Titel: | Schnellentlader. |
Autor: | M. Buhle |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 321 |
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Schnellentlader.
Von M. Buhle, Professor in
Dresden.
Schnellentlader.
Als Grundsatz für den Entwurf des in den Fig. 1 bis 4
dargestellten Eisenbahnwagens mit Schnellentladevorrichtung (Bauart Jakobs) zur Beförderung von Massengüternvergl. D. p. J. 1903, 318, S. 340 u. f.; Z. d. V. d. J. 1899, S. 1248 u. f., 1901, S.
733 u. f. und 1903, S. 777 u. f., sowie „Glückauf“ 1903, S. 409 u.
f. erkennt man das Bestreben, 1) dass der Wagenkasten und der
ganze Wagen möglichst leicht wird, so dass bei einem zweiachsigen Wagen für die
Nutzlast mindestens 18 bis 20 t übrig bleiben, 2) dass die Entladevorrichtung ein
schnelles Entladen nach beiden Seiten ermöglicht, dabei aber in der Bauart und der
Bedienung einfach ist, 3) dass bei einem grossen Fassungsraume Schwerpunkt und
Oberkante des Wagenkastens trotzdem möglichst tief liegen, und 4) dass die zwischen
den Buffern zur Verfügung stehende Wagenlänge nahezu vollständig für den Kasten
ausgenutzt wird.
Der Wagenkasten ist aus Eisenblech gefertigt und durch eine Querwand Q in zwei Abschnitte geteilt, von denen jeder 8 bis 10
t (Kohlen) fasst; jeder Kastenabschnitt kann für sich entleert werden; zu dem Zweck
wird ein Schieber S mittels Kurbel K, Kurbelwelle, Zahnrad R
und Zahnstange Z in die Höhe gezogen. Der Schieber und
der untere Teil des Wagenbodens sind aus Pressteilen hergestellt, um bei geringem
Gewicht eine grosse Widerstandsfähigkeit zu erzielen.
Um den Schwerpunkt der Ladung möglichst tief und die Oberkante des Wagens nicht zu
hoch zu bekommen, ist die Spitze des Wagenkastens zwischen das Untergestell gelegt.
Infolgedessen musste von der gewöhnlichen Bauart der Untergestelle abgewichen
werden, und dieser Umstand wurde benutzt, um die Langträger mit Teilen des Kastens
zu einem kräftigen Tragwerk von möglichst geringem Gewicht zu vereinigen. Der untere
Langträger wurde verhältnismässig schwach gewählt, weil er gleichsam die untere
Gurtung eines Trägers bildet, dessen obere Gurtung das unter den schrägen Boden des
Wagenkastens gelegte Winkeleisen ist. Ein Stehblech verbindet beide Gurtungen.
Um den Langträger gegen Ausbiegung in der wagerechten Ebene zu schützen, ist er durch
ein wagerecht liegendes, lang durchgehendes Flacheisen versteift. Ausser an den
Kopfenden sind die Langträger in der Mitte des Wagens verbunden. Die
Diagonalverstrebung des Untergestelles wird durch die an den Kopfenden aufgelegten
Bleche bewirkt.
Bei Benutzung dieser Wagen ist vorausgesetzt, dass sie zur Entleerung auf besonders
erhöht liegende Gleise gefahren werden, so dass das auszuladende Gut
freienAbsturz hat. Unter dem Wagen befinden sich zu diesem Zweck Schüttrinnen
U, welche über den Schienen münden.
Der Radstand des Wagens ist möglichst gross gewählt, so dass die Entladevorrichtung
zwischen den Rädern liegt. Um hierbei das Untergestell nicht länger machen zu müssen
als den Wagenkasten, wurden als Tragfedern keine Blattfedern, sondern Spiralfedern
F verwendet.
Die Achshalter sind ebenfalls als Pressteile ausgeführt. Als Zug- und
Stossvorrichtungen wurde die Janney-Kupplung verwendet
in der Voraussetzung, dass früher oder später diese oder eine ähnliche Kupplung auf
den deutschen Bahnen eingeführt werde.vergl.
Z. d. V. d. J. 1894, S. 73 u. f.; 1902, S. 1216 u. f. sowie Glasers Annalen
1902, II, S. 242 u. f. und 1903, II, S. 151 u. f. Der Verwendung
von gewöhnlichen (normalen) Buffer- und Zugvorrichtungen steht jedoch nichts im
Wege. Bei der Janney-Kupplung ergab sich der Vorteil,
dass als durchgehender Zugteil das kräftige Winkeleisen W benutzt werden konnte, welches in der Längsrichtung unter dem Wagen
hergeht und den Stützpunkt der Schieber S abgibt.
Das Eigengewicht des Wagens beträgt bei einem Wagen mit Bremse etwa 9,5 t, so dass
bei einer Annahme des Raddrucks von 7 t ein Ladegewicht von 18 t erzielt wird; für
einen Wagen ohne Bremse könnte das Ladegewicht 20 t betragen. Würde man den
stärkeren Schienendruck von 7,5 t ausnützen, so würde auch der Bremswagen für ein
Ladegewicht von rund 20 t herzustellen sein. Die Grösse des Fassungsraumes beider
Abteilungen zusammen ist jedenfalls für 20 t Kohlen berechnet.
Gebaut werden die Wagen bei der Waggonfabrik
Aktien-Gesellschaft „Rastatt“ in Rastatt in Baden.
Neuerdingsvergl. des
Verfassers Aufsatz „Selbstentlader“, Z. d. V. d. J. 1901, S.
733. hat teilweise nach einem völlig anderen Grundsatz die
Eisenbahnwagen- und Maschinenfabrik van der Zypen &
Charlier, Cöln-Deutz, ein System von Selbstentladern konstruiert, von
welchem die Fig. 5 bis 8 ein anschauliches Bild liefern. Das System eignet sich besonders für
Massenentladung an bestimmten Plätzen, Ueberladung in Schiffe (Fig. 7) usw.
Der Wagenkasten hat einen flachen Boden und Seitentüren, kann also auch zum Transport
gewöhnlicher Güter jederzeit benutzt werden,vergl. Z. d. V. d. J. 1901, S. 735 und Organ, 1901, S. 26.
was für etwaige
Textabbildung Bd. 319, S. 322
Eisenbahnwagen für Massengüter mit Schnellentladevorrichtung (Waggonfabrik
Rastatt), Bauart Jakobs, Ladegewicht 20000 kg.
Textabbildung Bd. 319, S. 323
Fig. 5. Eisenbahnzug mit Selbstentladern, gebaut von van Zypen &
Charlier.
Güter-Rückfracht, überhaupt für die Erhöhung der
Wirtschaftlichkeit solcher Wagen überaus wichtig ist. Die Tragfähigkeit beträgt 15
t.
Textabbildung Bd. 319, S. 323
Fig. 6. Vorrichtung für die Entladung in grösseren Betrieben.Fig. 7.
Vorrichtung für die Entladung in Häfen usw.
Textabbildung Bd. 319, S. 323
Fig. 8. Wagen während des Entladens.
Der Wagenkasten ist vom Untergestell abhebbar und mit demselben nur durch ein
Gestänge verbunden, welches ein Aufsteigen des Kastens in senkrechter Richtung
gestattet. Der Fussboden des Wagens besteht aus Klappen in der halben Wagenbreite,
die ihre Drehachse in der Längsachse des Fussbodens haben. Wird der Wagenkasten
gehoben, so steigen die Drehachsen der Klappen mit dem Wagenkasten, die äusseren
Längsseiten der Klappen bleiben auf dem Untergestell liegen, wodurch die
Schüttflächen entstehen. Das Hochheben und damit das Entladen des Wagenkastens
erfolgt in der Weise, dass an der Entladestelle neben dem Geleise ein Gerüst
angebracht ist, welches allmählig ansteigende und sich wieder senkende Schienen
trägt. Beim Durchfahren des Wagens durch dieses Gerüst laufen unter dem Wagenkasten
angebrachte Rollen auf die Gerüstschiene auf, wodurch der Wagenkasten beim
Weiterfahren bis zur Scheitelhöhe der Gerüstschiene gehoben wird, sich selbsttätig
entleert, auf der sich senkenden Schiene allmählig herabsteigt, sich schliesslich
entleert wieder auf das Untergestell aufsetzt und sofort zu erneuter Beladung als
Selbstentlader oder auch als gewöhnlicher Güterwagen bereit ist. Auf diese Weise
können ganze Züge nur durch langsames Durchfahren des Gerüstes an der Entladestelle
selbsttätig in wenigen Minuten entladen werden, ohne dass eine Bedienung durch
Arbeiter erforderlich wäre.
Textabbildung Bd. 319, S. 324
Vierachsiger 40 t Talbot-Selbstentlader auf Drehgestellen.
Textabbildung Bd. 319, S. 324
Fig. 11. Selbstentlader der Schoen Pressed Steel Co., Pittsburg.
Textabbildung Bd. 319, S. 324
Fig. 12. Goodwin-Wagen bei 9 km/St. Fahrgeschwindigkeit, Asche
entladend.
Die angestellten Versuche haben ein durchaus zufriedenstellendes Ergebnis gehabt, so
dass zu erwarten steht, dass diese Wagen, an denen nach den Versuchen noch kleine
Aenderungen und Verbesserungen vorgenommen werden sollen, sich bald auf Hütten-,
Gas- und Industrie-werken, bei Kanal-, Hafen-, Damm- und Deichbauten usw.
einführen werden.
Die Fig. 9
und 10
zeigen die in Deutschland schon vielfach angewandten, seitlich entleerenden
Selbstentlader der Waggonfabrik Gustav Talbot & Co., Aachen,D. p.
J. 1902. 317, 12. und zwar einen
normalspurigen 40 t-Drehgestell-Wagen.
Textabbildung Bd. 319, S. 324
Ergebnisse von Goodwin-Selbstentladungen auf Gleisstrecken.
Die Rentabilitäts-Berechnnung eines 30 t-Talbot-Selbstentladers zeigt folgendes Beispiel:
Von einer benachbarten Erzgrube sollen täglich 60 Ladungen Erze zu je 15 t zum
Hochofenwerk befördert werden.
Hierzu sind erforderlich:
M.
M.
entweder a) 60 Kastenwagen zu 15 t für je M. 2300
Anschaffungskosten
138000
Einmalige Entleerung des Kastenwagens für den Tag zu
M. 1,25 gerechnet ergibt an Entladekosten 60 × 300 × 1,25
22500
oder b) 20 Talbot-Selbstentlader
zu 30 t für je M. 4700 Anschaffungskosten.
94000
Angenommen, der Wagen würde an einem Tage zweimal, am
nächsten nur einmal, also durchschnittlich eineinhalb- mal
entleert, so belaufen sich die jähr- lichen Entladekosten (zu 10
Pfg. für den Wagen, also 15 Pfg. für den Tag und Wagen
gerechnet) auf 20 × 300 × 0,15
900
–––––––––––––––
Unterschied zugunsten der Selbstentlader
44000
21600
Der Selbstentlader erweist sich somit als ungleich vorteilhafter als der gewöhnliche
Kastenwagen, da z.B. in gegebenem Falle
an einmaligen Anschaffungskosten
M. 44000,
an jährlichen Betriebsunkosten
M. 21600
erspart werden.
In den Vereinigten Staaten Nordamerikas sind zwei Systeme von Schnellentladern
hauptsächlich in Gebrauch: 1) die nach den Patenten der Schoen Pressed Steel Co., Pittsburgh (Pa), vollständig aus gepressten
Blechen hergestellten Wagen, deren Trichter sich nach unten entleeren durch Klappen,
welche sich in senkrecht zur Gleisachse liegenden Scharnieren drehen (Fig. 11) und 2) die Goodwin-Wagen, welche nach Art der Talbot-Fahrzeuge Seiten-Klappen besitzen, die sich parallel zur Gleisachse
öffnen und entweder das Fördergut nach der Seite ausserhalb der Schienen oder auch
zwischen das Gleis fallen lassen.s. D. p. J.
1902. 317, 12.
Figur 12 zeigt einen derartigen Wagen, wie er
während der Fahrt (bei einer Geschwindigkeit von etwa neun Stundenkilometern) Asche
seitlichauf das Gleis streut, also gleich verteilt. Diese Wagen benutzt man
überhaupt gern zur Beschotterung von Gleisstrecken, was aus den Fig. 13 und 14 deutlich
hervorgeht. Bis zu welcher Grösse das „selbstentladende Körnergut“ oder
besser gesagt das „fliessende Stückgut“ zuweilen verladen wird, zeigt Fig. 15, die für sich selbst spricht.
Textabbildung Bd. 319, S. 325
Fig. 15. Goodwin-Wagen mit Felsstücken beladen.
Textabbildung Bd. 319, S. 325
Fig. 16. Schnellentlader von J. Pohlig für Bremen.
Endlich sei noch kurz darauf hingewiesen, dass man heute den Schnellentladern, wenn
es die Umstände verlangen, bisher ganz ungewohnte Formen gibt. Fig. 16 ist die Photographie eines von J. Pohlig, Köln, gebauten Kohlenwagens für das neue
Gaswerk der Stadt Bremen in Woltmershausen. Die im Hafen aus den Schiffen entladene
Kohle wird in solchen Huntschen 15 t-Selbstentladern
bis zu dem etwa 15 km vom Hafen entfernten Gaswerk gebracht und hier durch einfaches
Oeffnen der Türen in Kohlenschuppen verteilt. Die Wagen entladen ihren Inhalt
entweder in Kohlentaschen, welche unterhalb der Gleise liegen, oder über 2 m hohe
Scheidewände hinweg – daher die hohe Anordnung des Wagenkastens – in Taschen, welche
zwischen den Gleisen angeordnet sind.