolzenmutter des
Gehäuses gelöst zu werden; die hierdurch losgewordene linke Kapselhälfte a kann dann mittels Schlüssels nach Bedarf gestellt
werden (D. R.-P. 100596).
Selbst bei grösster Vorsicht kann es vorkommen, dass während der Fahrt im Lager
eine Kugel platzt und die Lauffläche der Konusse beschädigt, sodass das Lager
unbrauchbar wird. Um nun einen auf diese Weise entstandenen Schaden sofort
beheben zu können, ordnen die Bielefelder
Maschinen- und Fahrradwerke nach Fig. 110 Doppelkonusse an. Der beschädigte Konus
wird von der Achse abgeschraubt und umgedreht, sodass die andere Lauffläche in
Anwendung kommt.
Denselben Zweck erreicht W. Lamprecht in Colpin bei
Storkow dadurch, dass er die Kugeln in der Längsrichtung der Achse verschiebt.
Hierzu besitzt die Achse a (Fig. 111) neben den üblichen Gewinden noch mit
Gewinde versehene Verstärkungen b, welche den
Anschlag c für die Kugeln tragen. Dieser Anschlag
ist, um sein Verdrehen auf der Achse zu verhüten, mittels Gegenmutter d gesichert. Die Lauffläche der Kugeln bildet die
Büchse e, die auf die äusseren Gewindeenden fest aufgeschraubt ist. Als
Gegenfläche dient die zylindrische Innenfläche der Nabe g. Den Abschluss des Lagers bildet der durch den Schraubring i gesicherte Schraubdeckel h. Durch ihn tritt die Büchse e hindurch
und wird mittels einer kleinen, durch Gummiring k
und Schraubring l gebildeten Stopfbüchse
abgedichtet (D. R.-P. 126777).
Diese Anordnung gestattet mit Leichtigkeit die Achse herauszunehmen, nachzusehen,
ob Abnutzungen stattgefunden haben, und erforderlichenfalls die Anschläge c ein wenig nach aussen oder innen zu rücken.
Um Verdrehen der Tretkurbeln gegeneinander zu verhüten, schlägt G. Egger in Triest die Anordnung Fig. 112 vor. In die hohle, mit trapezförmigen
Kanälen versehene Kurbelachse w (D. R.-P. 110400)
ragen die ebenfalls hohlen und mit genau. passenden Rippen versehenen
Achsenstümpfe a hinein. Diese sind, um die Kurbeln
gegen Herausfallen zu sichern, bei l geschlitzt,
sodass sie an den Enden genügend radial auseinander federn können, sobald die
konischen Muttern n der Schrauben s angezogen werden, und die ebenfalls konisch
geformten Schraubenköpfe p von innen auf die Lappen
l drücken. Letztere legen sich nun als
Sicherung an die etwas konisch erweiterten Kanäle der Welle w an.
Um nun während des Anziehens der Muttern Drehen der Schrauben s zu verhüten, besitzen deren Köpfe p entsprechend geformte kleine Nasen, die sich in
die freien Nuten zwischen den federnden Lappen l
einlegen.
Bei den kettenlosen Fahrrädern war das grosse Antriebszahnrad bisher neben der
Tretkurbel an derselben Stelle gelagert, an der sich das sonst übliche Kettenrad
befindet. Bei dieser Anordnung war der Druck auf die Lager so ungleichmässig
verteilt, dass neben schneller Abnutzung derselben der Gang des Fahrrades
bedeutend erschwert wurde.
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Fig. 110. Tretkurbellager der Bielefelder Maschinen- und Fahrradwerke, A.
Göricke.
Die Brennabor-Fahrradwerke
von Gebr. Reichstein in Brandenburg a. H. haben nun das Antriebsrad in
die Mitte des Lagers verlegt (Fig. 113) und so
eine günstigere Lagerung für die Kraftübertragung erzielt. Das Hauptzahnrad hat
jedoch bei allen diesen Anordnungen das Bestreben, sein gegenüberliegendes
Uebertragungszahnrad von sich abzudrängen. Hierdurch wird mit der Zeit nicht nur
der Gang erschwert, indem die Zähne nicht mehr genau ineinandergreifen, sondern
die Zahnräder verursachen auch ein unangenehmes Geräusch.
Textabbildung Bd. 318, S. 767
Fig. 111. Lager von Lamprecht.
Um diesem vorzubeugen, ordnen die Wanderer-Fahrradwerke vorm. Winkelhofer & Jänicke in
Schönau bei Chemnitz an Stelle des Kugellagers, welches sich durch die starke
Beanspruchung rasch einläuft und so der Uebertragungswelle etwas Spiel gibt,
wodurch naturgemäss die Zähne etwas ausser Eingriff kommen, an der
Uebertragungswelle unmittelbar am vorderen Zahnrädchen ein nachstellbares
Walzenlager an (Fig. 114).
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Fig. 112. Tretkurbellager von Egger.
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Fig. 113. Kettenloser Antrieb der Brennabor-Fahrradwerke, Gebr.
Reichstein.
Dieses fängt nun den seitlichen Druck statt durch kleine
Druckpunkte, wie ihn die Kugeln bieten, durch 12 mm lange Walzen auf, wodurch
seitliches Ausweichen der Welle verhütet wird. Gegen Vorwärtsgleiten nach dem
Kurbelgehäuse zu ist letztere durch ein mit Kugelring versehenes Widerlager
gesichert, das sich unmittelbar an das vorerwähnte Walzenlager anschliesst.
Ferner wird der Druck, welcher durch das Ineinandergreifen der Zahnräder im
Kurbelgehäuse in der Längsrichtung der Uebertragungswelle entsteht, durch ein
Kugellager von grossem Durchmesser im Gehäuse an der Hinterradnabe unmittelbar
aufgefangen.
Durch diese nach allen Richtungen genau regulierbare sichere Lagerung, welche
jedes Klemmen oder Ecken verhindert, wird ein leichter und ruhiger Gang
erzielt.
Textabbildung Bd. 318, S. 767
Fig. 114. Kettenloser Antrieb der Wanderer-Fahrradwerke, vorm. Winkelhofer
und Jänicke.
(Fortsetzung folgt.)