Titel: | Neuere Versuche an Spiritusmotoren. |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 388 |
Download: | XML |
Neuere Versuche an Spiritusmotoren.
Neuere Versuche an Spiritusmotoren.
Wie in dem früheren Berichte (D. p. J. 1903, 318,
805) dargestellt ist, waren die Versuche von Ringelmann
begleitet von Untersuchungen physikalisch-chemischer Natur, welche Sorel in einem, eigens dicht bei dem Versuchsstande Ringelmanns errichteten Laboratorium vornahm. Da
verschiedene Proben gezeigt hatten, dass die Zusammensetzung der beiden verwendeten
Spiritusarten wenig schwankte, so wurde von einer jedesmaligen neuen Analyse
derselben abgesehen. Das zum Karburieren benutzte Mittel bestand aus 94,5 grädigem
Benzol von 0,854 Dichte, d.h. das Liter wog 854 g und beim Destillieren unter 100°
gingen 94,5 Volumteile in den dampfförmigen Zustand über.
Die Untersuchungen Sorels hatten nun einen doppelten
Zweck, und zwar handelte es sich um die Beantwortung der beiden Fragen:
1. In welchem Zustand befinden sich die inneren Teile, insbesondere die Ventile des
Motors nach längerer Arbeitszeit?
2. Findet in den untersuchten Motoren eine vollständige Verbrennung des explosiblen
Gemisches statt oder nicht?
Textabbildung Bd. 319, S. 388
Fig. 1.
Die erste Frage bedurfte deswegen einer eingehenden Beantwortung, weil noch immer von
einigen Seiten behauptet wird, jeder Spiritus verschmutze das Einlassventil und
verursache ein Festkleben desselben auf seinem Sitze während eines Stillstandes und
greife andererseits in irgend einer Weise das Auspuffventil an. Sorel fand allerdings bei einzelnen Einlassventilen
eine Verschmutzung, die in einer feinen Ablagerung auf der Oberfläche bestand. Sie
hatte trockenes, russartiges Aussehen und ergab bei Erhitzung eine Destillation von
flüssigen Kohlenwasserstoffen. Aber in den weitaus meisten Fällen war das Ventil
auch nach längerer Arbeit vollkommen rein und ein Festkleben auf seinem Sitze wurde
nur in einem einzigen Falle beobachtet. Unter diesen Umständen ist es wohl
richtiger, die Schuld nicht dem Spiritus als solchen, sondern einer verfehlten
Konstruktion des Karburators beizumessen, der nicht eine wirkliche Verdampfung,
sondern nur eine Zerstäubung des flüssigen Brennstoffes herbeigeführt hatte. Etwas
anders liegt der Fall bei dem Auspuffventil: fast stets befindet sich in den Abgasen
in grösserer oder kleinerer Menge Essigsäure, und wenn auch ein Angreifen des
Ventils durch die Säure, während der Motor in Betrieb ist, fast nirgends
nachgewiesen werden konnte, so ist es doch Tatsache, dass sich nach dem Stillsetzen
leicht eine saure Flüssigkeit niederschlägt, die einen gelben Ueberzug oder gelbe
Flecke auf dem Metall hervorruft und schädlich wirken muss. Es ist daher ratsam,
nach jedesmaligem Stillsetzen Zylinder und Auspuffventil gut einzufetten.
Um auf die zweite der oben gestellten Fragen eine Antwort geben zu können, wurde bei
fast jedem der untersuchtem Motoren eine Analyse der Abgase vorgenommen.
Die hierbei benutzte Versuchseinrichtung war kurz die folgende: In das
Auspuffrohr b (Fig. 1)
wurde ein kleines silbernes Röhrchen a eingeführt, das
in seinem weiteren Verlauf schlangenförmig gebogen war und dann in den Kolben B mündete. Der schlangenförmige Teil wurde mit einem
Wasserbad A umgeben und ein gebogenes Röhrchen mit Hahn
c führte aus dem Kolben B ins Freie. An seinem Ende trug es ein Stück Gummischlauch. Glaspipetten
von der Form, wie sie in Fig. 2 wiedergegeben ist, mit
einem Inhalte von 75 cbcm wurden mit Hilfe von Quecksilberluftpumpen, an die sie mit
dem einen offenen Ende angeschlossen wurden, so gut wie vollkommen luftleer gepumpt,
dann an diesem Ende bei A zugeschmolzen. Nun liess man
die Auspuffgase einige Zeit durch das Röhrchen a (Fig. 1) hindurchstreichen; schloss dann rasch Hahn
c, führte die Pipette in den Gummischlauch und
brach die vorhin bei A (Fig.
2) angeschmolzene Spitze ab. Erfolgte alsdann ein Aussetzer, so liess man
noch etwa zwei bis drei Zündungen vorübergehen und öffnete dann rasch den Hahn c. Schloss man diesen dann wieder und schmolz die
Pipette bei B (Fig. 2)
zu, so konnte man sicher sein, eine Probe der Auspuffgase in ihr gefangen zu haben.
Als Nachteil der Anordnung ist zu nennen, dass die kondensierbaren Teile der
Auspuffgase bereits in der Röhre a niedergeschlagen
werden und sich in dem Kolben B sammeln, so dass in
dieser Beziehung nur eine qualitative, nicht eine quantitative Analyse der Gase
möglich ist.
Textabbildung Bd. 319, S. 388
Fig. 2.
Die in der oben geschilderten Art gewonnenen Gasproben wurden alsdann in der
sorgfältigsten Weise analysiert, indem man in bekannter Art nacheinander die
verschiedenen Bestandteile durch verschiedene Reagenzien absorbieren liess, und zwar
benutzte man: Pottasche in gesättigter Lösung zur Bestimmung von Kohlensäure,
gesättigte Pyrogallussäure und feste Potasche für Sauerstoff, Kupferchlorür in
saurer Lösung zur Absorption von Kohlenoxyd, dann Pottasche zur Entfernung der dabei
entstandenen salzsauren Dämpfe, schliesslich ammoniakalisches Kupferchlorür bei
Feststellung von Azetylen und verdünnte Schwefelsäure zur Aufnahme der
Ammoniakdämpfe.
Der dann zurückgebliebene Rest besteht aus Stickstoff, aus brennbaren Gasen von der
Zusammensetzung Cn
H2n + 2 und bisweilen aus etwas Benzindampf. Die brennbaren Teile
wurden in üblicher Weise durch Explosion nach genügender Vermischung mit einer
bestimmten, genügend grossen Sauerstoffmenge und wenn nötig Knallgas bestimmt. Ohne
auf diese Dinge und insbesondere auch die hierbei benutzten Apparate näher
einzugehen, können wir es uns doch nicht versagen, das von Sorel gegebene Beispiel der Durchrechnung und Verwertung einer solchen
Analyse hier eingehender wiederzugeben, da nur hierdurch ein Urteil über das ganze
Verfahren ermöglicht wird.
Bei einem Motor der mit um 50 v. H. karburiertem Spiritus gespeist war, fand man auf
dem beschriebenen Wege:
Nun gelten für die verschiedenen vor der Explosion möglicherweise in der
Gasprobe enthaltenen Stoffe allgemein die Zahlen der folgenden Tabelle:
Gasmenge, Raumteile
Demnach Zusammensetzungin Prozent
Ursprüngliches Gas
100
Nach Behandlung mit Pottasche
91,68
8,32 CO2
„ „ „ Pyrogallussäure
86,32
5,36 O
„ „ „ saurem Kupferchlorür
86,17
0,15 CO
„ „ „ ammoniakal.
Kupferchlorür
85,75
0,42 C2H2
Nach Zusatz von Sauerstoff
94,74
Nach der Explosion
88,65
6,09 Kontraktion
Nach der Explosion
88,65
Nach Behandlung mit Pottasche
83,43
5,22 CO2
Da nun bei der oben wiedergegebenen Analyse das Verhältnis
\frac{\mbox{Kontraktion nach der Explosion}}{\mbox{Gebildete Kohlensäure}}=\frac{6,09}{5,22}=\,\sim\,1,16
Art des brennbaren Gases
Kontraktion nachder Explosion
Gebildete Kohlen-säure
Verhältnis der
Kontraktionzurgebildeten Kohlensäure
bezogen auf das Volumen des ver-brannten
Gases
Wasserstoff H
1,5
0
∞
GesättigteKohlenwasser-Stoffe
Methan CH4Ethan C2H6Propan C3H8Butan C4H10Pentan C5H12
2,02,53,03,54,0
12345
2,0 1,251,0 0,875 0,80
Benzin C6H6
2,5
6
0,416
war, so konnte man mit grösster Wahrscheinlichkeit darauf
schliessen, dass das verbrannte Gas sich aus Ethan und Propan zusammensetzte,Vorausgesetzt muss dabei allerdings werden,
dass nicht mehr als zwei Kohlenwasserstoffe vorhanden sind? was sicher richtig ist. und es liessen sich folgende
zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten aufstellen:
1. auf Grund der eingetretenen Kontraktion:
2,5 . x + 3 . y = 6,05
2. auf Grund der gebildeten Kohlensäure:
2 . x + 3 . y = 5,22
worin x das Ethan, y das Propan bezeichnet. Aus diesen folgt:
x = 1,74, y
= 0,58
und das Ergebnis der Analyse ist in nebenstehender Tabelle
ausgeführt.
Hieraus lässt sich nun schliessen:
Die durch die Verbrennungsluft zugeführten 83,44 Teile Stickstoff entsprechen 21,91
Raumteilen oder31,331 Gewichtsteilen Sauerstoff. Aus der ursprünglichen
Zusammensetzung des benutzten Spiritus folgt aber, dass zur vollständigen
Verbrennung 27,686 Teile Sauerstoff theoretisch notwendig gewesen wären. Somit
beträgt das Verhältnis der wirklich zugeführten zur theoretisch notwendigen
Luft:
\frac{31,331}{27,686}=1,13
Raumteile v. H.
Bei der vollständigenVerbrennung
darausgebildete CO2
Ethan C2H6Propan C8H8
1,740,58
5,22
Azetylen C2H2Kohlenoxyd COKohlensäure CO2Freier Sauerstoff OStickstoff (als Unter- schied von
100 be- stimmt) Sa.
0,420,158,325,3683,44––––––100,01
0,84 0,15––––– 6,21 8,32–––––14,53
Angenommen, es hätte eine vollständige Verbrennung stattgefunden, so wären 14,53
Volumteile Kohlensäure entstanden, also 7,265 Volumteile Kohlenstoff oder 7,793
Gewichtsteile Kohlenstoff. Diesen würden aber 9,658 Volumteile Wasserstoff
entsprochen haben.Anmerkung: Diese
Zahl ergibt sich folgendermaassen: Von den im Spiritus enthaltenen 9,48
Gewichtsteilen H verbrennen mit den in ihm
enthaltenen 14,77 Gewichtsteilen O\frac{2}{16}\,\cdot\,14,77=1,845.Bleiben also noch
7,635 Teile H. Dann sind ja im ursprünglichen
Gase 68,99 Teile C, und es ergibt sich die
Zahl9,658=\frac{7,635}{68,99}\,\cdot\,\frac{1}{0,08956}wo
0,08956 das spezifische Gewicht von H
ist. Nun finden wir, dass hiervon unverbrannt sind
im Ethan
3 . 1,74 =
5,22
im Propan
4 . 0,58 =
2,32
im Azetylen
0,42
––––
Summa:
7,96
Somit sind unverbrannt:
\frac{7,96}{9,658}=84,4\mbox{ v. H. Wasserstoff}
und
\frac{6,21}{14,53}=42,08\mbox{ v. H. Kohlenstoff}
Textabbildung Bd. 319, S. 390
Fig. 3. Verhältnis der zugeführten Luftinenge zur theoretisch
notwendigen.
Verhältnis des unverbrannten zum
gesamten Wasserstoff; Verhältnis des unverbrannten zum gesamten Kohlenstoff;
Wahrscheinlicher Betrag des unverbrannten H; Wahrscheinlicher Betrag des
unverbrannten C; Beobachtete Grenze des Verlustes an H bei normalen ortsfesten
Motoren; Beobachtete Grenze des Verlustes an C bei normalen ortsfesten
Motoren
Die auf diese Weise für die einzelnen Motoren gewonnenen Ergebnisse sind in Fig. 3 graphisch dargestellt, in der die prozentualen
Verluste an Wasserstoff bezw. Kohlenstoff in Funktion des Verhältnisses der wirklich
zugeführten zur theoretisch notwendigen Luft dargestellt sind. Die Zahlen bezeichnen
stets die Katalognummerdes betreffenden Motors; gleichartig bezifferte Punkte
gehören demnach zusammen. Aus den in die Figur eingetragenen Linien lässt sich
erkennen, zwischen welchen Grenzen die Verluste sich bewegen sowie, welches der
Verlust bei einem mittelgut arbeitenden Motor ist. Wie ersichtlich, sind die
Verluste bei einem Verhältnis der eingeführten zur theoretischen Luft von 1,5 bis
1,7 am geringsten.
Uebrigens ist das angewandte Verfahren zur Bestimmung der Verluste durch Wasserstoff
nicht genau, wie schon die Tatsache beweist, dass bei ganz geringen zugeführten
Luftmengen, also einem geringen Verhältnis der zugeführten zur theoretisch
notwendigen Luft sehr bald die Rechnung einen Verlust von über 100 v. H. ergibt. Sorel schliesst hieraus, ohne im übrigen weiter auf
diese Frage einzugehen, auf eine Zerstörung des chemischen Moleküls in um so höherem
Grade, je mehr sich das Verhältnis der verbrauchten zur theoretisch notwendigen Luft
vermindert.
Die Tatsache, dass alle Motoren mit demselben oder doch nur zwei verschiedenen
Brennstoffen arbeiteten, beweist, dass die Schuld an den zeitweise auftretenden
Unannehmlichkeiten, wie Verschmutzung der Ventile, nicht, wie so oft behauptet, dem
Spiritus als solchen zuzuschreiben ist; denn es wurden ja hinreichend Fälle
beobachtet, wo die Ventile ganz rein blieben, und das trat gerade für die Motoren
ein, für die sich aus der Analyse der Abgase eine durchaus zufriedenstellende
Verbrennung und aus den Ringelmannschen Versuchen ein
vergleichsweise geringer Brennstoffverbrauch herausgestellt hatte Die
Verschiedenheiten bei dem Verbrennungsvorgange in den Motoren, Höhe der Kompression,
Art der Zündung usw. konnten diese Unterschiede nicht hervorgerufen haben, da sie
selbst zu wenig Verschiedenheiten zeigten, zweifellos waren sie auf die Art
zurückzuführen, wie für die einzelnen Motoren das brennbare Gemisch gebildet wurde.
Diejenigen Fälle, wo eine vollständige Verdampfung des Spiritus erreicht, eine
richtige Mischung dieser Dämpfe mit der Luft erzielt und der so hervorgerufene
Zustand bis zum Augenblick der Verbrennung aufrecht erhalten wurde, mussten
zweifellos die besten Ergebnisse liefern, und es galt daher, die Bedingungen
festzustellen, unter denen eine solche vollkommene Verdampfung erreichbar ist.
Es ist also wichtig, die Vorgänge bei der Verdampfung der einzelnen in Frage
kommenden Gemische zu kennen, und indem Sorel die
benutzten Spiritussorten untersuchte und die Ergebnisse mit den von anderen
Forschern für ihre Grundstoffe gefundenen entsprechenden Zahlen verglich, stellte er
zunächst fest, dass es nicht genügt, die besonderen Eigenschaften eines jeden
Körpers zu erkennen, der bei der Bildung irgend eines verdampf- und verbrennbaren
zusammengesetzten Körpers beteiligt ist. Denn die Dampfspannung der Gemischdämpfe
steht in gar keiner Beziehung zu der Dampfspannung der einzelnen Grundstoffe. Doch
kann die Dampfspannung des im besonderen Falle angewandten Spiritus für jede
beliebige Temperatur auf experimentellem Wege bestimmt werden (wegen der von Sorel hierbei verwandten Methode verweisen wir auf
unsere Quelle) und dann auf Grund der hierbei beobachteten Zahlen eine Kurve
aufgezeichnet werden, welche die Abhängigkeit der Dampfspannung von der Temperatur
für den betreffenden Körper wiedergibt. Zeichnen wir dabei die Temperaturen als
Abszissen, die Spannungen als Ordinaten auf, so teilt die Kurve den ganzen Raum in
zwei Teile; die Punkte des einen (bei der gewöhnlichen Lage des Koordinatenkreuzes
des rechten) stellen überhitzte, die des anderen (linken) gesättigte Dämpfe in
Gegenwart von Flüssigkeit dar, jährend die Punkte der Kurve selbst ja trocken
gesättigte Dämpfe wiedergeben.
Etwas anders liegen die Verhältnisse wenn sich die Dämpfe in einem anderen, nicht
kondensierbaren Gase befinden, wie das im Motor der Fall ist. Für diesen Fall ist
die Dampfspannung sehr leicht mit Hilfe des Daltonschen
und Mariotte-Gay-Lussacschen Gesetzes zu bestimmen,
vorausgesetzt, dass die Dämpfe in der Luft so stark expandiert sind, dass man diese
Gesetze auf sie anwenden darf. Denn ist z.B. V das
Volumen der Luft, Welches bei einer Temperatur d ein kg
des Dampfes enthält, dessen spezifisches Gewicht δ ist,
so wird ja
V\,(1+\alpha\,\cdot\,d)\,\cdot\,\frac{760}{760-x}=1\,\cdot\,\frac{1}{\delta}\,\cdot\,\frac{760}{x}\,(1+\alpha\,\cdot\,d)
oder
x=\frac{760}{1+V\,\cdot\,\delta}
Indem man auf den oben erläuterten Kurven den dem so berechneten Werte x entsprechenden Punkt sucht,kann man ohne
weiteres die Temperatur angeben, bei der das brennbare Gemisch mit Dampf gesättigt
ist. Ausserdem ist es auf dem beschriebenen Wege möglich, Kurven aufzuzeichnen,
welche angeben, bei welchen Temperaturen das verwandte brennbare Gemisch für
verschiedene Mischungsverhältnisse mit Luft an Spiritusdampf gesättigt ist. Diese
Kurven sind für die beiden bei den französischen Versuchen benutzten Spiritussorten
in unserer Fig. 4 aufgezeichnet, in die ausserdem
zum Vergleich noch die für Hexan C6H14 und Benzin gültigen eingetragen sind. Das Hexan
ist als Vertreter der leichten Petroleumsorten gewählt, und es ist beachtenswert,
welche bedeutenden Unterschiede gegenüber dem zu 50 v. H. karburierten Spiritus aus
der Fig. 4 ersichtlich sind, während die von Sorel ebenfalls veröffentlichten, von uns aber nicht
wiedergegebenen einfachen Dampfspannungskurven der beiden Körper allein ohne
Vermischung mit Luft fast gleich sind. Es beweist das, wie verkehrt es wäre, direkt
auf Grund dieser einfachen Dampfspannungskurve in eine Beurteilung der beiden Körper
einzutreten. Andererseits erklärt die aus Fig. 4
hervorgehende grosse Verschiedenheit zwischen den Kurven für Hexan und zu 50 v. H.
karburiertem Spiritus, warum es möglich ist, Petroleummotoren im Gegensatz zu
Spiritusmotoren in relativ kaltem Zustande anzulassen, ohne dass eine vorherige
Erhitzung ihrer Wandungen stattgefunden hat.
Textabbildung Bd. 319, S. 391
Fig. 4. Sättigungstemperaturen für verschiedene brennbare Stoffe, die an die
Kurven geschriebenen Zahlen bezeichnen das Verhältnis der tatsächlich
zugefübrten zur theoretisch notwendigen Luftmenge für die betreffenden
Punkte.
Dampfspannungen in mm Quecksilber;
Temperatur
Aber noch in anderer Beziehung macht sich diese Ueberlegenheit des Petroleums
gegenüber dem Spiritus geltend: es bedarf zur Verdampfung in derselben Zeit nicht so
hoher Hitzegrade, und das führt uns auf die zweite für die Verbrennung im Motor sehr
wichtige Frage der Geschwindigkeit der Verdampfung. Die Zeit für die Verdampfung ist
ja sehr knapp bemessen, beträgt sie doch bei der relativ geringen Tourenzahl von 180
in der Minute nur ⅙ Sekunde. Nun kann man die Geschwindigkeit der Verdampfung einer
Flüssigkeit bei bestimmter Temperatur annähernd proportional der Differenz zwischen
der dieser Temperatur entsprechenden höchsten Dampfspannung P und der tatsächlich vorhandenen Dampfspannung setzen oder mathematisch
ausgedrückt ist
\frac{dp}{dt}=K\,(P-p)
wo K eine nur in jedem einzelnen
Falle bestimmbare, mit der Art der verdampfenden Flüssigkeit, der Anordnung, Grösse
des Verdampfers usw. wechselnde Konstante ist. Aus dieser Gleichung folgt durch
Integration, dass zur Steigerung des Dampfdruckes von Null auf p bei einer gewissen Temperatur eine Zeit
t=\frac{1}{K}\,\cdot\,\mbox{log}\,\frac{P}{P-p}
nötig ist, und da die Grösse
\frac{P}{P-p} für P = p
unendlich wird, dass eine unendliche, oder, da das obige
Gesetz nicht scharf richtig ist, wenigstens sehr lange Zeit notwendig ist, um eine
vollständige Sättigung der Gemischluft herbeizuführen. Somit tut man, wenn eine
bestimmte Menge Flüssigkeit in einer gegebenen kurzen Zeit verdampft werden soll,
gut, von einer vollständigen Sättigung der Gemischluft abzusehen, was man einerseits
durch Erhöhung der Temperatur des Gemisches, andererseits durch Zuführung
überschüssiger Luft erreicht. In der Praxis wendet man bekanntlich beide Mittel an:
einmal erhitzt man das eintretende Gemisch durch die Wärme der Abgase oder besondere
Heizflammen, andererseits arbeitet man mit erheblichem Luftüberschuss. Durch beide
Mittel aber wird unausbleiblich die Leistungsfähigkeit des Motors herabgedrückt, da
natürlich von dem heissen Gemisch entsprechend weniger in den Zylinder eintreten
kann und die nutzlos erwärmte Luft eine beträchtliche Wärmemenge unbenutzt ins Freie
schleudert.
Aber die Vorwärmung der Abgase allein genügt nicht, denn für die Verdampfung wird
eine so grosse Anzahl von Wärmeeinheiten verbraucht, dass man sehr rasch auf die
Temperaturen herabkommen würde, in denen eine Sättigung der Luft eintritt, wodurch
dann zu langsame Verdampfung entstände. Eine kurze Berechnung wird dies am besten
verständlich machen.
Der denaturierte Spiritus, der zu den Versuchen benutzt wurde, hat pro kg zu seiner
Verdampfung 288,48 W. E. nötig. Wird nur die theoretisch unbedingt notwendige
Luftmenge verwandt, so wird die spezifische Wärme des Gemisches:
1 × 0,7764 + 0,2375 . 7,658 = 2,6016
(0,7764 ist die spezifische Wärme des Spiritus, 0,2375
diejenige der Luft, für 1 kg Spiritus sind 7,658 kg Luft mindestens notwendig.) Da
nun (siehe Fig. 4) die kritische Temperatur für die
vollständige Verdampfung + 25,8° C. beträgt, so muss das Gemisch, ehe es in den
Zylinder kommt, mindestens eine Temperatur von
25,8+\frac{288,48}{2,6016}=136,68^{\circ}\mbox{ C.}
haben, damit eine vollkommene Verdampfung überhaupt möglich
ist; eintreten wird sie aber darum doch noch nicht, weil sie viel zu viel Zeit
gebrauchen würde. Nimmt man statt dessen das 1,7fache der theoretisch notwendigen
Luftmenge, so wird die spezifische Wärme des Gemisches 3,879, die kritische
Temperatur 17,5 und die geringste Anfangstemperatur 91,87° C. Man kann auf Grund
obiger Ueberlegungen berechnen, dass, wenn der Motor z.B. bei 15° C. in Betrieb
gesetzt wird, unter bestimmten Voraussetzungen und bei genügend langer Zeit zur
Verdampfung, die Temperatur auf 0° C. sinken und dabei noch nicht ¼ der ganzen
Spiritusmasse verdampft werden würde. Günstiger als für den reinen denaturierten
Spiritus liegen die Verhältnisse allerdings für den um 50 v. H. karburierten, bei
dem für ein Gemisch mit der theoretisch notwendigen Luftmenge die anfängliche
Mindesttemperatur 58,5° C, bei einem Gemisch mit dem 1,7 fachen der unbedingt
notwendigen Luft 25,9° C. beträgt. Immerhin ist auch hier eine nur teilweise
Verbrennung des Brennstoffes bei Inbetriebsetzung ohne äussere Wärmezufuhr möglich.
Es ist selbstverständlich, dass beim Bau der Karburatoren, also desjenigen Teils der
Motoren, in dem die Bildung des Gemisches stattfindet, auf die geschilderten
Verhältnisse die grösste Rücksicht genommen werden muss, es ist eigentlich jeder
Karburator gerade für die Flüssigkeit zu konstruieren, mit der der betreffende Motor
betrieben werden soll; und es ist durchaus begreiflich, wenn ein Motor, der mit
leichten Petroleumarten betrieben worden ist und dabei die vorzüglichsten Resultate
gezeigt hat, bei Betrieb mit Spiritus ein entschieden ungünstiges Resultat liefert.
Müssten doch nach dem oben Gesagten die Metallmassen und Oberflächen eines
Karburator für diesen Brennstoff erheblich grösser sein.