Titel: | Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. |
Autor: | Siegm. Edelstein |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 277 |
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Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen
Webstuhle.
Von Prof. Siegm. Edelstein.
(Fortsetzung von S. 266 d. Bd.)
Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle.
2. Die
Gewichtsbremsen.
Wird auf die Bremsscheibe S in Fig. 2 ein Seil gelegt,
so zwar, dass das Ende desselben an die Scheibe angeschraubt oder sonstwie daran
dauernd befestigt ist, das freie Ende aber mit einem Gewichtszuge belastet wird, so
repräsentiert dieser den in Fig. 2 mit W bezeichneten Bremswiderstand, und man erhält die
durch Fig. 10 veranschaulichte Type einer einfachen
Gewichtsbremse.
Textabbildung Bd. 319, S. 277
Fig. 10.
Unter Anwendung gleichlautender Bezeichnungen, wie früher, ergibt sich bei
Ausserachtlassung der geringen Nebenwiderstände – Seilsteifigkeit,
Massenbeschleunigung und Reibungswerte – für die Grösse der erzielten Kettenspannung
der Wert
K=Q\,\frac{D}{d} . . . . . 11)
Es sei wieder vorausgesetzt, dass die Abnahme des Kettenbaumdurchmessers d durch stetige oder periodisch eintretende
Verringerung des Belastungszuges vollkommen oder nahezu ausgeglichen werde, bezw.
die Gleichgewichtsbedingung 11 nur für einen sehr kleinen Zeitraum in Betracht
komme, dann ergeben sich die Werte Q, D und d als konstante, oder in ihrer Veränderung sich
kompensierende Grössen und man erhält die Beziehung
K= konst.
als wesentlichstes Moment dieser Type. Wenn auch der der
Diskussion unterlegten Anordnung aus später anzuführendem Grunde eine praktische
Bedeutung für den mechanischen Webstuhl nicht beigelegt werden kann, so lassen sich
doch einige Feststellungen für die Beurteilung anderer Typen von Bremsen direkt
verwerten, und sie mögen daher an dieser Stelle Raum finden.
Zunächst erkennt man, dass die Grösse der erzielten Kettenspannung unter der oben
angeführten Einschränkung konstant und ihr Wert direkt und leicht rechnerisch
bestimmbar ist, da er nicht erst von der schwankenden Grösse eines
Reibungskoeffizienten, sondern direkt von der Grösse des Belastungszuges
abhängt.
Die Kettenspannung ist an eine genau bestimmteMaximalgrenze gebunden, die eben
dann erreicht wird, wenn das Bremsgewicht angehoben wird, wobei allerdings ein durch
die vorerwähnten Widerstände der Bewegung verursachter Zuschlag in Anrechnung zu
bringen kommt.
Die bei der Kettenabwicklung durch Anheben der Last Q
aufgezehrte mechanische Arbeit ist jederzeit durch Rückwanderung des Gewichtes
zurück zu erhalten, wodurch die Bremse in der Lage ist, durch Rückdrehen des
Kettenbaumes ohne weiteres einen etwa frei werdenden Kettenbetrag wieder
aufzuwickeln, ein Umstand, der während der normalen Arbeitstätigkeit des Webstuhles
zur Geltung kommt, indem sich beim Fachöffnen etwas Kette abwickelt, die beim
Fachschliessen wieder auf den Kettenbaum aufgenommen wird. Dieser Vorgang, der sich
äusserlich als ein geringes Heben und Senken des Bremsgewichtes anzeigt, wird
bekanntlich als das Spielen der Bremse bezeichnet und gewährleistet die Einhaltung
einer nahezu gleichen Spannung der Kette im offenen wie im geschlossenen Fache.
Die Grösse dieses Spielvermögens ist in jeder wünschenswerten Höhe zu erreichen, da
für sie nur die Grenzen desjenigen Spielraumes maassgebend sind, innerhalb deren das
Gewicht auf- und abwärts wandern kann. Wohl beeinträchtigen die Seilsteifigkeit, die
Zapfenreibung und die Massenbeschleunigung ein wenig den Belastungszug, den sie beim
Aufwärtsgehen des Gewichtes etwas vermehren, beim Senken desselben etwas verringern,
immerhin aber zeigt diese Type ein sehr günstiges und von keiner anderen Einrichtung
erreichtes Spielvermögen.
Endlich gewährleistet diese Anordnung durch die kraftschlüssige Festhaltung des
Kettenbaumes eine gewisse Nachgiebigkeit desselben im Augenblicke des
Ladenanschlages, eine Eigenschaft, die sie wohl mit den Reibungsbremsen teilt,
bezüglich deren aber doch das Verhalten beider Einrichtungen ein wesentlich
verschiedenes ist. Während die Reibungsbremse den beim Ladenanschlage frei gegebenen
Teil der Kettenlänge nicht wieder zurückzunehmen vermag und mithin eine Lockerung
der Kette bezw. ein Schlaffwerden derselben eintreten muss, wenn diese nicht selbst
genügend elastisch ist, gestattet das freie Spielvermögen der Gewichtsbremse ein
Wiederaufwickeln der frei gegebenen, d.h. beim Ladenanschlage vorgedrängten
Kettenlänge in jedem praktisch vorkommenden Ausmaasse und die Einhaltung der
gleichen Kettenspannung vor und nach dem Ladenanschlage, dessen Stosswirkung aber
immerhin in beiden Fällen gemildert wird.
Neben den genannten guten Eigenschaften weist aber die einfache Gewichtsbremse einen
Nachteil auf, der ihre Anwendung nur für Handwebstühle zulässig macht. In dem Maasse
nämlich, in welchem die Kette abgewickelt wird, wird auch das Gewicht emporgezogen,
bis es endlich so hoch gekommen ist, dass es die weitere Betätigung der Bremse
verhindert, bezw. es notwendig macht, durch Abwickeln des Bremsseiles eine
Neueinstellung der Bremse behufs weiterer Betätigung derselben vorzunehmen. In der
Handweberei ist diese Manipulation von so geringfügiger Bedeutung auf die Leistung
des Stuhles, dass sie ohne weiteres in Kauf genommen werden kann, in der
mechanischen Weberei jedoch ist dies aus praktischen Gründen, wegen der Häufigkeit
der Webstuhlstillstände u.a., ganz ausgeschlossen und es muss daher eine Einrichtung
getroffen werden, durch welche diese Neueinstellung der Bremse selbsttätig
erfolgt.
Zwei Wege sind es, die man zu diesem Zwecke eingeschlagen hat. Im Prinzip stimmen sie
beide darin überein, dass die mechanische Verbindung des Seiles mit der Scheibe von
Zeit zu Zeit – bei eingetretenem Hochziehen des Belastungsgewichtes für einen
kleinen Zeitraum gelöst wird, wodurch das Gewicht in die Lage kommt, wieder
herabzusinken. Dagegen unterscheiden sie sich in der Art der angewendeten
Seilbefestigung. Bei der einen Anordnung dienen zu diesem Zwecke längs des Umkreises
der Scheibe aufgesetzte kleine Bolzen oder Stifte, während die andere Type zur
Verbindung des Seiles mit der Scheibe die Seilreibung heranzieht.
Textabbildung Bd. 319, S. 278
Fig. 11.
Textabbildung Bd. 319, S. 278
Fig. 12.
Die Fig. 11 und 12
stellen die erstgenannte Einrichtung in zwei Ansichten dar. Auf der Bremsscheibe S sind die kleinen radial stehenden Stifte a in einem Kreisschnitte ausgeteilt und die Schnur, an
der die beiden Gewichte Q und q hängen, legt sich mit der Schlinge x an
einen der Bolzen so an, dass der resultierende Zug in derselben von diesem Bolzen
aufgenommen wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 278
Fig. 13.
Zu diesem Zwecke bildet diese Schnur ein aus drei Teilen bestehendes Stück, wie aus
der Fig. 13 ersichtlich ist, die die Schnur in
flachgestrecktem Zustande zeigt. An der Doppelschnur B
ist das grössere Gewichtsstück Q befestigt, das Ende
A wird von dem kleineren Gewichtsstück q belastet. Läuft die Kette in der in Fig. 12 ersichtlich gemachten Richtung ab, so legt
man die Knotenstelle, d.h. die Schlinge x bei a an und legt den Schnurteil B in der angedeuteten Weise ein- oder besser zweimal um die Scheibe herum,
worauf man das herabhängende Ende mit Q belastet; an
das bei a herabhängende einfache Schnurende wird das
kleinere Gewicht q angehängt.
Die Wirkungsweise dieser Einrichtung ist unschwer zu erkennen. Die Bremsschnur ist
durch die Schlinge x bei a
mit der Scheibe insolange fest verbunden, bis nach hinreichender Rechtsdrehung des
Kettenbaumes der Bolzen a bei a0 aus der Schlinge x tritt, worauf ein Abrutschen des grösseren
Gewichtsstückes stattfindet, das so lange andauert, bis die Schlinge x an den nächsten Bolzen a'gelangt. Dieses Spiel wiederholt sich periodisch und sichert
solcherart die stete Betriebsfähigkeit der Bremse.
Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass diese Anordnung alle Eigenschaften einer
reinen Gewichtsbremse mit dem wesentlichen Momente der automatischen Neueinstellung
besitzt. Die erzielte Kettenspannung rechnet sich mit
K=(Q-q)\,\frac{D}{d} . . . 12)
wenn wieder alle Nebenumstände unberücksichtigt bleiben.
Bezüglich des Gegengewichtes q dürfte aber eine
Bemerkung nicht unwesentlich erscheinen. Diese Belastung des rechten Seilendes dient
ersichtlicher Weise dazu, das rechte, frei herabhängende Seiltrum stets lotrecht zu
halten, derart, dass dasselbe die Bremsscheibe als vertikale Gerade tangiert und das
Heraustreten des Bolzens aus der Schlinge bei der Weiterdrehung des Kettenbaumes
ermöglicht wird. Es darf aber dieser Zug nicht so gross sein, dass er die
Abwärtsbewegung des linken Belastungsgewichtes an sich allein verhindere. Ist der in
Radien gemessene Bogen, den die Bremsschnur auf der Scheibe umspannt a, ferner f der
Reibungskoeffizient zwischen Schnur und Scheibe und e
die Basis der nat. Log., so drückt sich diese Bedingung dahin aus, dass
q\,<\,\frac{Q}{e\,f^a}} . . . . . . 13)
gemacht werden müsse.
Gleichung 12 und Bedingung 13 enthalten zwei Beziehungen zwischen den beiden Grössen
Q und q, die beide
gleichzeitig zu Recht bestehen, und aus denen ein Grenzwert für q abgeleitet werden kann. Sei dieser qmax, so erhält man ihn
aus den Gleichungen
q_{\mbox{max}}=\frac{Q}{e\,f^a}
und
K=(Q-q_{\mbox{max}}\,\frac{D}{d})
und es wird
\left{{Q=K\,\frac{d}{D}\,\frac{e\,f^a}{e\,f^a-1}}\atop{q_{\mbox{max}}=K\,\frac{d}{D}\,\frac{1}{e\,f^a-1}}}\right\}\ .\ 14)
Die so errechneten Grenzwerte für Q und q müssen nun beide um einen gleich grossen Betrag
verringert werden, um die Betriebsmöglichkeit der Bremse bei der verlangten
Kettenspannung zu sichern.
Man erkennt hierbei deutlich, dass die Grösse des Seilreibungsfaktors efa auf diese Grenzwerte von direktem Einfluss ist. Je
grösser efa wird, desto kleinere Werte für qmax erhält man und
desto kleiner ist der Spielraum für die erforderliche Verringerung des
Belastungszuges q; es würde daher dieser Umstand für
eine möglichst weitgehende Herabsetzung dieses Faktors – durch wenig Seilumwicklung
und möglichst glatte Scheibe – sprechen.
Dieser Absicht steht aber ein anderer Umstand entgegen. Verfolgt man nämlich das
Kräftespiel der Bremse in dem Momente ihrer Neueinstellung, so ersieht man leicht,
dass während des Herabsinkens der Last Q eine momentane
Entspannung der Kette eintritt, die desto beträchtlicher wird, je grösser die
Fallgeschwindigkeit des Gewichtes Q ist, und dass in
weiterer Folge ein plötzliches Anspannen der Kette im Augenblick des Festsetzens der
Schlinge im nächsten Bolzen stattfindet, welches eine um so intensivere Stosswirkung auf die
Kette ergibt, je grösser die Geschwindigkeit des Gewichtes war.
Der Grund liegt einfach darin, dass beim Eintritte des Abrutschens die beiden Massen
Q und q einen
Beschleunigungsdruck
\frac{Q+q}{g}\,\cdot\,\gamma
in Anspruch nehmen, wenn γ die
Bechleunigung der Bewegung ist, der von dem Belastungszuge (Q – q) in Abrechnung zu bringen ist, und dass dennoch die momentane
Kettenspannung in der Abrutschperiode nur mit einem Belastungszuge
\left(Q-q-\frac{Q+q}{g}\,\cdot\,\gamma\right)
zu rechnen ist, eine Herabminderung, die also wesentlich von
γ abhängt. Da nun diese letztere um so kleiner ist,
je langsamer das Abrutschen vor sich geht, so ist es notwendig, der Bewegung einen
grösseren Widerstand entgegenzusetzen, indem man einfach die Seilreibung durch
Vergrösserung des umspannten Bogens α vermehrt. Das
gleiche gilt auch von dem beim neuen Einfallen der Schlinge stattfindenden Stosse,
dessen Intensität selbstverständlich desto geringer wird, je kleiner γ, demnach je grösser der durch efa gekennzeichnete Reibungswiderstand gewählt wurde.
Bei entsprechender Bedachtnahme auf diese Umstände ebenso wie auf die oben angeführte
Beziehung, lässt sich dann ein praktisch brauchbarer Mittelwert für efa wählen, gewöhnlich wird a = 3 π (anderthalbfache Umschlingung) zweckentsprechend angenommen.
Textabbildung Bd. 319, S. 279
Fig. 14.
Da der Belastungszug dieser Bremsen durch das direkte Anhängen des Gewichtsstückes
hervorgerufen wird, dessen Wirkungsgrösse aber überdies noch durch das Gegengewicht
eine Einbusse erfährt, so stehen diese Bremsen meist nur für schwache Spannungen in
Gebrauch (Seidenwebstuhl). Ihre sonstigen guten Eigenschaften, das leichte und weit
bemessene Spielen, die Nachgiebigkeit beim Ladenanschlage, die sichere Einhaltung
der gleichen Kettenspannung und die Gewährleistung einer nicht überschreitbaren
Maximalgrenze derselben, sichern ihnen diese Anwendung, umsomehr als sie
verhältnismässig sehr einfache Einrichtungen vorstellen.
Die zweite Type der sich selbsttätig neu einstellenden reinen Gewichtsbremsen ist der
oben besprochenen ziemlich ähnlich. Denkt man sich bei dieser die Bolzen an der
Bremsscheibe weg und legt eine einfache Schnur2–3 mal um dieselbe, belastet die
beiden Enden der Schnur wieder mit den ungleichen Gewichten Q und q, die in einem entsprechenden
Verhältnisse stehen, so hat man die in Fig. 14 zur
Ansicht gebrachte Einrichtung der zweiten Art.
In diesem Falle wird aber
\begin{array}{rcl}q & > &\frac{Q}{e\,f^a}\\ & < & Q\end{array}
ausgeführt, woraus sofort hervorgeht, dass Q nicht in der Lage ist, q
anzuheben, d.h. dass das Bremsseil insolange nicht auf der Scheibe gleiten kann, bis
q eine durch äussere Umstände veranlasste
Verringerung erfährt. Solange dieser Zustand andauert, wirkt sonach die Seilreibung
als mechanische Verbindung des Seiles mit der Scheibe
und die Bremse arbeitet, wie die einfache Gewichtsbremse. Es wird mit dem
fortschreitenden Abwickeln des Kettenbaumes Q
hochgezogen, wobei q immer tiefer geht, bis letzteres
gegen die Unterlage B anschlägt.
Von da an findet beim weitern Senken von q eine
Entlastung des rechten Seilendes statt und in dem Augenblicke, in welchem der Zug
daselbst unter den Wert \frac{Q}{e\,f^a} sinkt, ist jene Störung in dem bisherigen
Gleichgewichtszustande zwischen Q und q eingetreten, durch welche Q die Möglichkeit erlangt, zurückzurutschen, was allerdings nur insolange
andauert, bis q wieder voll auf das rechte Seilslück
einwirkt. Nun wird Q wieder etwas hochgezogen, bezw.
q gesenkt, das Seil entlastet und das
Bewegungsspiel wiederholt sich, wodurch eine stete Neueinstellung der Bremse
erfolgt. Die Intervalle sind diesmal sehr kleine und von vielen Nebenumständen –
Seilreibungsschwankungen, Seilsteifigkeit, Massenwirkung usw. – abhängig.
Die Kettenspannung rechnet sich aus
K=(Q-q)\,\frac{D}{d} . . . . . 14)
wie früher, die Werte Q und q sind durch gleichmässiges Erhöhen der Grenzwerte zu
bestimmen, die man durch Benutzung der Gleichung 14 und der Bedingungsgleichung für
den Grenzzustand
q=\frac{Q}{e\,f^a}
ableiten kann.
Nur muss man, wie bemerkt, diese Werte durch Addition gleicher Grössen vergrössern,
um praktisch brauchbare Werte zu schaffen, während bei der frühern Type eine
gleichmässige Verminderung notwendig war.
Bezüglich des Einflusses von efa bezw. der diesen Wert
bestimmenden Grössen gelten dieselben Ausführungen wie oben, ebenso wie bezüglich
der Arbeitseigenschaften und des Anwendungsgebietes der Bremse selbst.
3. Kombinierte Bremsen.
Wird das in Fig. 14 mit q belastete Seilende nicht freihängend angeordnet, sondern an irgend einen
festen Punkt, etwa an einen am Stuhlgestelle befestigten Haken angebunden, so erhält
man die in den Fig. 15 und 16 dargestellten Formen der Bremse, und es zeigt insbesondere Fig. 16 die gebräuchliche Ausführung derselben mit
indirekter, durch Hebelanordnung bewirkter Belastung des Bremsseiles.
Die an sich scheinbar ganz geringfügige Veränderung der Bremsenanordnung gibt aber zu
einer ganz eigenartigen Wirkungsweise derselben Anlass und bringt insbesondere nach
dem Verhältnisse ihrer speziellen Bauart so abweichende Umstände in der Einflussnahme auf die
Kettenspannung zur Geltung, dass man sie, wenn sie in ihrer Allgemeinheit aufgefasst
werden soll, als eine kombinierte Bremse, d.h. also Kombination einer Reibungs- und
Gewichtsbremse bezeichnen muss. Immerhin sind aber gewisse Formen in der Praxis
insofern festgelegt, als unökonomisch wirkende Abweichungen in der Bauart oder in
der Gebrauchsform ohne allgemeine Anwendung bleiben, dass sich daher die
Mannigfaltigkeit, die etwa theoretisch der Einrichtung zugesprochen werden kann, in
der Praxis auf jene Fälle reduziert, die sinngemäss die möglichst beste Auswertung
derselben hervorzubringen in der Lage sind.
Textabbildung Bd. 319, S. 280
Fig. 15.
Textabbildung Bd. 319, S. 280
Fig. 16.
Wir werden daher gewisse grundsätzlich festgelegte Typen unterscheiden können und
ihrer Anordnung nur jene Variation zukommen lassen, die aus praktischen Gründen
möglich und gerechtfertigt erscheint.
Die hier gewonnenen Feststellungen decken sich nicht immer mit den allgemeinen
Anschauungen, und um eben diese zum Ausdruck gebrachte Bewertung der Type nicht
durch freie, praktisch nicht motivierbare Annahmen zu einer verschwommenen zu
machen, sondern die in der Praxis stillschweigend angenommenen Grenzen auch hier zur
Ermöglichung strikter Anschauungen voraussetzen zu können, sei dieser Umstand
besonders hervorgehoben.
Von diesem Gesichtspunkte aus können wir fünf wesentliche Typen dieser Bremsen
unterscheiden:
α) Seilbremsen,
β) Stahlbandbremsen,
γ) Muldenbremsen,
δ) Differentialbremsen,
ε) Spezielle Bandbremsen.
α) Die Seilbremse.
In ihrer einfachsten Gestalt ist diese Anordnung durch die Fig. 15 veranschaulicht. Ein Seil oder eine Kette
ist zwei- bis dreimal um die auf den Kettenbaum aufgesetzte Muffe, Bremsscheibe
oder auch um den Hals des Baumes selbst geschlungen und wird an dem einen Ende
mit einem festen Punkte am Stuhlgestelle bei m
verbunden, während das andere Seilende in der angedeuteten Weise, etwa am
einfachsten durch direkte Anbringung eines Gewichtes Q belastet ist.
In bezug auf die Richtung des Kettenzuges sind zwei von einander ganz wesentlich
verschiedene Fälle zu unterscheiden, je nachdem die Kette in der Richtung K oder K' abgezogen
wird.
Im Nachstehenden sei zunächst angenommen, dass die Kette in der Richtung K, das ist in jener Richtung ablaufen möge, welche
ein dem Drehungssinne des Belastungszugesentgegengesetzt gerichtetes
Drehmoment hervorruft.
Zum Zwecke der Ermittlung der Kettenspannung bei dieser Anordnung wollen wir, wie
früher, von den Widerständen: Zapfenreibung, Seilsteifigkeit und
Massenbeschleunigung absehen und die Gleichgewichtsbedingung für einen so kurzen
Intervall feststellen, dass innerhalb dessen der Kettenbaumdurchmesser als
konstant betrachtet werden kann.
Sei q die im linken Seilende auftretende
Seilspannung, so ist
Kd = QD –
qD
oder
K=(Q-q)\,\frac{D}{d}. . . . . 15)
In dieser Gleichung, die konform jenen 12 und 14 gebildet ist, bedeutet im
Gegensatze zu dem an den angezogenen Stellen auftretenden Werten q keinen direkt d.h. vermittelst eines
Belastungsgewichtes angeordneten und solcherart festgestellten, konstanten Wert,
sondern q repräsentiert eine variable, von der
Seilreibung und dem Belastungszuge Q, aber auch in
gewissen Momenten von der Kettenspannung selbst abhängige Grösse.
Wir wollen zunächst die Annahme machen, dass die Kettenabwicklung stetig erfolge,
d.h. dass der Kettenbaum in ununterbrochener und gleichmässiger Linksdrehung
begriffen sei. Aus dieser Annahme, die praktisch nur für einen sehr kurzen
Zeitraum zulässig ist, keinesfalls aber ein Bild des wirklich auftretenden und
des weiteren noch zur Erörterung gelangenden Betriebszustandes der Bremse
ergibt, können wir, sofern die Bremsscheibe, wie es für den Betriebszustand
notwendig ist, unter dem belasteten Seile gleitet, die Grösse der Seilspannung
q bestimmen. Da ein Gleiten der Scheibe unter
dem Seile nur dann möglich ist, wenn zwischen Q und
q jene Beziehung herrscht, welche bei ruhender
Scheibe und beiderseits durch Gewichte belastetem Seile eine Bewegung des Seiles
in gleichem relativen Sinne, d.h. entgegengesetzt der Scheibendrehung gestatten
würde, so muss diese Beziehung auch hier zur Geltung kommen; sie ist bekanntlich
festgelegt in der Bedingungsgleichung
Q ≧ qefa
Der Wert q in der Gleichung 15 muss daher kleiner
oder höchstens gleich \frac{Q}{e\,f^a} werden, und da die Bewegung für den
angenommenen Betriebszustand eben beginnt, wenn q
auf diesen Wert herabgesunken ist, so kann man die Gleichgewichtsbedingung 15 in
die Form bringen
\begin{array}{rcl}K&=&\left(Q-\frac{Q}{e\,f^a}\right)\,\frac{D}{d}\\ &=&Q\,\frac{D}{d}\,\left(1-\frac{1}{e\,f^a}\right) \\
K&=&Q\,\frac{D}{d}\,\frac{e\,f\,\alpha-1}{e^{f\,\alpha}} \end{array} . . . . 16)
Trennt man die in Formel 16 den Wert der Kettenspannung beeinflussenden
konstanten und variablen Grössen, so erscheint erstere ausgedrückt durch
K=Q\,\frac{D}{d}-Q\,\frac{D}{d\,e^{f\,\alpha}} . . . . 17)
Sowohl die Grösse
Q\,\frac{D}{d}
als auch jene
Q\,\frac{D}{d}\,\frac{1}{e\,f^a}
bestimmen den Wert der Kettenspannung, und es ist
natürlich, dass, da in der zweiten Grösse der Reibungskoeffizient f vorkommt, dieser auch auf die erzielte
Kettenspannung Einfluss nimmt, und insofern ist man wohl berechtigt zu sagen,
dass die Kettenspannung von der Reibungsgrösse abhängig sei, aber nur eine
direkte Proportionalität zwischen der Kettenspannung und dem
Reibungskoeffizienten bezw. der Grösse des Reibungswiderstandes würde es
begründen können, diese Kettenbaumbremse in gleichem Sinne als Reibungsbremse zu
bezeichnen, wie dies für die eigentlichen Reibungsbremsen berechtigt erscheint.
Man kann vielmehr schon aus der Analogie der Ausdrücke für die Kettenspannung
der vorliegenden Einrichtung und derjenigen, die für die Gegengewichtsbremsen
erhalten wurden, die Berechtigung schöpfen, auszusprechen, dass man es hier mit
einer besonderen Form der letzteren zu tun hat, welche
dadurchgekennzeichnet ist, dass statt des dort zur Anwendung gebrachten
konstanten Gegengewichtes im vorliegenden Falle ein veränderlicher, an sich sehr
kleiner und daher in seinen Veränderungen auf die Grösse der Kettenspannung nur
wenig Einfluss nehmender Zug zur Wirkung kommt.
Ebenso wie dort kann man bei der üblichen Ausführung der Seilbremse die
Seilreibung nur als das Mittel zur mechanischen Verbindung auffassen, durch
welche das Seil an der Scheibe befestigt ist, und welche sich abwechselnd
schliesst und löst, um eine selbsttätige Neueinstellung herbeizuführen. Nur der
Umstand, dass diese Seilbremse, wenn auch sehr geringfügig, so doch prinzipiell
schon feststellbar, den Reibungswert zur Wirkung kommen lässt, und dass andere
aus ihr abzuleitende Ausführungstypen mit einer wesentlicheren Beeinflussung
dieses Reibungswertes zu rechnen haben, lässt es angezeigt erscheinen, sie den
kombinierten Typen anzureihen.
(Fortsetzung folgt.)