Titel: | Neuere Versuche an Spiritusmotoren. |
Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 806 |
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Neuere Versuche an Spiritusmotoren.
Neuere Versuche an Spiritusmotoren.
Die Versuche, den fast überall bestehenden Notstand der Landwirtschaft zu heben,
den Gegensatz zwischen ihr und der Industrie zu mildern, haben an vielen Orten
gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Regierungen auf die Spiritusmotoren gelenkt. Der
Gedanke war zu verlockend, einerseits der Landwirtschaft zur Ergeuzung der in ihren
Betrieben notwendigen Kraft einen Kraftträger zu zeigen, bei dessen Bereitung in der
Hauptsache landwirtschaftliche Erzeugnisse gebraucht wurden, andererseits durch
Bildung eines Gebietes, an dem beide für die Gesamtheit so wichtigen Stände,
Landwirtschaft und Industrie, gleichmässig stark beteiligt waren, die
widerstrebenden Interessen wenn auch nur in etwas zu versöhnen. Daher die ganz
ungewöhnliche Beachtung, welche in Deutschland der Entwicklung der
Spiritusmotorentechnik seitens der Regierung geschenkt wird, daher die von der
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft veranstaltete Hauptprüfung von
Spirituslokomobilen im Jahre 1902 über die vor kurzem in der Zeitschrift des Vereins
Deutscher Ingenieure ausführlich berichtet wurdeSiehe: E. Meyer Zeitschr. d. Ver. deutsch.
Ing., S. 513., daher auch das internationale Preisausschreiben,
das im Jahre 1901 von dem französischen Landwirtschaftsminister ausging, und dem, da
das erste eine Heine beachtenswerter Erfolge gezeitigt hatte, im Jahre 1902 schon
ein zweites folgte. Ueber die aus diesem letzteren Anlasse vorgenommenen,
eingehenden Versuche berichtet Professor Max Ringelmann
in der Revue de MécaniqueSiehe: Revue de
Mécanique, März 1903.. Seinen interessanten Ausführungen
entnehmen wir zunächst die folgenden Mitteilungen.
Der vom Landwirtschaftsminister berufene Ausschuss setzte in erster Linie den Plan
fest, nach dem die Preisverteilung stattfinden sollte. Er teilte die Motoren in zwei
Abteilungen, von denen die erste ortsfeste Motoren, Lokomobilen und solche Motoren
umfasste, die mit der angetriebenen Maschine zu einem einheitlichen Ganzen vereinigt
waren, während die zweite alle Automobil- und Bootsmotoren in sich schloss. Nur die
der ersten Abteilung wurden einer eingehenden Untersuchung unterworfen. Auch sie
wurden wieder in eine ganze Anzahl Gruppen geteilt, wobei einerseits die
Leistungsfähigkeit des betreffenden Motors, andererseits aber auch das Gewicht des
Motors für eine abgebremste Pferdestärke massgebend war, letzteres mit Rücksicht auf
die Tatsache, die sich bei den Untersuchungen im Jahre vorher ergeben hatte, dass
die sehr leichten, meist nur für Automobile und Boote gebauten, aber auch als
ortsfeste Motoren benutzten, sehr rasch laufenden Maschinen einen ganz beträchtlich
höheren spezifischen Verbrauch an Spiritus zeigen, als die mit normalen
Umlaufzahlenarbeitenden, und dass daher die genannten beiden Arten von Motoren
nicht miteinander verglichen werden können.
Eine sehr bedeutende Anzahl von Motoren war zum Wettbewerb angemeldet, und da nur
sehr wenig Zeit für die Versuche zur Verfügung stand, so war es unbedingt nötig,
dass jeder Motor zu einer festgesetzten Zeit, bestimmt zur Untersuchung bereit
stand. Es wurde daher eine genaue Zeiteinteilung getroffen, und die in den
Wettbewerb eintretenden Firmen wurden, meistens vierzehn Tage bis einen Monat,
vorher, unterrichtet, an welchem Tage und zu welcher Zeit ihr Motor an die Reihe
käme. Motoren, die nicht rechtzeitig für den Versuch betriebsbereit aufgestellt
waren, wurden wenn möglich in eine spätere Versuchsreihe eingeschoben.
Für jede von den 13 Versuchsreihen war eine halbe Woche vorgesehen und diese Zeit
musste in der Weise ausgenutzt werden, wie es aus der folgenden Zusammenstellung zu
ersehen ist.
Erste Reihe
Zweite Reihe
Dienstag: 1 h bis 6 h abends
Freitag: 1 h bis 6 h abends
Ankunft des Mo-tors, Abladen undAufstellung
aufdem Versuchs-platze
Mittwoch: 7 h bis 11 h 12 h „ 6
hDonnerstag: 7 h „ 11 h
Samstag: 7 h bis 11 h 12 h „ 6 hMontag:
7 h „ 11 h
Ingangsetzenund Einregulie-ren durch
dieausstellendeFirma
Donnerstag: 1 h bis 6 h
Montag: 1 h bis 6 h
Versuche derPreisrichter
Freitag: 7 h bis 11 h
Dienstag: 7 h bis 11 h
Abbau und Ab-laden des Motors
Die Versuche, welche an 42 durch 25 verschiedene Firmen ausgestellten Motoren
durchgeführt wurden, dauerten ohne Unterbrechung von Ende März bis zum 12 Mai
einschliesslich; die Schlussversammlung der Preisrichter, in der die Verteilung der
Preise vorgenommen wurde, fand am Montag, den 19. Mai statt und am folgenden Samstag
wurde die Ausstellung dem Publikum geöffnet.
Die Haupthalle der Versuchsstation wurde zum Versammlungszimmer der Preisrichter
umgewandelt, die Versuche fanden in einem Anbau statt, wo genügend Platz vorhanden
war, um 6 bis 8 Motoren aufzustellen, und für die notwendigen Schienen zum Verankern
derselben gesorgt war. Den Ausstellern wurden seitens der Ausstellungsleitung zur
Verfügung gestellt: Wasserzu- und Ableitung, Abgasleitung, Thermometer,
Tourenzähler, Behälter für den Spiritus, Wassermesser, Dynamometer u.s.w. mit einem
Wort alle für die Versuche notwendigen Apparate, mit Ausnahme der Bremszäune, da zu deren
Beschaffung für jeden einzelnen Motor die Zeit fehlte. Diese Vorrichtungen mussten
also die ausstellenden Firmen beschaffen, doch war eine Prüfung der Bremszäune
seitens der Preisrichter ausdrücklich vorbehalten.
Die unmittelbar mit Pumpen gekuppelten Motoren wurden in einem Anbau oder im Hofe
geprüft, wobei sie Wasser auf den dort befindlichen Wasserturm zu liefern hatten,
die Lokomobilen und Dreschmaschinen unter freiem Himmel in dem Garten der
Versuchstation.
Die Einregulierung der Motoren wurde vollständig den ausstellenden Firmen überlassen,
denen überhaupt in jeder Beziehung das möglichste Entgegenkommen bewiesen wurde.
Waren sie rechtzeitig mit ihren Motoren zur Stelle, so konnten sie die oben
angegebene Zeit für ihre Vorversuche benutzen und es wurden die offiziellen Versuche
erst begonnen, nachdem die Erklärung abgegeben war, die Maschine sei vollkommen in
Ordnung. Sodann wurden sofort nach jedem Versuch die hierbei festgestellten Zahlen
und die Ergebnisse der Berechnungen dem Interessenten mitgeteilt, damit dieser, wenn
nötig, irgend welche Bemerkungen hierzu machen könnte.
Neben den Versuchen an den Motoren selbst, wurden Untersuchungen chemischer Natur
vorgenommen, welche sich auf die Zusammensetzung des brennbaren Gemisches und der
Abgase bezogen; die Analysen wurden in einem kleinen neben der Versuchstation
liegenden Laboratorium vorgemommen.
Wenn man die grosse Zahl der zu untersuchenden Motore berücksichtigt, so wird es
verständlich werden, dass neben den 10 Preisrichtern der hier in Frage kommenden
Gruppe von ausgestellten Maschinen noch 13 technisch gebildete Hilfskräfte bei den
Untersuchungen tätig waren.
Da der internationale Wettbewerb nur stattfand, um zur Entwicklung der
Spiritusverwendung beizutragen, so sollten die Ergebnisse der Versuche und somit die
verliehenen Auszeichungen dem Publikum hauptsächlich die Maschinen und Apparate
bezeichnen, bei denen das Brennmaterial am besten ausgenutzt wurde. Das Hauptgewicht
wurde deshalb auf die Verbrauchszahlen an Spiritus und auf das gute Arbeiten der
einzelnen Maschinen gelegt.
Den Fabrikanten war es überlassen, unter 2 Arten Spiritus zu wählen, mit welchem der
Motor arbeiten sollte. Es waren dieses einerseits reiner denaturierter, andererseits
zu 50 v. H. karburierter Spiritus. Zum Karburieren war Benzol benutzt und die
Elementaranalyse ergab die folgende Zusammensetzung für die beiden
Spiritusarten:
In einem Kilogramm waren enthalten
bei reinem, denaturiertenSpiritus
bei zu 50 v. H. karburiertemSpiritus
C
0,4372
0,6899
H
0,1112
0,0948
O
0,3029
0,1477
H
2
O
0,1408
0,0685
Daraus wurde an Hand der Redtenbacherschen Formel
P=7,050\cdot C+34500\,\left(H-\frac{O}{8}\right)=650\ H_2O
der Heizwert P zu 5520,97
Wärmeeinheiten bei dem reinen denaturierten, zu 7453 Wärmeeinheiten bei dem zu 50 v.
H. karburierten Spiritus bestimmt, d.h. der Heizwert des ersteren verhielt sich zu
dem des letzteren wie 0,740 zu 1,000
Eingehende Versuche zeigten nun, dass derselbe Motor, der vom reinen denaturierten
Spiritus für eine bestimmte Leistung 10 kg gebrauchte, unter genau gleichen
Arbeitsverhältnissen zur Entwicklung derselben Leistung 7 kg des zu 50 v. H.
karburierten Spiritus nötig hatte. Es wurden infolgedessen der Einfachheit halber
alle diejenigen Verbrauchszahlen, welche für die erste Sorte Spiritus galten, mit
0,7 multipliziert, um auf diese Weise für alle Versuche einen Vergleich zu
ermöglichen.
Wir müssen es uns leider versagen, die einzelnen Versuche eingehend zu behandeln, und
können hier nur auf die allgemeinen Schlussfolgerungen eingehen, die seitens des
Preisrichterkollegiums aus den zahlreichen Versuchen gezogen wurden. In bezug auf
alle Einzelheiten müssen wir auf unsere Quelle
verweisen: Die Inbetriebsetzung war bei den Spiritusmotoren mit nicht grösseren
Schwierigkeiten als bei Petroleummotoren verknüpft, wenigstens bei Verwendung von zu
50 v. H. karburiertem Spiritus.
Die Auspuffgase hatten keinen unangenehmen Geruchund die Ventile verschmutzten
nicht, sobald der Motor gut einreguliert war.
Bei den schlecht einregulierten Maschinen, welche zu viel oder zu wenig karburierte
Luft verbrauchten, trat unvollkommene Verbrennung ein und bei gewissen Motoren sogar
eine Zersetzung des Spiritus. Diese ist entweder durch zu hohe Temperatur oder zu
hohen Druck im Arbeitszylinder hervorgerufen.
Die Auspuffgase sind stets mehr oder weniger sauer und greifen daher die Ventile an;
es ist deshalb geraten, nach dem Stillsetzen eines Spiritusmotors, namentlich wenn
der Stillstand längere Zeit dauert, Zylinder und Ventile mit Petroleum
einzufetten.
Mit das wichtigste Glied des Spiritusmotors ist der Karburator: von der richtigen
Wahl seiner Abmessungen hängt es hauptsächlich ab, ob die richtige Menge Luft mit
der richtigen Geschwindigkeit in den Motor gelangt, und es ist daher ohne weiteres
klar, dass ein und derselbe Karburator nicht bei verschieden grossen Motoren
verwendet werden kann. Es rührt eben beim Spiritusmotor, wie überhaupt bei den
Verbrennungskraftmaschinen nur davon her, dass eine falsche Luftmenge in den
Zylinder eintritt, wenn eine unvollkommene Verbrennung des Spiritus stattfindet. Die
Versuche haben bewiesen, dass die verschiedenen Konstruktionen sehr verschieden
empfindlich gegen den Eintritt einer falschen Menge Luft sind; als richtig aber hat
es sich bei allen Motoren herausgestellt, das 1,7 fache der theoretisch zur
Verbrennung notwendigen Luft in den Motor einzuführen. Wenn man den Prozentsatz an
unverbrannten Bestandteilen der Abgase als Ordinate, das Verhältnis der wirklich
verbrauchten Luft zu der theoretisch notwendigen als Abszissen für die einzelnen
untersuchten Motoren aufträgt und die so erhaltenen Punkte durch 2 Linien aussen
umschliesst, so zeigt sich dass diese Linien bei der Abszisse 1,7 fast
zusammenfallen, nach beiden Seiten hin jedoch stark divergieren. Zieht man
schliesslich die überall in der Mitte zwischen den beiden Umrahmungslinien liegende
Kurve, so kann man aus dieser unmittelbar ablesen, in wieweit sich durch falsche
Wahl der eintretenden Luftmenge im Mittel der Verbrauch an Brennmaterial unter sonst
gleichen Verhältnissen verschlechtern wird.
Eine wirklich vollständige Verbrennung konnte übrigens in keinem Falle erzielt
werden, geringe Spuren unverbrannter Bestandteile wurden stets in den Abgasen
gefunden.Obige Ausführungen
geben nur ganz kurz einige Ergebnisse der Untersuchungen wieder, die von dem
Mitarbeiter Ringelmanns, Sorel, in dem bereits
genannten, neben der Versuchsstation liegenden Laboratorium vorgenommen
wurden. Wir kommen auf diese noch weiter unten eingehend
zurück.
Bei dem Vergleich der einzelnen zu ein und derselben Gruppe gehörigen Motoren ging
man nun folgendermassen vor:
Textabbildung Bd. 318, S. 806
Fig. 1.
Auf Grund zahlreicher, schon vor diesen Wettbewerb angestellter Versuche war man zu
der Ueberzeugung gekommen, dass sich der Verbrauch an Brennmaterial für jeden
beliebigen Motor feststellen lässt durch die Gleichung: Y = a + b . x, worin Y den
Brennstoffverbrauch bei einer bestimmten Leistung x, a
denjenigen bei Leerlauf des Motors und b einen von der
Natur des benutzten Brennstoffes abhängigen, von der besonderen Konstruktion des
Motors jedoch vollständig unbeeinflussten Koeffizienten bezeichnet. Dabei wächst b mit abnehmendem Heizwert des Brennstoffes. Trägt man
den Verbrauch an Spiritus als Ordinate, die geleistete Arbeit als Abszisse auf, so
ergibt sich demnach, dass der Brennstoffverbrauch bei verschiedenen Leistungen durch
eine gerade Linie dargestellt ist, die auf der Ordinatenachse den Verbrauch bei
Leerlauf abschneidet, und wenn in Fig. 1 z.B. der
Verbrauch an reinem denaturierten Spiritus für einen Motor durch die Linie a' m' dargestellt wird, so bezeichnet a m
denjenigen an zu 50
v. H. karburiertem Spiritus, wobei das Verhältnis der zusammengehörigen Ordinaten
ungefähr 0,7 beträgt. Während nun bei gut einregulierten Maschinen tatsächlich die
beobachteten Verbrauchsziffern annähernd eine gerade Linie bilden, ist es das
Zeichen eines schlecht regulierten Motors, wenn der Verbrauch durch einen geknickten
Linienzug dargestellt wird, also z.B. durch a1, c, d. Bietet
demnach diese Darstellung schon einen Anhalt dafür, ob eine wirklich gute
Einregulierung der Maschine stattgefunden hat, so ist es doch unmöglich, an Hand
derselben den Vergleich zwischen zwei verschieden grossen Motoren zu ziehen und zwar
deshalb, weil der Verbrauch an Brennmaterial für den Leerlauf mit den Abmessungen
der Maschine, also mit der grössten Leistung, für die sie gebaut ist, wächst. Der
spezifische Verbrauch für eine Pferdestärkenstunde aber ist ebenfalls unmittelbar
nicht zum Vergleiche brauchbar, da er aus dem gleichen Grunde abnimmt, aus dem der
Gesamtverbrauch Y mit der Grösse des Motors steigt.
Dagegen ist er mittelbar in folgender Weise als Vergleichszahl brauchbar und auch
benutzt worden: Der spezifische Verbrauch y für eine
Pferdestärkenstunde wird bekanntlich aus dem Gesamtverbrauch Y durch Division durch die Leistung x
gefunden, oder es ist
y=\frac{Y}{x}
Demnach wird unter Berücksichtigung der obigen Gleichung
Y = a +
bx
jetzt
y=\frac{a}{x}+b
Das ist aber die Gleichung einer gleichseitigen Hyperbel oder mit anderen Worten:
trägt man den spezifischen Spiritusverbrauch als Ordinate zu der entsprechenden
Leistung auf, so liegen die für einen bestimmten Motor gefundenen Punkte auf einer
gleichseitigen Hyperbel. Führt man nundieses Verfahren für zwei verschiedene
Motoren aus, so ergeben sich zwei verschiedene Hyperbeln, und derjenige Motor
verdient vor dem anderen den Vorzug, dessen Hyperbel tiefer liegt. So ist es
möglich, zwei Motoren derselben Gattung, deren Leistung aber sehr verschieden von
einander ist, in bezug auf ihren Spiritusverbrauch mit einander unmittelbar zu
vergleichen. Z.B. ist in Fig. 2 der Motor N geringwertiger als der Motor M, da die Punkte, welche den spezifischen Spiritusverbrauch bezeichnen,
bei jenem über, bei diesem unter der Hyperbel hh
liegen. Auf diese Weise wurden die Motoren jeder einzelnen Gruppe unter einander
verglichen und dadurch diejenigen bestimmt, welche eine Auszeichnung verdienten.
Textabbildung Bd. 318, S. 807
Fig. 2.
(Fortsetzung folgt.)