Titel: | Elektrische Zugbeleuchtung. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 17 |
Download: | XML |
Elektrische Zugbeleuchtung.
Von Regierungsbaumeister Hans A.
Martens.
(Schluss von S. 7 d. Bd.)
Elektrische Zugbeleuchtung.
A.
Kull, Elektrotechniker der Schweizerischen Bundesbahnen in
Olten, hat ein System der Einzelwagenbeleuchtung
ausgearbeitet, das von der A.-G. Brown, Boveri &
Co. gebaut wird. Die vollständige Wagenausrüstung nach dem vereinigten
Sammler-Dynamo-System enthält folgende Bestandteile:
1. Eine Nebenschluss-Dynamo besonderer Bauart, die, an dem Wagenuntergestell fest
aufgehängt, von einer Wagenachse mittels Riemen angetrieben wird.
2. Eine Sammlerkette geringer Leistung, die ebenfalls am Wagenrahmen befestigt
ist.
3. Einen Fliehkraftregler, der mit der Dynamo gekuppelt ist und einen
Nebenschluss-Regelwiderstand sowie einen Ausschalter betätigt.
4. Einen selbsttätigen Ausschalter und Kurzschliesser, der bei genügender Ladung der
Sammlerkette und bei geringer Fahrgeschwindigkeit einerseits die Dynamo abschaltet,
andererseits den Widerstand des Beleuchtungsstromkreises verändert, um den Uebergang
von der Maschinen- zur Sammlerbeleuchtung unmerklich zu machen.
5. Einen selbsttätigen Hilfsstromausschalter, der in Abhängigkeit von der
Sammlerspannung einen von der Maschine abgezweigten Hilfsstrom ein- oder ausschaltet
und dadurch den unter 4. genannten Apparat betätigt.
6. Einen ständigen, gleichbleibenden Vorschaltwiderstand im Maschinenstromkreis.
7. Die vollständige Beleuchtungseinrichtung mit den zugehörigen Leitungen,
Sicherungen und Ausschaltern.
Die Dynamo hat eine zur Zuggeschwindigkeit im geraden Verhältnis stehende
Umdrehungsgeschwindigkeit, so dass sie bei 28 km/Std. Fahrgeschwindigkeit etwa 650
Umdrehungen macht, die bei 100 km/Std. bis auf 2320 steigen. Die Lager sind mit
Ringschmierung versehen, die Dynamo ist vollständig eingeschlossen. Um bei
wechselnder Fahrtrichtung stets dieselbe Stromrichtung zu erhalten, kehrt eine
Vorrichtung den Erregerstrom um. Der mit der Dynamo unmittelbar gekuppelte
Fliehkraftregler ist als wagerechter Differential-Federregler ausgebildet und
ebenfalls durch ein Gehäuse staubdicht abgeschlossen, welches zur Schmierung der
Gelenke teilweise mit Oel gefüllt wird. Die Lager haben ebenfalls Ringschmierung.
Bei Veränderung der Umdrehungszahl wird durch die vereinigte Fliehkraft- und
Federwirkung die Reglerhülse verschoben, welche mit Hilfe eines Zahnradsegmentes den
Nebenschluss-Reglerwiderstand W (Fig. 5) und den Ausschalter 5 betätigt: Bei etwa 28
km/Std.
Fahrgeschwindigkeit wird der Ausschalter S geschlossen,
wodurch die Dynamo an das Beleuchtungsnetz und zur Sammlerkette parallel geschaltet
wird.
Die Sammlerkette A besteht entweder aus 9 Zellen
für 18 Volt, oder aus 18 Zellen für 36 Volt Betriebsspannung. Es ist Wert darauf
gelegt, die ganze Kapazität in einer Sammlerkette zu vereinigen, um etwaige störend
wirkende Spannungsunterschiede parallel geschalteter Sammlerketten zu vermeiden. Die
Sammler werden in geladenem Zustand in den Wagen eingesetzt und dann nur zur
Untersuchung alle 3 bis 6 Monate herausgenommen. Das System der Zellen ist
gleichgültig.
Fig. 4 zeigt den Einbau der Dynamo am
Wagenuntergestell.
Fig. 5 zeigt den Fliehkraftregler mit der
Nebenschlussregelung.
In Fig. 6 ist der selbstätige Ausschalter und
Kurzschliesser dargestellt.
Aus Fig. 7 ist die Schaltung der einzelnen Apparate
zu ersehen. Wird bei etwa 28 km/Std. Fahrgeschwindigkeit der Ausschalter S durch den Fliehkraftregler R geschlossen, so betätigt der dadurch geschlossene Stromkreis i2 den selbsttätigen
Ausschalter und Kurzschliesser E, wodurch der
Erregerstromkreis i3
geschlossen wird, so dass die Maschine nun auf Spannung arbeitet; gleichzeitig ist
dadurch auch die Dynamo D an das Netz und parallel zur
Sammlerkette A angeschaltet. Steigt die
Fahrgeschwindigkeit, so wird nach und nach durch den Fliehkraftregler R Widerstand in den Nebenschluss eingeschaltet, so dass
die Spannung der Dynamo trotz erhöhter Umlaufszahl gleichbleibt. Bei sinkender
Geschwindigkeit finden die geschilderten Vorgänge in umgekehrter Weise statt. Die
Spule des selbsttätigen Kurzschliessers E wird vom
Hilfsstrom i2
durchflössen und zieht ihren Eisenkern an, wodurch der Hauptstrom i und der Erregerstrom i3 geschlossen werden. Diese beiden
Stromkreise sind geöffnet, wenn der Eisenkern der Schwere folgend bei stromloser
Spule nach unten sinkt. Gleichzeitig wird bei stromdurchflossener Spule der
gleichbleibende Vorschaltwiderstand K eingeschaltet,
dagegen bei stromloser Spule kurzgeschlossen.
Der Apparat H enthält eine in Stromkreis i4 eingeschaltete Spule
s; dieser ist parallel zur Batterie abgezweigt und
wird bei Schliessen des Ausschalters S durch den
Fliehkraftregler R vom Strom durchflössen. Steigt bei
Tagesfahrten die Spannung der Sammlerkette gegen Ende der Ladung stark an, so wächst
die Stromstärke im Kreise i4 derart, dass die Spule s ihren Eisenkern
anzieht und dadurch den Ausschalter h0 öffnet, wodurch Stromkreis i2 unterbrochen wird. Dadurch wird die
Spule des Apparates E stromlos, ihr Eisenkern fällt ab,
wodurch die Dynamo von den Sammlern abgeschaltet und der Hilfswiderstand K kurzgeschlossen wird. In dem selbsttätigen
Ausschalter H befindet sich der Klinkenmechanismus, der
den Ausschalter h0 in
der ausgeschalteten Stellung so lange festhält, als kein Strom aus den Sammlern
entnommen wird, z.B. bei Tagesfahrten. Erst wenn der Netzschalter F geschlossen wird, wird die Hemmung durch
Elektromagnet M gelöst, wodurch die Dynamo wieder an
die Sammlerkette und auf der Fahrt sofort die ihr entnommene Energie ersetzen kann.
Der Klinkenmechanismus hält mittels einer zweiten Hemmung den Ausschalter h0 in der geschlossenen
Stellung so lange fest, als der Netzschalter F
geschlossen ist. Dadurch wird erreicht, dass die Dynamo so lange nicht von den
Sammlern abgeschaltet werden kann, als dieser Strom entnommen wird. Es findet also
während der Fahrt ein ständiger Ersatz der verbrauchten Sammlerenergie statt.
Textabbildung Bd. 319, S. 18
Fig. 4.
In dem Dynamostromkreis befindet sich der ein für allemal eingestellte
Vorschaltwiderstand Wi; er dient zur Herstellung der geforderten Spannung und dient zum
Ausgleich von Spannungsunterschieden, die trotz schablonenhafter Herstellung der
Dynamos nicht zu vermeiden sind.
Die Firma führt die Beleuchtungsausrüstung für gewöhnlich in zwei Regelgrössen aus,
die sich durch die Höhe der Spannung und durch die Grösse der Sammlerkette und
Dynamo und durch die Bewicklung der Apparate unterscheiden. Die Ausrüstung für 160
Kerzen ist berechnet für eine Spannung von 36 Volt, wobei gleichzeitig 10 Lampen zu
16 Kerzen oder 32 Lampen zu 5 Kerzen brennen können; eine gleichzeitige Anwendung
beider Lampengrössen ist natürlich nicht ausgeschlossen. Die Dynamo leistet etwa 20
Amp. bei 56 Volt Spannung. Die Sammlerkette enthält 18 Zellen mit einem
Entladevermögen von 140 Amp.-Stunden.
Die Ausrüstung für 100 Kerzen wird mit einer Spannung von 18 Volt betrieben und gilt
für 6 Lampen zu 16 Kerzen oder 20 Lampen zu 5 Kerzen. Die Dynamo ist für eine
Stromstärke von etwa 20 Ampère bei 28 Volt Spannung berechnet. Die Sammlerkette
enthält 9 Zellen mit einem Entladevermögen von 140 Ampère-Stunden.
Unterentladungen der Sammler können nur eintreten bei längerer Stromentnahme während
des Stillstandes desWagens. Während des Regelbetriebes ist sie ausgeschlossen.
Eine Ueberladung könnte nur während der Beleuchtungszeit mit dem Unterschied von
Dynamo- und Netzstrom eintreten, wenn nämlich der Verbrauch an Energie während des
letzten Stillstandes schon vor Erreichen des nächsten vollständig ersetzt sein
sollte. Diese Ueberladung mit der geringen Stromstärke ist aber für die Sammler
unschädlich und zulässig. Bei einer beliebig festzusetzenden Höchstspannung der
Sammlerkette wird die Dynamo von jener abgeschaltet, wodurch grössere Ueberladungen
bei Tagesfahrten gänzlich vermieden werden. Andrerseits aber wird eine während der
Fahrt stattfindende Energieentnahme ständig wieder ersetzt, so dass sich die
Sammlerkette stets in vollständig oder nahezu aufgeladenem Zustande befindet und
daher für längere Beleuchtung bei Stillstand betriebsfähig ist.
Die Dynamo arbeitet auf Stromerzeugung, solange Energie verlangt wird und läuft leer,
wenn eine solche nicht nötig ist. Die gesamte Anlage bedarf, einmal eingestellt,
keinerlei Wartung und Aufsicht; sie wird nur bei den vorschriftsmässigen
Untersuchungen der Wagen untersucht und in Stand gesetzt.
Auf den Schweizerischen Bundesbahnen ist neuerdings ein I.–II. Klassewagen mit einer
elektrischen Beleuchtungseinrichtung System Vicarino,
von der Elektrizitäts-Gesellschaft Alioth in
Münchenstein–Basel, ausgerüstet und versuchsweise dem Betriebe übergeben worden.
Die Ausrüstung besteht aus:
1. einer von der Wagenachse mittels Riemen angetriebenen Dynamo.
2. gewöhnlich zwei Sammlerketten.
3. einem Hilfsapparat, der gleichzeitig als Ab- und Zuschalter der Dynamo und
Batterie und als Spannungsregler dient.
Textabbildung Bd. 319, S. 18
Fig. 5.
Die Dynamo hat eine mit der Zuggeschwindigkeit nach Massgabe des
Uebersetzungsverhältnisses des Riementriebs veränderliche Umdrehungszahl. Bei Umkehr
der Fahrtrichtung sorgt eine selbsttätige Vorrichtung für gleiche Richtung des von
der Dynamo gelieferten Stroms. Es werden nämlich die Bürsten durch Reibung auf dem
Stromsammler um 180° in der jeweiligen Drehrichtung bis zu einem Anschlag
mitgenommen, in welcher Endstellung durch Stromschliesser die richtige Schaltung des
Dynamostromkreises geschieht. Die Riemenspannung wird durch das Eigengewicht der
Dynamo und durch eine kräftige Spiralfeder erhalten.
Der Unterschied von den andern Systemen besteht auch hier in der Art und Weise, wie
die Spannung der mit veränderlicher Umdrehungszahl laufenden Dynamo gleichbleibend
gehalten wird. Zu diesem Zweck ist die Magnetwicklung in zwei getrennten Wicklungen
ausgeführt: Die Windungen dicken Drahtes werden von dem die Lampen und die
Sammler speisenden Dynamostrom durchflössen. Die dünnen Drahtwindungen zweigen an
den Hauptklemmen der Dynamo ab und dienen als Nebenschlusswicklungen zur Erregung
der Feldmagnete.
Beide entgegengesetzt gewickelten Wicklungen führen Ströme, die es bewirken, dass
trotz zunehmender Umdrehungszahl der Dynamo ihre Spannung nur unerheblich steigt, da
der erzeugte Hauptstrom die Magnete zu entmagnetisieren sucht, wodurch eine
Schwächung des durch die dünne Erregerwicklung erzeugten Magnetfeldes eintritt.
Bei Fahrtbeginn wird das Feld bei offenem Hauptstromkreis erregt; bei etwa 100
minutlichen Umdrehungen und nachdem die Spannung der Dynamo ein klein wenig höher
ist als die der Sammlerkette, wird durch den selbsttätigen Zuschalter der Stromkreis
zwischen Dynamo und Sammlerkette geschlossen. Gleichzeitig schaltet die genannte
selbsttätige Vorrichtung einen kleinen Widerstand in den Lampenstromkreis, um den
Ueberschuss der Dynamospannung über die erforderliche Betriebsspannung auszugleichen
und so die Lampenspannung gleichbleibend zu erhalten.
Textabbildung Bd. 319, S. 19
Fig. 6.
Obwohl die Ausrüstung auch mit einer Sammlerkette betriebsfähig ist, empfiehlt es
sich aus praktischen Gründen zwei Sammlerketten zu verwenden, wodurch sich
vollständig gleichbleibende Netzspannung erreichen lässt. Es wird die eine
Sammlerkette während der Zeit geladen, in der die andere in Parallelschaltung mit
der Dynamo die Lampen speist.
Der selbsttätige Ab- und Zuschalter besteht aus einer aufrechten Spule mit
magnetischem Kern; die Spule besteht aus zwei getrennten Wicklungen: die dicken
Drahtwindungen werden vom Hauptstrom durchflössenund magnetisieren im selben
Sinne wie der Strom in den dünnen Drahtwindungen, wenn der Strom von der Dynamo zu
den Sammlern fliesst, dagegen im entgegengesetzten Sinne, wenn der Sammlerstrom in
die Dynamo fliessen sollte. Die Wicklung des dünnen Drahtes ist so berechnet, dass
der Eisenkern angezogen wird und den beschriebenen Stromschluss herstellt, wenn die
Dynamo die vorher gekennzeichnete Spannung besitzt; er fällt dagegen wieder durch
die Wirkung seines Eigengewichts ab, wenn die Spannung unter die zulässige Grenze
sinkt, so dass dann die Stromunterbrechung wieder eintritt.
Textabbildung Bd. 319, S. 19
Fig. 7.
Um bald die eine oder andere Sammlerkette auf das Netz arbeiten zu lassen, sind die
bei andern Systemen nur als einfache Ausschalter ausgebildeten Lampenschalter hier
in besonderer Weise konstruiert. In 4 Stellungen des Schalters sind folgende
Verbindungen ermöglicht.
Stellung I:
Sammlerkette
I arbeitet auf das Netz.
„
II wird geladen.
Stellung II u. IV:
Lampen sind ausgeschaltet.
Beide Sammlerketten werden geladen.
Stellung III:
Sammlerkette
II arbeitet auf das Netz.
„
I wird geladen.
Die Umschaltung von einer Stellung zur andern erfolgt bei jedesmaligem Ein- und
Ausschalten der Lampen, so dass eine besondere Bedienung nicht erforderlich
wird.
Eine Ergänzung dieser Ausführungen behalten wir uns für später vor, da sie z. Z. aus
mehrfachen Gründen unterbleiben muss.