Titel: | Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der Städte. |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 235 |
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Die Vauclusischen Quellen und die
Wasserversorgung der Städte.
(Fortsetzung von S. 196 d. Bd.)
Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der
Städte.
5. Die Typhusepidemien in Paderborn.
Die Stadt Paderborn bezieht ihr Trinkwasser aus den mit grosser Mächtigkeit im Innern
der Stadt austretenden Paderquellen, denen die Stadt auch ihren Namen verdankt.
Seit altersher wurden diese Quellen sehr geschätzt und bildeten den Stolz der
Bevölkerung, bis in der Neuzeit durch die Wasserleitung und in deren Gefolge durch
die Typhusepidemie der wahre Charakter dieser Quellen entlarvt wurde und dieselben
sich auch als nichts anderes als die gefährlichen „vauclusischen Quellen“
erwiesen.
Die Stadt Paderborn hat sich, ähnlich wie Soest um die Quellen seines grossen
Teiches, um und über die Quellen der grossen Pader angebaut. Die niederen Teile der
Stadt lagern auf dem Diluvium, die hohen Stadtteile, von den Paderquellen nach Süden
zu, auf dem Plänerkalk.
Der Ober- und Unterturon, welcher den Pläner zusammensetzt, ist stark in horizontaler
und vertikaler Richtung zerklüftet, er nimmt das Regenwasser auf und führt es sofort
in grössere Tiefen.
Aehnlich wie die Kreide des Pariser Beckens verschlingt auch die Kreide des
westfälischen Beckens die an sie hinantretenden Wasserläufe. Von dem Hilssandstein
(Neocän) und Gault, der hier die grössten Höhen darstellt, kommen eine Anzahl Bäche
herunter. Wie sie in das Gebiet des Turons, des Kalksteinmergels eingetreten sind,
so werden sieimmer weniger; entweder verschwindet das Wasser in unzählige feine
Spalten oder es stürzt in grössere Spalten und Trichter, Schwaiglöcher genannt. Zu
trockener Zeit sind diese Bäche schon nach kurzem Laufe vollständig trocken, zur
feuchten Jahreszeit erreichen sie den Almfluss, dessen Bett in dem Tone der jüngeren
Kreide, des Diluviums und Alluviums eingeschnitten ist.Es ist im allgemeinen genau dieselbe
geologische Formation, wie wir dieselbe auch später in dem
böhmisch-mährischen Kreidegebiete sehen werden und die bei der geplanten
Brünner Wasserleitung, von Brüsau aus, für Brunn verhängnisvoll werden
müsste.
Paderborn hatte im Laufe der letzten Jahre vier Typhusepidemien gehabt, die erste im
Jahre 1885, als die Zentralwasserversorgung noch nicht bestand. Diese erste
Typhusepidemie erstreckte sich aber nicht auf die ganze Stadt, sondern blieb auf die
auf undurchlässigem Ton stehende Unterstadt beschränkt, trat nicht explosionsartig
auf, sondern gruppierte sich um gewisse Zentren.
Es ist nämlich das charakterische der Typhusepidemien, welche durch Wasserleitungen
hervorgerufen werden, dass dieselben immer gleichzeitig in verschiedenen Teilen der
Stadt und fast ausnahmslos nur in solchen Häusern auftreten, welche an die
Wasserleitung angeschlossen sind.
Im Jahre 1893, nach der Einführung der neuen Wasserleitung, erkrankten plötzlich im
September und Oktober 126 Personen. Die Krankheit war gleichmässig auf die ganze Stadt
verbreitet, fast sämtliche infizierten Häuser waren an die Wasserleitung
angeschlossen und die Aerzte und Verwaltungsbehörden haben damals schon die Epidemie
als eine ausgesprochene Wasserepidemie angesehen.
Seitdem wurden von der Ortsbehörde regelmässige Untersuchungen der Quellen angeordnet
und ein im Orte wohnender Chemiker mit denselben betraut. Als jedoch diese
Untersuchungen ein ungünstiges Resultat ergaben, wurde ein auswärtiger Fachmann zu
der Untersuchung herangezogen, dessen Resultate günstige waren; trotzdem brach im
Jahre 1898 eine schwere Typhusepidemie aus.
Beide Herren hatten recht mit ihren Befunden, aber während der eine das Wasser zur
Zeit nach grösseren Niederschlägen untersuchte, tat das der andere zur Zeit der
Dürre, wo die grössten Verunreinigungen bereits verschwunden waren.
In dem Charakter dieser bösen, vauclusischen Quellen ist es nämlich gelegen, dass
dieselben selbst anerkannte Autoritäten täuschen können und zu einer Zeit, nach
längerer Trockenperiode, völlig unschädlich sind, nach grösseren Niederschlägen aber
höchst gefährlich werden können.
Wie wir aus der Einleitung über die Natur dieser Quellen gesehen haben, passieren
dieselben im Innern des Kalkgebirges ausgedehnte natürliche Filter, welche in
normalen Zeiten ziemlich gut funktionieren, aber bei jeder Ueberlastung infolge
grösserer Wasserzufuhr oder sonstiger Störung gänzlich unbrauchbar werden.
Nach dem vehementen Ausbruch der Typhusepidemie im Jahre 1898 wurden nun wohl
umfassende Untersuchungen über die Natur der früher so heilig gehaltenen Paderborner
Quellen angestellt.
Es gelang durch zahlreiche Färbeversuche, nicht nur den Zusammenhang dieser Quellen
nachzuweisen, sondern auch zu beweisen, dass der Boden im weiteren Umkreise der
Stadt, soweit der Plänerkalk reicht, durchlässig ist und alle Oberflächenwässer in
demselben verschwinden und die Paderquellen bilden.
Es wurde ferner auch nachgewiesen, dass genau so wie die Epidemie von Paris von Sens
aus viele Kilometer weit infolge primärer Typhusfälle, die sich schon Monate vorher
ereignet hatten, und nach aussergewöhnlichen Niederschlägen nach Paris eingeschleppt
wurde, dies bei Paderborn ebenso zweifellos vom Dorfe Asseln, welches 13–14
Kilometer entfernt ist, geschehen ist.
Im Dezember 1897 brach nämlich eine Hausepidemie in Asseln aus, welche sich bis in
das Frühjahr 1898 hinschleppte.
Die Entleerungen der Kranken gelangten undesinfiziert auf den Düngerhaufen und die
Bazillen wurden höchstwahrscheinlich durch die abnormen Niederschläge des Monats
August nach Paderborn geleitet. Es ist in zahlreichen Fällen nachgewiesen worden,
dass die Typhusbazillen, wenn sie in der Wärme und auf nahrhaftem Boden sich
befinden, eine monate- ja jahrelange Virulenz besitzen und durch das Wasser selbst
auf sehr weite Entfernung verschleppt, auch diese Virulenz behalten.
Auf kalten, nahrungslosen Boden übertragen, sterben dieselben jedoch bald ab und
dringen durch kapillare Hohlräume nicht hindurch. Daher stammt auch die enorme
Gefährlichkeit der vauclusischen Quellen, da dieselben in der Regel eine höhere
Temperatur als das Jahresmittel der Gegend besitzen, unrein sind und nicht kapillare
Hohlräume durchfliessen. Deshalb sind auch die echten Quellen ungefährlich, welche
bei ihrer Reinheit und niederen Temperatur niemals zu Brutstätten und Verbreitern
der Typhusbazillen werden können.
Im allgemeinen wird man bei dem Genuss und Gebrauch eines Wassers überall dort
die grösste Vorsicht beobachten müssen, wo dasselbe aus einem Boden stammt, in dem
sich nicht kapillare Hohlräume befinden, da eine Verunreinigung desselben und die
Fortpflanzung der Typhusbazillen möglich ist, wie dies in neuerer Zeit an
verschiedenen Orten nachgewiesen wurde.
Es nützen bei solchen Wässern selbst die besten und langwierigsten chemischen und
auch bakteriologischen Untersuchungen gar nichts; wenn die Ansteckungsmöglichkeit
gegeben ist, so dürfen solche Wässer niemals einer Wasserleitung zugrunde gelegt
werden, denn früher oder später kann die Verunreinigung und Ansteckung erfolgen.
Ein einziger Typhusfall in der Gegend genügt dann, um eine Epidemie in der Stadt
hervorzurufen, denn die Wasserleitung wird dann direkt zur Typhusleitung.
Prof. Dr. A. Gärtner hat in seiner ausgezeichneten
Denkschrift mehrere solcher Fälle angeführt, so z.B.:
I. Typhusverbreitung durch Quellen, welche von gedüngten Wiesen und einzeln liegenden
Häusern aus infiziert worden sind, in Stuttgart, Winterthur, Lorient, Gunislatte.
Abertillery, Oberhollawangen, Anxere, Wald.
II. Infektion der Quellen von den sie umschliessenden Ortschaften, aus: Bradfort,
Worthing, Fünfkirchen.
III. Infektion der Quellen von weit entlegenen Ortschaften, aus: Kranichfeld,
Brüssel, Paris, Paderborn und Soest.
IV. Infektion der Quellen durch versunkene Bachwässer: Beverly, Bar-le-Duc, Besonçon,
Lausen.
V. Infektion der Quellen durch abgeleitetes Flusswasser: Regensburg, Weimar, Apolda,
Ober- und Niederwillingen usw.
Es würde zu weit führen, alle nur aus der neueren Zeit herstammenden Typhusepidemien
aufzuzählen oder gar zu beschreiben, welche durch unmittelbare Uebertragung durch
das Wasser entstanden sind. Ein Gutes haben diese Unglücksfälle doch im Gefolge
gehabt, indem sie alle beteiligten Kreise gebieterisch gezwungen haben, dem Wasser
und vorzüglich den Quellen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und vorurteilslos
die Provenienz der Quellen zu untersuchen und den Ursachen der Epidemien
nachzuforschen.
Ein hervorragender Forscher auf diesem Gebiete hat einst den Auspruch getan, dass
Epidemien, welcher Art immer, bei dem heutigen Stande der Wissenschaft bereits
unmöglich sind, und wo dieselben noch vorkommen sollten, dies nur ein arges
Versäumnis der berufenen Kreise und Personen bedeutet.
Möge dieses mahnende Wort in die weitesten Kreise dringen und überall dort, besonders
wo es sich um die Anlage von Wasserleitungen für grosse Städte handelt, volle
Berücksichtigung finden.Mögen auch überall
dort, wo die Wasserleitungen auf so unverlässliche Quellen basiert sind, zu
rechter Zeit die nötigen Vorkehrungen und Abhilfe getroffen
werden.
Die fortschreitende Wissenschaft der Neuzeit hat uns ja diesbezüglich bereits die
meisten Rätsel enthüllt, welche früher unlösbar schienen, und uns auch auf allen
Gebieten überraschende Ergebnisse gebracht.
I. Die Geologie, indem sie uns den Aufbau und die Zusammensetzung der Erdkruste näher
kennen lernte.
II. Die Bakteriologie, indem sie uns die Kenntnis der kleinsten Lebewesen, der
Bazillen und vorzüglich der pathogenen Keime und deren Verbreitung und
Lebensbedingungen vermittelte.
III. Die Hydrologie, indem sie uns in der Neuzeit das Wesen der Oberflächen und
Grundwässer enthüllte und die Herkunft und den Zusammenhang derselben lehrte;
das Uebergehen des einen Wassers in das andere zeigte und
uns dadurch ein klares Bild der reinen, noch unverbrauchten Wässer und der bereits
verbrauchten: Der Arterien und der Venen des Erdkörpers lieferte.
IV. Die Chemie, indem sie uns die Zusammensetzung der Trinkwässer und deren
schädliche Beimengungen kennen lernte und zugleich geeignete Färbemittel gab, um den
Zusammenhang der Gewässer der Erdkruste nachzuweisen.
Hindernd für die Erforschung der Wahrheit waren wohl lange Zeit viele alte Vorurteile
der Wissenschaft. In der Hydrologie besonders die alte Theorie vom Vorhandensein des
Wassers im Innern der Erde und demgemäss Entstehung vieler Quellen, besonders der
Thermen, durch Verdichtung der Wasserdämpfe aus dem Innern der Erde.
Noch in neuester Zeit haben selbst namhafte Gelehrte dieser Ansicht Ausdruck
gegeben, und vadose Quellen. heute
dürfte wohl diese Ansicht überwunden sein und die schon von dem berühmten Physiker
Mariotte geäusserte Ansicht, dass alles Wasser der
Erde Meteorwasser ist, allgemeine Geltung besitzen.
Viel geschadet haben einer richtigen Erkenntnis über das Wesen der Quellen auch die
Vorurteile der Geologen und besonders die geologische Klassifikation und
Nomenclatur.
Da es naturgemäss beim Wasser ist, dass es bei seinem Vorkommen nicht auf die
geologische Schichtung der einzelnen Zeitepochen angewiesen ist, sondern auf den
geotectonischen Aufbau der Erdrinde, so mussten die rein geologischen Urteile
darüber, anstatt fördernd nur verwirrend wirken.
Erst als man angefangen hat, dem geotektonischen Aufbau der Erdrinde mehr Beachtung
zu schenken, gewann man eine Klarheit und Sicherheit des Urteils.
Dr. Gärtner sagt: „Es sind doch z.B. die geologische
Bezeichnung der Trias, Jura, Kreide usw., die in dem geologischen Gutachten
immer vorkommen nichts anderes als historische Begriffe und zwar für
vorweltliche Faunen und nicht für Gesteinsarten. Benennungen wie Muschelkalk
usw. bezeichnen also Zeitepochen und werden für die verschiedensten Gesteine
gebraucht, „Muschelkalk“, also auch für solche, welche kaum mehr eine
Spur von Kalk enthalten; andererseits gehören, um ein zweites Beispiel
nachzuweisen, zum „Buntsandstein“ mächtige Lager von Gips und
Kalk.“
Und doch spielt das Vorkommen des Kalkes für das Vorkommen und die Art der Gewässer,
speziell der vauclusischen Quellen die wichtigste Rolle.
Die geotektonischen Forschungen haben auch in neuester Zeit für die Wissenschaft
bezüglich der Quellen und des Verlaufes der Wasseradern die grössten Ueberraschungen
gebracht und das Wesen der Quellen enthüllt.
So z.B. konnte Kopp (Ueber die hydriologischen
Beziehungen der Donau und Achquellen) durch Einschütten von 210 Ctm Kochsalz
nachweisen, dass die Donauquelle, welche bei Immendingen zu trockener Jahreszeit im
Kalke verschwindet, 11 km südwestlich als Achquelle wieder erscheint.
Während die Donau dem schwarzen Meere zuströmt, läuft die Ach in den Bodensee, somit
zum Rhein und zur Nordsee.
Ein zweites Beispiel führt Lobberger (Die Quellen in
ihren verschiedenen geologischen Formationen) an: Bei Degenerau tritt erheblich über
den Spiegel der Wutach aus einem Kalkhügel eine Quelle hervor. Die Untersuchung
ergab, dass sie nichts weiter war, als einunterirdischer Wutacharm, welcher in
eine oberhalb gelegene Spalte des Kalkgebirges versunken war.
Dr. Gärtner sagt treffend: „Schön sind die Quellen,
aber trügerisch. Die Bäche und Rinnsale laufen oberirdisch, man kann sehen, ob
sie verunreinigt werden; bei der Quelle sieht man wohl die Mündung, aber nicht
ihren Lauf, ob er verunreinigt werden kann, entzieht sich dem Auge.
Neben der Art des Gesteins ist vor allen das tributäre Gebiet als solches,
welches über die Infektionsfähigkeit entscheidet.Wie der Boden, so das
Wasser.
Heben sich hinter der Quelle die dunklen Konturen eines ausgedehnten, von
Ansiedlungen fast freien Waldgebirges ab, dann kann man leichten Herzens sagen,
die Quelle ist brauchbar.
Tritt jedoch aus der hochgehenden Spalte eines steilen Abhanges im Tal das leicht
bläuliche Wasser der Kalkquelle hervor, reiht sich auf dem Plateau ein gut
gedüngter Acker an den anderen, und ragen aus den vereinzelt liegenden
Baumgruppen die Kirchtürme als Wahrzeichen der Dörfer mit ihren Schmutzstätten
empor, dann ist es nicht immer leicht, einen Bescheid zu geben.“
Frankreich ist das bevorzugte Land der Quellwasserversorgung, da seine weiten Gebiete
der Sedimentärgesteine eine Unzahl zum Teil recht bedeutender Quellen entstehen
lassen.
Noch im Jahre 1894 hielt man in Frankreich das Quellwasser für das beste Wasser; eine
zur Begutachtung der Filteranlagen eingesetzte Kommission entschied:
„La véritable éparation de l'eau du boisson consiste dans l'approvisionnement en
eau de source.“ (Die wahre Reinigung des Wassers besteht in der Beschaffung
von Quellwasser.) Das hat sich geändert. Der um die Hygiene in seinem Vaterland so
hoch verdiente Dekan der medizinischen Fakultät von Paris Bronnardel, erklärt: „Wir haben zwei Perioden durchlaufen. Während
der ersten erschienen uns die Wässer der Quellen vorzüglich, während der zweiten
erschienen uns gewisse verdächtig.
Wir treten in eine dritte Periode, wo die Beobachtung uns zeigt, dass Verhältnisse
bestehen, welche uns erlauben zu erkennen, dass das, was wir für Quelle hielten,
diesen Namen nicht verdient.
6. Der natürliche Kreislauf des Wassers.
Nach den Berechnungen von J. Murray sollen auf die etwa
145 Mill. qkm betragende Gesamtoberfläche der Erde jährlich etwa 122500 cbkm Wasser
niedergehen. Von ihnen verdunsten ein Drittel, d. s. 40833 cbkm sofort nach dem
Niederfallen, ein gleiches Drittel dringt in den Boden ein und ein Drittel wird
oberflächlich abgeführt. Ein Teil des in den Boden eingedrungenen Wassers tritt wohl
als Quelle zutage und verstärkt die Oberflächenwasser, der grössere Teil jedoch wird
als Grundwasser zur Ernährung der Vegetation in den niederschlagsarmen Zeiten des
Jahres benützt. Nach Rislers Berechnungen verbrauchen
die gewöhnlichen Gras- und Getreidearten in den Monaten des Wachstums, d. i. April
bis August täglich etwa 2,8 mm Wasser, während durch diese Zeit bei uns
durchschnittlich täglich nur 1,6 mm Niederschläge fallen. Zur Ausgleichung dieses
Unterschiedes muss im Sommer hauptsächlich das Grundwasser herbeigezogen werden,
welches kapillar im Boden aufsteigt und die Pflanzen nährt, so dass in angebauten
Gegenden fast der ganze Reservevorrat der Grundwässer aufgezehrt wird. Nur die
Waldgebiete bilden eine Ausnahme, da ebenfalls nach Rislers Berechnungen der Waldboden nur etwa 0,5–1,0 mm Grundwasser täglich
zu seiner Erhaltung benötigt und überdies im Walde, durch die Moose zurückgehalten,
nur der kleinste Teil des Meteorwassers oberflächlich abfliesst.
Von den 40833 cbkm, welche oberflächlich in das Kett der Flüsse gelangen, verdunstet
auch ein grosser Teil im Sommer während des weiteren Laufes der Flüsse oder
versickert im Boden, so dass z.B. die Sommerregen von wenig Einfluss auf die
Vermehrung der Wassermenge der Flüsse bleiben.
Es stimmen auch die tatsächlichen Berechnungen mit diesen Annahmen überein.
Murray hat für die 33 bedeutendsten Stromläufe der Erde,
deren Niederschlagsgebiet so ziemlich das ganze feste Land umfasst, eine Tabelle
zusammengestellt, und hat die Wassermassen berechnet, welche die Stromläufe dem
Meere zuführen; er hat nur 27,200 cbkm jährlich gefunden, also nur etwas mehr als
ein Fünftel der gesamten Niederschlagsmenge der Erde.
Diese 27,200 cbkm sind einer stetigen Hin- und Herwanderung zwischen den Ozeanen und
den Festländern vermittels der Atmosphäre unterworfen, während der grössere Teil des
Wassers nur diese Reise zwischen der Atmosphäre und dem Festlande macht.
Da die sämtlichen Wassermengen sich in der Atmosphäre vermischen, so ist anzunehmen,
dass das gesamte Niederschlagswasser in fünf bis zehn Jahren in die Ozeane gelangt
und dort regeneriert wird.
Das Wasser verdunstet auf der Erdoberfläche und vorzüglich auf den Meeresflächen und
steigt in die Luft auf. Jedes kleinste Teilchen des Wasserdampfes kommt in innigste
Berührung mit der Luft und deren Ozon, wodurch bereits eine teilweise Regeneration
stattfindet. Es nimmt aber auch alle schädlichen Bestandteile der Luft auf (welche
es zugleich reinigt), Staub und Rauch und alle schädlichen Gasarten. Die Dünste
verdichten sich, bilden Wolken und das Wasser fällt wieder zur Erde nieder. Ein Teil
dringt in den Boden ein, fliesst durch kapillare Hohlräume und dringt in die
obersten Schichten, da die unteren gesättigt sind, in die neutrale Zone der
Erdoberfläche (bis 20 m) ein, hier macht das Wasser eine gründliche Filtration
durch, nimmt Kohlensäure aus der Erde auf und erniedrigt seine Temperatur bis auf
die mittlere Jahrestemperatur der Gegend.
Dieses Wasser ist als Trinkwasser nun vorbereitet und zwar gleichgültig ob es als
Grundwasser unterirdisch Weiter fliesst oder als Quelle an die Oberfläche gelangt.
Kein Filter der Welt, weder ein natürliches noch künstliches, ist imstande, diesen
grossartigen Regenerations- und Filterapparat, wie ihn die Natur bietet, zu
ersetzen.
Ein Teil des Wassers dringt auch tiefer als in die neutrale Zone der Erdrinde ein und
bildet die sogenannten Thermalwässer. Es ist nachgewiesen, dass die Temperatur des
Wassers, unterhalb dieser Zone von etwa 20 m, alle 30 m um 1° Celsius steigt. Durch
den Druck der Luft, Expansion der Wasserdämpfe usw., gelangen solche Wässer dann an
verschiedenen Stellen an die Oberfläche der Erde, oft mit sehr hohen
Wärmegraden.
7. Die Tektonik der Erdrinde.
Wie tief die Erdkruste zerklüftet ist, lässt sich nicht berechnen, nach den
Wärmegraden der heissen Quellen, welche selbst kochend heiss an verschiedenen Orten
der Erde zum Vorschein kommen, müssen wir aber annehmen, dass die Wässer in sehr
ansehnliche Tiefen von mindestens 3000 m in die Erde eindringen. Dabei müssen wir
aber noch berücksichtigen, dass in solchen Tiefen noch ganz andere Druckverhältnisse
bestehen, so dass man annehmen kann, dass die Erdrinde Wohl noch in weit grösserer
Tiefe zerklüftet und dieseKlüfte zumeist auch von Wasser und Wasserdampf
erfüllt sind.
Ueber den tektonischen Bau der Erdrinde lehrt die Erfahrung, dass die Erdrinde wohl
überall aus zumeist gleichalterigen Schichten, die übereinander lagern,
zusammengesetzt ist.
Die Geologie lehrt, dass der innerste Kern der Erdrinde aus sogenannten Urgesteinen
und krystallischen Schiefern besteht, darüber lagert die primäre, dann die sekundäre
und tertiäre Formation.
Allein diese Schichtungen sind teils durch die Ausbrüche der Vulkane, teils durch
andere plutonische Kräfte aus dem Erdinnern mannigfaltig durchbrochen, gehoben und
gesenkt.
Durch verschiedene Bewegungen der Erdrinde selbst ist dieselbe auch in horizontaler
Richtung im Laufe der Jahrtausende mannigfaltig verschoben, gefaltet und einzelne
Teile derselben verworfen worden, welcher Ursache die meisten und grössten
Gebirgszüge ihr Entstehen und ihre Form verdanken, Teils durch Abkühlung der aus dem
Erdinnern stammenden Gesteine, teils durch Austrocknung der vom Wasser abgesetzten
Gesteinsarten haben dieselben mannigfaltigen Risse und Sprünge erhalten, die oft auf
weite Strecken im Zusammenhange stehen und bis tief in das Innere der Erdrinde
reichen.
Nicht unerwähnt können auch die von Daubre als
„Diaklasen“ benannte Phänomene bleiben, welche zumeist in sedimentären
Gesteinen vorkommen.
Durch den ungeheuren Druck bei der Verschiebung der Felsmassen, die zuweilen oft
ganze Kontinente betroffen haben, haben sich die Gesteine oft ganzer Gebirgszüge,
z.B. der Plänerkalk in fast regelmässigen Quadern zerspalten und dann auch
verworfen, so dass hierdurch ganze Gebirgszüge nach allen Richtungen durchlöchert
wurden.
Das Ganze ist auch durchsetzt von Ablagerungen undurchlässiger Tone und Schiefer, die
oft nur in geringen Abmessungen vorkommen, oft sich aber auch auf weite Strecken
fortsetzen.
Endlich sind die Kalkgebirge und andere lösliche Gesteins- und Erdarten oft
ausgelaugt, die Höhlungen zumeist von Wasser erfüllt, oder mit Ton oder Sand
vertragen, so dass man durch den geologischen Befund allein niemals auf das
Vorhandensein von Wasser an einem bestimmten Orte der Erde schliessen kann.
Dazu gehören vor allen Dingen genaue, örtliche geotektonische Untersuchungen und
Forschungen, insbesondere eine genaue Beobachtung des Terrains, etwa vorhandener
Steinbrüche, Brunnen usw.; dann Bohrungen und Grabungen bis auf jene Tiefen, aus
denen noch das Hervorholen des Wassers sich als wirtschaftlich erweist.
Die Hauptsache wird es sein, auf fliessendes Grundwasser zu stossen, sei es in einem
homogenen Wasserträger, im groben Sande und Gerölle, wo das Wasser, wie Dr. Lueger sich ausdrückt, nur „schleierartig“ sich
vorwärts bewegt, sei es in grösseren Spalten und Klüften, wo es als unterirdische
„Quelle“ talabwärts zieht.
Das Kalkgebirge muss man überall vermeiden, da es wegen seiner Trichter und nicht
kapillaren Höhlungen an der Oberfläche, unfiltriertes oder mangelhaft filtriertes
Wasser liefert, das man als Grundlage einer Wasserversorgung für grosse Städte, wo
so viele Menschenleben auf dem Spiele stehen, unbedingt nicht nehmen kann.
Mit Rücksicht auf die Wasserversorgung bilden die Kalkgebirge in geotektonischer
Hinsicht nur störende Unterbrechungen der Erdrinde, und gewissermaassen eine
Maskierung und Ueberdeckung derselben, da man die Wässer des Kalkes mit gutem Recht
nur als verdeckte und deshalb doppelt verdächtige Oberflächenwasser ansehen
kann.
(Schluss folgt.)