Titel: | Die Vorträge vor der fünften Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft. |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 96 |
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Die Vorträge vor der fünften Hauptversammlung der
Schiffbautechnischen Gesellschaft.
(Schluss von S. 51 d. Bd.)
Die Vorträge vor der fünften Hauptversammlung der
Schiffbautechnischen Gesellschaft.
Den zweiten Punkt der Tagesordnung bildete ein Experimental-Vortrag des
Direktors der Berliner Telephonwerke Mix & Genest, Akt.-Ges., Herrn Regierungsbaumeisters a. D.
Zopke über:
„Das Telephon im Seewesen“.
Der Redner wies an von seiner Firma ausgeführten Apparaten nach, zu welcher
Leistungsfähigkeit es das neue Kommando-Stentor-Mikrophon sowohl in Beziehung auf
die Lautstärke bei der Uebertragung wie auf die ausserordentliche Empfindlichkeit
bei der Aufnahme von Geräuschen gebracht habe, und erörterte dann die Kommando- und
Verkehrstelephonie an Bord der Schiffe, die Hafentelephonie zwischen Schiff und
Land, die Festungstelephonie und die Werfttelephonie. Dann führte der Vortragende
den Telautograph, einen Handschriftentelegraph, der Versammlung vor, der eine
Erfindung des Amerikaners Elisha Gray ist. Das Prinzip dieses
äusserst sinnreich konstruierten Apparates ist kurz folgendes:
Der Schreibstift ist an zwei leichte Stangen angeschlossen, deren Bewegungen auf zwei
als Widerstandskurbeln ausgebildete schwingende Hebel übertragen werden. Innerhalb
der begrenzten Schreibflächenebene ist der Schreibstift beliebig beweglich; jeder
Lage des Stifts sind nun aber zwei ganz bestimmte Lagen der beiden
Rheostaten-Kurbeln zugeordnet. Wird daher mit dem Schreibstift ein Linienzug
ausgeführt, so schleifen die beiden Widerstandskurbeln hin und her und schalten eine
ganz bestimmte Folge von Widerständen nach einander ein und aus, d.h. es geht ein
Zerlegen der Bewegungen des Schreibstifts in Polarkoordinaten vor sich, wobei dem
jeweiligen Wert jeder Koordinate ein bestimmter Widerstand an jedem der beiden
Rheostate entspricht.
Zum Schluss berichtete der Vortragende dann über die bisherigen Versuche zur
Schaffung drahtlosen Fernsprechwesens und über die Aussichten dieses Problems, um
deren Erforschung sich Professor Simon, Göttingen und
der Amerikaner Professor Fessenden verdient gemacht
haben.
Den dritten Vortrag hielt hierauf Herr Marine-Baumeister Beding, über:
„Neue Versuche über Oberflächenkondensation mit getrennter
Kaltluft- und Warmwasserförderung“.
Auf Grund theoretischer Betrachtungen über den Dampf- und Wasserkreislauf in einer
Maschinenanlage einschliesslich der zugehörigen Luftpumpe vertrat der Vortragende
den Standpunkt, dass auch für Schiffsmaschinen die Oberflächenkondensation mit
getrennter Kaltluft- und Warmwasserförderung das beste wäre, ein System, das für den
Landmaschinenbau bereits von dem Ingenieur F. I. Weiss
ausgebildet sei und dort weite Verbreitung gefunden habe. Von Herrn Baumeister Beding ist nun ein Kondensator und eine Pumpe
entworfenworden, in denen jenes Prinzip für den Schiffsmaschinenbau praktisch
nutzbar gemacht ist, und über eine derartige Neuanlage, die von der Firma Otto Schwade & Co., Erfurt, zuerst ausgeführt
worden ist, wie über die damit ausgeführten Versuche wird berichtet.
Die Versuche haben zu dem Ergebnis geführt, dass man durch Abtrennung eines
Luftkühlraums aus ein und demselben Kondensator sowohl warmes Kondensat als auch
kalte Luft absaugen kann, dass die beschriebene neue Luftpumpe, Goliathpumpe genannt
(D. R.-P. 142344), unter allen Verhältnissen und selbst bei Unregelmässigkeiten wie
Wassermangel betriebssicher arbeitet, dass die Innenstopfbuchse während des
Betriebes dicht ist, und dass der schädliche Raum auf der Förderseite des
Luftkolbens der Pumpe so gering gemacht werden kann, dass er praktisch gleich null
ist, trotzdem aber ein hartes Anschlagen der Luftkolben nicht zu befürchten ist.
Als letzter Redner des ersten Sitzungstages sprach dann Herr Holzapfel, Besitzer einer der grössten Schiffsbodenfarbenfabriken,
über:
„Den Anstrich von Schiffsböden“.
In den Ausführungen hierüber wurde eine Schilderung der geschichtlichen Entwicklung
der Schiffsbodenfarben und ihrer verschiedenartigen chemischen Zusammensetzung
gegeben und die Ansicht ausgesprochen, dass die Schutzwirkung der Farben gegen das
Bewachsen der Schiffe im Seewasser lediglich chemischer Natur sei, dass es auch bei
den heute gebräuchlichen Lackfarben nur auf ihren Kupfer- oder Quecksilbergehalt
ankomme.
In der lebhaften Erörterung, die diesem Vortrage folgte, wurde die Frage aufgeworfen,
ob nicht doch auch mechanische Wirkungen, beispielsweise die Reibung zwischen der
benetzten Oberfläche eines fahrenden Schiffes und dem Wasser, von Einfluss gegen das
Bewachsen wären, da sonst nicht zu verstehen sei, wie sich an stillliegenden
gekupferten Schiffen Ansatz bilden könnte. Ferner wurde auf das Bedürfnis
hingewiesen, auch für den Innenanstrich der Schiffe im Doppelboden eine vor
Rostbildung schützende Farbe zu erhalten.
Der zweite Versammlungstag wurde durch die geschäftliche Sitzung der Gesellschaft
eingeleitet, nach der Herr Professor Dr. Ahlborn einen
sehr interessanten Vortrag über
„Hydrodynamische Experimentaluntersuchungen“
hielt.
Der Redner schilderte zunächst die einfachen Vorrichtungen, die ihm zur Vornahme
seiner Untersuchungen über den Verlauf von Stromlinien an durch das Wasser bewegten
Platten gedient haben und beschrieb dann die angestellten Versuche an Hand von
vorzüglichen Lichtbildern.
Durch einen länglichen, mit Wasser gefüllten Behälter wurden bei den Versuchen dünne,
glatte, aber starre
Platten von einem elektrisch angetriebenen Wagen durch das Wasser gezogen, der auf
Schienen mit messbarer Geschwindigkeit über der Wasseroberfläche lief. Der Wagen
trug entweder oben oder seitlich, je nachdem Oberflächen- oder Profilbeobachtungen
angestellt werden sollten, einen photographischen Apparat, mit dem die beim Bewegen
der Platten entstehenden Stromlinien bei Blitzlicht aufgenommen werden konnten.
Um die Linien besser kenntlich zu machen, wurde die Oberfläche des Wassers mit
Bärlappsamen bestreut, während im Inneren des Wassers dazu eichene Sägespäne benutzt
wurden, die ins Wasser geschüttet in einer gleichmässigen Schicht langsam
hinabsinken.
Nach den auf diese Art erhaltenen Aufnahmen sind dann Diagramme zusammengestellt
worden, aus denen der Verlauf der Stromlinie nach gewissen Gesetzen kenntlich
wird.
Ausserdem sind von dem Redner auch Untersuchungen unternommen worden über die Grösse
und Verteilung des auf die geschleppte Platte wirkenden Wasserdruckes und des hinter
der Platte herschiebenden Gegendruckes, der durch die hinter der Platte entstehenden
Wirbel verursacht wird. Hierzu wurde das Aufstauen des Wassers vor der Platte und
die Senkung des Wassers hinter derselben in der Weise gemessen, dass die Oberflächen
der Platte mit Papier überzogen worden waren und das gefärbte Wasser dann
selbsttätig die verschiedenen Staukurven aufzeichnete.
Die hierbei gewonnenen Ergebnisse haben wesentlich zur Ausgestaltung und Klärung der
zuerst erzielten Kenntnisse gedient und sind dann noch durch einige Versuche im
grösseren Masstabe – mit einer 1 qm grössen Platte – im Schleppversuchsbassin des
Norddeutschen Lloyds zu Bremerhafen bestätigt
worden.
Nachdem der Vortragende berichtet hatte, dass nach weiteren Versuchen die für das
Medium Wasser gewonnenen Erfahrungen auch für andere tropfbare und gasförmige
Flüssigkeiten, vornehmlich für Luft, zu gelten schienen, dass daher nicht nur für
den Schiffbau in Beziehung auf Widerstand, Formgebung und Wellenbildung, sondern
auch für die Luftschiffahrt und den Schnitt wie die Stellung von Segeln praktische
Lehren auf dem von ihm eingeschlagenen Wege zu erlangen wären, schloss er seine
interessanten Ausführungen mit dem Hinweis auf ein Verfahren, nach dem an Hand der
beschriebenen Vorversuche zu bestimmen sein würde, wie gross die Druckwirkung des
Wassers in jedem Punkte der benetzten Oberfläche eines Körpers wäre.
Der lebhafte Beifall und die Anerkennung der Versammlung wurde Herrn Professor Ahlborn und seinem Assistenten Herrn Dr. Wagner auf Antrag des Vorsitzenden, Herrn
Geheimrats Busley, dadurch noch besonders bezeugt, dass
zur Fortführung der lehrreichen Untersuchungen ein namhafter Beitrag seitens der
Schiffbautechnischen Gesellschaft bereitgestellt wurde.
Mit dem nächsten Vortrage:
„Betrachtungen über den Wert und die Bedeutung der
Lohnformen“,
schnitt dann Herr Geheimer Marinebaurat Wiesinger eine äusserst wichtige Frage sozialer Natur
an.
Nach einer Schilderung und kritischen Beleuchtung des Tage- oder Zeitlohnes, des
Stück- oder Akkordlohnes, des Prämienlohnes und des Lohnes mit Gewinnbeteiligung
trat der Redner für den Stücklohn als den für den Arbeiter gerechtesten ein. Herr
Geheimrat Wiesinger setzte dabei einen Mindestsatz
voraus, der einer Familie durchschnittlicher Kopfzahl eines noch unerfahrenen oder
älteren, nicht mehr auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit stehenden Arbeiters ein
Auskommen gewährleiste.
Der Vortragende erklärte sodann, dass er in demihm unterstellten Betriebe (der
Kaiserl. Werft Danzig), mit einem nach diesem Grundsatze festgelegtem Stücklohn,
sowohl eine Verbilligung der Arbeitskosten als eine Erhöhung des durchschnittlichen
Einkommens der Arbeiter erzielt habe. Er schlage daher vor, für die deutschen
Werften unter Voraussetzung gewisser normaler Werkstattseinrichtungen und
Arbeitsbedingungen eine einheitliche Normalbewertung der einzelnen Arbeitsleistungen
zu schaffen, an Hand derer auf jeder Werft die den örtlichen Verhältnissen
entsprechenden Akkordsätze dann bemessen werden könnten.
Diese mit grossem Interesse von der Versammlung aufgenommenen Ausführungen hatten
einen lebhaften Meinungsaustausch zur Folge. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass
die für die Kaiserlichen Werften geltenden Grundsätze nicht leicht auf die
Privatwerften übertragen werden könnten, dass man aber auf die Dauer kaum um feste
Abmachungen mit den Arbeitern herumkommen würde. Andererseits trat Herr Direktor Blümcke, Mannheim, mit grosser Wärme für den Lohn mit
Gewinnbeteiligung ein, den er aber wesentlich anders ausgestaltet haben wollte, als
es bisher üblich gewesen ist.
In dem dann folgenden Vortrage sprach Herr Ingenieur Meldahl über:
„Materialspannungen in ausgeschnittenen und verdoppelten
Platten“.
Nach einem Hinweis auf die Durchbiegungen, die ein Schiffskörper erleidet, der
abwechselnd in der Mitte und an den Enden von einem Wellenberg getragen wird, und
die bei Schiffen von 160 m Länge mehr als 25 cm in beiden Richtungen betragen
können, bespricht der Redner die Spannungen, die in den Seitenwänden der
Deckshäuser, insonderheit dort, wo Fenster- oder Türöffnungen vorhanden sind,
auftreten, und berichtet über Versuche, die er zum Studium der dabei entstehenden
Formänderungen an aus einer elastischen Masse (Gelatine und Glyzerin) hergestellten
Modellen vorgenommen hat.
Als Ergebnis der Versuche ist hervorzuheben, dass Dopplungen zur Verstärkung bei
Ausschnitten in Platten drei- bis viermal so gross wie der Ausschnitt selbst sein
müssen, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, dass die Form des Ausschnittes von
hohem Einfluss auf die Schwächung der Platte ist, dass die infolge des Ausschnittes
auftretenden Spannungen an den Ecken desselben am grössten sind und daher an diesen
Stellen Nietungen vermieden werden müssten.
Den letzten Vortrag hielt sodann Herr Fabrikbesitzer Pohlig über:
„Das Entladen von Schiffen mit Berücksichtigung ihrer zweckmässigsten
Bauart.“
Herr Pohlig erörterte erst die wirtschaftlichen
Gesichtspunkte, die bei der Anschaffung von Transportanlagen in Frage kommen, und
die nach seiner Ansicht in Schiffahrtskreisen noch viel zu wenig Beachtung und
Würdigung finden, da durch zweckmässige mechanische Transporteinrichtungen beim
Laden und Löschen der Schiffe viele Unkosten gegenüber dem jetzt üblichen Betriebe
zu sparen wären.
Der Vortragende besprach dann eine Reihe neuerer, mustergültiger Transportanlagen,
die sich gut bewährt haben und bei denen zum Teil die Huntschen Elevatoren und Verladebrücken mit grossem Erfolge angewandt
worden sind.
Im einzelnen gab er eine Beschreibung der Transportanlagen für das Eisenwerk Kratzwiek bei Stettin, der
Verladeeinrichtungen in Duisburg, in der Gasanstalt in der Gitschiner Strasse zu
Berlin und der Hafenanlagen in Rotterdam, Savona und Holländisch-Indien, Anlagen,
die teils zum Verladen von Kohlen, teils zum Verladen von Stückgütern dienen.
E. J.