Titel: | Beitrag zur Theorie elektrischer Schwingungen. |
Autor: | Willy Wagner |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 33 |
Download: | XML |
Beitrag zur Theorie elektrischer
Schwingungen.
Von Willy Wagner, Ingenieur und Dozent am
Technikum, Frankenhausen a. K.
Beitrag zur Theorie elektrischer Schwingungen.
Die immer zunehmende praktische Bedeutung der drahtlosen Telegraphie lässt es
manchem in Praxis stehenden Elektriker wünschenswert erscheinen, sich über die
physikalischen Vorgänge in deren Sende- und Empfangsvorrichtungen Klarheit zu
verschaffen, ohne indes die Zeit zu haben, sich in die umfassenden Abhandlungen über
elektrische Wellen von Kirchhoff, Helmholtz, Hertz, Abraham, Slaby u.a. vertiefen zu können. Es ist
nun in folgendem versucht, die elektrischen Erscheinungen im offenen und
geschlossenen Schwingungskreise in möglichst einfacher Weise klarzulegen.
Textabbildung Bd. 319, S. 33
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 319, S. 33
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 319, S. 33
Fig. 3.
1. Wellen in einem gerade ausgespannten Drahte.
Von einer durch die Sekundärspule J (Fig. 1) eines Induktoriums erregten Funkenstrecke F erstrecke sich beiderseits ein gerader metallischer
Leiter von der Länge l. Wie man mittels der bekannten
Versuche zeigen kann, ist dann das Gleichgewicht der Elektrizität des Leiters
zeitlich und räumlich gestört. Es bilden sich stehende Schwingungen des Stromes und
der Spannung aus; für die elektrische Strömung bildet die Funkenstrecke stets einen
Schwingungsbauch, die Drahtenden einen Schwingungsknoten; ferner können unter
geeigneten Verhältnissen auch Knoten und Bäuche innerhalb des Drahtes auftreten, wie
die Kurven I und II der
Fig. 2 zeigen. Die räumliche Verteilung der
Spannung erfolgt ähnlich, nur sind gegenüber dem Strome die Begriffe
Schwingungsbauch und -Knoten zu vertauschen.
Zur mathematischen Untersuchung dieser Verhältnisse müssen wir die elektrischen
Vorgänge in einem unendlich kleinen Leiterstück von der Länge dx (Fig. 3) betrachten,
indem wir annehmen, dass Widerstand, Selbstinduktion und Kapazität gleichmässig über
die ganze Drahtlänge verteilt sind und ihre bezüglichen Werte für die Längeneinheit
W1, L1 und C1 betragen.
Für das Drahtstück dx haben wir dann den Widerstand W1 . dx, die Selbstinduktion L1 . dx und
die Kapazität C1 . dx. Ist dV die
Potentialdifferenz an den Enden des Leiterelements, so haben wir die Gleichung
d\,V=i\,W_1\,\cdot\,d\,x+L_1\,\frac{d\,i}{d\,t}\,\cdot\,d\,x . . . . . (1)
An der einen Seite des Leiters d x tritt der Strom i ein; der auf der anderen Seite austretende Strom
isti – d i; die
Differenz d i, einer Elektrizitätsmenge d i . d t entsprechend,
erteilt der Kapazität C1 . dx eine Ladung d
q . d x, wobei d q die Ladung der
Längeneinheit bedeutet.
Es gelten dann die Gleichungen:
d q . dx = d V . C
1
d x
d q . d x = d
i . dt
Es folgt hieraus sofort
d\,V=\frac{1}{C_1}\,\cdot\,\frac{d\,i}{d\,x}\,\cdot\,d\,t . . . . . (2)
Setzt man diesen Wert in (1) ein, so resultiert
\frac{1}{C_1}\,\cdot\,\frac{d\,i}{d\,x}\,\cdot\,d\,t=i\,\cdot\,W_1\,d\,x+L_1\,\frac{d\,i}{d\,t}\,\cdot\,d\,x
oder
\frac{1}{C_1}\,\cdot\,\frac{d\,i}{d\,x^2}\,\cdot\,d\,t=i\,W_1+L_1\,\frac{d\,i}{d\,t}
Differenziert man nach der Zeit, so erhält man
\frac{1}{C_1}\,\frac{d^2\,i}{d\,x^2}=W_1\,\frac{d\,i}{d\,t}+L_1\,\frac{d^2\,i}{d\,t^2} . . . . . (4)
Das Integral dieser Gleichung ergibt sich durch die Substitution
i=e^{a\,t}\,\cdot\,A\,cos\,(m\,x+\delta) . . . . . (5)
Es ist dann
\frac{d^2\,i}{d\,x^2}=-m^2\,i;
\frac{d\,i}{d\,t}=a\,\cdot\,i;
\frac{d^2\,i}{d\,t^2}\,a^2\,\cdot\,i
Durch Einsetzung dieser Werte in Gleichung (4) folgt die Bestimmungsgleichung für a
\frac{m^2}{C_1}+W_1\,\cdot\,a+L_1\,a^2=O
a^2+\frac{W_1}{L_1}\,a+\frac{m^2}{L_1\,C_1}=O
a=-\frac{W_1}{2\,L_1}\,\pm\,\sqrt{\frac{{W_1}^2}{4\,{L_1}^2}-\frac{m^2}{L_1\,C_1}} . . . . (6)
Ist W1 sehr gross, so
dass
\frac{{W_1}^2}{4\,{L_1}^2}\,>\,\frac{m^2}{L_1\,C_1},
so erhält man zwei reelle, negative Wurzeln – a1 und – a2 und durch entsprechendes Einsetzen in
Gleichung (5) wird das allgemeine Integral der Gleichung (4)
i=\left(B\,e^{-a_1\,t}+C\,e^{-a_2\,t}\right)\,cos\,(m\,x+\delta).
Es geht hieraus hervor, dass bei grossem Widerstand überhaupt keine zeitliche
Schwingung, sondern nur eine kontinuierliche Entladung stattfindet, indem die
Glieder e–at
mit wachsender Zeit stetig kleiner werden und gegen Null konvergieren.
Praktisch liegt der Fall meist umgekehrt, indem der Widerstand W1 gegenüber der
Selbstinduktion L1
klein bleibt, so dass man das Glied
\frac{{W_1}^2}{4\,{L_1}^2} gegen \frac{m^2}{L_1\,C_1}
in Gleichung (6) ohne weiters vernachlässigen darf
Dann erhält man
a=-\frac{W_1}{2\,L_1}\,\pm\,\sqrt{-1}\,\cdot\,\frac{m}{\sqrt{L_1\,C_1}}.
Gleichung (5) wird somit
i=e^{-\frac{W_1\,t}{2\,L_1}}\,\cdot\,\left(A\,e^{\sqrt{-1}}\,\cdot\,\frac{m\,t}{\sqrt{L_1\,C_1}}\right
\left+B\,e^{-\sqrt{-1}}\,\cdot\,\frac{m\,t}{\sqrt{L_1\,C_1}}\right)\,cos\,(m\,x+\delta).
Nach dem Moivreschen Satz kann dies umgeformt werden
zu
i=J_0\,\cdot\,e^{-\frac{W_1\,t}{2\,L_1}}\,cos\,(m\,x+\delta)\,cos\,\left(\frac{m}{\sqrt{L_1\,C_1}}\,t+\varphi.\right)
Die Konstanten δ und φ
bestimmen sich aus der Erwägung, dass zur Zeit t = 0 und in der Mitte der Drähte, also für x = 0, die Stromstärke i ein Maximum J0 hat. Das ist nur möglich für δ = o und φ = 0.
Daher ist
i=J_0\,e^{-\frac{W_1\,t}{2\,L_1}}\,\cdot\,cos\,m\,x\,cos\,\frac{m}{\sqrt{L_1\,C_1}}\,t
Nun führt man die auf die ganze Drahtlänge 2 l bezogenen
Widerslände, Selbstinduktionen und Kapazitäten ein.
W_1=\frac{W}{2\,l};\ C_1=\frac{C}{2\,l};\ L_1=\frac{L}{2\,l};
i=J_0\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}\,cos\,m\,x\,cos\,\frac{2\,l\,m}{\sqrt{L\,C}}\,t . . . (7)
Für einen geraden Leiter von der Länge 2 l und dem
Durchmesser 2 r bestimmt sich die Selbstinduktion
annähernd zu
L=4\,l\,ln\,\frac{l}{r}\,\cdot\,10^{-9} Henry
Die Kapazität in absoluten elektrostatischen Einheiten wird
C=\frac{l}{ln\,\frac{l}{r}} oder in Farad
C=\frac{l}{v^2\,ln\,\frac{l}{r}}\,\cdot\,10^9 Farad
wobei v = 3 . 1010 cm/Sek.
ist.
Es ist dann
\sqrt{L\,C}=\frac{2\,l}{v};\ v=\frac{2\,l}{\sqrt{L\,C}}
in Gleichung (7) eingesetzt, folgt
i=J_0\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}\,cos\,m\,x\,cos\,m\,v\,t . . . . (7a)
Hieraus ergibt sich die Wellenlänge λ als Abstand χzweier Punkte, an welchen der
gleiche Schwingungszustand herrscht
\lambda=\frac{2\,\pi}{m}
Analog folgt die Schwingungsdauer zu
T=\frac{2\,\pi}{m\,v}
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellenbewegung wird dann
c=\frac{\lambda}{T}=v=3\,\cdot\,10^{10}\,^{\mbox{ cm}}/_{\mbox{Sek.}}=\mbox{Lichtgeschwindigkeit},
wie auch durch Versuche bewiesen ist.
Ist der Draht nicht, wie hier angenommen, von Luft umgeben, sondern von einem Stoffe,
dessen magnetische Permeabilität μ und dessen
Dielektrizitätskonstante ε beträgt, so wird
L=4\,l\,\mu\,l\,n\,\frac{l}{r}\,\cdot\,10^{-9} Henry und
C=\frac{\epsilon\,\cdot\,l}{v^2\,l\,n\,\frac{l}{r}}\,\cdot\,10^9 Farad,
so dass man durch eine ähnliche Ueberlegung, wie oben,
erhält
c=\frac{v}{\sqrt{\epsilon\,\cdot\,\mu}}
Wie man aus Gleichung (7 a) ersieht, entspricht der Verlauf der Stromstärke in dem
Drahte einer stehenden Schwingung. In Punkten mit der Absisse
\chi=\frac{(2\,k+1)\,\pi}{2\,m}\,(k=0,\ 1,\ 2,\ 3\ .\ .\ .) . . . . (7c)
ist i dauernd Null, wir haben
Schwingungsknoten.
Der Widerstand W hat zur Folge, dass die Amplituden
stetig abnehmen, so dass die Schwingung eine gedämpfte ist, was in dem Gliede
e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}
zum Ausdruck kommt.
Das Verhältnis zweier aufeinander folgender Amplituden wird
\frac{e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}}{e^{-\frac{W\,(t+T)}{2\,L}}}=e^{\frac{W\,T}{2\,L}}=\mbox{const.},
so dass die Amplituden in geometrischer Reihe abnehmen.
Da, wie schon oben angenommen, die Länge des Drahtes so gewählt werden soll, dass die
Drahtenden Schwingungsknoten der Stromstärke werden (Abstimmung!) so muss cos m x für x = l den Wert
Null annehmen, was der Fall ist, wenn
m=\frac{(2\,k+1)\,\pi}{2\,l}\mbox{ wird.} . . . . . . (7d)
k ist irgend eine ganze, positive Zahl, darf auch Null
werden.
Nach Gleichung (7c) kann man den Abstand zweier Knotenpunkte, also auch die
Wellenlänge berechnen. Es ergibt sich
\lambda=2\,\left(x_{k+1}-x_k\right)=\frac{2\,\pi}{m}
Setzt man hierin den in Gleichung (7d) gefundenen Wert für m ein, so folgt
\lambda=\frac{2\,\pi\,\cdot\,2\,l}{(2\,k+1)\,\pi}=\frac{4\,l}{2\,k+1};\mbox{ d. h.}:
Die Wellenlänge der elektrischen Eigenschwingung eines in
der Mitte erregten geraden Leiters von der Länge 2 l ist gleich der doppelten
Länge 4 l oder gleich einem ungeraden aligurten Teil dieser Länge.
Um eine Gleichung für den Verlauf der Spannung zu erhalten, benutzen wir die
Gleichung (2)
\frac{d\,V}{d\,t}=\frac{1}{C_1}\,\cdot\,\frac{d\,i}{d\,x}=\frac{2\,l}{C}\,\cdot\,\frac{d\,i}{d\,x}
In Kombination mit Gleichung (7 a) ergibt dies
\frac{d\,V}{d\,t}=-\frac{2\,J_0\,m\,l}{C}\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}\,sin\,m\,x\,cos\,m\,v\,t
V=-\frac{2\,J_0\,m\,l}{C}\,sin\,m\,x\,\int\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}\,cos\,m\,v\,t\,\cdot\,d\,t
V=\frac{2\,J_0\,m\,l}{C}\,\cdot\,sin\,m\,x\,\frac{\frac{W}{2\,L}\,cos\,m\,v\,t+m\,v\,sin\,m\,v\,t}{\frac{W^2}{4\,L^2}+m^2\,v^2}\,\cdot\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}+K
oder
V=V_0\,sin\,m\,x\,\cdot\,cos\,(m\,v\,t+\varphi)\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}} . . . (8)
Die Konstante K wird Null, wenn wir den Resultaten von
Versuchen entsprechend annehmen, dass in der Mitte des Drahtes, also für x = 0 die Spannung einen
Knoten bildet (V = 0). Die
andern Konstanten Vo und ψ, Amplitude der Spannung und zeitliche
Phasenverschiebung derselben gegenüber dem Strome sind aus den Konstanten der
vorhergehenden Gleichung zu berechnen. Da wir ihrer zur Erkenntnis der Vorgänge
nicht bedürfen, und die Umformungen umständlich sind, so ist an dieser Stelle auf
ihre Bestimmung verzichtet worden.
Durch Vergleich der Gleichung (8) und (7a) erkennt man, dass die Kurven für Strom und
Spannung räumlich um 90° versetzt sind, während die Spannung zeitlich dem Strom um
den Winkel ψ in Phase voraneilt.
Für die Ladung dq pro Längeneinheit fand sich oben die
Beziehung
dq . dx = di . dt oder
\frac{d\,q}{d\,t}=\frac{d\,i}{d\,x}
Bestimmt man den Differentialquotienton \frac{d\,i}{d\,x} aus Gleichung (7a), so erhält
man
d\,q=-J_0\,m\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}\,sin\,m\,x\,cos\,m\,v\,t\,\cdot\,d\,t
q=-J_0\,m\,sin\,m\,x\,\int\,e^{-\frac{W\,t}{2\,L}}\,cos\,m\,v\,t\,d\,t.
Es soll der Einfachheit halber nun von der Dämpfung abgesehen, d.h. W = 0 gesetzt werden. Es
wird dann
q=-\frac{J_0}{v}\,sin\,m\,x\,(sin\,m\,v\,t+Konst.)
Zur Zeit t = o soll q ebenfalls = o sein, so
dass die Konstante Null ist.
Konst. = 0; also
q=-\frac{J_0}{v}\,sin\,m\,x\,sin\,m\,v\,t . . . . . (9)
Da q die Ladung für die Längeneinheit ist, so wird
diejenige für den ganzen Draht
q=-\frac{2\,J_0\,l}{v}\,sin\,m\,x\,sin\,m\,v\,t . . . (9a)
Vernachlässigt man in Gleichung (7a) für den Strom ebenfalls die Dämpfung, so
wird
i = J0cos mx cos m v t . . . . . (7b)
Wie man aus den Gleichungen (7b) und (9a) ersieht, sind die Kurven für Strom und
Ladung nach Zeit und Raum um 90° versetzt. Wären Strom und Ladung räumlich konstant,
so würden sich die während einer Viertelperiode umgesetzte elektromagnetische
Energie, bezw. die elektrostatische Energie berechnen aus der Formel
E_M=\int\limits_0^{\frac{T}{4}}\,e\,i\,d\,t=\int\limits_0^{\frac{T}{4}}\,i\,\cdot\,L\,\cdot\,\frac{d\,i}{d\,t}\,\cdot\,d\,t=\frac{L\,J\,max^2}{2}
E_s=\int\limits_0^{\frac{T}{4}}\,e\,i\,d\,t=\int\limits_0^{\frac{T}{4}}\,\frac{q}{C}\,\cdot\,\frac{d\,q}{d\,t}\,\cdot\,d\,t=\frac{Q\,max^2}{2\,C}
Um diese Energiemengen auch bei räumlicher Verteilung des Stromes und der Ladung nach
Sinuswellen bestimmen zu können, ersetzt man die räumlich verschiedenen Amplituden
durch einen räumlichen Mittelwert der Amplitude, der das \frac{1}{\sqrt{2}} fache der
räumlichen Maximalamplitude beträgt.
Es ist hier der sogenannte effektive oder quadratische Mittelwert der nach dem
Sinusgesetz sich ändernden Amplituden genommen (dessen Quadrat bekanntlich gleich
dem halben Quadrat der Maximalamplitude ist) da die zu berechnenden Energien
proportional den Quadraten des Stroms, bezw. der Ladung sind.
Für den Strom ist die Maximalamplitude gegeben burch den Wert J0; an der Stelle x ist die Amplitude dloss J0
cos m x; die mittlere räumliche Amplitude ist also
J\,max_{Mittel}=\frac{J_0}{\sqrt{2}}
Genau so ergibt sich der mittlere räumliche Maximalwert der Ladung zu
Q\,max_{Mittel}=\frac{\sqrt{2}\,J_0\,\cdot\,l}{v}
Der Umsatz an elektromagnetischer Energie in einer
Viertelperiode \left(t=\frac{T}{4}\right) wird dann
E_M=\frac{L}{2}\,\cdot\,\left(\frac{J_0}{\sqrt{2}}\right)^2=\frac{L\,{J_0}^2}{4} . . . . . . (10)
Die in der gleichen Zeit erhaltene bezw. aufgebrauchte elektrostatische Energie
ist
E_s=\frac{\left(\frac{\sqrt{2}\,J_0\,l}{v}\right)^2}{2\,C}=\frac{{J_0}^2\,l^2}{v^2\,C}
nun ist aber, wie oben gefunden
v=\frac{2\,l}{\sqrt{L\,C}}; daher
E_s=\frac{{J_0}^2\,l^2\,\cdot\,L\,C}{C\,\cdot\,4\,l^2}=\frac{L\,{J_0}^2}{4} . . . . (10a)
Aus Gleichung (10) und (10 a) geht hervor, dass
ES = EM; d.h.:
Der elektrische Vorgang ist durch ein fortwährendes Hin- und
Herwogen der elektrischen Energie zwischen der elektromagnetischen und der
elektrostatischen Erscheinungsform gekennzeichnet.
Dieser kontiniuierliche Energieumsatz erfolgt indessen nicht ohne Verluste, die bei
obiger Ableitung vernachlässigt wurden und sich im wesentlichen ans drei
Hauptsummanden zusammensetzen. Das sind: 1. die Joule Wärme, die dem Widerstände
proportional ist. 2. der Stromverlust durch Ableitung von Elektrizitätsmengen durch
das umgebende Dielektrikum (Isolation. Luft), das kein Isolator von unendlich hohem
Widerstände ist; dieser Stromverlust ist proportional der Spannung und bei hohen
Spannungen sehr beträchtlich; 3. der Energie Verlust durch Ausstrahlung
elektromagnetischer Energie in den Raum, welcher bei der drahtlosen Telegraphie als
eigentliche Nutzarbeit anzusehen ist.
Der Einfluss dieser Verluste auf den Schwingungszustand ist, wie schon oben gezeigt,
eine zeitliche Dämpfung, ferner aber auch eine räumliche Verzerrung der Wellen, die wohl
vorzugsweise der unter (2) genannten Ableitung zuzuschieben ist und sich besonders
bemerkbar macht, wenn der Draht nicht im Grundton schwingt (Wellenlänge λ = 4 l), sondern in irgend einem Oberton
\left(\lambda=\frac{4\,l}{2\,k+1}\right)
Das Ergebnis unserer Betrachtungen ist, kurz zusammengedrängt, folgendes: Wird ein
Draht nach Fig. 1 durch die Sekundärspule eines
Induktors erregt, so gerät die Elektrizität auf demselben in stehende Schwingungen,
deren Wellenlänge lediglich von den Dimensionen des Drahtes (Kapazität,
Selbstinduktion und Widerstand) abhängt, Solche Schwingungen heissen
Eigenschwingungen. Ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, wenn der Draht von Luft
umgeben ist, gleich der Lichtgeschwindigkeit. Allerdings können dem Draht auch
andere Schwingungen aufgezwungen werden, dazu bedarf es aber eines schwingenden
Systems mit grosser Trägheit, d.h. mit grosser Tendenz, seine eignen Schwingungen
festzuhalten, und grösserer Energiemengen. Sind hingegen die Dimensionen des Drahtes
so gewählt, dass seine Eigenschwingung mit derjenigen des Systems übereinstimmt, so
wird es nur eines geringen Anstosses bedürfen, um den Draht zum Mitschwingen zu
veranlassen (Resonnanz). Das ist das Grundprinzip der Abstimmung bei der
Funkentelegraphie.
2. Wellen in geschlossenen Schwingungskreisen.
Eine durch ein Induktorium J (Fig. 4) erregte Funkenstrecke F bilde
zusammen mit einer Kapazität C und einer
Selbstinduktion L einen geschlossenen Stromkreis. Der
Widerstand desselben sei W; die Kapazität der
Drahtleitungen soll gegen diejenige der Kondensatoren C
als ausserordentlich klein vernachlässigt werden.
Textabbildung Bd. 319, S. 36
Fig. 4.
Ist in irgend einem Zeitmoment die Spannung am Kondensator = V und der Strom = J, so hat man die
Gleichung
V=J\,\cdot\,W+L\,\cdot\,\frac{d\,J}{d\,t} . . . . . 11)
Zwischen der Ladung Q des Kondensators und seiner
Spannung V besteht die Beziehung:
V=\frac{Q}{C} . . . . . 12)
Da der Strom J die auf die Zeiteinheit bezogene Abnahme
der Ladung repräsentiert, so gibt
J=-\frac{d\,Q}{d\,t}; somit auch . . . . . . . 13)
\frac{d\,J}{d\,t}=-\frac{d^2\,Q}{d\,t^2}
Setzt man diese Werte in Gleichung 11) ein, so ergibt sich
\frac{Q}{C}+W\,\frac{d\,Q}{d\,t}+L\,\frac{d^2\,Q}{d\,t^2}=O . . . . . 14)
Diese Differentialgleichung wird dadurch gelöst, dass man
Q = A . eat setzt. Dann wird
\frac{d\,Q}{d\,t}=a\,Q;\ \frac{d^2\,Q}{d\,t^2}=a^2\,Q
Die Gleichung 14) geht über in:
\frac{1}{C}+a\,W+a^2\,L=O oder
a=-\frac{W}{2\,L}\,\pm\,\sqrt{\frac{W^2}{4\,L^2}-\frac{1}{L\,C}}
Wird a reell, so erhält man zwei negative Werte, – a1 und – a2, so dass sich
ergibt
Q=A\,\cdot\,e^{-a_1\,t}+B\,e^{-a_2\,t}
d.h. die Entladung ist eine kontinuierliche; eine Schwingung
kommt nicht zustande.
In Praxis liegt der Fall stets so, dass der Widerstand W
sehr klein ist; dann wird der Ausdruck unter der Wurzel negativ und a imaginär. Es ergeben sich die beiden Wurzeln
a_1=-\frac{W}{2\,L}+\sqrt{-1}\,\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}=r+s\,\sqrt{-1}
a_2=-\frac{W}{2\,L}-\sqrt{-1}\,\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}=r-s\,\sqrt{-1}
Dann erhält man aus
Q = A . eat die Lösung
Q=e^{r\,t}\,(D\,e^{+s\,\sqrt{-1}\,\cdot\,t}+E\,e^{-s\,\sqrt{-1}\,t})
Nach dem Moivreschen Satze ist dieser Ausdruck
gleichwertig dem folgenden
Q = Q0ert . cos (st + φ)
Die Grössen Q0 und φ bestimmen sich aus der Festsetzung, dass zu Beginn
des Vorgangs die Ladung Q ein Maximum sein soll. Also
für t = 0 muss Q = Q0 werden; daher muss
φ = 0 sein.
Setzt man noch die Werte von r und s ein, so folgt
Q=Q_0\,\cdot\,e^{-\frac{W}{2\,L}\,\cdot\,t}\,cos\,\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}\,\cdot\,t . . 15)
Nach Gleichung 13) ist
J=-\frac{d\,Q}{d\,t}; daher
J=\frac{Q_0\,W}{2\,L}\,\cdot\,e^{-\frac{W}{2\,L}\,t}\,cos\,\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}\,\cdot\,t
+Q_0\,\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W\,2}{4\,L^2}}\,e^{-\frac{W\,\cdot\,t}{2\,L}}\,sin\,\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}\,\cdot\,t
Was man auch schreiben kann
J=J_0\,\cdot\,e^{-\frac{W}{2\,L}\,t}\,cos\,\left\{\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}\,\cdot\,t+\Psi\right\} . 16)
J0 und ψ sind durch die Konstanten Q0, W, L u.
C völlig bestimmt; auf ihre Ermittlung ist hier
verzichtet worden.
Aus Gleichung 16) erkennt man, dass in dem Stromkreis ein gedämpfter Wechselstrom
zustande kommt; die Dauer einer Periode wird
T=\frac{2\,\pi}{\sqrt{\frac{1}{L\,C}-\frac{W^2}{4\,L^2}}} . . . . . . 16a)
In Praxis ist der Widerstand W meist völlig zu
vernachlässigen; für diesen Fall ergibt sich
J=J_0\,cos\,\left(\frac{t}{\sqrt{L\,C}}+\Psi\right) . . . . . . 16b)
T=2\,\pi\,\sqrt{L\,C} . . . . . . 16c)
Man ersieht, dass durch den Ohmschen Widerstand die
Amplituden kontinuierlich verkleinert werden, während die Schwingungsdauer
steigt.
Diese Resultate sind zuerst von William Thomson, dem
jetzigen Lord Kelvin, 1853 veröffentlicht worden.
Das Wesentliche an der Sache ist, dass der Schwingungskreis eine Eigenschwingung hat,
also von der
Periodenzahl des Induktors unabhängig ist und ferner bedeutende Energiemengen
aufnehmen kann.
Unter Vernachlässigung der Dämpfung ergibt sich
Q=Q_0\,cos\,\frac{t}{\sqrt{L\,C}}
J=-\frac{d\,Q}{d\,t}=\frac{Q_0}{\sqrt{L\,C}}\,sin\,\frac{t}{\sqrt{L\,C}}=J_0\,sin\,\frac{t}{\sqrt{L\,C}}
Die maximale, der Selbstinduktion innewohnende Elektromagnetische Energiemenge
wird
\underset{max}{E_L}=\frac{L\,{J_0}^2}{2}=\frac{L\,{Q_0}^2}{2\,L\,C}=\frac{{Q_0}^2}{2\,C}
Dieselbe ist somit gleich der maximal vom Kondensator aufgenommenen
Ladungsenergie
\underset{max}{E_C}=\frac{{Q_0}^2}{2\,C}
Es treten aber, wie aus den Gleichungen für Q und J hervorgeht EL max und EC max nicht
gleichzeitig ein; beide sind um eine Viertelperiode zeitlich verschoben; erreicht
die eine ihr Maximum, ist die andere gleich Null. Für irgend einen beliebigen
Zeitpunkt erhält man leicht die Beziehung
E_L+E_C=Const.=\frac{{Q_0}^2}{2\,C}; d.h.:
Im Thomsonschen Schwingungskreis
findet eine dauernde Umwandlung von elektromagnetischer Energie in elektrostatische
und umgekehrt statt. Auch hier treten die bei Fall (1) erwähnten Energieverluste
durch Joulesche Wärme, Ableitung und Strahlung ein,
lassen sich aber durch geeignete Anordnungen auf einen kleinen Bruchteil reduzieren.
Wir haben daher im Thomsonschen Schwingungskreise eine
Energiequelle geringer Dämpfung, grosser Trägheit und Energie. Zur Ausstrahlung
elektrischer Wellen in den Raum (Funkentelegraphie) zwingt man die Schwingungen des
Kreises einem Luftdrahte auf. Die elektrischen Vorgänge in demselben sind bereits
unterFall I behandelt; es werden sich offenbar dann die kräftigsten
Schwingungen in demselben ausbilden, wenn seine Eigenschwingung mit der des Kreises
übereinstimmt. Dies ist der Fall, wenn seine Länge ¼ der Wellenlänge beträgt, wie
oben gefunden. Wegen der Energieausstrahlung in den Raum werden zwar die
Schwingungen in dem Drahte stark gedämpft sein; wir haben indessen in dem
Schwingungskreise ein mächtiges Energiereservoir, aus welchem stets neue Energie an
den Luftdraht abgegeben wird. Es ist hierdurch der Vorgang in einer Sendestation für
drahtlose Telegraphie im Prinzip schon festgelegt.
Der Empfänger ist meist die Umkehrung des Senders. Für gutes Funktionieren müssen
selbstredend die Eigenschwingungen von Sender und Empfänger übereinstimmen; hierauf
beruht die Abstimmung beider Stationen aufeinander. Man erkennt auch sofort, dass
die Abstimmung kein absolut sicheres Mittel zur Fernhaltung fremder Wellen ist; denn
ist die Energie der letztern gross genug, so können sie in dem Sender sog.
erzwungene Schwingungen hervorrufen, die unter Umständen den Wellenindikator zum
Ansprechen veranlassen. Gegen diesen Uebelstand hilft man sich meist so, dass man
die Schwingungen des Luftdrahtes nicht unmittelbar auf den Fritter einwirken lässt,
sondern erst vermittelst ein- oder zweimaliger Uebertragung durch abgestimmte
Schwingungskreise. Wegen der Abstimmung finden die Wellen des Senders hier geebnete
Bahn vor und die Uebertragung erfolgt ohne nennenswerten Energieverlust. Alle andern
Wellen werden aber so geschwächt, dass sie nicht mehr auf den Fritter einwirken
können.
Hiermit ist das wichtigste erledigt, was zum Verständnis der elektrischen
Erscheinungen bei den heutigen Systemen drahtloser Telegraphie erforderlich ist; der
aufmerksame Leser wird auf Grund dieser theoretischen Erwägungen und an Hand der
Schaltungen sich über die Vorgänge in den Einzelteilen irgend welchen Systems bald
klar werden.