Titel: | Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. |
Autor: | Siegm. Edelstein |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 295 |
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Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen
Webstuhle.
Von Prof. Siegm. Edelstein.
(Fortsetzung von S. 281 d. Bd.)
Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle.
Um ein übersichtliches Bild über die Veränderung der Kettenspannung durch den
Einfluss einer Veränderung des Reibungskoeffizienten zu erhalten, beachten wir
zunächst, dass der Wert des Ausdruckes efa als Radius einer logarithmischen
Spirale aufgefasst werden kann, deren Polargleichung
ρ = e
fa
anzuschreiben wäre. Da bei arithmetisch anwachsendem
Radienwinkel f (α konstant
vorausgesetzt) der Radius ρ nach einer geometrischen
Progression anwächst, so ergibt sich augenscheinlich eine bedeutende Wertveränderung
von efa bei
einer Veränderung von f. Allein diese an sich
bedeutende Verschiebung des Wertes von efa äussert sich trotzdem nur ganz
unbedeutend in ihrem Einflüsse auf K, denn aus der
Gleichung
K=Q\,\frac{D}{d}\,\left(\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}\right)
erkennt man sofort, dass ihre Wirkung nur darin zum Ausdrucke
gelangt, dass sie den Bruchwert
\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
mehr oder weniger der Einheit nähert.
Da wir hier, wenigstens vorläufig, wie nochmals hervorgehoben werden soll, nur die
übliche, praktisch in Anwendung stehende Ausführungsform der Seilbremse im Auge
haben, so können wir auch einen numerischen Mittelwert von efa bestimmen, etwa für eine
2½fache Umwicklung eines Hanfseiles um die glatte Holzwalze des Kettenbaumes, Wäre
hier der Mittelwert des Reibungskoeffizienten etwa 0,4, so resultiert, da α = 5 π, ungefähr
ρm= efa ∾
535
Denken wir uns nun, dass der Reibungskoeffizient um 25 v. H. hinauf oder
hinunter schwanke, also etwa auf
f1 =
0,3 und f2 = 0,5
so entspricht diesen Werten
ρ1= ef1a ∾ 111, ρ2
= ef2a ∾ 2577
Bestimmt man jetzt den Koeffizienten
\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
so ergibt sich dieser für
f=0,3\mbox{ mit }\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}=0,9910
f=0,4\mbox{ mit }\frac{e\,f^a-1}{e^{f\,a}}=0,9981
f=0,5\mbox{ mit }\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}=0,9996
Diese drei Werte verhalten sich wie
9910 : 9981 : 9996
oder in v. H. ausgedrückt wie
99,28 : 100 : 100,15
Also um 0,72 v. H. bis 0,15 v. H. schwankt der Wert der Kettenspannung, wenn sich der
Wert des Reibungskoeffizienten um 25 v. H. verändert!
Dass man bei einer derartigen Abhängigkeit der Kettenspannung vom Reibungswerte nicht
berechtigt ist, die Bremse als Reibungsbremse zu definieren, ist gewiss als
selbstverständlich zu betrachten.
Noch schärfer tritt diese charakteristische Eigenschaft der Bremse zutage, wenn man
die gewonnene Beziehung graphisch zum Ausdrucke bringt. Schreibt man die Gleichung für die
Kettenspannung in der Form
K=Q\,\frac{D}{d}-Q\,\frac{D}{d}\,\cdot\,\frac{1}{e\,f^a}
und berücksichtigt, dass Q\,\frac{D}{d} einen konstant bleibenden
Wert (die Verminderung von d wie oben ausser Betracht
gelassen) und efa die variable Grösse vorstellen, so erhält man für K eine Differenz zweier Werte, von denen der eine
unveränderlich, der andere dagegen nach einem hyperbolischen Gesetze veränderlich
ist.
Für
\frac{Q\,D}{d}=c
gesetzt, ist
K=c-\frac{c}{e\,f^a}
und setzt man
K = y
e
fa
= x
so ist
y=c-\frac{c}{x}
die in vereinfachter Form angeschriebene Gleichung, die
umgeformt
(y – c) x = –
c
oder
(c – y) x =
c . . . . . . 18)
ergibt. – Gleichung 18 stellt eine gleichseitige Hyperbel dar,
die in Fig. 17 in folgender Weise erhalten wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 295
Fig. 17.
Auf der Ordinatenachse des Systems OXY, trägt man die
Strecke O\,m=c=\frac{Q\,D}{d} in einem beliebigen Maassstabe auf, legt hierauf durch m die zur Abszissenachse \overline{O\,X} parallele Gerade
\overline{m\,n} und zeichnet eine gleichseitige Hyperbel H
derart ein, dass \overline{m\,O} und \overline{m\,n} die beiden Asymptoten derselben werden.
Da für y = o . . x = 1 wird, so hat man in
dem Punkt P der Abszissenachse dessen Entfernung
\overline{O\,P}=l bemessen wird, schon einen Punkt dieser Kurve, und zwar jenen, den sie
mit der Abszissenachse gemeinsam hat, und es ist dann ohne weiteres möglich – in
bekannter Weise – beliebig viele Punkte derselben zu erhalten.
Trägt man nun auf der X-Achse beliebige Wertevon
efa ab,
so geben die zugehörigen Ordinatenabschnitte zwischen der Achse und Kurve die
entsprechenden Grössen der Kettenspannung.
Hierbei ist es nun ganz gleichgültig, ob die Wertveränderung der Grösse efa durch
Veränderung von a oder f
eingetreten ist, da beide Grössen in bezug auf diese Wirkung ganz gleichartig
auftreten, so dass man aus dem gezeichneten Diagramme sowohl die geringe
Einflussnahme eines veränderlichen Reibungskoeffizienten bei genügender
Umwicklungszahl, als auch die geringe Zunahme der Kettenspannung bei wachsender
Bewicklungszahl nach Erreichen einer gewissen Stufe der letzteren feststellen
kann.
Je höher der Ausgangswert von efa ist, desto weiter rückt der Punkt A auf der Abszissenachse nach rechts und desto flacher
verläuft die Hyperbellinie innerhalb der die Veränderungen umfassenden Zone.
Lässt man von einem praktisch zulässigen Werte an, etwa von B aus, den Wert von efa durch Vergrössern einer oder beider
Grössen a und f zunehmen,
so ist die Einflussnahme dieser Veränderung eine so geringfügige, dass man sie
gänzlich vernachlässigen kann. Die Bremse erscheint dann durch den Näherungswert für
die Kettenspannung, den man entsprechend der Vernachlässigung der Veränderlichkeit
von efa
mit
K\,\sim\,=Q\,\frac{D}{d}\,\left(1-\frac{1}{a}\right) . . . 19)
schreiben kann, wenn
a = efa = konst.
angeführt wird, gekennzeichnet als eine Gegengewichtsbremse,
deren Belastungsgewicht q=\frac{Q}{a} gewählt wird. Dies ergibt sich, wie ersichtlich,
aus Gleichung 19, die sich in die Form bringen lässt
K\,\sim\,=\frac{D}{d}\,\left(Q-\frac{Q}{a}\right)
in welcher Form sie mit der oben entwickelten
Gleichgewichtsbedingung für die Gegengewichtsbremsen übereinstimmt.
Es hat sich im Vorhergehenden gezeigt, dass ganz die gleichen Feststellungen, wie sie
bezüglich des Reibungskoeffizienten erhalten wurden, auch bezüglich des Einflusses
der Bewicklungszahl gelten. Ist das Seil bei der normalen Ausführung der Bremse 1½
bis 2½ mal um die Scheibe gelegt, so ist der Einfluss einer Veränderung des
umspannten Bogens für die Grösse der Kettenspannung ganz belanglos. Dagegen ist die
Betriebsfähigkeit der Bremse ein Moment, für welches die anzuwendende Anzahl der
Umwicklungen von wesentlichem Einflüsse ist.
Diese von der Literatur wenig beachtete, in der Praxis aber sehr wesentlich zutage
tretende Einflussnahme wird sofort klar, wenn man auf die zur Ermittlung der
Kettenspannung dienenden Voraussetzungen etwas näher eingeht. Es ist dort
stillschweigend vorausgesetzt worden, dass die im linken Seilende herrschende
Spannung q jenen Wert besitzt, der sich entsprechend
der Seilreibung dort einstellen muss, wenn die Scheibe unter dem belasteten Seile
gleiten soll; mit anderen Worten, es ist angenommen worden, dass die zwischen Q und q herrschende
Beziehung nur dem Wertverhältnisse
q=\frac{Q}{e\,f^a}
entspricht. Wäre es möglich, das Seil gewichtslos auszuführen,
so könnte allerdings die Seilspannung q jederzeit
diesem Verhältnisse entsprechend auftreten; mit Rücksicht auf das Eigengewicht des Seiles
bezw. auf das absolute Gewicht jenes Seilstückes, welches von der Ablaufstelle von 1
bis m
Fig. 15 herunterhängt, erscheint aber für q ein nicht unterschreitbarer Grenzwert geschaffen, den
wir mit p bezeichnen wollen.
Wenn nun das aus der Beziehung
q\,\leq\,\frac{Q}{e\,f^a}
resultierende q unter diesen Grenzwert p sinken würde, so würde ein Gleiten der Scheib unter
dem belasteten Bande überhaupt nicht mehr eintreten können. Der auf das linke
Seilende wirkende Zug pq würde es bei Voraussetzung
einer feststehenden Scheibe dem Gewichte Q nicht
gestatten, das Band herabzuziehen, und ebensowenig wird daher die in Drehung
begriffene Scheibe unter dem belasteten Bande hinweggehen können, es wird vielmehr
das Gewicht Q hochgezogen und das Seil auf die Scheibe
gewickelt werden. Da sich dadurch die Bremse rasch ausser Betriebsfähigkeit setzen
würde, so liefert diese Erkenntnis eine Bedingungsgleichung für die konstruktive
Durchführung der Bremse bezw. einen Höchstwert für die Grösse des umspannten Bogens.
Es muss, da q nicht unter den Wert p sinken darf
q > p
\frac{Q}{e\,f^a}\,>\,p
und
e\,f^a\,<\,\frac{Q}{p}
werden, woraus sich die Länge des umspannten Bogens a
bezw. die Anzahl der Seilumgänge bestimmen lässt, die nicht überschritten werden
dürfen, ohne ein Festsetzen der Bremse zu veranlassen.
Man ersieht aus dieser Betrachtung, dass eine Erhöhung der Anzahl der Seilumgänge,
von einer praktisch zulässigen Grenze angefangen, nicht nur für die Grösse der
Kettenspannung belanglos ist, sondern mit Rücksicht auf die Betriebsfähigkeit der
Bremse überhaupt nicht stattfinden darf. Dass der nicht überschreitbare Grenzwert
ziemlich klein ist, erkennt man sofort, wenn man sich das rasche Anwachsen der Werte
efa vor
Augen hält.
Man könnte vielleicht einwenden, dass durch die Linksdrehung des Bremsbandes infolge
Abhebens der ersten Seilwindung von der Bremsscheibe eine Verringerung des
umspannten Bogens stattfindet. Gesetzt den Fall, dass diese Linksdrehung trotz der
damit zusammenhängenden Anhebung des Bremsgewichtes so weit möglich wäre, so ist
ohne weiteres klar, dass die Grösse des umspannten Bogens von dem Augenblicke an
eine konstante bleibt, in welchem der Ablaufpunkt des Seiles wieder nach 1 (Fig. 15) gekommen ist.
Schon die stillschweigend gemachte Voraussetzung, dass die Steifigkeit des Seiles
genügend gross sei, um ein geringes Anheben der ersten Windung und dadurch ein
Verschieben des Ablaufpunktes um einen vollen Umgang zu bewirken, wird nur selten,
höchstens bei starken Seilen, zutreffen. Es wird in den meisten Fällen das
ursprünglich ablaufende Trum diesen Ablaufpunkt fixieren, weshalb für die praktische
Verwertung die An- und Ablaufstellen als konstant betrachtet werden können und das
Gewicht des ursprünglich herabhängenden Seilendes, bezw. aus praktischen Gründen ein
Vielfaches davon, der Rechnung zugrunde zu legen sein wird.
Es ist bis jetzt vorausgesetzt worden, dass die Abwicklung der Kette stetig erfolge,
der Kettenbaum also in gleichmässiger Drehung begriffen sei. Dies trifft
aberfür den Betriebszustand des Webstuhles nicht zu, da einerseits die
Warenaufwicklung und damit die Ablieferung der Kette in den weitaus meisten Fällen
intermittierend erfolgt und andererseits durch den Fachbildevorgang ein
abwechselndes Anspannen und Entlasten der Kette eintritt. Dieser letztere Umstand
beeinflusst nun in hohem Grade das Kräftespiel und die Wirkungsweise der Bremse, und
soll nun etwas näher betrachtet werden.
Wir wollen als Ausgangspunkt unserer Betrachtung einen Augenblick wählen, in welchem
die Kette aus dem geöffneten Fache in den Fachschluss zurückkehrt. Da auch der
besteingerichtete bewegliche Streichbaum nicht in der Lage ist, die durch die
Fachbildung in den einzelnen Kettenfäden auftretenden Spannungsänderungen
vollständig auszugleichenVergl. des
Verfassers Abhandlung: „Der bewegliche Streichbaum und sein Einfluss auf
die Kettenspannung“, Zeitschrift für die gesamte Textilindustrie
1898., so ist die Folge dieses Umstandes eine in dem betrachteten
Augenblick beginnende, mehr oder weniger intensive Entspannung der Kette. Dadurch
aber, dass die Kettenspannung jetzt unter dem Wert K
sinkt, erleidet der Wert q in Gleichung 15 eine
Veränderung, und zwar eine Steigerung insolange und in dem Maasse, dass stets die
Summe der linksdrehenden Momente Kd und qD gleich bleibt dem rechtsdrehenden Momente QD. Dieser Zusammenhang zwischen der Kettenspannung und
der im befestigten Seiltrum auftretenden Seilspannung bewirkt es demnach, dass die
letztere einen selbständigen, von dem oben des näheren entwickelten Ausdrucke
abweichenden Wert erhält. In dem eben betrachteten Falle wird diese Spanunng etwa
auf q1 anwachsen und
dadurch die oben verlangte Beziehung
q\,\leq\,\frac{Q}{e\,f^a}
gestört sein, da sich
\begin{array}{rcl}q_1 & > & q\\ &> & \frac{Q}{e\,f^a} \end{array}
ergibt.
Der Einfluss dieser Steigerung der linken Seilspannung ist unschwer zu erkennen. Der
zum Zwecke einer Ermöglichung des Gleitens der Scheibe unter dem belasteten Bande
geforderte Zusammenhang zwischen den Spannungen im linken und rechten Seilende
besteht nicht mehr und es wird eine Drehbewegung des Kettenbaumes im Sinne der
Kettenabwicklung jetzt ein Aufwickeln des belasteten Seiles, also ein Anheben des
Gewichtes, insolange zur Folge haben, bis die durch die Linksdrehung des
Seilgehänges eintretende Entspannung des linken Seiltrums so weit gediehen ist, dass
dort wieder der Wert q erreicht wird. Oeffnet sich also
von neuem das Fach, so wird die den Mehrbedarf der Kette deckende, geringe
Abwickelbewegung des Kettenbaumes zunächst eine geringe Anhebung des
Belastungsgewichtes hervorrufen, und erst wenn q
genügend abgenommen hat, tritt ein Rutschen des Bremsseiles ein. Schliesst sich das
Fach, so wird das Belastungsgewicht etwas zurückgehen, wobei es den Kettenbaum
mitnimmt, da ein Gleiten des Seiles durch das Anwachsen der linken Seilspannung
unmöglich wird. Das Resultat dieser Erscheinung äussert sich daher darin, dass die
während der Fachbildung auftretenden Schwankungen im Kettenbedarf, wenn auch nicht
vollständig so doch zum Teile, durch ein geringes Spielen der Bremse beantwortet
werden.
Die Länge der Kette, welche auf diese Art vom Kettenbaume beim Fachschliessen wieder
zurückgenommen werden kann, ist ersichtlicherweise von dem Ausmaasse der Dehnung abhängig, die
das linke Seiltrum unter der Spannungszunahme erreicht. Je elastischer daher das
Seil selbst oder dessen Aufhängevorrichtung gemacht wird, desto grösser wird dieses
Spielvermögen sein und es wird sich in dieser Hinsicht die Einschaltung einer
federnden Befestigung des Seiles förderlich erweisen. Bezüglich dieser ist aber
eines zu bemerken. Würde die Kettenspannung durch irgendwelche Umstände praktischer
Natur bis auf den Wert 0 sinken (wie dies etwa beim Lockern der Kette zwecks
Lostrennung von fehlerhaftem Schusse u.a. vorkommt), so steigert sich
selbstverständlich der Wert q1 bis zur Grösse des Belastungszuges rechts, ein Umstand, der insofern von
Belang ist, als er es nötig macht, die anzuwendende Feder für die volle Belastung Q zu berechnen, wenn sie auch im
Betriebszustande bedeutend weniger in Anspruch genommen ist.
Fassen wir nunmehr die Eigenschaften dieser Seilbremse zusammen, so ergeben sich
folgende Feststellungen:
Die behandelte Bremse ist, wenn sich auch streng genommen ein geringer Einfluss der
Seilreibungsgrösse auf die Kettenspannung dartun lässt, doch im grossen ganzen als
eine Gewichtsbremse aufzufassen, deren selbsttätige
Neueinstellung durch die Art der Seilaufbringung gesichert ist und welche sich in
ihrem Verhalten der reinen Gewichtsbremse in jedem gewünschten Grade nähern lässt.
Die Kettenspannung ist, bis auf ein beliebig klein zu erhaltendes Fehlerglied,
direkt dem auf den Kettenbaumdurchmesser reduzierten Gewichtszuge gleich, sie ist an
eine durch die Rechnung und direkte Bestimmung festlegbare Maximalgrösse gebunden,
die dann erreicht wird, wenn das Belastungsgewicht angehoben wird, und die für die
normale Ausführungsform dieser Type bis auf ein beliebig kleines Fehlerglied als
wirksame Betriebsspannung betrachtet werden kann.
Obzwar ein Einfluss der Reibungsgrösse auf diesen Wert nicht zu verkennen ist, so ist
diese Abhängigkeit doch keine derartige, dass mit dem Steigen und Fallen des
Reibungskoeffizienten auch ein Anwachsen und Abnehmen der Kettenspannung in
proportionalem Verhältnisse eintreten würde, diese Veränderungen der Spannung sind
im Gegenteile derart geringfügig, dass man berechtigt ist zu sagen, dass sie von gar
keinem zutage tretenden Einflüsse bleiben, mit andern Worten, die Bremsspannung
bleibt von den die Reibungsgrösse beeinflussenden äussern Verhältnissen,
Feuchtigkeit, Temperatur, Staub usw. nahezu unberührt, immer natürlich
vorausgesetzt, dass das Seil zwei- bis dreimal die Bremsscheibe umgreift, also die
Bewickelungszahl ihren vollen noch zulässigen Wert erhält; dieser selbst ist an eine
nicht überschreitbare Grenze gebunden, sofern die Bremse nicht in eine eineinfache
Gewichtsbremse ohne selbsttätige Neueinstellung und mit nur sehr geringer
Wirkungsdauer übergehen soll.
Insbesondere für die Praxis wichtig, ist die Erkenntnis, dass weder das aus andern
Gründen (Erhaltung der Materialien) zweckmässige Schmieren der Bremse noch das Zu-
oder Abnehmen eines Bewicklungsringes noch endlich die Luftfeuchtigkeit, Staub und
ähnliches auf die Grösse der Kettenspannung von merklichem Einflüsse sind, dass
vielmehr bloss die Aenderung des Belastungsgewichtes eine Steigerung oder
Verringerung der Grösse derselben hervorzurufen vermag. Wohl wird durch zu geringe
Bewickelung, die die Bremse ihres Charakters entkleidet die Kettenspannung
reduziert, allein, es ist ersichtlich, dass in diesem Falle eine unrationelle,
unökonomische Einrichtung aus dem Grunde hervorkommt, weil jetzt künstlich ein Teil
des Belastungszuges unwirksam also unausgenutzt bleibt, während andererseits eine
Erhöhung der Bewicklungszahl über das gestattete Maximum die Bremse überhaupt
unverwendbar macht.Aus dieser Erkenntnis folgt dann als natürliche Forderung,
dass man die Anzahl der Bewicklungen so hoch als tunlich (eben zwei- bis viermal)
und den Zustand der Reibflächen gleichförmig und für die Erhaltung der Materialien
günstig mache, jede Aenderung der Kettenspannung aber nur durch Aenderung des
Belastungszuges erwarten könne; man wird dann nicht erst unnütze Versuche machen –
wie es mitunter geschieht – die Bremsspannung durch weitere Umlegung des Seiles zu
erhöhen.
Aus dem oben Entwickelten folgt aber auch, dass die Bremse ein, wenn auch
beschränktes Spielvermögen aufweist, dessen Grenzen sich allerdings durch ein
einfaches Hilfsmittel ziemlich weit stecken lassen, so dass auch diese wertvolle
Eigenschaft der Gewichtsbremsen dort kräftig hervorgekehrt werden kann, wo es
wünschenswert erscheint, dieselbe heranzuziehen.
Bezüglich ihres Verhaltens beim Ladenanschlage gelten dieselben Beziehungen, wie sie
bei der Anordnung der Gewichtsbremsen erschlossen wurden, nur dass das hier etwas
eingeschränkte Spielvermögen auch das Ausmaass der Kettenrücknahme entsprechend
verringert.
In der praktischen Anwendung wird diese Bremse zumeist mit indirekter Belastung (Fig. 16) durch Hinzufügung einer Hebelübersetzung
ausgeführt, wodurch sich der Wert der Kettenspannung mit
K=\frac{Q\,L+G\,s}{l}\,\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a} . . . 20)
rechnet, wenn L und l die entsprechenden Armlängen des Hebels, G das Eigengewicht des Belastungshebels und s den Kraftarm des Hebelgewichtes vorstellen, und für
alle Beziehungen oben statt des Wertes Q jener
\frac{Q\,L+G\,s}{l}
eintritt.
Durch diesen Umstand erreicht man eine vorteilhaftere Ausnutzung der
Belastungsmaterialien, man kann mit verhältnismässig kleinen Gewichtsgrössen Q ansehnliche Kettenspannungen erzielen, und die Bremse
dadurch für kräftige Spannungen in Anwendung bringen. Doch ist der Steigerung des
Belastungszuges eine Grenze in dem Seilmateriale selbst gesetzt, indem die in dem
belasteten Teile auftretenden Dehnungen unangenehme Begleitumstände werden, weshalb
man für stärkere Spannungen statt der Hanfseile wohl auch Eisenketten anwendet, die
aber wieder den Nachteil einer raschen Abnützung der Bremsscheiben durch die nur in
einzelnen Punkten erfolgende Auflage der Kettenglieder besitzen und durch die aus
gleichem Grunde eintretende ungleichartige, mehr ruckweise Baumbewegung ungünstig
wirken. Man wendet deshalb für starke Spannungen lieber die weiter unten behandelte
Bandbremse mit Stahlband an.
Bis jetzt wurde stets vorausgesetzt, dass die Kettenabwicklung im Sinne der voll
gezeichneten Kettenrichtung K,
Fig. 15, erfolge, wir wollen nunmehr die
Wirkungsweise der Anordnung untersuchen, wenn die Kettenbaumdrehung verkehrt
stattfindet, im Sinne der punktiert gezeichneten Kette K', die Kettenspannung also ein mit dem Belastungszuge gleichgerichtetes
Drehmoment besitzt. Für einen dauernden Betriebszustand muss die Bremsscheibe unter
dem belasteten Bande gleiten, daher wird zwischen den Seilspannungen Q und q wieder jene
Beziehung herrschen, welche bei ruhender Scheibe die entsprechende relative Bewegung
zwischen Seil und Scheibe gerade herbeiführen würde, und da diese Bewegung ein
Senken des Seiltrums links und ein Ueberwinden des Belastungszuges Q herbeiführen muss, so wird die linke Seilspannung
jetzt mindestens Q efa bei gleichlautenden Bezeichnungen werden müssen. Das
Gleiten der Scheibe tritt daher ein, wenn die Bedingungsgleichungen erfüllt sind
\mbox{und}\left{{q=Q\,e\,f^a}\atop{K'\,d=q\,D-Q\,D}}\right\}
Die Kettenspannung rechnet sich daher mit:
K'=Q\,\frac{D}{d}\,(e\,f^a-1) . 21)
Zunächst ist es klar, dass man ohne erheblichen Fehler in dem Klammerausdrucke die
Grösse –1 entfallen lassen kann, da sie gegen den Wert
efa
verschwindend klein ist. Dann reduziert sich Gleichung 21 auf die Form
K'=Q\,\frac{D}{d}\,e\,f^a. . . . 22)
Die Betrachtung dieser Gleichung ergibt sofort den ganz abweichenden Charakter dieser
Anordnung. Die Kettenspannung ist sowohl von dem Belastungszuge als auch von dem
Reibungskoeffizienten und der Anzahl Seilumgänge abhängig, während sie aber mit dem
Belastungszuge in proportionalem einfachen Verhältnisse wächst und abnimmt, wächst
und fällt sie in geometrischer Progression, wenn der Reibungskoeffizient oder der
umspannte Bogen in arithmetischer Progression steigen oder fallen. Jede kleinste
Aenderung des Reibungskoeffizienten wird daher eine intensive Aenderung der
Kettenspannung zur Folge haben, auf ein zuverlässiges Konstanterhalten dieser
letztern im praktischen Betriebe wird daher nicht zu rechnen sein.
Bei der frühere Anordnung war man ohneweiteres in der Lage, durch Aenderung des
Gewichtes oder Verstellung desselben auf seinem Hebel die nicht überschreitbare
Höchstspannung der Kette vollkommen verlässlich und mit grösster Genauigkeit
fixieren zu können, da die Kette keine grössere Spannung erfahren konnte als zum
Anheben des Gewichtszuges benötigt war; im vorliegenden Falle ist man nicht in der
Lage derart einfach eine beliebig einstellbare und jederzeit zu ändernde
Höchstgrenze herzustellen. Jeder neue Umgang des Bremsseiles erhöht wesentlich die
Bremsspannung, desgleichen jede Vergrösserung des Reibungskoeffizienten und
sofernnicht die Kette selbst früher reisst, kann man bis zu jener
Kettenspannung gelangen, die der Höhe der Bruchfestigkeit des Bremsseiles oder
seiner Verbindung am Gestelle entspricht. Das ist nicht nur eine sehr hohe, sondern
auch schwer von vornherein genau festzustellende Grösse, wodurch natürlich die
Gefahr einer zu hohen Kettenspannung und eines Reissens der Kette in ungünstigen
momentanen Verhältnissen sehr nahe gerückt wird.
Wird die Kette nachgelassen – beim Fachschliessen oder Schusstrennen – so vermindert
sich der Wert q, bis er, wenn die Kettenspannung bis
O zurückgeht, den Wert Q erreicht, indem dann wieder wie vorher das Kräftespiel an der
Bremsscheibe jenem an einer einfachen Rolle entspricht, und von dem Augenblicke an,
in welchem q < Q efa resultiert, wird, der
Kettenbaum unter Anhebung des Belastungsgewichtes zurückgedreht bis zu jenem
Momente, in welchem q = Q wird. Das Maass der Kettenaufnahme ist daher durch die auf
den Kettenbaumdurchmesser reduzierte elastische Dehnung bestimmt, die das Seiltrum
links bei einer Spannungszunahme von Q auf Q efa erfährt. Diese Länge, die natürlich
kleiner als die Gesamtdehnung bei dem Spannungszuwachse ist, da die Spannungen ja
zum Teil ausserhalb der Elastizitätsgrenze liegen und bleibende Dehnungen im Gefolge
haben, bestimmt das Ausmaass des Spielvermögens dieser Anordnung, dass daher aus
angeführtem Grunde auch nur unbeträchtlich bleibt, und hierdurch in weiterer Folge,
im Verein mit der energischen Bremsung des Kettenbaumes, einen ziemlich harten
Ladenanschlag verursacht.
Die vorliegende Anordnung erweist sich sonach als eine harte, gegen die äussern
Umstände ungemein empfindliche Kettenbaumbremse, die eine grosse, rechnerisch nicht
präzise bestimmbare und in ihrem Höchstwert nicht einfach und genau zu begrenzende
äusserst variierende Spannung ergibt, so dass ihre Anwendung für die Praxis gar
nicht oder nur als Notbehelf in Ausnahmsfällen empfohlen werden kann, wenn es sich
etwa darum handelt, bei einer vorhandenen Stuhleinrichtung mit dem gegebenen
Hilfsmitteln eine besonders grosse Kettenspannung und harten Ladenanschlag zu
erzielen.
(Fortsetzung folgt.)