Titel: | Professor J. A. Flemmings Vorträge über drahtlose Telegraphie. |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 380 |
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Professor J. A. Flemmings Vorträge über drahtlose
Telegraphie.
Professor J. A. Flemmings Vorträge über drahtlose
Telegraphie.
Im März 1903 hielt Professor Fleming in der
Society of Arts in
London vier Vorträge über die Hertzsche Wellentelegraphie in Theorie und Praxis,
welche nicht nur durch den sachlich gediegenen Inhalt und die knappe, jedes
überflüssige vermeidende Ausdrucksweise, sondern auch deswegen volle Beachtung
verdienen, weil der Genannte sich mit dem einschlägigen Gegenstande nicht nur
theoretisch, sondern als wissenschaftlicher Ratgeber der Marconi-Company auch praktisch vielfach zu beschäftigen Gelegenheit hatte,
so dass er als einer der gründlichsten Kenner des Gegenstandes zu betrachten
ist.
Bei der kurz bemessenen Zeit welche dem Vortragenden zur Bewältigung des gewaltigen
Materials zur Verfügung stand, konnte er sich nicht allzusehr in Einzelheiten
vertiefen, sondern musste vieles nur flüchtig streifen, was der eingehenderen
Erwähnung wert gewesen wäre. Er begnügte sich daher, die für die Entstehung
elektrischer Wellen und deren Fortpflanzung im Raume maassgebenden Gesetze, soweit
dies ohne Zuhilfenahme der Mathematik möglich war, eingehend zu erklären und sodann
alle Neuerungen auf diesem Gebiete in der Weise vorzuführen, dass das Wesen der
Sache sofort zu erkennen war. Auf Einzelheiten einzugehen, vermied er auch aus
technischen und kommerziellen Rücksichten. Im vornehinein muss die Objektivität
anerkennend hervorgehoben werden, mit welcher der Vortragende die Schöpfungen aller
anderen Forscher bespricht, wobei er sich jeder Kritik der einzelnen Einrichtungen
im Vergleiche zu anderen enthält, wiewohl die Versuchung hierfür sehr nahe gelegen
hätte. So bezeichnet er auch das System der Uebertragung der elektrischen Wellen
mittels Transformators von einem in sich geschlossenem Senderkreise auf den
Sendedraht, als das System Braun-Marconi, hiermit das
Erstrecht Brauns offen anerkennend. Die Vorträge sind
auszugsweise im „Engineering“ erschienen. Hervorragendes Interesse
beansprucht die Art und Weise, in welcher das Entstehen und die Fortpflanzung der
elektrischen Wellen auf Grund der Elektronentheorie erklärt wird, wobei in der
sinnreichsten Weise Vergleiche mit akustischen Erscheinungen zu Hilfe genommen
werden. Ebenso werden die Mittel zur Abstimmung zwischen einer Sende- und einer
Empfangsstation in der Weise, dass die Empfangsstation nur Wellen bestimmter Länge
aufzunehmen vermag, so klar vorgeführt, dass kein Zweifel über die Art und Weise,
wie eine solche Abstimmung zu erreichen ist, auftauchen kann.
Unter Bezugnahme auf das allgemeine Interesse, welches der drahtlosen Telegraphie
entgegengebracht wird, dürfte eine auszugsweise Wiedergabe dieser Vorträge unter
Benutzung eines Teiles der belehrenden Zeichnungen sicher willkommensein. Die
Wiedergabe soll jedoch auf die rein theoretischen Betrachtungen beschränkt bleiben,
weil in Bezug auf die Ausgestaltung der verschiedenen Systeme nichts geboten ist,
worüber nicht schon in dieser Zeitschrift berichtet wurde.D. p. J. 1901, 316,
789, 805. 1902, 317, 453, 475, 501. 1903, 318, 273, 289. 313. 324, 337, 363, 423, 443,
821.
Textabbildung Bd. 319, S. 380
Fig. 1a.
Textabbildung Bd. 319, S. 380
Fig. 1b.
Textabbildung Bd. 319, S. 380
Fig. 2.
Die Aufgabe der drahtlosen Telegraphie liegt in der Erzeugung elektrischer Wellen im
Aether und deren Aufnahme an einer entfernten Stelle. In Fig. 1a und 1b ist eine Sirene und ein
elektrischer Schwingungskreis schematisch dargestellt. Die Sirene (Fig. 1a) besteht aus einer Pumpe J einem Behälter C für
gepresste Luft einer sich drehenden Scheibe S mit
Löchern, welche sich unterhalb einer festen Scheibe mit der gleichen Anzahl von
Löchern in gleichen Abständen bewegt, einem Hahn K und
einer Luftröhre A. Die in dem Luftbehälter
aufgespeicherte und zusammengedrückte Luft bringt die Scheibe S, wenn der Hahn K
geöffnet wird zur Drehung, wodurch Luftströmungen abwechselnd in die Röhre A eindringen und abgeschnitten werden. Diese
Luftströmungen rufen nun in der Röhre einen Ton hervor. In ähnlicher Weise besteht
der elektrische Schwingungskreis (Fig. 1b) aus einer
Energiequelle B und der Induktionsspule J, welche der Pumpe entsprechen, ferner aus der
Funkenstrecke S, welche an Stelle der sich drehenden
Scheibe S (Fig. 1a)
tritt, sowie aus einem Kondensator C und einem
senkrechten Drahte A. Die Funkenstrecke gestattet und
unterbindet abwechselnd den Zutritt der elektrischen Energie der Induktionsspule in
den Draht A, in welchen hierdurch, ähnlich wie bei der
Sirene in der Röhre A Luftschwingungen, elektrische
Schwingungen hervorgerufen werden.
Zur Erklärung der Entstehung elektrischer Wellen wird nun die Elektronentheorie
herangezogen. Nach Larmor ist ein Elektron ein
Energiezentrum des Aethers, von welchem Spannungslinien nach allen Richtungen
ausgehen. Atome sind nach dieser Anschauung nichts anderes als besondere Formen des Aethers, wie
denn auch alle Körper als nichts anderes anzusehen sind, als verschiedene
Aethergruppierungen. Ein Atom setzt sich aus Elektronen zusammen, durch deren
verschiedene Gruppierung und Wertung die verschiedenen Atome entstehen. Ebenso wie
nun eine Spannung nicht durch eine einfache Handlung erzeugt werden kann und, um
eine solche z.B. durch Verdrehung zu erzielen, der betreffende Körper an einem Ende
festgehalten werden muss, ehe an die Verdrehung gedacht werden kann, ebenso kann
auch durch ein Energiezentrum allein keine Spannung entstehen. Es müssen vielmehr
alle Elektrone paarweise auftreten und muss jedes Paar aus einer positiven und einer
negativen Elektrone bestehen. Es lässt sich aber annehmen, dass sich eine oder
mehrere Elektronen von einem Atom loslösen lassen. Das, was dann zurückbleibt, wird
als Jon- oder Co-Elektron bezeichnet. Wenn nun ein Elektron ein Atom verlässt, so
bleibt es mit demselben dennoch dauernd durch elektrische Kraft- oder
Spannungslinien verbunden, gleichviel ob seine Entfernung vom Co-Elektron gross oder
gering ist. Solche Kraftlinien sind in Fig. 2
dargestellt, in welcher + und – die Elektronen bedeuten.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 6.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 7.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 8.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 9.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 10.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 11.
Die Bewegung eines Elektrons ruft nun, wie dies auch Mathematisch nachgewiesen werden
kann, magnetische, Kraftlinien in senkrechter Richtung
zu den elektrischen Kraftlinien hervor. Fig. 3 zeigt
durch die Strahlen die elektrischen Kraftlinien an, welche durch die Bewegung eines
Elektrons hervorgerufen werden, wogegen die kreisförmigen Linien den magnetischen
Kraftfluss im rechten Winkel zu den elektrischen Kraftlinien darstellen. Wenn die
positiven und negativen Elektronen sich gegen einander bewegen, so nehmen die
elektrischen Kraftlinien, die in Fig. 4 dargestellte
Form an. In Fig. 5 sind drei Ringe des magnetischen
Kraftflusses längs eines geradlinigen, elektrisch schwingenden Leiters dargestellt.
Ein elektrischer Strom entsteht nach dieser Anschauung durch ein prozessionartiges
Wandern der Elektronen, wobei, wenn sich dieElektronen stets in einer Richtung
bewegen, ein Gleichstrom und wenn sie sich hin- und herbewegen, ein Wechselstrom
erzeugt wird. Hierbei müssen die Elektronen im Verhältnisse zu den Atomen als sehr
klein angesehen werden und zwar in einem Vergleichsverhältnisse, wie beispielsweise
ein Kirchturm zu den umschwärmenden Mücken. So wurde berechnet, dass ein
Quecksilberatom aus mindestens 100000 Elektronen zusammengesetzt ist. Hierbei müssen
die Elektronen nicht notwendigerweise in einem Atome dauernd vereinigt sein, sondern
es kann ein wechselseitiger Austausch zwischen den einzelnen Atomen stattfinden. Die
Gleichheit der Atome wird als eine Gleichförmigkeit der Form und nicht als eine
Gleichförmigkeit der Masse angesehen. In festen Körpern sind einige der Elektronen
fest vereinigt, während andere Elektronen sich um dieselben in der Form von
elektrischen Strömen herumbewegen.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 12.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 13.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 14.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 15.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 16.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 17.
Wenn sich die Atome sehr rasch bewegen, so rufen sie elektrische
Spannungserscheinungen im Aether hervor, weil sie eine mit der Trägheit
vergleichbare Eigenschaft haben. Sie können nicht sofort in rasche Bewegung gesetzt
und ebensowenig unmittelbar zur Ruhe gebracht werden. Es erscheint sogar
wahrscheinlich, dass das, was unter Trägheit verstanden wird, eine elektrische
Erscheinung ist. Der Aether zeigt immer die Eigenschaft der Trägheit und hat eine
Zeitkonstante wie jeder andere Körper. Die Fig.
6–11 zeigen dies schematisch. Werden die
beiden Elektronen + und – plötzlich gegeneinander bewegt, so wird die
Spannungskurve, durch welche sie verbunden sind, ausser Form gebracht und nimmt die
Kurve aus Fig. 6 die in Fig. 7 dargestellte Hufeisenform an, welche bei weiterem Nähern in die
Form Fig. 8 und bei Kreuzung in die Form 9,
übergeht, worauf selbständige Spannungsringe Fig. 10
und 11 losgelöst werden und sich im Raume
verbreiten. Es erscheint wahrscheinlich, dass auf diese Weise das Licht entsteht.
Die Erzeugung derartiger Spannungsringe oder Ringe von Elektronen fällt nun bei der
drahtlosen Telegraphie den Luftdrähten zu.
Textabbildung Bd. 319, S. 381
Fig. 18.
Bei dem Luftdrahte von Marconi wechselt ein Uebermaass
von Ladung mit Elektronen mit gänzlichem Mangel derselben ab, und wirkt die
Induktionsspule als eine Art Pumpe, welche abwechselnd die Elektronen in den Draht
pumpt und sodann wieder auspumpt. Diese Elektronen, welche sich auf und ab durch den Leiter
bewegen, erregen rund um den Leiter elektrische Spannungslinien, (Fig. 12). Die Spannungslinien lösen sich nun, wie
dies die Fig. 13 bis 18 zeigen, von dem Leiter los und wandern als elektrische Welle in den
Raum. Fig. 13 zeigt hierbei den Beginn der Wirkung
an und hat die Spannung in diesem Augenblicke die grösste Höhe erreicht. In Fig. 14 ist die Spannung bereits im Abfall begriffen.
Nach Fig. 15 hat sich bereits ein Wellensatz
losgelöst und die Spannung ist wieder im Zunehmen begriffen. In Fig. 16 hat sich der erste Wellensatz vollkommen
losgelöst und Fig. 17 zeigt schon den zweiten
Wellensatz und die beginnende Bildung eines Dritten. In Fig. 18 erscheinen nebst den freien Wellen auch noch die Linien des
magnetischen Kraftflusses in rechtem Winkel zu den Wellenlinien, dargestellt.
Um den Vorgang in einem derartigen Luftdrahte näher zu erklären, bedient sich Fleming des Vergleiches mit einer Orgelpfeife. Ebenso
wie das Entstehen eines Tones ausserhalb einer solchen Pfeife von der Bewegung der
Luft im Innern derselben abhängig ist, ebenso ist das Entstehen elektrischer Wellen
von der Strömung der Elektronen in dem Luftleiter bedingt. Am besten führt sich
dieser Vergleich an einer geschlossenen Pfeife durch, in welche die Luft mittels
Blasbalges eingetrieben wird. Die Verdichtung der Luft in der Röhre ist an der
geschlossenen Spitze am grössten, dagegen an der Ausströmungsöffnung nahezu gleich
Null. Als Beispiel gelangte ein Modell zur Vorführung in welchem die Luftbewegung
mittels kleiner leichter und glänzender Kügelchen sichtbar gemacht wurde. Wurde die
Pfeife angeblasen, so bildeten sich Gruppen dicht zusammengedrängter Kügelchen,
getrennt durch Zonen, die wenig Kügelchen zeigten.
Diese Gruppen entsprechen, der Verdichtung und der Verdünnung der Luft in der Röhre
und stellen die stehenden Wellen dar, welche in der Röhre entstehen. Die durch eine
schmale Spalte des Mundstückes in die Röhre eingeblasene Luft bedingt einen leichten
Druck auf die Luft innerhalb der Röhre. Diese Luft wird zuerst zusammengedrückt,
dann kehrt sie,durch die feste Wand rückgeworfen, zurück und der entstehende
Luftstrom geht nach auswärts. Die Luftteilchen beginnen dann ihre Bewegung wieder
von vorne und der Luftstrom wird wieder nach innen geleitet. Diese konstante
Bewegung der Luft ist es nun, welche den Ton hervorruft. Der Wechsel der Verdichtung
der Luft in dem oberen Teile der Röhre, weil sich hier die Luftteilchen nicht nach
auswärts bewegen können. Am Mundstücke dagegen ist ein Wechsel des Druckes nicht
wahrzunehmen, weil hier die Verbindung mit der Aussenluft hergegestellt ist.
Textabbildung Bd. 319, S. 382
Fig. 19.
Textabbildung Bd. 319, S. 382
Fig. 20.
Wohl aber ist hier die Bewegung der Luft am grössten, weil sich dieselbe hier nahezu
unbehindert hin und her bewegen kann. Die punktierte Kurve in der linksseitigen Fig. 19 zeigt den Verlauf des Druckes innerhalb der
Röhre für einen gegebenen Zeitpunkt an und die rechtsseitige Fig. 19 die Bewegung der Luft innerhalb der Röhre. In
Fig. 20 findet sich die gleiche Darstellung für
einen Luftleiter nach Marconi. Dieser Leiter gibt die
Luftdruck-Erscheinung, wie solche für die Orgelpfeife erklärt wurde, auf
elektrischem Wege wieder. Der Druck oder die Spannung steigt bis zur Spitze des
Drahtes ununterbrochen an, wogegen der der Luftströmung entsprechende elektrische
Strom oder die Bewegung der Elektronen in dem Leiter an der Spitze gleich Null ist
und von da ab gegen die Funkenstrecke stetig zunimmt.
(Schluss folgt.)