Titel: | Reformgedanken für eine rationelle Bauart im Schiffsmaschinenbau auf Grund der Fortschritte im Bau ortsfester Dampfkesselanlagen. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 98 |
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Reformgedanken für eine rationelle Bauart im
Schiffsmaschinenbau auf Grund der Fortschritte im Bau ortsfester
Dampfkesselanlagen.
Von Prof. Fr. Freytag,
Chemnitz.
(Schluss von S. 83 d. Bd.)
Reformgedanken für eine rationelle Bauart im Schiffsmaschinenbau
usw.
Zuweilen ist es notwendig, die Maschine, insbesondere die inneren Steuerorgane
derselben, aus irgend welchen Gründen nachsehen und etwaige schadhafte Teile
derselben, innerhalb kürzester Frist, ersetzen zu können. Auch in bezug hierauf
steht der Schieber mit seinem grossen Gewichte dem leichten, handlichen Ventil
wesentlich nach. Es fällt dem Maschinisten nicht schwer, sich vom Zustande der
Steuerventile seiner Dampfmaschine zu überzeugen, wohingegen beim Schieber
umständliche Massnahmen – Hilfsmannschaften, Hebemaschinen u. dergl. – häufig
erforderlich sind. Es erscheint daher begreiflich, dass ein Nachsehen bei
Schiebermaschinen weniger oft stattfindet, ja dass sogar oft so lange damit gewartet
wird, bis es zu spät ist.
Freilich darf es bei der grossen Mannigfaltigkeit von Ventilsteuerungen nicht Wunder
nehmen, wenn auch diese infolge der Verschiedenheit ihrer Durchbildung in
verschieden hellem Lichte erstrahlen. Dies gilt nicht allein von der inneren
Steuerung, sondern viel mehr noch von den äusseren Steuerungsmechanismen.
Das Ventil als solches kann grundsätzlich als Tellerventil, Glockenventil oder
Rohrventil angewandt werden. Nichtsdestoweniger hat heute das Rohrventil infolge
seiner Vorzüge hinsichtlich der Dampfleitung und der Entlastungsmöglichkeit, sowie
auch seines geringen Gewichtes wegen, die beiden anderen Ventilformen fast
vollständig verdrängt.
Die verschiedene Verteilung und Anordnung der Steuerventile am Zylinder besitzen
gleichfalls eine einschneidende Bedeutung, nicht nur für das Aussehen, sondern auch
für die Güte der Maschine, zumal durch sie die Grösse des schädlichen Raumes bezw.
der schädlichen Flächen wesentlich bedingt ist.
Vor allem hat jedoch der Dampfmaschinenkonstrukteur ein Hauptaugenmerk auf die äussere Steuerung gerichtet, mit deren Hilfe er teils
eine gute Dampfverteilung, d. i. ein dem wirtschaftlichen Arbeiten der Maschine
entsprechendes rechtzeitiges Oeffnen und Schliessen der Steuerorgane, teils eine
rationelle Veränderung der Füllung innerhalb möglichst weiter Grenzen mit einfachen
Mitteln, d.h. eine weitgehende Regulierfähigkeit der Maschine bei hoher
Betriebssicherheit, langer Lebensdauer und geringem Rückdrucke auf den Regler zu
erreichen sucht.
In erster Linie sieht er sich da vor die Wahl zwischen auslösender und zwangläufiger Steuerung
gestellt.
Jene, welche als sinngemässe Ausbildung des Corlissmechanismus entstanden ist,
überlässt das Ventil nacherfolgter Ausklinkung einem freifallenden Schluss,
wodurch hauptsächlich eine rasche Schlussbewegung zur Erzielung scharf ausgeprägter
Diagramme herbeigeführt wird. Da jedoch mit wachsender Beschleunigung die
Aufsetzgeschwindigkeit unerwünscht hoch ansteigen würde, wodurch geräuschvolle und
das Material gefährdende Stösse und Schläge beim Auftreffen des Ventils auf seine
Sitzfläche hervorgerufen werden, ist noch ein dieselbe verzögerndes Mittel
einzuschalten, als welches Luft- oder Flüssigkeitspuffer gebräuchlich geworden
sind.
Werden solche Puffer nicht angewendet, so ist der Bereich der Abschnappsteuerung nur
auf die niedrigen Tourenzahlen beschränkt, während die Puffer bei etwas höheren
Tourenzahlen unerlässlich werden. Allein es bergen diese Puffer auch mancherlei
Nachteile und Unzuträglichkeiten in sich.
So müssten z.B. bei den Luftpuffern jeweils bei einer Füllungsänderung die
Drosselquerschnitte zugleich geändert werden können, damit beständig gleiche
Aufsetzgeschwindigkeiten bestehen bleiben. Weil jedoch diese Förderung bis jetzt
praktisch nicht erfüllt werden konnte, so musste man sich entweder auf geringere
Schlussgeschwindigkeiten beschränken, oder bei grösseren Füllungen ein unter
heftigeren Schlägen erfolgendes Aufsetzen des Ventiles in Kauf nehmen.
Um diesen Uebelständen aus dem Wege zu gehen, hat man Flüssigkeitspuffer konstruiert, deren Drosselquerschnitte behufs Erzielung
ständig gleicher Aufsetzgeschwindigkeiten mit der Füllungsänderung nicht besonders
geregelt werden müssen. Soll ein derartiger Puffer seine Aufgabe dauernd richtig
erfüllen, so darf seine Flüssigkeit, insbesondere bei höherer Tourenzahl, nicht
schäumen, noch auch im Ruhezustande oder bei Erwärmung sich verdicken und zähflüssig
werden, abgesehen davon, dass Verunreinigungen, welche die Durchflussquerschnitte
unerwünscht verengen könnten, vermieden werden müssen.
Neben diesen Dingen, welche die Grenze der erreichbaren Tourenzahlen verhältnismässig
weit herabziehen, stellen die Schneiden des Abschnappmechanismus ein weiteres
Hindernis gegen die Verwendung dieser Art von Steuerungen bei höheren Tourenzahlen
dar.
Man hat daher vielfach die Steuerung mit freifallender Schlussbewegung des Ventiles
verlassen und ist zu der stets zwangläufigen Ventilbewegung bezw. Ventilsteuerung
übergegangen.
Hinsichtlich der Dampf- und Erhebungsdiagramme steht die zwangläufige Ventilsteuerung
im allgemeinen in der Mitte zwischen der Schiebersteuerung und der auslösenden Ventilsteuerung,
weil die Eröffnung und der Schluss des Ventiles gegenüber jener rascher erfolgen,
während gegenüber dieser der zwangläufige Schluss weniger rasch vor sich geht.
Je nachdem wir es nun mit einer kettenschlüssigen oder
kraftschlüssigen Steuerung zu tun haben, erfolgen
sowohl Oeffnungs- als auch Schlussbewegung des Ventiles durch ständig aktive
Tätigkeit des Steuermechanismus oder es erfolgt der Schluss des feder- oder
gewichtbelasteten Ventiles nur unter passiver Tätigkeit desselben.
In beiden Fällen steht jedoch dem Uebergange zu höheren Umlaufzahlen ein im Wesen der
Steuerung liegender Hinderungsgrund nicht entgegen.
Dies geschieht um so weniger, je einfacher die Steuerung gestaltet ist, also
insbesondere dann, wenn sie möglichst wenig Hebel und Gelenke besitzt.
Mit diesem Bestreben nach grösstmöglichster Einfachheit erreicht man aber nicht
allein, ohne Nachteile hinsichtlich eines ruhigen Maschinenganges, höhere
Tourenzahlen, sondern auch eine gesteigerte Betriebssicherheit und Lebensdauer
infolge der verminderten Teile und nicht zuletzt aus demselben Grunde die denkbar
beste Präzision der Dampfverteilung, weil eben die vielen Fehlerglieder in Wegfall
kommen.
Mit Rücksicht darauf, dass oft – wenn auch unerwünscht – Wasseransammlungen in den
Zylindern auftreten, die schädliche Schläge mit sich bringen können, muss der
kraftschlüssigen zwangläufigen Ventilsteuerung gegenüber der kettenschlüssigen
insofern ein Vorzug zuerkannt werden, als die Einlassventile jener Steuerung eine
Art Sicherheitsventilwirkung besitzen, indem das Ventil sich öffnen muss, wenn der Druck des eingeschlossenen Wassers die
Federbelastung überwiegt.
Andererseits wird das Steuerorgan bei kettenschlüssiger Bewegung vollkommen
zwangläufig geführt; dagegen ist es für die gute Wirksamkeit der kraftschlüssigen
Steuerung eine unerlässliche Bedingung, dass der zur Verfügung stehende Federdruck
nicht allein zur Erzeugung einer die entgegenwirkenden Massenbeschleunigungsdrücke
überwindenden Kraft, sondern auch zur Ueberwindung der Reibungswiderstände und des
infolge nicht vollständiger Entlastung verbleibenden gegenteiligen Dampfdruckes
ausreicht.
Weil nun die Massenbeschleunigungsdrücke von dem Bewegungsgesetze der Steuerung
abhängig und daher durch dieselbe bestimmt sind, weil ferner die Grösse des etwaigen
Dampfüberdruckes ebenfalls aus der Ventilkonstruktion hervorgeht, können diese
beiden Grössen als festgelegt betrachtet werden, während den Reibungswiderständen
eine besondere Beachtung zugewandt werden muss.
Dies gilt namentlich von der Spindelführung, welche daher wechselnden
Reibungseinflüssen möglichst zu entziehen ist. Dies wird indess überall da nicht
erreicht, wo das Dichthalten der Spindel durch ein Anpressen von Packungsmaterial,
also mit Packungsstopfbüchsen erfolgt, deren Reibung von Bedienung und Wartung
wesentlich abhängt, daher auch nie genau gleich ist und nie genau kontrolliert
werden kann.
Es verdienen daher jene Ventilspindelführungen den Vorzug, welche eine Stopfbüchse
vermeiden und die Dichtung unter Zuhilfenahme irgend eines anderen physikalischen
Prinzipes erreichen, z.B. mit Drosselquerschnitten, Labyrinthräumen u. dergl.
mehr.
Zusammenfassend geht aus den angestellten Betrachtungen hervor, dass eine kraftschlüssige zwangläufige Ventilsteuerung einfacher
Konstruktion mit ihrer Sicherheitsventilwirkung bei
Anwendung stopfbüchsenloserSpindelabdichtung den modernen Bestrebungen im Dampfmaschinenbau am meisten Genüge leisten dürfte.
Nach diesem Ergebnis drängt sich uns die Frage auf, inwieweit der Dampfmaschinenbau
sowohl auf dem Gebiete der ortsfesten, wie der beweglichen Maschinen der wissenschaftlichen Erkenntnis
in seinen Ausführungen Folge geleistet hat.
Lenken wir unsere Blicke auf die beiden Gebiete der Landdampfmaschinen und Schiffsmaschinen, so
ist anzuerkennen, dass diese Forderungen bei den ersteren in höherem Masse als wie
bei den letzteren verwirklicht worden sind. Man möchte sich sogar versucht fühlen,
zu behaupten, dass im Schiffsmaschinenbau hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen ein
kaum verständlicher Stillstand wahrzunehmen sei. Ein Vergleich der beiden Gebiete
bewahrheitet daher begreiflicherweise das zutreffende Wort „Stillstand ist
Rückgang“, was auch an Hand eines Beispieles näher dargetan werden kann.
So hatte Verfasser in einem Aufsatze „Steuerungen an Dampfmaschinen mit
Ventilsteuerung, Bauart Lentz“, in der Z. d. V.
d. Ing. 1902, S. 1924 u. ff. eine auf der Düsseldorfer Ausstellung vertretene
Verbunddampfmaschine stehender Anordnung beschrieben, die den entwickelten
Grundsätzen in hohem Grade gerecht geworden ist. Diese Maschine – sie ist inzwischen
von der Firma Siemens & Halske für ihr Berliner
Werk angekauft worden – hatte durch die Gediegenheit und Einfachheit der
Konstruktion und durch ihre Betriebssicherheit die Aufmerksamkeit der
Ausstellungsbesucher in hohen Masse erregt – umsomehr, als sie trotz der für
Ventilsteuerungen ungewöhnlich hohen Umlaufzahl von 200 in der Minute vollständig
ruhig und geräuschlos arbeitete. Dazu kommt, dass, wie in dem erwähnten Aufsatze
eingehend dargelegt ist, der Kraftbedarf der Steuerung ein verhältnismässig
unbedeutender ist, dass ferner die dort gezeigten Ventilerhebungskurven in Bezug auf
Eröffnungs- und Schlussbewegung und hinsichtlich der Beschleunigungsverhältnisse
allen Anforderungen entsprechen, sowie dass die mit dem äusserst empfindlichen
Beharrungsachsenregler durch Exzenterverstellung erreichten Veränderungen in der
Dampf Verteilung hervorragend günstig bleiben.
Es war daher nicht zu verwundern, dass bei Versuchen, die Verfasser an einer analogen
Dreizylindermaschine des Beleuchtungs- und Wasserwerkes in Bochum von 839 PSi
anstellte, mit 11,75 Atm. Einströmungsspannung (Ueberdruck) und 210,6°C.
Dampftemperatur (also ∾ 24 ° C Ueberhitzungstemperatur) sich ein Dampfverbrauch von
nur 4,18 kg für 1 PSi/Std. herausstellte.
Demgegenüber ist auf die Dampfmaschinen eines unserer modernsten Schnelldampfer zu
verweisen, der mit seiner Grösse durch seinen Schnelligkeitsrekord dem deutschen
Schiffbau Ehre eintrug. Nichtsdestoweniger besitzt z.B. der Mitteldruckzylinder
dieser Maschine, wie schon Eingangs erwähnt, zwei getrennte Kolbenschieber, während
an den beiden Niederdruckzylindern Flachschieber angeordnet sind.
Wie ein Blick auf die Zeichnungen dieser Maschine erkennen lässt, muss der
Kraftbedarf der zugehörigen Steuerung eine beträchtliche Höhe annehmen und damit den
mechanischen Wirkungsgrad herabdrücken. Andererseits lässt sich die Umsteuerung bei
Anwendung der schweren Schieber als Steuerungsorgane und gar in Verbindung mit der
kraftheischenden Kulisse und den vielen komplizierten Hebeln und Gelenken nur
schwierig bewerkstelligen, so dass die direkte Betätigung mittels Handrad oder
Handhebel durch den Maschinisten vollständig ausgeschlossen ist und zur Verwendung
von Hilfsmaschinen gegriffen werden musste.
Vergleicht man nun die typische Form des Schiffsmaschine in ihrem ganzen Aufbau mit
einer stehenden ortsfesten Dampfmaschine, so findet man nichtsdestoweniger in den Grundzügen
eine derartige Aehnlichkeit, dass man sich des Gedankens nicht erwehren kann, warum
denn bei den Schiffsmaschinen nicht auch schon längst an die Einführung der
Ventilsteuerungen gedacht worden ist, umsomehr, als der Reversierbarkeit einer
Ventilsteuerung doch gar nichts im Wege steht! Diese Aufgabe erscheint um so
aussichtsvoller, als der Kulissenmechanismus durch ein
einziges umsteuerbares Exzenter von einfacher Konstruktion und kleinen
Abmessungen sich ersetzen liesse.
Da in technischen Dingen aber Zahlen am lautesten sprechen, möge eine vergleichende
Brennstoffkostenberechnung für zwei gleichzeitig arbeitende Schiffsmaschinen von je
5000 PS angestellt werden, die in dem einen Falle als Schiebermaschinen, im anderen
als Ventilmaschinen der vorgenannten. Art gedacht sind.
Für die Schiebermaschinen beziehen wir uns auf eine Angabe neuester Zeit (Z. d. V. d.
Ing. 1903, S. 917), wonach das russische Schul- und Transportschiff
„Okean“Siehe D. p. J. 1903,
318, 735., welches von den Howaldtwerken in Kiel gebaut wurde, bei 21 Atm.
Kesselspannung einen Kohlenverbrauch von 0,756 kg für 1 PSi/Std. benötigte, was bei 7,5-facher
Verdampfung 5,67 kg gesättigten Dampf ausmacht.
Dem steht das vorerwähnte Beispiel der Bochumer Maschine mit einem Verbrauch von 4,18
kg massig überhitztem Dampf gegenüber, den wir für die grössere Leistungseinheit von
5000 PSe mit 3,9 kg für 1 PSi/Std. wohl kaum zu günstig eingeschätzt haben.
Diese beiden Verbrauchsziffern unterscheiden sich jedoch in der Dampfspannung und
ferner dadurch, dass der Dampf der Bochumer Maschine massig überhitzt war.
Da aber die Betriebsspannung, über welche in der genannten Veröffentlichung der
Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingenieure keinerlei nähere Angaben gemacht sind,
üblicher Weise kaum über 15 bis 16 Atm. hinausgeht, muss zwischen Kessel und
Maschine eine Drosselung des Dampfes von 21 Atm. auf die Betriebsspannung
stattfinden. Entsprechend dem Temperaturunterschiede dieser beiden
Sättigungstemperaturen findet daher, wie allgemein bekannt, auch hier eine
Dampfüberhitzung statt, so dass ebenfalls, wie bei der Bochumer Maschine, eine
massige Dampfüberhitzung in Frage kommt.
Es ist ferner eine bekannte Tatsache, dass der mechanische Wirkungsgrad der
Schiebermaschine wesentlich ungünstiger ist, als bei Ventilmaschinen, welcher daher
mit 80 v. H. bezw. 90 v. H. in Ansatz gebracht werden dürfte.
Schieber-Maschinen
Ventil-maschinen
Effektive Leistung (2 . 5000 PSe)
PSe
10000
10000
Wirkungsgrad
0,80
0,90
Indizierte Leistung
PSe
12500
11111
Dampfverbrauch für 1 PSi/Std.
kg
5,67
3,90
Mittlere jährliche Betriebsdauer (200 . 24
Std.)
Std.
4800
4800
Jährlicher Dampfverbrauch
t
340200
208990
Verdampfungsziffer
7,5
7,5
Jährlicher Kohlenverbrauch
t
45360
27730
Jährliche Kohlenersparnis
t
–
17630
Jährliche Kohlenersparnis in Pro- zenten
–
39 v. H.
Jährliche Ersparnis an Brenn- stoff (1 t = 10
M.)
M.
–
176300
Unter Zugrundelegung dieser Zahlen, welche bei der Verschiedenheit der angewandten
Betriebsspannungen von15–16 Atm. (Okean) bezw. 11,15 Atm. (Bochum) keineswegs
im Sinne der Reformgedanken als Schönfärberei erscheinen, gestaltet sich eine
Vergleichsrechnung wie vorstehende Tabelle zeigt.
Neben den angedeuteten Reformgedanken technischer Art gehen also die wirtschaftlichen
Erwägungen Hand in Hand,
Indem wir unter sonst gleichbleibenden Verhältnissen 39 v. H. Kohlen zu ersparen
vermögen, sind wir in die Lage versetzt, mit dem gleichen Inhalte der Kohlenbunker
eine um 39 v. H. grössere Fahrt zurückzulegen, oder schiffstechnisch ausgedrückt,
den Aktionsradius um 39 v. H. d. i. mehr als ⅓ zu
vergrössern.
Welche Rolle dieser Vorteil im Falle eines Krieges für die Marine zu spielen
vermöchte, bedarf kaum eines besonderen Hinweises. Es erscheint daher der deutsche
Schiffsmaschinenbau, wenn er eine führende Stelle behaupten will, mit zwingender
Notwendigkeit vor die Entscheidungsfrage gedrängt, ob er durch Anwendung einer
geeigneten Ventilumsteuerung den Eingangs erwähnten Vorteilen, insbesondere der
Einführung des überhitzten Dampfes den Fortschritt ermöglichen will oder nicht.
Die Ersparnisziffern fordern geradezu ungestüm zu ausgedehnten Versuchen nicht nur
beim Bau neuer Schiffe, sondern auch zum Umbau älterer Schiffsmaschinen auf sonst
noch tauglichen Schiffskörpern heraus.
Beträgt doch allein die jährliche Kohlenersparnis bei einer Leistung der Maschine von
nur 10000 PS etwa 176300 M., ungeachtet der verschiedenen Nebenkosten, die noch zu
ersparen sind, Die Umbaukosten von Schiebermaschinen in solche mit Ventilsteuerung,
bei dem ja das Maschinenbett mit den Ständern, der Kurbelwelle und dem
Maschinentriebwerk unverändert belassen werden könnte, während nur die Zylinder mit
dem Steuerungsmechanismus ausgewechselt würden, wären daher in verschwindend kurzer
Zeit amortisiert.
Die in der vorstehenden Berechnung angenommene jährliche Betriebsdauer von 200 Tagen
trifft auch für die den Verkehr zwischen Hamburg und New-York versehenden
Ozeandampfer zu, welche etwa die Hälfte des Jahres unterwegs sind, weshalb das
gebrachte Beispiel ohne weiteres auch auf einen solchen Dampfer angewendet werden
kann, vorausgesetzt, dass derselbe nur mit einer Leistung von 10000 PS betrieben
würde. Um andernfalls die bezüglichen Ziffern feststellen zu können, würde nur nötig
sein, die gefundenen Werte mit dem Verhältnis der Leistungen zu multiplizieren. Die
jährlichen Ersparnisse an Kohlen betrugen im gegebenen Falle 176300 M. Diese ersparten Kohlen entsprechen einem Gewicht von
17630000 kg (1 t = 10 M.), und da in einen Raum von 1 cbm Inhalt etwa 870 kg Kohlen
Platz finden, so würden zur Unterbringung der ersparten Kohlen insgesamt
\frac{17630000}{870}=20350\mbox{ cbm}
erforderlich sein.
Nun wird von den Dampfergesellschaften für 1 cbm Fracht durchschnittlich 3 Mk.
vereinnahmt, so dass durch die Ausnutzung der infolge des Minderverbrauches an
Brennmaterial frei werdenden Bunkerräume für eine Leistung
von 10000 PS noch 20350 . 3 = 61050 Mk., insgesamt somit 176300 + 61050 =
237350 Mk., d.h. etwa ¼ Millionen Mark gewonnen
werden.
Es kommt hinzu, dass bei den niedrigen Dampfverbrauchsziffern der Ventilmaschinen
gegenüber den Schiebermaschinen die Kessel nicht so stark beansprucht zu werden
brauchen, bezw. hat man bei gleicher Beanspruchung derselben eine Reserve an
Kesseln, zur Verfügung, oder aber es kann die Kesselanlage verkleinert und der dadurch gewonnene
Raum durch Aufnahme von Ladung weiter ausgenutzt werden.
Die Ersparnisse können auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Fahrt bei gleichem
Wege und gleichem Kohlenverbrauche nunmehr in kürzerer Zeit zurückgelegt werden kann
als vordem.
Schliesslich werden die Verluste an Kohlentrümmern geringer, die Bedienungsmannschaft
ist entlastet bezw. kann sie reduziert werden, der Oelverbrauch wird geringer u.
dgl.
Summiert man alle diese direkten und indirekten Ersparnisse, welche die Verwendung
der Ventilsteuerung anstelle der Schiebersteuerung an ein und derselben Maschine mit
sich bringt, so ergibt sich, dass die zum Umbau vorhandener
Schieber-Schiffsmaschinen nötigen Kosten, die durch Auswechslung der Zylinder und
der Steuerung gegen komplete, mit Lentz-Steuerung
versehene Zylinder entstehen, sich in kürzester Zeit durch den Betrieb allein
hereinbringen lassen, ausserdem aber den dauernden
Vorteil der Betriebsverbilligung gewähren.
Es kann deshalb nicht genügend betont werden, dass der Umbau von
Schieber-Schiffsmaschinen, die einen grossen Kohlenverbrauch aufweisen, in
Ventilmaschinen von hervorragender Bedeutung insbesondere in wirtschaftlicher
Beziehung ist.
Mit den dargelegten Gesichtspunkten für eine rationelle Reform im Schiffsmaschinenbau
steht in vollem Einklang eine bedeutsame Stelle aus Prof. Brauers
„Betrachtungen über die Maschinen und den Maschinenbau“ (Zeitschr. d. Ver.
deutsch. Ing. 1900, Heft 4). „Mit zunehmender Einsicht in den Haushalt der
Maschine hat sich auch der Wettkampf um den Preis des höchsten Wirkungsgrades,
der grössten Leistungsfähigkeit verschärft, und viele Maschinen fallen diesem
Kampfe zum Opfer, lange bevor sie das nach ihrer Organisation mögliche
Lebensalter erreicht haben. Mit unbarmherziger Notwendigkeit kürzen auftauchende
Verbesserungen die Lebenstage der älteren Maschinen: Das Bessere, der Feind des
Guten, trägt den Sieg davon.“