Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. |
Autor: | M. Richter |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 103 |
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Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der
Gegenwart.
Von Ingenieur M. Richter,
Bingen.
(Fortsetzung von S. 90 d. Bd.)
Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
6. Die Schnellzuglokomotive der Schweizer
Zentralbahn, erbaut 1900 zu 10 Stück von der Schweizerischen Lokomotivfabrik Winterthur und im gleichen Jahr in
Paris ausgestellt, zeigt die Ausführung dieser Bauart für
Bahnen mit sehr wechselndem Profil. Ihre Abmessungen, Zugkraft und Leistung, sowie
Verhältniszahlen stimmen mit der v. Borriesschen fast
genau überein; dem Hügelland entsprechend sind nur die Triebräder klein
genommen.
Die H. D. Z. sind aussen wagerecht, die N. D. Z. innen 1/40 geneigt; erstere haben Heusinger, letztere Joy-Steuerung; die Umsteuerungen sind unter sich gekuppelt, und die
Steuerungsverhältnisse so gewählt, dass die grossen Zylinder stets 10 v. H. grössere
Füllung erhalten, als die kleinen; Kolbenflächenverhältnis 2,4. Aeussere Gleitbahnen
einseitig, innere zweiseitig. – Die Feuerbüchse, über die Hinterachse ragend, hat
stark geneigten, nirgends kippbaren Rost; gewöhnliche Heizrohre; Regulator mit
äusserer Zugstange; massig verlängerte Rauchkammer.
Die ganze Konstruktion ist sehr einfach gehalten, was im Verein mit der vorzüglichen
Ausführung und geschmackvollen Formgebung und Ausstattung (Verkleidung z.B. aus
naturblauem, russischem Blech für Kessel und Dom, ohne Lackierung; für
Zylinderdeckel und Stopfbüchsen aus weissgeschliffenem Blech; Räder und Führerhaus
dunkelgrün gestrichen) eine unübertroffene Eleganz der Erscheinung bewirkt, welche
auch im Ausland, auch Amerika und England, den Winterthurer Erzeugnissen allseitig zuerkannt wurde.
Diese Lokomotiven fahren flott an und halten die höchsten Geschwindigkeiten mit dem
denkbar ruhigsten Gang. Durch ihre Einführung ist es gelungen, eine fahrplanmässige
Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/St. zu erzielen, und dazu noch auf ungünstigen
Strecken, wie z.B. Bern-Thun, Olten–Bern, Olten–Luzern, Olten–Biel. Es ist nur
schade, dass in der Schweiz durch die meisten Stationen langsam gefahren wird, so
dass von einem eigentlichen Schnellfahren keine Rede sein kann, und viel Zeit
verloren wird für das fortwährende Wiederbeschleunigen des Zuges.
Durch diese Beispiele soll die Leistungsfähigkeit der Lokomotive System de Glehn genügend beleuchtet sein. Theoretisch besser
und konstruktiv viel einfacher ist aber die Anordnung, welche von v. Borries schon lange vorgeschlagen, von ihm erst
ausgeführt wurde, als Webb auf der englischen
Nordwestbahn mit ähnlichem Beispiel vorangegangen war, nämlich die vier Zylinder in
einer Reihe unterhalb der Rauchkammer anzubringen und alle dieselbe Achse treiben zu
lassen, da dann der Ausgleich vollständiger wird, und sich das ganze Getriebe,
besondersaber die Steuerung, wesentlich vereinfacht. Hierher gehört:
Textabbildung Bd. 319, S. 103
Fig. 69a.London-Nordwestbahn.
7. Die Schnellzuglokomotive der London- und Nordwestbahn
(Fig. 69a) ist im Jahre 1897 in den
Bahnwerkstätten zu Crewe nach dem Entwurf Webbs
entstanden und gehört einer im Laufe von 6 Jahren auf 70 Stück allmählich
angewachsenen Klasse an; an Versuchen, abwechselnden Verbesserungen und
Verschlechterungen usw. hat es nicht gefehlt, bis die in die Tabelle S. 71
aufgenommene, durch Photographie (Fig. 69b) gezeigte
letzte Form sich entpuppte.
Textabbildung Bd. 319, S. 103
Fig. 69b.London-Nordwestbahn.
Die erste Maschine, „Iron Duke“, vom Jahre 1897, hatte 4 Hochdruckzylinder
nebeneinander, welche mit jederseits um 180° versetzten Kurbeln (wie bei System Manson der Glasgow-Südwestbahn) die erste Achse
antrieben; dadurch war natürlicher Massenausgleich erzielt, aber im übrigen sind
zwei Zwillingsmaschinen schlechter als eine einzige, und deshalb wurde bei der
zweiten Maschine „Black prince“ desselben Jahres das Verbundsystem
angewendet, indem die inneren Zylinder durch Niederdruckzylinder vertreten wurden,
worauf die erste Maschine sogar umgebaut, verstärkt, und nebenbei bemerkt, auf den
Namen „Jubilee“ umgetauft wurde. Die Zylinder waren zuerst 4mal 381 mm, dann
2mal 381/495, und
nach dem Umbau 2 mal 381/521. Dies wurde dann beibehalten.
Ferner war den beiden ersten Maschinen merkwürdig das doppelte Kamin. Die Rauchkammer
war nämlich in der Mitte durch ein wagerechtes Blech in zwei Räume geteilt, von
denen jeder ein besonderes Kamin und Blasrohr für sich besitzen musste. (Webb war dabei wohl von dem Gedanken ausgegangen, dass
auf diese Art der ungleichartigen Wirkung des Blasrohres auf die obere und untere
Heizrohrhälfte, bezw. hintere und vordere Hälfte des Feuers abgeholfen werden
könne). Diese Anordnung war zum erstenmale bei einer ⅔ gek. Lokomotive ausprobiert
worden und wurde nun hier übertragen. Die eine Maschinenseite puffte in das vordere
Kamin, welches die untere Rauchkammerhälfte bediente, aus, während die andere
Maschinenseite das hintere Kamin, zum oberen Raum gehörig, für sich in Anspruch
nahm; die beiden Kamine waren natürlich in einer einzigen Umhüllung untergebracht.
Nachdem diese Anordnung zuerst beim Umbau der zweiten Maschine entfernt, dann aber
wieder eingesetzt war, wurde sie bei allen anderen Ausführungen endgiltig fallen
gelassen.
Das Zylinderraumverhältnis war zuerst 1,7, dann 1,86, also immer noch sehr ungünstig;
trotzdem erhielt der Niederdruckzylinder nur 8 bis 16 v. H. mehr Füllung als die
Hochdruckzylinder (letztere Zahl bei gewöhnlicher Fahrt, erstere beim Anfahren).
Infolge dessen liegt die Verbinderspannung hoch, und die Niederdruckmaschine
arbeitet bis 60 v. H. mehr als die Hochdruckmaschine, was weder in ökonomischer noch
dynamischer Hinsicht gut zu heissen ist. Nachdem sich jedoch 40 Maschinen derselben
Art in bezug auf Kesselleistung (und Kohlenverbrauch?) bewährt hatten, wurde die
Grösse der Hochdruckzylinder von 381 auf 406 mm erhöht und dadurch das erwähnte
Verhältnis auf 1,64 herabgedrückt. Da sich aber nun jedenfalls Unzuträglichkeiten
herausstellten, so wurden die früheren Zylinder von 381 mm wieder eingebaut und
gleichzeitig die Kesselspannung von 14 Atm. auf 12 Atm. ermässigt. Tatsache ist,
dass infolge der vielen engen Kanäle in den Einströmrohren und Kolbenschiebern die
Drosselung des Kesseldampfes bis zu 2½ Atm. betragen hatte und die 14 Atm. niemals
als Anfangsspannung aufgetreten waren. Bei den Kesseln der neuen Maschinen ist
übrigens die Heizfläche von 114 qm auf 126 qm erhöht und dementsprechend auch die
Höhenlage der Kesselmitte über den Schienen von 2400 mm auf 2510 mm gebracht
worden.
Soviel über die Geschichte dieser englischen Verbundlokomotive, welche trotz ihrer
glänzenden Leistungen im täglichen Fahrplane, wie die anderen Webbschen Schöpfungen auf dem Gebiete des
Verbundsystemes, als theoretisch mangelhaft zu bezeichnen ist; da sie bei richtiger
Anordnung noch bedeutend mehr glänzen könnte, so sind ihre Erfolge grossenteils der
guten englischen Kohle, der üblichen starken Anstrengung der Lokomotiven in England
überhaupt, und ähnlichen Umständen mehr zuzuschreiben, als dem Webbschen Verbundsystem.
In die Tabelle sind die Dimensionen der neuesten Klasse aufgenommen, deren Vertreter
„King Edward VII“ auch durch die Photographie sich darstellt, während die
Zeichnung (Fig. 69a) für die ersten Klassen gilt,
von denen die Lokomotive „La France“ als Vertreter in Paris 1900 aufgetreten
war.
Was all diesen 70 Lokomotiven von Grund aus gemeinsam ist, soll hier kurz
zusammengestellt werden; im übrigen sei auf die Beschreibung in dem Aufsatz von Brückmann
„Die Lokomotiven der Gegenwart usw.“ (Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1902,
S. 1854 ff.) hingewiesen.
Die ganze Bauart zeigt, wie die Geschichte derselben, eine Masse von
Sonderbarkeiten:
Tiefe Feuerbüchse zwischen beiden Triebachsen; Boden des Aschfalls (letzterer in
einem Stück mit der Büchse) ebenfalls von Wasser umgeben und gegen den flachen
Mantelboden durch Stehbolzen versteift; in der Mitte des Bodens eine Webbsche Oeffnung zur Entaschung; vorn ein Luftloch mit
Fangblech; Feuerbrücke nicht vorhanden, ebensowenig Funkenfänger und Aschfallrohr in
der kurzen Rauchkammer. – Drehgestellmittelzapfen in Webbscher radialer Laufachsenführung gelagert, also bogenförmige
Seitenverschiebung. Kurbelachse dreimal gelagert, nämlich durch die zwei innen
liegenden Hauptrahmen und einen kurzen Mittelrahmen zwischen Feuerbüchse und
Geradführungsträger.
Hochdruckzylinder aussen, Niederdruckzylinder innen. Anfahrvorrichtung fehlt. Nur
eine Steuerung für jede Maschinenseite, nämlich innen liegende Joy-Steuerung, welche unmittelbar die entlasteten
Niederdruck-Flachschieber antreibt; die vorn hinausgeführten Enden der
Schieberstangen greifen an zweiarmigen Hebeln (mit wagerechter Schwingungsebene) an
und treiben durch das andere Ende dieser Hebel gegenläufig (da die Kurbeln jeder
Seite um 180° versetzt sind) die Kolbenschieber der Hochdruckzylinder (Fig. 71b)
Massenausgleich so vollkommen, dass nur für die rotierenden Massen Gegengewichte
erforderlich, welche aussen als Bleiausgüsse in den sehr grossen, als Kurbelscheiben
ausgeführten Radnaben sitzen, innen aber unmittelbar als sektorenförmige
Verlängerung der Kurbelarme ausgebildet sind.
Der dreiachsige Tender mit Holzrahmen, ausgestattet mit Wasserschöpfer, fasst nur 9
cbm Wasser und 4,5 t Kohlen und wiegt daher auch nur 27,1 t. Das gesparte Gewicht
von etwa 20 t kommt der Nutzlast zu gut („kommerzieller Wirkungsgrad!“).
Die beiden Triebachsen werden mit Dampfbremse, welche auch den Tender bedient, der
Zug mit Vakuumbremse gebremst.
Was die Leistungen der Lokomotive betrifft, so muss anerkannt werden, dass dieselbe
sich nicht nur im fahrplanmässigen Betrieb, sondern auch bei jeder
ausserordentlichen Beanspruchung durch zähe Ausdauer hervortut und die schwersten
Züge (bis 330 t) mit den höchsten Reisegeschwindigkeiten (bis 90 km/St.) führt.
Die L. & N.-W.-R. hat 23 Fahrten täglich, teilweise mit mehreren Zügen, bei
welchen mehr als 160 km ohne Aufenthalt zurückgelegt werden Davon ist
die längste Fahrt Wigan–Willesden 303 km in 3 St.
41 Min.
82,3 km/St.
die schnellste Fahrt Birmingham–London 182 km in 2
St.
91,0 km/St.
Schon öfter ist die Strecke London–Crewe–Holyhead, 425 km ohne Anhalten in 5 St.
durchfahren worden, also mit 85 km/st.
Durchschnitt.
Interessant ist des Vergleichs wegen die Schnellzuglokomotive
der Lancashire-Yorkshire-Bahn, durch Umbau aus einer gewöhnlichen
Zwillingslokomotive entstanden. Die Bauart ist im wesentlichen dieselbe wie bei der
vorigen; trotz der Verbesserungen ist jedoch dem einzelnen Beispiel kein Nachfolger
geworden.
Die Hauptsache ist, dass das Zylinderraumverhältnis sowohl durch Verkleinerung des
Hochdruckzylinder-Durchmessers als auch durch Vergrösserung des
Niederdruckzylinder-Hubes den vorzüglichen Wert 3,2 angenommen hat. Dass weiter
keine Versuche in dieser Hinsicht auf der genannten Bahn unternommen worden sind,
kann höchstens durch die sehr massigen Abmessungen der als Versuchsobjekt benutzten
Lokomotive erklärt
werden, welche heutzutage überhaupt versagen müsste. Dieselben sind nämlich:
d1 =
320
mm
\frac{f_2}{f_1}=3,2
d2 =
550
„
R =
1,74
qm
s1 =
660
„
H =
99
„
D =
2210
„
Q =
47,2
t
p =
14
Atm.
Qa =
31,5
„
8. Die Schnellzuglokomotive der Preussischen Staatsbahn
(Kl. IIIb 1), erbaut 1900, von der Hannoverschen Maschinenbau-A.-G., vormals G. Egestorff, Linden vor Hannover, war 1900 ebenfalls
in Paris ausgestellt und erregte auch bei den Amerikanern berechtigtes Aufsehen,
nicht nur durch ihre vorzügliche Ausführung, sondern durch ihre wohldurchdachten
Einzelheiten und ihr stellenweise amerikanisches Aeussere; sie entstammt in den
Grundzügen den Entwürfen und zugehörigen Patenten von v.
Borries (Fig. 70).
Textabbildung Bd. 319, S. 105
Fig. 70. Preussische Staatsbahn.
Im grossen ganzen ist die Anordnung der Maschine mit der vorigen identisch, teilt
ihre Vorzüge, vermeidet aber ihre Nachteile. Grundsätzliche Uebereinstimmung findet
in folgenden Punkten statt:
Alle 4 Zylinder liegen nebeneinander in einer Reihe unterhalb der Rauchkammer, und
treiben die vordere Triebachse an. Die H. D. Z. haben Kolbenschieber mit innerer,
die N. D. Z. entlastete Flachschieber mit äusserer Einströmung und es werden beide
Schieber jeder Seite von nur je einer einzigen, innen liegenden Steuerung betätigt,
wobei eine willkürliche Veränderung der Füllungsverhältnisse ausgeschlossen ist.
Der Unterschied liegt in folgendem: (Fig. 71a)
Entgegengesetzt der Webbschen Anordnung liegen hier die
N. D. Z. aussen, die H. D. Z. innen. Das Zylinderraumverhältnis ist 2,5. Die
Steuerung ist die Heusingersche, welche unmittelbar die
H.-D.-Kolbenschieber treibt. Die Geradführung des Schieberstangenkopfes ist ersetzt
durch einen schwingenden Hebel, welcher auf einer nach aussen gehenden wagerechten
Welle aufgekeilt ist; die letztere trägt aussen wieder einen schwingenden Hebel, in
welchen der Kreuzkopfhebel des Aussenzylinders eingehängt ist. Die Gegenläufigkeit
der beiden Schieber (entsprechend der Kurbelversetzung um 180°) wird dadurch
erreicht, dass der innere Kreuzkopfhebel einarmig, der äussere zweiarmig ist; ferner
wird durch die ungleiche Teilung dieser beiden Hebel erreicht, dass die Füllung des
N. D. Z. 12 bis 18 v. H. grösser ist, als die des H. D. Z., was, verbunden mit dem
Zylinderraumverhältnis 2.5, die Verbinderspannung ganz bedeutend herunterzieht, so
dass die H. D. Z. etwa 50 v. H. mehr leisten als die N. D. Z., d.h. 60 v. H. der
Gesamtleistung zu übernehmen haben, was auf die Kraftverteilung und Dampfausnutzung
von bestem Einfluss ist. Uebrigens ist das Füllungsverhältnis so
beschaffen,dass es für mittlere Füllungen (40 v. H. im H. D. Z.) den grössten
Unterschied, bei kleineren und grösseren Füllungen dagegen die kleineren
Unterschiede in den Füllungen der beiden ungleichnamigen Zylinder ergibt. Die
Steuerung ist zwar etwas vierteiliger als die vorige, aber ihre Vorteile sind
offenkundig.
Eine Anfahrvorrichtung ist vorhanden, und zwar von einfachster Art. Ein Hilfsschieber
beim Regulator lässt beim Ueberschreiten einer bestimmten Oeffnung Frischdampf durch
eine besondere Leitung in die Niederdruckschieberkasten strömen.
Infolge der schon erwähnten Herstellung der beiden Zylinder einer Seite nebst den
zugehörigen Schieberkästen aus einem Stück musste der Blechrahmen am vorderen Ende
in einen amerikanischen Barrenrahmen übergehen, über welchen das Zylinderpaar
sattelartig gelegt ist; amerikanisch ist ferner die Versteifung der vorderen
Kopfschwelle durch Stangen gegen die Rauchkammer.
Im übrigen ist die Ausführung der Lokomotive normal; zu bemerken ist nur, dass die
Kesselmitte, wie bei der vorigen, 2,4 m über S.-O. liegt, dass der Kessel nur aus
zwei, (statt der üblichen drei) Schüssen zusammengesetzt ist, und dass der
Hauptluftbehälter der Westinghoase-Bremse in Gestalt
eines Domes vorn auf den Kessel gesetzt ist (was übrigens keine Neuheit ist). Der
dreiachsige Tender ist normal.
Vor der Ueberführung nach Paris fanden Probefahrten statt, welche zeigten, dass die
gestellten Bedingungen glänzend erfüllt waren. Ein Zug von 300 t Gewicht h. T. (40
Achsen) wurde flott angezogen und anstandslos auf 90 km/Std. Geschwindigkeit gehalten auf
wagerechter Strecke, während Steigungen von 1 : 200 mit dauernd 70 km/Std. befahren
wurden; die Leistung betrug in beiden Fällen etwa 1060 PS, also spezifisch 9 PS/qm, was
vorzüglich ist. Ferner zeigte sich, dass auch bei 110 km/Std. der Gang tadellos ruhig ist.
Trotz des natürlichen Massenausgleiches der gegenläufigen Kolben sind, jedenfalls
unnötiger Weise, noch 20 v. H. der hin- und hergehenden Massen durch das drehende
Gegengewicht jederseits ausgeglichen; ausserdem aber wirkt zur Ruhe des Ganges noch
die grosse verhältnismässige Länge der Pleuelstange (l
: r = 8,5) infolge des schwachen Anschneidewinkels an
der Geradführung und des geringen Kreuzkopfdruckes, mit.
Textabbildung Bd. 319, S. 105
Fig. 71a. Steuerung, Patent von v. Borries.Fig. 71b. Steuerung
von Webb.
Nach der Rückkehr von Paris ist die Lokomotive in den regelmässigen Schnellzugsdienst
der Direktion Hannover eingestellt und hat seitdem zu vielen vergleichenden
Versuchen gegen die gewöhnliche Zweizylinder-Verbund- und die Heissdampflokomotive
gedient; welche im höchsten Masse befriedigend ausfielen. Die noch teilweise über
den Vorzug der Vierzylinder-Maschine gegenüber der Heissdampfmaschine bestehenden
Zweifel hinsichtlich der Leistungsfähigkeit (hinsichtlich der Ruhe des Ganges sind
keine möglich) könnten durch Einbau des Ueberhitzers in die Rauchkammer mit einem Schlage
beseitigt werden.
Die Versuche haben ergeben, dass als betriebsmässige Dauerleistung dieser Lokomotive
rund 900 PS gerechnet werden können, dass aber für längere Zeit dies wohl auf 1000
bis 1100 PS, und vorübergehend sogar auf 1300 PS, also nicht weniger als 11 PS/qm steigen
kann. Die Luftverdünnung in der Rauchkammer beträgt gewöhnlich 115 mm Wassersäule,
die spezifische Verdampfung 65 kg/qm stündlich, der Kohlenverbrauch nur 0,96 kg/PSi und der
Wasserverbrauch nur 8,8 kg/PSi stündlich, die Ersparnis gegenüber der
gewöhnlichen Verbundlokomotive 16 v. H. Kohlen und Wasser.
Es sind im Laufe des Jahres 1902 zehn weitereMaschinen dieser Gattung von der
Direktion Hannover beschafft worden.
(Ausführliches enthalten die Aufsätze von Brückmann und
von Bornes in der „Zeitschr. d. Ver. deutsch.
Ing.“ 1902, S. 990 ff.) –
Ein allgemeines Urteil braucht wohl nicht besonders an Hand der Tabelle gefällt zu
werden, da die Leitbemerkungen bei jeder einzelnen Bauart genügend Anhaltspunkte für
die Entscheidung geben und das Für und Wider ziemlich gleichmässig über das Feld
verteilt ist.
Damit verlassen wir die 2/4 gekuppelte Lokomotive, von welcher 30 Beispiele
besprochen worden sind.
(Fortsetzung folgt.)