Titel: | Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. |
Autor: | Siegm. Edelstein |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 213 |
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Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen
Webstuhle.
Von Prof. Siegm. Edelstein.
Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle.
Einleitung.
Der mechanische Webstuhl ist eine Arbeitsmaschine, die von irgend einer Kraftquelle
mechanische Arbeit aufnimmt und diese unter gleichzeitiger Leistung einer Reihe
unvermeidlicher Verlustarbeiten in die als Weben
bezeichnete Arbeitstätigkeit umsetzt. Diese ist, technologisch genommen, als ein
Ordnen von Fasergebilden zu bezeichnen; rein mechanisch aufgefasst besteht auch sie
nur in der Ueberwindung von Reibungswiderständen, Seilsteifigkeit, Spannungen usw.
und stellt in ihrer Gesamtheit ein Ergebnis dar, das sich als eine gesetzmässige
Verflechtung von zueinander senkrecht stehenden Fadensystemen kennzeichnet. Sie
erfolgt durch entsprechende Betätigung von Werkzeugen, im weiteren Sinne des Wortes,
denen das Arbeitsgut – die beiden Fadensysteme: Kette und Schussfäden – in
zweckmässiger Weise zugeführt werden, während gleicherweise für eine entsprechende
Ableitung des fertiggestellten Arbeitsproduktes – des Gewebes – Vorsorge getroffen
wird, so dass die von dem Webstuhle zu leistende Tätigkeit einesteils in dem
eigentlichen Webeprozesse, dem Bilden des Faches, dem Eintragen und Anlegen des
Schussfadens, anderenteils in der entsprechenden Zuleitung von Kette und Schuss zur
Arbeitsstelle und in der notwendigen Abführung des bereits gebildeten Gewebes
besteht; eine Arbeitsteilung, wie sie jeder Arbeitsmaschine eigentümlich ist und zur
Unterscheidung der Tätigkeit der Getriebe in eine Arbeitsbewegung und eine Schaltbewegung
führt.
Es ist naheliegend, dass je nach der Art der Arbeitsmaschine bald die eine oder die
andere Arbeitstätigkeit einen erhöhten Einfluss auf die Beschaffenheit des
Arbeitsproduktes nimmt, man denke nur beispielsweise an eine einfache Bohrmaschine
oder eine Kreissäge, bei denen die Schaltbewegung vornehmlich den Ansprüchender
technischen Arbeitsführung, Festigkeitseigenschaften, Spahnstärken usw. Rechnung zu
tragen hat und im Gegensatz hierzu an eine Drehbank, bei welcher durch die Art der
Stichelführung die mannigfaltigsten Formen des Werkstückes hergestellt werden.
Ebenso ist es einleuchtend, dass den Getrieben für die Schaltbewegung in besonderen
Fällen auch noch andere gleichwohl dem Ganzen dienende Aufgaben zugewiesen werden
als jene der blossen relativen Verstellung zwischen Arbeitsgut und Werkzeug, und
insbesondere dann, wenn diese Verstellung durch die absolute Bewegung des
Werkstückes erfolgt, muss man gewärtigen, dass dem Schaltwerke dann auch die Aufgabe
der Festhaltung, Einspannung des Werkstückes überantwortet werden wird. Dieser
relative Verschub des Arbeitsgutes gegenüber dem Werkzeuge wird nun beim
mechanischen Webstuhle sowohl bei der Kette als auch beim Schussfaden, durch die
absolute Bewegung des Arbeitsmaterials bewerkstelligt, die Kette wird dem Geschirre
oder dem Harnische zugeführt, während letztere ihre Stelle im Webstuhle nicht
verändern. Was die Anteilnahme der zur Schaltbewegung der Kette dienenden Getriebe
an der Art der Arbeitsführung anbelangt, so kann ebenfalls gleich festgestellt
werden, dass sie einen sehr wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung des Gewebes nehmen, er ist in der Richtung der technischen
Beschaffenheit des Gewebes gelegen, während die Musterung, das figurale Aussehen,
hauptsächlich von der Fachaushebevorrichtung gegeben wird.
Es ergibt sich schon aus dem Gesagten, dass die Schaltgetriebe am mechanischen
Webstuhle eine sehr wichtige, die Arbeitsführung und den technischen Aufbau des
Gewebes wesentlich beeinflussende Rolle spielen,
was wieder die natürliche Folge hat, dass ihre Einrichtung und konstruktive
Durchbildung den verschiedenartigen Ansprüchen angepasst und daher in der
mannigfaltigsten Weise in Anwendung gebracht wird. Insbesondere gilt dies von den
Getrieben zur Schaltung der Kette – den Kettenablass- und
Warenaufwicklungsvorrichtungen –, wenn auch die Schaltung des Schussfadens durch den
hierhergehörenden Schusswechselapparat (Schützenwechsel. Broschiervorrichtung usw.)
einen ganz bedeutenden Reichtum an Konstruktionstypen aufweist.
Wenn schon dieser Umstand allein einen genügend triftigen Grund für eine genauere
Untersuchung der Wirkungsweise einer jeden wichtigeren Type dieser Mechanismen
bildet, so dürfte eine Erörterung um so mehr am Platze sein, als sich insbesondere
bezüglich des Arbeitsvorganges einzelner mitunter unklare Auffassungen zeigen und
nur noch wenig die gemeinsame resultierende Tätigkeit der jeweilig koordinierten
Apparate – Kettenablass und Warenaufwicklung – hervorgehoben wird, während doch
gerade in dieser resultierenden Wirkung ihre Tätigkeit und sonach ihr Einfluss auf
die Warenbeschaffenheit zu suchen ist.
Hervorgegangen aus den einfachen Getrieben des Handwebstuhles zeigen sie heute, durch
die deutlich hervortretende Spezialisierung, durch fortwährende Verbesserungen und
Veränderungen eine solche Mannigfaltigkeit in den Ausführungsformen, dass es
mitunter schwer fällt, sich für die eine oder die andere Anordnung zu entscheiden.
Die nachstehenden Erörterungen sollen den Versuch bilden, eine Uebersicht über
Wirkungsweise und Anwendungsgebiet derselben auf Grund einfacher Feststellungen zu
erlangen. Es sollen nach einer allgemeinen Charakterisierung der Haupttypen der
hierher gehörigen Mechanismen einzelne einer theoretischen Würdigung ihres Wesens
unterzogen werden, woran sich dann als Ergebnis die Besprechung der Wirkungsweise
der einzelnen Kombinationen anschliessen möge.
I. Die allgemeine Anordnung der Kette am mechanischen
Webstahle.
Der prinzipielle Aufbau des mechanischen Webstuhles ist demjenigen des Handwebstuhles
ähnlich, bis auf einige Abweichungen, die durch den schnelleren motorischen Betrieb
bedingt sind. Die Kette ist in den meisten Fällen horizontal oder nahezu horizontal
ausgespannt und wird, wie für den Handwebstuhl, auf einen Kettenbaum gewickelt, in
den Webstuhl eingebracht. Statt eines einzelnen Kettenbaumes können auch deren
mehrere verwendet werden, wenn es die ungleiche Länge des Einwebens der einzelnen
Kettenfäden verlangt, oder es kann der Kettenbaum zur Gänze durch die entsprechende
Zahl kleiner Spulen ersetzt werden, die bloss einzelne Kettenfäden liefern, wenn
jeder einzelne Faden ein anderes Maass des Einwebens aufweist, wie dies bei der
Teppichweberei mitunter der Fall ist.
Vom Kettenbaume Kb (Fig.
1) geht die Kette über den Streichbaum St zu
den Schäften Sch, oder einem statt derselben
angeordneten Harnische, wobei sie mitunter ein paar Kreuzruten passiert; von den
Schafthelfen durch den Kamm Km der Lade nach dem
Brustbaume Bb, nachdem sie vorerst den Schussfaden s aufgenommen und dadurch zum Gewebe umgebildet wurde.
Ueber den Brustbaum Bb wandert dann die Ware entweder
direkt zum Warenbaume Wb, oder sie wird zunächst dem
Sandbaume Sb zugeführt, der sie an den Warenbaum oder
an eine sonstige Warenablage abliefert.
Die stete Einhaltung der gleichen Lage der Kettenebene, unbeeinflusst von der
stetigen Abnahme des Kettenbaumdurchmessers und der analogen Zunahme des
Warenbaumdurchmessers, wird durch die Anwendung desStreichbaumes und des
Brustbaumes erzielt; die geordnete Lage der einzelnen Kettenfäden durch die
Kreuzruten einerseits und den Kamm andererseits unter Zuhilfenahme einer den
Kettenfäden künstlich erteilten Spannung, die auch gleichzeitig für eine enge
Abbindung der Schussfäden benötigt wird. Die notwendige Vorwärtsbewegung der Kette
in ihrer Richtung, ihre Schaltbewegung, wird ihr durch entsprechende Getriebe
erteilt, die gleichzeitig auch meist die Aufgabe zu erfüllen haben, die gedachte
Kettenspannung herbeizuführen, wenn zu diesem Zwecke nicht ein besonders
angeordneter Streichbaum vorgesehen wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 213
Fig. 1.
Diese Getriebe nun sind es, die man als die Kettenschaltgetriebe bezeichnet, sie
lassen sich ersichtlicherweise in zwei Hauptgruppen einteilen, in
Kettenablassvorrichtungen, denen die Aufgabe zugewiesen ist, dem Kettenbaume die
entsprechende Betätigung zu erteilen und die Warenaufwickelvorrichtungen, denen
bezüglich des Warenbaumes die gleiche Aufgabe zufällt. In dem Nachstehenden mögen
die wesentlichsten Typen derselben zunächst eine kurze Charakterisierung
erfahren.
A. Die Kettenablassvorrichtungen.
Diese haben nach dem vorhergehenden den Zweck, die Kette unter Einhaltung der
notwendigen Kettenspannung in dem Maasse freizugeben, als dies der fortschreitende
Webeprozess erforderlich macht. Es geschieht diese Abwicklung der Kette durch
entsprechendes Drehen des Kettenbaumes im Sinne des Kettenablaufes und je nachdem ob
diese Abwicklung bloss durch die Kettenspannung oder
durch ein eigenes Getriebe zuwege gebracht wird,
unterscheidet man:
1. passive,
2. aktive Kettenablassvorrichtungen.
1. Passive
Kettenablassvorrichtungen.
Diese setzen der Kettenbaumbewegung bloss einen künstlich hervorgerufenen
Widerstand entgegen und überlassen die tatsächliche Abwicklung der Kette dem
durch die Warenaufwickelvorrichtung eingeleiteten Spannungszuge derselben; man
bezeichnet sie als Kettenbaumbremsen und
unterscheidet je nach Art des eingeführten Widerstandes:
a) Reibungsbremsen,
b) Gewichtsbremsen und
c) kombinierte Bremsen.
Bei den Reibungsbremsen wird der der
Kettenabwicklung sich entgegenstellende Widerstand durch eine Bremsbacke hervorgebracht, welche durch einfache
Hebelbelastung an eine Bremsscheibe
angepresst wird. Solcher Bremsscheiben sind gewöhnlich zwei, je eine zu jeder
Seite des Kettenbaumes, auf diesen aufgesetzt.
Die entstehende Reibung liefert den Bremswiderstand und bestimmt die Grösse der
Kettenspannung, welche von ihr in einfachem
Verhältnisse abhängig ist.
Die reinen Gewichtsbremsen sind derart eingerichtet,
dass bei der Abwickelung der Kette gleicherweise die Aufwickelung eines mittels
eines Gewichtes belasteten Seiles auf eine auf den Kettenbaum aufgesteckte
Scheibe erfolgt, so dass der von der Kettenspannung zu überwindende Widerstand durch die Grösse dieses Gewichtszuges gegeben ist. Da diese Aufwickelung
des belasteten Seiles ein schliessliches Emporziehen des Gewichtes zur Folge
haben würde und dadurch die Notwendigkeit einer periodisch vorzunehmenden Neueinstellung einträte, die wohl bei
Handwebstühlen in Kauf genommen werden mag, bei mechanischem Betriebe aber aus
praktischen Gründen unzulässig erscheint, so erhalten diese Bremsen eine eigene
Einrichtung, durch welche sie periodisch ihre Neueinstellung selbsttätig erfahren.
Die dritte Gruppe von Bremsen, die als kombinierte
Bremsen bezeichnet wurde, umfasst die meist angewendete Form dieser
Vorrichtungen. Es kommt hier sowohl die Gewichtswirkung als auch der Reibungswiderstand zur Geltung, doch kann der Einfluss dieses
letzteren auf die Kettenspannung beliebig
herabgemindert werden, so dass sich die Wirkungsweise der Bremse
derjenigen einer reinen Gewichtsbremse mit periodisch eintretender
Neueinstellung in jedem gewünschten Grade nähern lässt. Die Ausführungsform
dieser Kettenbaumbremsen zeigt wieder beiderseits am Kettenbaume angeordnete
Bremsscheiben mit darübergelegtem Bande, Seile oder einer Kette; das eine Ende
dieses Bandes ist direkt oder mittels Hebelwerkes belastet, das andere Ende ist
an einem festen Punkte, am Gestelle oder sonstwie, angelegt. Durch diesen
Umstand wird, ebenso wie durch den eigenartigen Verlauf des Webeprozesses, der
abwechselnd Anspannungen und Entspannungen der Kette hervorruft, jene
eigentümliche Betätigung der Bremse herbeigeführt, die diese Anordnung in der
oben angedeuteten Weise qualifiziert.
Je nach der Beschaffenheit des angewendeten Bremsbandes unterscheidet man
hier:
Seilbremsen (Hanfseil auf Holz oder Eisenmuffe
gleitend)
Kettenbremsen (Eisenkette auf Eisenmuffe)
Stahlbandbremsen (mit Filz gefüttertes Stahlband auf
Eisenmuffe).
Da sich der Durchmesser des Kettenbaumes in dem Maasse verringert, in welchem
durch das fortschreitende Weben die Kette verbraucht wird, so würde der die
Bremsung überwindende Zug der Kette, die
Kettenspannung, in gleichem Maasse eine Steigerung erfahren müssen, in
welchem sein Angriffshebelarm verkleinert wird. Man verhindert dieses Anwachsen
der Kettenspannung, indem in gleichem Verhältnisse, in welchem der
Kettenbaumhalbmesser abnimmt, auch die Bremsbelastung verkleinert wird. Es kann
dies entweder von Hand aus geschehen, indem der
Weber nach Bedarf die Gewichtsbelastung verringert, durch Auflegen kleinerer
Gewichte oder Verkleinern des wirksamen Hebelarmes derselben, oder selbsttätig durch besondere Anordnungen, die den
Bremsen zu diesem Behufe gegeben werden. Derart ausgestaltete Bremsen bezeichnet
man als Differentialbremsen.
Das Prinzip dieser Anordnung besteht darin, dass eine an den Kettenbaum und zwar
an den Garnkörper desselben anliegende Rolle oder Walze ihre Lage
ändert,wenn der Durchmesser des Kettenkörpers eine Veränderung erfährt, und
diese Verstellung auf den Bremsapparat zum Zwecke der Verminderung des
Belastungsmomentes desselben überträgt. Zu diesem Behufe wird die genannte
Walze, Fühlwalze, gegen den Garnkörper mittels
Gewichts- oder Federdruck angepresst und nähert
sich somit der Achse desselben, wenn Kette abgewickelt wird; diese Bewegung wird
dann durch geeignete Hebelverbindung zur Verkleinerung des wirksamen Hebelarmes
der Gewichtsbelastung ausgenützt. Auch von diesen Anordnungen sind mehrfache
Ausführungsformen geschaffen worden.
2. Aktive Kettenablassvorrichtungen.
Die zweite Gruppe von Kettenablassvorrichtungen ist durch die Anwendung eines besonderen Antriebes gekennzeichnet, welches dem
Kettenbaume die notwendige Bewegung erteilt. Man bezeichnet sie als Kettenbaumregulatoren, und sie stellen im
allgemeinen ein Schaltgetriebe dar, welches seine Bewegung von irgend einem,
zumeist schwingenden, Teile des Webstuhles, gewöhnlich von einer Ladenstelze,
empfängt und sie auf den Kettenbaum in Form einer ruckweisen Abwickelbewegung
überträgt. Das Maass dieser Schaltung ergibt sich aus der Forderung, dass der
Kettenbaum nur die für eine Bewegungsphase benötigte und von vornherein
bestimmte Kettenlänge freigibt und dass diese Abwickelmenge, unter Konstanthaltung der Kettenspannung, ihren Wert während einer bestimmten Arbeitsführung des
Webstuhles beibehält.
Der Kettenbaumregulator kann nun derart ausgeführt sein, dass er wohl gleiche Schaltgrössen ergibt, dass aber etwaige Aenderungen in der Kettenspannung bezw, der Länge der freiliegenden Kette auf seine
Tätigkeit ohne Einfluss bleiben, oder er kann eine
Einrichtung solcher Art besitzen, dass er nur nach
Maassgabe der Kettenspannung schaltet. Anordnungen der ersteren Art
bezeichnet man als positiv wirkende, jene der
letzteren als negativ wirkende
Kettenbaumregulatoren.
Zur Uebertragung der ruckweisen Bewegung auf den Kettenbaum erhält dieser
entweder direkt den Antrieb, indem auf ihn seitlich
ein grösseres Schneckenrad aufgesetzt wird, das durch eine entsprechend
angetriebene Schnecke die erforderliche Schaltung empfängt, oder es wird ein
eigener Hilfsbaum, über den die Kette geführt wird,
durch den Regulator geschaltet, während der Kettenbaum nur eine einfache leichte
Rückhaltung durch eine Bremse erfährt. Diese
letztere Anordnung, die als indirekt wirkend
bezeichnet wird, gestattet, dass das Schaltgetriebe, trotz des abnehmenden
Durchmessers des Kettenbaumes dem abliefernden Hilfsbaume stets die gleiche
Grösse des Schaltwinkels erteilen kann, ohne dass die Schaltmenge eine
Veränderung erfahren würde, da der in Betracht kommende Durchmesser des
abliefernden Hilfsbaumes stets die gleiche Grösse aufweist. Ist dagegen der
Regulator direkt wirkend, so muss durch Einbeziehung eines besonderen Apparates
in das Schaltgetriebe – der Kulisse mit Fühlwalze –
dafür Sorge getragen werden, dass in dem Maasse, in welchem der Garnkörper
abnimmt, auch der Schaltwinkel des Kettenbaumes eine Vergrösserung erfahre, um
so stets gleiche Schaltmengen zu erzielen.
Es ergibt sich sonach die Einteilung in positive und
negative, direkt und indirekt wirkende Kettenbaumregulatoren.
Die Anordnung eines positiven Kettenbaumregulators
ist nach dem Gesagten ersichtlich. In das auf dem Kettenbaum beim direkten
Antriebe, oder auf dem Hilfsbaum bei indirektem Antriebe aufgesteckte
Schneckenrad greift die Schnecke ein, welche von einem auf ihrer Achse sitzenden
Schaltrade die Bewegung erhält, indem dieses durch eine Schaltklinke von der
Ladenstelze unter Vermittlung entsprechender Hebelverbindungen angetrieben wird.
Beim direkten Kettenbaumregulator ist in dieses Hebelsystem noch ein
Schlitzhebel – die Kulisse – eingeschaltet, deren
Stein sich dem Drehpunkte desselben in entsprechendem Maasse nähert, wenn der
Garnkörper abnimmt. Diese Verschiebung, hervorgerufen durch einen Fühlwalzenapparat, analog jenem der
Differentialbremsen, bewirkt, dass sich der dem Steine in konstanter Grösse
erteilte Hub auf stets kleiner werdende Radien der Kulisse überträgt, wodurch
die Schwingungsgrösse dieser letzteren und mit ihr der Ausschlag der
Schaltklinke, sonach auch der Abwickelwinkel des Garnkörpers eine Vergrösserung
erfahren, die nun so bemessen wird, dass sie die Abnahme des
Garnkörperhalbmessers kompensiert. Die Schaltung bleibt daher konstant und ist
von der jeweiligen Spannung der Kette nicht abhängig.
Während nun bei der eben beschriebenen Einrichtung die Schaltung ununterbrochen
stattfindet, wenn der Webstuhl in seinem normalen Arbeitsgange ist, wird beim
negativen Kettenbaumregulator dieselbe
zeitweilig abgestellt oder verringert und zwar selbsttätig immer dann, wenn die freie Kettenlänge
einen gewissen einstellbaren Wert erreicht hat.
Es kommen hier also zwei prinzipiell verschiedene Anordnungen in Betracht, indem
diese Einflussnahme der Kettenlieferung entweder einen zeitweiligen Stillstand des Schaltgetriebes oder eine blosse Verminderung der Schaltgrösse zur Folge hat. Bei
der erstgenannten Einrichtung bleibt der Schaltwinkel in dem allerdings ab und
zu gänzlich unterbrochenen Arbeitsgange des Regulators konstant, bei jener der
zweiten Art findet eine solche Unterbrechung der Schalttätigkeit nur
ausnahmsweise bei besonders grossen Entspannungen der Kette statt, dagegen
verändert sich die Schaltgrösse nach Maassgabe der eingetretenen
Kettenlieferung.
Negative Kettenbaumregulatoren der ersten Gruppe,
die man wohl als intermittierende bezeichnen
könnte, erhalten nebst der allgemeinen Anordnung eines positiven
Kettenbaumregulators – zumeist ohne Anwendung der Kulisse – noch die weitere
Anordnung, dass bei eintretendem Schlaffwerden der Kette eine Auskupplung des
Regulatorengestänges stattfindet, beispielsweise dadurch, dass die Schaltklinke
etwa mittels einer vorgesehenen stellbaren Auflauffläche hochgehoben wird und
daher nicht mehr in die Schaltzähne eingreifen kann, also für die Schaltung
unwirksam wird, was natürlich den Stillstand des Kettenbaumes zur Folge hat.
Diese Einstellung der Auflauffläche erfolgt durch den Streichbaum, der nicht fest, sondern verschiebbar gelagert wird, so
zwar, dass die Kettenspannung ihn stets nach einwärts gegen das Stuhlinnere zu
verschieben sucht, während er durch entsprechend belastete Hebel nach der
entgegengesetzten Seite gedrängt wird. Je nach der Grösse der momentanen
Kettenspannung bezw. der jeweilig freiliegenden Kettenlänge bestimmt sich daher
seine jeweilige Lage, und eine Veränderung derselben kann dann in einfacher
Weise zur Verstellung der obengenannten Auflauffläche ausgewertet werden,
wodurch sich die Einflussnahme der Kettenlieferung auf das Getriebe ergibt.
Eine grundsätzlich verschiedene Anordnung weist der negative Kettenbaumregulator
der zweiten Art auf. Hier ist es, streng genommen,
nicht das ebenfalls angeordnete Schaltwerk, welches den Kettenablass besorgt,
sondern ein besonderer und unabhängig vom Webstuhle wirksamer Gewichts- oder Federzug, dessen Tätigkeit
einerseits durch eine Stellvorrichtung begrenzt und
andererseits durch eine Aufhelfevorrichtung – das
genannte Stellwerk – wieder ermöglicht wird, wenn derGewichts- oder
Federzug durch Erreichen der Endstellung des betreffenden Getriebeteiles ausser
Tätigkeit gelangen müsste; technisch ausgedrückt, kennzeichnet er sich durch die
kraftschlüssige Verbindung zwischen Schalthebel und Schaltgetriebe, während bei
der vorgenannten Anordnung diese Verbindung eine zwangläufige ist.
B. Die Warenaufwickelungsvorrichtungen.
Das fertiggestellte Gewebe wird, wie bereits erwähnt wurde, entweder direkt dem Warenbaume zugeführt oder es wird von einem Hilfsbaume
– dem Sandbaume, Riffel- oder Nadelbaume – eingezogen
und von diesem dann an den Warenbaum oder nach einer sonstigen Ablage geliefert. Es
ist selbstverständlich, dass der Wareneinzug stets aktiv wirkend sein muss, sonach immer Vorrichtungen oder Getriebe
angeordnet werden, die dem Warenbaume oder dem Sandbaume – je nach Art der
Warenablieferung die entsprechende Schaltbewegung erteilen. Bei dem Umstände, dass
die Art und Weise, in welcher dieser Wareneinzug stattfindet, von wesentlichem
Einflüsse auf die Gestaltung des Arbeitsproduktes ist, indem die Gewebedichte und die Aneinanderreihung der Schussfäden hiervon abhängt, ist es ohne weiteres
einleuchtend, dass auch die Warenaufwickelvorrichtungen den in dieser Richtung
verschiedenen Aufgaben entsprechend, verschiedenen prinzipiellen Aufbau aufweisen
werden. Mann kann zunächst zwei Ausführungsformen unterscheiden:
direkt wirkende und
indirekt wirkende,
erstere ohne Hilfsbaum, letztere unter Einbeziehung eines
solchen arbeitend. Es ist naheliegend, dass Anordnungen der ersten Art auf den
zunehmenden Durchmesser des Warenbaumes Rücksicht nehmen müssen und das angewendete
Schaltgetriebe mit entsprechend abnehmenden Schaltwinkeln arbeiten muss, wenn die
Schaltung, was ja zumeist Bedingung ist, stets den gleichen Schaltwert einhalten
soll; eine Ausgestaltung des betreffenden Apparates, die bei der zweitgedachten
Anordnung infolge der Konstanterhaltung des wirksamen Baumdurchmessers entfallen
kann.
Die zur Warenaufwickelung angewendeten Getriebe bezeichnet man als Warenbaumregulatoren und es kommen hier eine Reihe
verschiedener Konstruktionen in Anwendung, die sich in zwei wesentlich verschiedene
Gruppen einteilen lassen.
Das unterscheidende Merkmal dieser beiden Typen liegt in der Art und Weise, in
welcher dem Warenbaume bezw. dem Sandbaume der Impuls zu seiner Bewegung erteilt
wird. Es kann dies nämlich entweder derart geschehen, dass das Schaltgetriebe zwangläufig von irgend einem Getriebeteil des Webstuhles, meistens von der
Ladenstelze, die Bewegung empfängt und sie durch entsprechende Uebersetzung an den
Baum weiterleitet oder es wird der Waren- oder Hilfsbaum durch einen Gewichts- oder Federzug im Sinne der Warenaufwickelung
zu drehen gesucht. Dem Getriebe des Webstuhles obliegt dann bloss die Aufgabe, diese
Zugwirkung wieder durch Neueinstellen wirksam zu
machen, wenn das Gewicht oder die Feder in die Endlage – nach vollführtem Hube –
gelangt sind. Regulatoren der ersten Gruppe wirken daher zwangläufig, jene der zweiten Gruppe kraftschlüssig.
Die zwangläufig wirkenden Regulatoren können hierbei
entweder stetig arbeiten oder intermittierend, d.h. die Schaltung beginnt mit dem normalen Arbeitsgange
des Webstuhles und bleibt gleichmässig solange in Tätigkeit, als der Webstuhl in
normaler Arbeitsbewegung begriffen ist, oder sie tritt trotz des gleichbleibenden
Arbeitsganges des Webstuhles nur zeitweise – nach jeweiliger Fertigstellung
eines entsprechenden grösseren Gewebeteiles – ein, um diesen zur Aufwickelung zu
bringen und dann solange auszusetzen, bis wieder ein genügend grosses Stück der Ware
fertiggestellt ist. Diese intermittierend arbeitenden Warenbaumregulatoren
bezeichnet man als Kompensationsregulatoren.
1. Die stetig wirkenden zwangläufigen
Warenbaumregulatoren.
Die prinzipielle Anordnung dieser in der Praxis als „positiv“ bezeichneten Anordnungen ist ziemlich
einfach.
Durch die Ladenstelze oder in anderer entsprechender Art wird ein Schaltwerk –
Klinkengetriebe oder Klemmgetriebe – zur ruckweisen Bewegung veranlasst, welch
letztere dann durch geeignete Zwischenräder auf den zumeist angewendeten
Sandbaum übertragen wird. Je nach Art des angewendeten Getriebes unterscheidet
man:
Regulatoren mit Klinkenschaltung und
„ „ Friktionsschaltung
ferner
Regulatoren mit Stirnräderübertragung und
„ „ Schneckenradübertragung.
Charakteristisch für diesen Regulator ist der Umstand – bei allen seinen Typen –,
dass er jeder vollen Phase des Webstuhlganges entsprechend ohne Rücksicht auf
andere Verhältnisse eine gleichbleibende Schaltung durchführt. Er erteilt mithin
der Kette eine stets konstant bleibende Schaltbewegung, wodurch jedem
eingetragenen Schussfaden der gleiche Raum im Gewebe zugewiesen wird. Er
schaltet sohin derart, dass die Entfernungen der Schussmittellinien einen
konstanten und dem Getriebe entsprechenden, einstellbaren Wert erhalten. Die
Einstellung dieses letzteren erfolgt je nach der Type entweder durch Veränderung
des Schalthubes oder der Uebersetzung, mit welcher dieser an den Sandbaum
übertragen wird und ergibt den gewünschten Betrag der Schussdichte, d. i. der Anzahl der Schussfäden auf 1 cm
Warenlänge.
Da bei dieser Art von Schaltgetrieben die Schaltung ohne Rücksicht auf andere
Umstände des Arbeitsgutes gleichmässig mit der Bewegung des Webstuhles überhaupt
vorschreitet, so werden ihnen mitunter bei schnell gehenden Stühlen noch
besondere Einrichtungen zugegeben, um beim Reissen oder Ablaufen des
Schussfadens fehlerhafte Stellen im Gewebe zu vermeiden. Es erfolgt dies durch
rechtzeitiges Abstellen des Schaltgetriebes und eventuelles Rücklaufenlassen
desselben um einen kleinen Betrag, wodurch etwa leer aufgewundene Kette
zurückgegeben wird.
2. Die Kompensationsregulatoren.
Wie schon oben ausgeführt wurde, arbeiten auch diese Regulatoren zwangläufig,
d.h. das Getriebe des Webstuhles besorgt direkt durch Betätigung des Waren- oder
Riffelbaumes die Aufnahme der Ware allein. Der Einfluss auf die Schussdichte ist
ihnen dadurch vollständig entzogen, dass sie nicht der Bewegungsphase des
Webstuhles entsprechend stetig arbeiten, sondern nur von Zeit zu Zeit nach
Fertigstellung einer bestimmten Gewebelänge eine
dem Ausmaasse dieser entsprechende Schaltung vornehmen.
Diese eigentümliche Betätigung kann in zweifacher Weise erreicht werden, entweder
ist das Getriebe in konstanter Bewegung und es wird
der Zusammenhang der Getriebeteile mit dem Schalthebel an irgend einer Stelle
immer wieder unterbrochen, bis der Zeitpunkt der Aufwickelung gekommen ist und
dann die Transmission der Getriebebewegung bis zum Warenbaum nur für diese
Tätigkeitsdauer frei gegeben wird, oder es ist das Schaltgetriebeeine Zeit lang ruhend und erhält nur im geeigneten
Momente den entsprechenden Impuls zu seiner Betätigung. Im Prinzip ist die
Arbeitsleistung beider Ausführungstypen die gleiche. Die Einschaltung der
Bewegungsübertragung wird beim Kompensationsregulator in der Art von dem Gewebe abhängig gemacht, dass der federnd und in
Schwinglagern befestigte Ladenkamm, das Blatt, beim
Anschlage um so mehr zurückweicht, je weiter die Ware durch die fortdauernde
Schusseintragung vorarbeitet, bis endlich der Ausschlag des zurückweichenden
Kammes eine bestimmte Grösse erreicht und er dadurch in der Lage ist, auf den
Regulator einzuwirken, d.h. diesen zum Aufnehmen der fertig gewordenen
Gewebelänge zu veranlassen. Dadurch nun, dass dieser Kammausschlag erst nach
Ueberwindung einer beliebig einstellbaren
Federspannung eintreten kann und nicht von der Anzahl der
Bewegungsspiele des Webstuhles abhängt, erreicht man, dass sich Schuss an Schuss dicht anlegt, und auch ungleiches Schussmaterial zu gleichmässig aussehendem Gewebe verarbeitet
wird.Diese
Wirkungsweise tritt aber nur unter bestimmten Voraussetzungen ein,
welche später eingehend zur Erörterung gelangen.
Natürlicherweise sind bei dieser Art von Kettenschaltung die Mittellinien der Schussfäden nicht gleich weit voneinander entfernt, wenn nicht
das Schussmaterial selbst ganz gleichmässig stark ist.
Die angewendeten Getriebe sind verschiedenartig und im allgemeinen jenen der
stetig wirkenden- Regulatoren ähnlich durchgeführt, bis auf die erwähnte
Kuppelvorrichtung, die überdies meist noch eine solche Einrichtung erhält, dass
sie von Hand aus in eine feste Verkupplung des Getriebes umgewandelt werden
kann, wodurch dann der Regulator in einen stetig wirkenden übergeht.
3. Die kraftschüssigen Warenbaumregulatoren.
In ihrem Aufbau wesentlich verschieden von den besprochenen Einrichtungen zeigen
diese Anordnungen eine Schaltung, die ebenfalls, wie beim
Kompensationsregulator, die dichte Anlage von Schuss an Schuss bewirkt.Diese Wirkungsweise tritt aber nur unter
bestimmten Voraussetzungen ein, welche später eingehend zur Erörterung
gelangen. Der Warenbaum – in einigen Ausführungsformen der
zur Anwendung kommende Sandbaum (Riffelbaum) – erhält durch ein aufgesetztes
Sperrad, in das eine mit Feder oder Gewicht vorwärts gezogene Klinke eingreift,
das Bestreben, sich im Sinne der Warenaufwicklung zu drehen. Dadurch nun, dass
dieser Zug kleiner als die ihm entgegenwirkende Kettenspannug gemacht wird,
erreicht man, dass die effektive Vorwärtsbewegung des Baumes nur dann vollführt
wird, wenn die Lade beim Anschlage den Schussfaden an den Warenrand andrückt und
dass gleicherweise auch die Grösse dieser Bewegung der Schussfadenstärke
entsprechend ausfällt. Erreicht das Gewicht seine Endstellung oder die Feder
ihre Endlage, dann tritt die Aufhelfevorrichtung in
Funktion, die eine Neueinstellung der genannten
hervorbringt. Gewöhnlich ist es ein von der Ladenstelze aus bewegter Teil, in
dessen Schwingungsweite ein mit dem Zughebel verbundener Arm gerät und der sohin
beim Ausschwingen des letzteren mitgenommen wird, wodurch die Neueinstellung
wieder erreicht wird. Auch dieser Regulator kann in einen stetig wirkenden
verwandelt werden, wenn man den letztgenannten Arm des Zughebels mit den
schwingenden von der Ladenstelze stets angetriebenen Teil dauernd verbindet,
oder das Gewicht bezw. die Federspannung so gross macht, dass sie für sich
allein die Kettenspannung überwinden können.
(Fortsetzung folgt.)