Titel: | Die Automobiltechnik im Jahre 1904. |
Autor: | W. Pfitzner |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 453 |
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Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
Von Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Assistent an der
K. Technischen Hochschule,
Dresden.
(Fortsetzung von S. 427 d. Bd.)
Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
In Fig.
1–6Die Fig. 1 bis 4
sind Untergestelle von der Neuen
Automobilgesellschaft m. b. H., Berlin, Verkaufsgesellschaft der
Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, Abt.
Automobilfabrik, Oberschöneweide bei Berlin. Fig. 5 und 6
sind Lastwagen-Untergestelle der Daimler-Motoren-Gesellschaft, Cannstatt; (vergl. auch Z. d. V. d.
J. 1903, S. 1375.) sind die drei Hauptanordnungen des heutigen
Normalwagens dargestellt. Der Unterschied liegt eigentlich nur im Achsantrieb; Fig. 1 und
2 gibt
in Aufriss und Grundriss die Anordnung mit Gelenkwelle wieder. Die Bedeutung der
einzelnen Apparate ist aus den beigeschriebenen Bezeichnungen ohne weiteres klar,
man erkennt die angegebene Reihenfolge: Kühlermit Ventilator, Motor, Kupplung,
Wechselgetriebe, Cardanwelle, Differentialgetriebe auf der Hinterachse. Auch die
Lage einzelner Hilfsapparate geht aus den Abbildungen deutlich hervor.
Textabbildung Bd. 319, S. 453
Fig. 1 und 2. Untergestell eines leichten Wagens der Neuen
Automobil-Gesellschaft m. b. H., Berlin, mit Antrieb durch Zahnräder.
Die Anordnung ist die typische für die modernen Tourenwagen, ab und zu wird sie
jedoch auch für grössere Leistungen und bei Rennwagen üblich.
In den Fig.
3 und 4 ist der Typus des Kettenwagens dargestellt, der sowohl bei den
schnellsten Rennwagen als auch bei Lastwagen Verwendung findet, in beiden Fällen mit
Recht. Diese Konstruktion hat den Vorteil, dass die Hinterachse nicht geteilt zu
werden braucht, was bei einer Differentialachse wie in Fig. 1
und 2 nur mit besonderen
Kunstgriffen möglich ist, und dass sie zweitens verhältnismässig leicht ausfällt.
Die Differentialräder mit ihrem Schutzgehäuse lasten nicht auf ihr.
Textabbildung Bd. 319, S. 454
Untergestell eines Lastwagens der Neuen Automobil-Gessellschaft, Berlin, mit
Antrieb durch Ketten.
In Rücksicht auf grosse Geschwindigkeiten und bei schweren Lasten ist das natürlich
wichtig. Mehr und mehr zieht man jedoch dieser Konstruktion die erste vor, da sie
geräuschlos arbeitet, während die Ketten immer das Klirren oder Rauschen der Rollen
und Glieder hören lassen. Die Ketten, die man nicht vollständig einkapseln kann,
verzehren ausserdem einen grossen Teil der Motorleistung. Auch in dieser Beziehung
ist die erste Konstruktion günstiger, ebenso hinsichtlich der Betriebssicherheit,
die bei Ketten immer zu wünschen übrig lässt. Die Ketten haben dagegen den Vorzug,
dass sie Ungenauigkeiten in der Arbeit zulassen, die z.B. bei Zahnrädern nicht
vorkommen dürfen. Wenn das Antriebsrad an hölzernen Radspeichen befestigt werden
muss, hat ein Zahnantrieb immer seine Bedenken, das Holz verzieht sich.
Die dritte Art des Antriebes (Fig. 5 und 6) ist nur
bei den schwersten Fahrzeugen üblich. Charakteristisch ist immer der Unterrahmen,
der sich einerseits auf die Hinterachse aufstützt, andererseits mit einem oder zwei
Gelenken am Hauptrahmen befestigt ist. Die Vorgelegewelle mit dem Differential liegt
auf dem Unterrahmen, der Antrieb selbst ist meist Innenverzahnung. Die Bedeutung der
einzelnen Teile dürfte ohne weiteres klar sein.
In grossen Zügen ist damit das Bild des heutigen Motorwagens festgelegt. Im einzelnen
bestehen natürlich Abweichungen, die meist eine oder die andere
Verbesserungenthalten, gewöhnlich auf Kosten sonstiger Vorteile. Bei der
grossen Zahl der Einzelteile und ihrem komplizierten Bau bestehen selbstverständlich
vielfach Uebelstände. Prinzipiell ist z.B. das gewöhnliche Zahnräderwechselgetriebe
ungeeignet, da es nur eine sprungweise Steigerung des Drehmomentes gestattet, nicht
eine allmähliche, wie es die Fahrwiderstände fordern. Hier liegen deshalb eine Reihe
Bestrebungen vor, Abhilfe zu schaffen, zum Teil auf geschickte Weise. Für kleinere
Leistungen nimmt man vielfach Reibrädergetriebe, wie es scheint, mit Erfolg. Mag
auch der Wirkungsgrad solcher Uebertragung nicht hoch sein, so wiegt doch jedenfalls
die Möglichkeit eines billigen Ersatzes der sich abnutzenden Teile und die
Vereinfachung (die Reibungskupplung kann wegbleiben) neben dem Hauptvorteil der
allmählichen Geschwindigkeitsänderung schort diesen Nachteil auf. Die Getriebe haben
den Vorzug der Billigkeit. Versucht hat man ferner eine hydraulische
Kraftübertragung mit Primärpumpen, deren Hub veränderlich ist, wahrscheinlich aber
mit wenig Erfolg, denn Resultate sind nicht bekannt geworden. Günstiger ausgefallen
sind die Bestrebungen einer Kraftübertragung auf elektrischem Wege, bei der zugleich
die Vorteile des Vorderradantriebes mitgenommen werden können. Auch eine mechanische
Lösung dieser Aufgabe besteht, mit kulissenartigen Schwinghebeln, die mit Hilfe
verschiebbarer Gleitstangen und einem Sperrgetriebe ähnlich den Freilaufnaben an
Fahrrädern die allmähliche Aenderung des Drehmomentes zu erreichen sucht. Auf die
eine oder andere Konstruktion dieser Art soll bei Besprechung der Getriebe noch
zurückgekommen werden.
Die Motorleistung, die wie bereits erwähnt, bis zu 100 PS schon gestiegen ist, wird im allgemeinen
sehr reichlich bemessen. Man gibt namentlich bei Personenfahrzeugen eine sehr grosse
Reserve in dieser Beziehung mit, so dass in der Regel die Motoren nicht voll
ausgenutzt werden. Die Wagen sind dann im Stande, Steigungen beinahe ebenso schnell
als die Ebene zu befahren. Mehr und mehr geht man dazu über, vielzylindrige
Maschinen zu bauen, in einem Fall ist die Zahl 8 erreicht worden. Dies Bestreben ist
sehr richtig, denn hinsichtlich geringen Gewichtes, Gleichförmigkeit des Ganges und
Massenausgleiches sind die Mehrzylindermotoren den Modellen von grösseren
Abmessungen aber geringerer Zylinderzahl weit überlegen. Auch hinsichtlich des
Preises sind die Unterschiede nicht gross, bereits von etwa 20 PS an unterscheiden
sich die Preise der 3, 4 und 6 Zylindermotoren nur um wenige Prozente. Für
Leistungen von 16 PS an ist der Vierzylindermotor üblich, darunter meist der
Zweizylinder. Einzylinder werden bis etwa 8 PS gebaut.
Textabbildung Bd. 319, S. 455
Fig. 5 und 6. Untergestell eines Lastwagens mit Antrieb durch Zahnräder der
Daimler Motorengesellschaft.
Als Bauart ist für grössere Maschinen die stehende durchweg angenommen, da sie sich
hinsichtlich Einbau in den Fahrzeugrahmen und in Bezug auf Zugänglichkeitam
meisten bewährt. Auf die Einzelheiten ist später zurückzukommen.
Die ortsfeste Gasmaschine ist für den Fahrzeugbetrieb spezialisiert worden; unter dem
Einfluss der besonderen Bedingungen des schienenlosen Betriebes hat sich der
schnelllaufende Automobilölmotor herangebildet. Umgekehrt hat dieser dann wieder
einige Gebiete erobert, für die er sich ebenfalls als recht geeignet erwies, in
erster Linie den Schiffsbetrieb.D. p. J.
1903, 318, 416. Weiterhin ist man dazu
übergegangen, Einzelfahrzeuge auch für Schienenbetrieb zu bauenD. p. J. 1904, 319,
289 u. f., zunächst kleinere, Draisinen, dann auch grössere,
Omnibuswagen, die als Ergänzung der fahrplanmässigen Dampfzüge auf Bahnen mit
schwachem Verkehr schon vielfach laufen. Schliesslich hat man ihn mit
Arbeitsmaschinen, namentlich solchen mit hoher Umdrehungszahl, Zentrifugalpumpen,
Dynamomaschinen usw. gekuppelt und so auch als stationären Motor verwendet.
(Fortsetzung folgt.)