Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 774 |
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Neuerungen an Fahrrädern.
(Fortsetzung von S. 767 d. Bd.)
Neuerungen an Fahrrädern.
b) Verändern der Fahrgeschwindigkeit.
Seit langem ist man bestrebt, Vorkehrungen zu treffen, mit denen grössere Steigungen
des Weges leichter als bisher überwunden werden sollen, so z.B. durch Einschalten
kleiner Uebersetzungen oder durch Anordnung längerer Tretkurbeln. Letztere haben
jedoch den Nachteil, dass besonders kleinere Personen bald ermüden. Dem abzuhelfen,
wurden Tretkurbeln konstruiert, welche sich vermittelst Federn usw. verlängerten und
verkürzten; doch haben sich diese Vorrichtungen im Gebrauch nicht bewährt.
Textabbildung Bd. 318, S. 774
Fig. 115. Tretkurbel mit Pedal von König.
Textabbildung Bd. 318, S. 774
Fig. 116. Gewöhnliche Tretkurbel.
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Fig. 117. Obere senkrechte Stellung der Kurbel von König.
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Fig. 118. Vordere wagerechte Stellung der Tretkurbel von König (grösste
Ausladung).
Textabbildung Bd. 318, S. 774
Fig. 119. Untere senkrechte Stellung der Tretkurbel von König.
Nach langjährigen Versuchen ist es nun F. König in
Hildesheim gelungen, eine Tretkurbel herzustellen, die obigen Anforderungen
entspricht. Diese Kurbel ist, wie Fig. 115 zeigt, an
ihrem Ende zu einem Auge ausgebildet, das den Lagerring a aufnimmt. Letzterer bildet mit dem Auge das Kugellager, und wird mittels
Konus und Gegenring in demselben festgehalten. Das Pedal hat eine feststehende
Achse, und ist mit dem Ring verschraubt, sodass es sich, dem Drucke des Fusses
folgend, samt dem Lagerringexzentrisch bewegt, und zwar den Hebel nach vorne
verlängernd, und nach der entgegengesetzten Seite denselben verkürzend. Diese
Exzenterkurbel misst oben 180, vorne bei der grössten Ausladung 210, unten senkrecht
unter der Kurbelachse 180, hinten nach ¾ Umdrehung nur 150 mm, während die z. Zt.
gebräuchliche 170 mm misst. Es wird demnach erreicht, dass die Kurbel an günstigster
Stelle um 40 mm länger wird, also im Verhältnis zur festen Kurbel um etwa 25 v. H.
Trotzdem ist der zurückgelegte Weg, den das Bein beschreibt, nicht grösser, als
derjenige bei der gewöhnlichen Kurbel; das Gewicht des Beines wird deshalb Fig. mit
weniger Kraftverlust gehoben, weil die hebende Kurbel 210, die gehobene 150 mm lang
ist.
Durch eine Stütze, welche sich hinten am Pedal befindet, wird erreicht, dass der
Gegendruck zum vorderen Teil des Pedales geschaffen wird, welcher notwendig ist, um
das Pedal bis auf die grösste Länge des Kurbelauges zu führen: die Kurbel bewegt
sich vorwärts, das Pedal dagegen rückwärts.
Wie Fig. 116 zeigt, erfolgt der Antritt mit der
gewöhnlichen Kurbel
erst Mitte Steigrohr, mit der Steigkurbel aber bereits, wenn die Kurbel oben
senkrecht über der Tretachse auf dem toten Punkt steht (Fig. 117). Mit der linken Kurbel kann ebenfalls noch getreten werden.
Fig. 118 zeigt die rechte Kurbel an günstigster
Stelle, wo die meiste Kraft ausgeübt wird, um 25 v. H. länger. Fig. 119 dagegen zeigt dieselbe in ihrer Stellung
senkrecht unter der Tretachse auf dem toten Punkt. Trotzdem wird mit ihr noch Kraft
ausgeübt und die entgegengesetzte Kurbel ist schon wieder im Antrieb, sodass die
Arbeitsperiode 3/3, bei den gewöhnlichen Kurbeln dagegen nur ⅔ ist. Hat jetzt die Kurbel ¾
ihrer Umdrehung zurückgelegt, so ist, wie Fig. 120
zeigt, ihre Länge 150 mm (also am kürzesten). Auf diesem kurzen Arm ruht jetzt das
Bein, welches gehoben werden muss, während der entgegengesetzte Kurbelarm, auf den
das Bein Kraft ausübt, 210 mm misst.
Lecarme und Michel bringen
in der rechten Tretkurbel eine Vorrichtung zum Aendern der Geschwindigkeit an. Zu
diesem Zweck ist die Kurbel f nach Fig. 121 an ihrem hinteren Ende zu einem mit
Innenverzahnung g versehenen Gehäuse e ausgebildet. Letzteres nimmt eine mit dem Kettenrand
a fest verbundene Platte b auf, durch welche die Achsen d der drei
Planetenrädchen c hindurchgehen. Diese Rädchen c greifen nun einerseits in die Zahnung g, andererseits in den losen, auf Kugeln gelagerten
Zahnkranz i, der eine Verlängerung j trägt.
Textabbildung Bd. 318, S. 775
Fig. 120. Hintere wagerechte Stellung der Tretkurbel von König (kleinste
Ausladung).
Textabbildung Bd. 318, S. 775
Fig. 121. Vorrichtung zum Aendern der Fahrgeschwindigkeit am Tretkurbellager
von Lecarme u. Michel.
Textabbildung Bd. 318, S. 775
Fig. 122. Vorrichtung zum Aendern der Geschwindigkeit am Tretkurbellager v.
Lancelot u. Coste.
Zwecks Veränderung der Geschwindigkeit können die Achsen d mittels k erstens so nach rechts verschoben
werden, dass die Verlängerungen derselben in entsprechende Löcher des Gehäuses e treten und so das Kettenrad a mit der Tretkurbel f kuppeln. Zweitens kann
k nach links bewegt werden, wodurch die Achsen d aus den Löchern des Gehäuses e treten, und so das Kettenrad freigeben. Der Zahnkranz i läuft sich jetzt durch seine Verlängerung j fest, und die Planetenräder c rollen sich auf ihm ab, wodurch eine kleinere Geschwindigkeit als die
beim gekuppelten Kettenrad entsteht.
Vollständig abweichend von dieser Anordnung ist die von Lancelot und Coste. Wie Fig. 122 zeigt, welche wir wie Fig. 121 aus „Le Génie Civil“ vom 21. März 1903
entnehmen, ist mit dem lose auf der Tretkurbelachse drehbaren Kettenrad E ein mit Stiften versehenes Zahnrad A fest verbunden, während neben diesem, eine mit
Löchern versehene Scheibe F fest auf der
Tretkurbelachse sitzt. Das andere Ende dieser Achse trägt ein zweites Zahnrad B.
Parallel hinter der erwähnten Achse ist eine zweite exzentrisch gelagert, und trägt
die Zahnräder D und C. Die
Betätigung geschieht folgendermassen:
In der gezeichneten Stellung sind die Räder A, B, C und
D ausser Eingriff, während die Stifte von A in die Locher der Scheibe F eingeführt sind, sodass das Kettenrad, wie beim gewöhnlichen Fahrrad ein
Stück mit der Tretkurbelachsebildet. Das Umschalten auf die kleine Uebersetzung
geschieht dadurch, dass durch das Stängchen M die
exzentrische Achse so gedreht wird, dass ihre Zahnräder D,
C mit denen A, B in Eingriff kommen, wobei
gleichzeitig durch diese Achse der Kniehebel G, H, J
betätigt wird, letzterer drängt die Scheibe F nach
rechts und löst so die Stiftverbindung mit A. Das
Kettenrad dreht sich jetzt frei auf seiner Achse und erhält seinen Antrieb durch die
Zahnräder B, C und D.
So einfach dieses Getriebe ist, hat es doch den Nachteil, dass sich dessen Zahnräder
gerade an der am meisten dem Staub ausgesetzten Stelle des Fahrrades befinden,
wodurch ein grosser Teil der geleisteten Arbeit verlören geht. Jedenfalls müsste das
ganze in einem dichten Kasten in Oel laufen.
Trotzdem die doppelte Uebersetzung schon einen grossen Fortschritt bedeutet, erwacht
in jedem, welcher deren Vorzüge kennt, der Wunsch nach einer Dreifachen. Die
Zweifache erfüllt wohl die beiden Extreme „Hoch und Nieder“, jedoch fehlt
hier der Mittelweg. Aus diesem Grunde erscheint auch eine dreifache Uebersetzung –
eine sehr hohe, eine sehr niedrige, und eine normale – als ein Bedürfnis.
Dieses ist nun durch das Sturmey-Archer Getriebe (Fig. 123) erfüllt; bei ihm
werden die drei Stadien der Umschaltung mittels der Bowden-Uebertragung (s. D. p. J. S. 670 d.
B.) während der Fahrt von der Lenkstange aus bewerkstelligt. Der Unterschied
zwischen der grössten und geringsten Uebersetzung beträgt etwa 36 v. H. inbezug auf
die grösste, oder etwa 56 v. H., wenn von der niedrigsten aufwärts gerechnet wird.
Der Sprung von der höchsten zur mittleren beträgt etwa 20 v. H. Hier einige
Beispiele der verschiedenen Uebersetzungen:
Textabbildung Bd. 318, S. 775
Fig. 123. Vorrichtung zum Aendern der Geschwindigkeit am Hinterradlager von
Sturmey-Archer.
gering
mittel
gross
49,8
62,2
77,7
57,2
71,5
89,3
64,7
80,8
101,-
Erreicht wird die Veränderung dadurch, dass die Planetenräder g einerseits in die mit der Achse z verbundene Zahnung f,
anderseits in die Innenzahnung h eingreifen. Das
Kettenrad a ist mit dem Teil b und c, der in e Einrückungen trägt, verschraubt. In der gezeichneten Stellung des
Antriebsmechanismus (nach „Le Génie Civil“ vom 28. März 1903) sind die an der
Hülse x sitzenden Planetenräderachsen l unter Spannung der Feder r durch Flansch m mit der Nabe n verkuppelt. Erfolgt jetzt der Antrieb, so nimmt das
Kettenrad a, durch Vermittlung des Ansatzes d und Einrückungen e den
Zahnkranz h mit, der nun seine Umdrehungen auf die
Planetenräder g überträgt, und da deren Achsen l, wie erwähnt, mit der Nabe n gekuppelt sind, so drehen sich auch diese, und nehmen folglich die Nabe
n mit. Diese dreht sich jedoch durch die
Vermittlung des Planetengetriebes langsamerals das Kettenrad, wodurch die
Uebersetzung verringert wird.
Beim Nachlassen des Kettchen y bewegt sich durch den
Federdruck das innere Getriebe nach rechts, wodurch m
und somit die Achsen l von der Nabe entkuppelt werden.
Dagegen tritt jetzt der Teil q des Zahnkranzes in die
Aussparungen k und kuppelt die Nabe mit dem Kettenrad;
die Planetenräder sind jetzt ausser Tätigkeit.
Rückt nun das Getriebe in der Nabe noch mehr nach rechts, so legen sich die Achsen
l in e, und die Nabe
nimmt nicht mehr, wie in den beiden ersten Fällen, den Kranz h, sondern die Achsen l der Planetenräder g mit. Diese übertragen jetzt ihre Bewegungen auf den
Kranz h, welcher dadurch schneller als die Nabe läuft,
und dadurch die Uebersetzung der zweiten gegenüber erhöht.
(Fortsetzung folgt.)