Titel: | Reformgedanken für eine rationelle Bauart im Schiffsmaschinenbau auf Grund der Fortschritte im Bau ortsfester Dampfkesselanlagen. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 82 |
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Reformgedanken für eine rationelle Bauart im
Schiffsmaschinenbau auf Grund der Fortschritte im Bau ortsfester
Dampfkesselanlagen.
Von Prof. Fr. Freytag,
Chemnitz.
Reformgedanken für eine rationelle Bauart im Schiffsmaschinenbau
usw.
Die Vervollkommnung der Energieumwandlung in unseren Wärmekraftmaschinen bildet
das grosse Ingenieurproblem, das durch seine kulturelle und wirtschaftliche
Bedeutung zu einer immer brennender werdenden Daseinsfrage für die Menschheit
auswächst. In diesem Sinne hat auch die geniale Schöpfung von James
Watt – die Dampfmaschine – den gesteigerten Anforderungen
angepasst und weiterer Vervollkommnung entgegengeführt werden müssen, obschon sie
bezüglich ihrer Arbeitsweise in der Hauptsache dieselbe geblieben ist.
So gewährt denn der vergleichende Augenschein zwischen einer modernen Dampfmaschine
und einer Wattschen Originalmaschine ein wesentlich
verschiedenes Bild. In erster Linie sind es die Rücksichten auf Erzielung eines
geringen Dampf- bezw. Kohlenverbrauches, d.h. diejenigen auf Betriebsersparnisse
gewesen, welche im Laufe der Jahre zu immer weiteren Fortschritten im
Dampfmaschinenbau geführt haben.
Die hochwichtige Frage der Wirtschaftlichkeit des Betriebes einer
Dampfmaschinenanlage steht mit Recht an der Spitze aller hierher gehörigen
Bestrebungen; nicht nur gewährleistet sie den Besitzern von Dampfmaschinenanlagen
bezw. den Verwaltungen industrieller Werke einen willkommenen Betriebsgewinn und
eröffnet dem Fabrikanten verbesserter Maschinen im Wettbewerbe mit der Konkurrenz
günstige Geschäftsaussichten, sondern sie bringt auch eine rationellere Verwendung
der in der Erde aufgespeicherten fossilen Brennstoffe für die Allgemeinheit mit
sich.
Sodann spielen Einfachheit und Betriebssicherheit, Gleichförmigkeit und Ruhigkeit des
Maschinenganges, kleiner Platzbedarf und geringe Anschaffungskosten, sowie aus
letzterem Grunde auch die Anwendung hoher Dampfspannungen und Umlaufzahlen im
Dampfmaschinenbetriebe eine beachtenswerte Rolle.
In der Neuzeit gesellt sich hierzu, nachdem hinreichend praktische Erfahrungen
gesammelt sind, die schon längst als vorteilhaft anerkannte Erzeugung und Verwendung
hoch überhitzten Dampfes.
Es lassen sich demnach die Forderungen, denen eine zeitgemässe Dampfmaschine
entsprechen soll und unter deren Berücksichtigung sie in ihren Einzelteilen
durchgebildet werden muss, in folgenden drei leitenden Gesichtspunkten
zusammenfassen:
1. Verwendung hoher Dampfspannungen;
2. „ „ Umlaufzahlen bei grossen Lineargeschwindigkeiten;
3. Verwendung hoch überhitzten Dampfes.
Der Uebergang zu hohen Dampfspannungen ist bereits
allgemein vollzogen. Die früheren unwirtschaftlichen Niederdruckmaschinen sind
verschwunden. Die heute üblichen Kesselspannungen betragen zu Land selten noch unter
10 Atm. und im Schiffsbetrieb ist man damit bereits bis gegen 20 Atm. gegangen.
Hohe Spannungen stellen allerdings höhere Anforderungen an die konstruktive
Ausbildung der Dampfmaschinen; diese müssen solid gebaute Zapfen, Lager und
Stopfbüchsen mit sicher wirkender Druckschmierung, sowie nicht zuletzt Steuerorgane
erhalten, bei denen schädliche Wirkungen der gewaltigen Pressungen des
hochgespannten Dampfes vermieden – Reibung und Abnutzung der miteinander in
Berührung stehenden Teile auf das erreichbar kleinste Mass beschränkt werden.
Abgesehen von dem gänzlich entlasteten Kolbenschieber zwingt diese Ueberlegung zur grundsätzlichen Verwerfung des Schiebers in jeder
Form. Wird dieser doch durch den beträchtlichen Dampfdruck derart auf
seinen Spiegel gepresst, dass durch die damit verbundene Reibung nicht nur
Abnutzungen hervorgerufen, sondern auch infolge Anfressens der Laufflächen der
Betrieb geradezu gefährdet erscheint, ganz abgesehen von den Kraftverlusten bezw.
dem von der Reibungsarbeit abhängigen verringerten mechanischen Wirkungsgrade der
Maschine.
Man hat sich allerdings in gekünstelten Notbehelfen versucht und die
verschiedenartigsten Entlastungsvorrichtungen für Schieber ersonnen, die aber
niemals vollständig zuverlässig sind und sich durch häufiges Versagen
auszeichnen.
Von den kinematisch möglichen Abschlussorganen für die innere Steuerung verbleiben
demnach lediglich der entlastete Kolbenschieber und das
Ventil.
Der erstere hat in der Regel den Ein- und Austritt des Dampfes auf beiden Zylinderseiten zu steuern; er erhält
infolgedessen zumeist sehr bedeutende Längsabmessungen und bedingt einen
unverhältnismässig grossen schädlichen Raum.
Für die Dampfökonomie erweisen sich ferner die grossen, verschieden temperierten
Schieberflächen sowohl in bezug auf Wärmebewegung in den Wandungen als auch in bezug
auf die Kondensation des mit ihnen in Berührung kommenden Frischdampfes besonders
nachteilig. Dazu kommt, dass der Kolbenschieber kaum dauernd gut dicht hält und
stets eine gewisse Dampfdurchlässigkeit aufweist. Schliesslich ist die
Schieberbewegung eine schleichende und erzeugt daher nicht so präzise Dampfabschlüsse, wie sie
mit dem Ventil zu erreichen sind.
Zu hohen Umlaufzahlen und Lineargeschwindigkeiten drängt das Bedürfnis nach der Entwicklung grosser
Kraftleistungen mit Hilfe kleiner Maschinenaggregate. Diese Bestrebung hat ihre
besondere Berechtigung da, wo es vor allem auf Gewichts- und Raumersparnis ankommt,
– abgesehen davon, dass auch die Anschaffungskosten mit den infolge hoher
Geschwindigkeiten herabgeminderten Abmessungen wesentlich zurückgehen.
Mit Rücksicht auf die auftretenden Massenbeschleunigungskräfte erfordern hohe
Umlaufzahlen und Geschwindigkeiten eine genaue Werkstättenausführung und einen
gewissenhaften Zusammenbau der in Betracht kommenden Einzelteile der Maschine.
Der heutige Stand unserer Werkstättentechnik bietet jedoch in dieser Hinsicht
keinerlei Schwierigkeiten mehr. Andererseits stellen raschlaufende Maschinen an ihre
Konstrukteure gesteigerte Ansprüche, indem sie ein gründliches Eingehen auf die
mechanischen und physikalischen Vorgänge beim Dampfmaschinenbetriebe, verbunden mit
einer gediegenen Durchbildung aller Einzelteile der Maschine erheischen.
Insbesondere gilt dies auch von der Steuerung, die infolge des rasch aufeinander
folgenden Spieles der Abschlussorgane mancherlei Schwierigkeiten mit sich brachte.
Lange Zeit hindurch benutzte man deshalb bei raschlaufenden Dampfmaschinen mit
Vorliebe Kolbenschiebersteuerungen – trotz ihrer bereits angedeuteten Nachteile –
weil sie bei vollständiger Zwangläufigkeit der Bewegung entlastet und daher nur noch
geringen Abnutzungen in den Gleitflächen ausgesetzt sind. Häufig wurden auch
Flachschieber, und in Amerika Drehschieber angewendet. Weil jedoch bei
schnellaufenden Maschinen nach Massgabe der bekannten Kontinuitätsgleichung
entsprechend grosse Kanalquerschnitte nötig werden, weil ausserdem die Schieber
einen schleichenden Abschluss besitzen und weil ferner der Schieberhub mit Rücksicht
auf die Exzenterausbildung nicht über eine gewisse eng gezogene Grenze hinaus
vergrössert werden konnte, so musste dieses Steuerorgan erhebliche Abmessungen in
seiner Breite erhalten. Bisweilen wurde sogar zu dem Auskunftsmittel gegriffen, zwei
Kolbenschieber oder zwei Flachschieber zu beiden Seiten eines Zylinders zu
verwenden, um den nötigen Querschnitt herauszubringen.
Es weisen demnach solche Schieberschnelläufer im allgemeinen ein starkes
Missverhältnis zwischen dem Schieberkasten- und dem Zylinderraume auf. Der erstere
übersteigt in einigen Fällen sogar den letzteren, wie aus veröffentlichten
Zeichnungen der englischen Fachzeitschrift „Engineering“ hervorgeht. Es ist
dies z.B. bei dem Hochdruck- und Mitteldruckzylinder des russischen Dampfers
„Moskau“ (Engineering, 26. Mai 1899), ferner bei sämtlichen Zylindern des
britischen Kreuzers „Pelorus“ (Engineering, 19. März 1897) und bei dem
deutschen Kreuzer „Friesland“ (Engineering, 1. Juli 1898) der Fall. Das
gleiche gilt von dem Mitteldruckzylinder des deutschen Schnelldampfers „Kaiser
Wilhelm der Grosse“, der zwei getrennte Kolbenschieber enthält (Engineering,
8. April 1898).
Diesem Uebelstande könnte durch das Ventil in hervorragender Weise abgeholfen werden,
das nicht allein wesentlich günstigere Eröffnungsdiagramme liefert, sondern auch
durch die Einführung eines besonderen Organes für die Ein- und Ausströmung des
Dampfes zu beiden Zylinderseiten kleine schädliche Räume und Flächen und höhere
Präzision für die Dampfverteilung gewährleistet.
Freilich musste von der Verwendung des so viele Vorteile in sich schliessenden
Ventiles so lange abgesehenwerden, als keine Steuerung bestand, welche für hohe
Umlaufzahlen geeignet erschien.
Für auslösende Ventilsteuerungen bilden ungefähr 100 minutliche Umläufe die Grenze,
bis zu welcher man zu gehen pflegte; das gleiche galt von den älteren zwangläufigen
Ventilsteuerungen, von denen jedoch einige neueren Systems bis auf 150 Umläufe in
der Minute hinaufgegangen sind. Eine weitere Steigerung der Umlaufzahl mit diesen
Steuerungen scheiterte zumeist an der komplizierten Bauart der mit einer grossen
Anzahl von Hebeln, Stangen und Gelenken arbeitenden Steuerungen. Um so grösseren
Erfolg aber verspricht jene Ventilsteuerung, welche die komplizierten Mechanismen
vermeidet, also möglichst wenig Hebel und Gelenke besitzt und für die Ventilbewegung
eine hervorragende Stetigkeit ohne ruckweise Beschleunigungen erzeugt. Eine
derartige, überaus einfache Steuerung ist z.B. die Lentz-Steuerung (siehe D. p. J. 1901, 316, 37),
sowie alle jene Konstruktionen, für welche diese vorbildlich geworden ist.
Diese Ventilsteuerungen haben sich im Landdampfmaschinenbau in Verbindung mit einem
unmittelbar einwirkenden Beharrungs-Achsenregler bei hoher Umlaufzahl bewährt und
sind heute schon Ausführungen von Ventildampfmaschinen, Bauart Lentz, mit 300 Umläufe in der Minute anstandslos im
Betriebe.
Andererseits erwies sich das Ventil auch als das geeignetste Steuerorgan für die
Einführung des überhitzten Dampfes im
Dampfmaschinenbetriebe.
Gerade die Dampfüberhitzung bedeutet einen der bemerkenswertesten Fortschritte für
die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Wärmeausnutzung. Erhöht man doch mit ihr das
verfügbare Temperaturgefälle, mit dessen Steigerung bekanntlich der thermodynamische
Wirkungsgrad wächst. Ebenso genügt man bei der Dampferzeugung der Forderung, die
Wärmezuführung zum Kraftträger bei möglichst hoher Temperatur vor sich gehen zu
lassen, was durch Entropiebetrachtungen ebenfalls als rationell erkannt ist. Neben
der höheren thermo-dynamischen Wertigkeit des überhitzten Dampfes, dessen
Arbeitsfähigkeit durch einen verhältnismässig äusserst geringen Mehraufwand an
Brennstoff erreicht wird, besitzt der überhitzte Dampf in der Anwendung verschiedene
vorteilhafte Eigenschaften, die einem wirtschaftlichen Betriebe zugute kommen. So
verschwindet z.B. der Wasserbeschlag an den Zylinderwänden fast ganz – wenigstens in
den ersten Zylindern, in denen der Dampf sich noch im Ueberhitzungsgebiete befindet.
Ausserdem wird infolge der schlechten Leitungsfähigkeit die Wärmeaustauschbewegung
zwischen Dampf und Wandungen herabgemindert. Nebenbei mag nicht unerwähnt bleiben,
dass hochüberhitzter Dampf zufolge seiner grösseren Elastizität höhere
Strömungsgeschwindigkeiten ohne Nachteil verträgt, also die Rohrweiten und die
Dampfführungsquerschnitte an der Maschine wesentlich kleiner gehalten werden können,
als bei einer mit gesättigtem Dampf betriebenen Maschine. Damit verringert sich
nicht nur die Grösse des Leitungsverlustes infolge der Verkleinerung der
ausstrahlenden Oberfläche, sondern auch das Gewicht der meist nicht unbeträchtlichen
Rohrleitungen und sonstigen Dampfführungen, während dem Konstrukteur die
verkleinerten Abmessungen der Steuerungsorgane besonders willkommen sind. Allerdings
musste der letztere auch den Besonderheiten des überhitzten Dampfes Rechnung tragen,
die erst in langen, heute glücklich hinter uns liegenden Betriebserfahrungen
gewonnen werden konnten. Vornehmlich erheischten die bei hoher Temperatur
eintretenden Wärmedehnungen die eingehendste Berücksichtigung durch
zweckentsprechende Durchbildung gewisser Einzelteile der Dampfmaschine, vor allem
solcher bei der inneren Steuerung.
Die erste Forderung, der ein hierfür geeignetes Steuerorgan genügen muss, ist
die, dass es ohne die Gefahr der Klemmungen und Erhöhung des Kraftbedarfes stets gut
dichthält und einer Abnutzung oder gar der Möglichkeit des Fressens so gut wie nicht
ausgesetzt ist.
Dass dieser Bedingung flache Schieber – obendrein bei hohen Pressungen – nicht mehr
gerecht werden, ebensowenig wie der Drehschieber, haben leider traurige
Betriebserfahrungen zur Genüge bestätigt, obwohl eine einfache Ueberlegung. dies von
vornherein hätte klarstellen können.
Selbst entlastete Kolbenschieber bergen noch manche Gefahren in sich, weil sich die
stark erhitzten Wände und Rippen in ihnen vordrängen.
Auf Grund dieser Gesichtspunkte ist daher jede Art von
Schiebern beim Betriebe mit Heissdampf zu verwerfen!
Die genannten Uebelstände werden beim Schieber noch dadurch vermehrt, dass die
Schmierung für überhitzten Dampf einerseits wärmebeständige, dickflüssige Oele,
andererseits eine rationelle reichliche Zuführung zu den Schmierstellen unerlässlich
notwendig machen, worin eigene Schwierigkeiten begründet liegen. Alles dieses weist
einzig und allein auf das Ventil als das geeignetste der in Frage kommenden
Steuerorgane hin.
Das Ventil besitzt keinerlei Materialanhäufungen, es zeichnet sich vielmehr durch
gleichmässige symmetrische Gestaltung und Materialverteilung aus, so dass es der
Gefahr des Verziehens nicht ausgesetzt ist und die Wärmedehnungen nicht schädlich
wirken. Infolgedessen verbleibt dem Ventil allein der äusserst schätzenswerte Vorzug
eines dauernd dampfdichten Schlusses.
Als entlastetes Organ ohne irgendwelche schleifende Flächen besitzt es auch
keinerlei Reibung und ist deshalb der Abnutzung nicht unterworfen.
Der Kraftbedarf der Steuerung ist daher infolge der geringen Widerstände nur
unbedeutend, welcher Umstand dem mechanischen Wirkungsgrade der Maschine nicht
unwesentlich zugute kommt.
Das Ventil eignet sich ferner in hervorragendem Masse unter Beibehaltung kleiner
schädlicher Räume zur Trennung von Ein- und Auslass des Dampfes. Dadurch wird eine
grosse Unabhängigkeit in der Dampfverteilung und in der Wahl des Steuerungsantriebes
erzielt.
Gegenüber den gewaltigen Gewichten des Schiebers ist das Gewicht eines Ventiles
verschwindend klein. Es kommen daher die Massen- und Gewichtswirkungen eines
Ventiles gegenüber denen des Schiebers fast gar nicht in Frage, während sie bei
letzterem sich in den Abmessungen des Steuerungsgestänges äusserst nachteilig
geltend machen. Man muss häufig zu verschiedenen Mitteln seine Zuflucht nehmen, um
die Gewichtswirkungen des Steuergestänges usw. zu verringern und hat z.B. bei
stehenden Dampfmaschinen zu dem Zwecke mehr oder minder fragwürdige
Entlastungskolben angeordnet.
Wasserschläge, wie sie bei Schiebermaschinen trotz angeordneter Sicherheitsventile
auftreten können, sind in gleichem Masse bei Ventilmaschinen nicht zu befürchten.
Hier stellen die beiden Einlassventile gleichzeitig reichlich bemessene
Sicherheitsventile dar, die infolge ihres stetigen Gebrauches sich immer in Ordnung
befinden und daher schädliche Wirkungen infolge der Unzusammendrückbarkeit des im
Zylinder eingeschlossenen Wassers zuverlässig verhüten.
(Schluss folgt.)