Titel: | Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 485 |
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Sonderbauarten der Hebezeuge für den
Eisenbahnbetrieb.
Von Regierungsbaumeister Hans A.
Martens.
(Fortsetzung von S. 463 d. Bd.)
Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb.
Der moderne Werkstättenbau mit seinen Forderungen an Geräumigkeit,
Uebersichtlichkeit und möglichster Raumfreiheit für die Arbeitsvorgänge hat die
Hebeböcke, die namentlich in älteren Werkstätten den ohnehin beschränktenRaum
zwischen den einzelnen Ausbesserungsständen sehr beengen, dadurch entbehrlich
gemacht, dass er die Hebevorrichtungen in die Höhe verlegte. Dies Verfahren ist
namentlich in Lokomotivwerkstätten und -Bauanstalten in den letzten Jahren
schnell auch auf dem Festland in Aufnahme gekommen, nachdem die Vorbilder in Amerika
dazu entstanden waren. Die Lokomotivwerkstätten haben dadurch auch in ihrer
baulichen Anlage ein ganz anderes Aussehen bekommen. Während in der älteren, bisher
gang und gäbe gewesenen Bauart eine Schiebebühne in der Längsachse des Gebäudes
angelegt ist und zu beiden Seiten die Ausbesserungsstände der Lokomotiven sich
befinden, wird die moderne Werkstatt nach folgenden Grundsätzen angelegt: In die
Werkstatt führen ein oder zwei Verkehrsgleise, von denen die Lokomotiven mittels
eines Laufkrans auf die neben einanderliegenden Stände gebracht werden. Auch finden
die Maschinen auf der Längsachse des Gebäudes folgenden Gleisen hintereinander
Aufstellung, wobei dann die beste Raumausnützung möglich ist, da die Maschinen mit
entsprechendem Zwischenraum verhältnismässig dicht hintereinander gestellt werden
können; ihre Eigenlänge spielt dabei keine Rolle. Auf einem Querstand dagegen, der
stets nach der Länge der längsten Lokomotive vorgesehen sein muss, können immer nur
eine oder höchstens zwei kleinere Maschinen Platz finden.
Die übliche Bauart der Lokomotiv-Hebevorrichtungen besteht in einem Laufkran mit zwei
Katzen, deren Entfernung von einander veränderlich ist.
Eine Ausführung mit gemeinsamem Antrieb der Hubvorrichtung beider Katzen von einem
auf dem Krangerüst in der Mitte angeordneten Hubmotor hat die Düsseldorfer Maschinenbaugesellschaft vormals J.
Losenhausen in dem durch Fig. 10 und 11 dargestellten Lokomotivhebekran gegeben. Bei 11540
mm Spannweite hat er 50 t Gesamttragkraft. Das Kranfahren geschieht mit 25 m/Min. durch einen
12 PS-Motor, das Hubgeschäft versieht ein 20 PS-Motor mit 0,5 m/Min. Die grösste
Entfernung der Lastketten-Mitten beträgt 9500 mm, die kleinste 4300 mm.
Die über den ganzen Kran reichende genutete Hauptwelle wird durch Stirnrädervorgelege
von dem Hubmotor angetrieben und bewegt mit mehrfachen Zahnrädervorgelegen vier, zu
je zweien auf den beiden Katzen parallel gelagerte Kettenräder und dadurch die
gleiche Anzahl Gallscher Ketten mit loser Rolle. Beide
Ketten einer Katze sind durch einen Träger gekuppelt, der zwei um den grössten
Breitenunterschied der Lokomotiven entfernte abgefederte Lasthaken trägt, an denen
die Lokomotive mit Zugstangen aufgehängt wird. Um gleichmässiges Heben und Senken in
allen vier Aufhängungspunkten zu sichern, sind in diese Stangen zum Ausgleich
kleiner Höhenunterschiede Schraubenkupplungen eingeschaltet. Zum Anheben von Kesseln
dienen die kleineren 5 t Haken in geringerem Abstande.
Die Bremse für das Hubwerk wirkt auf die durchgehende Längswelle und wird durch einen
Magneten betätigt. Zum stromlosen Ablassender Last ist die Magnetbremse von
Hand zu lüften;
Textabbildung Bd. 319, S. 486
Fig. 10.
diese Handlüftung ist nun derart mit dem Hebelwerk einer
zweiten Bremse
verbunden, dass, sowie die Magnetbremse ganz gelüftet wird, bereits ein Anziehen der
zweiten Bremse erfolgt. Diese wechselseitige Einwirkung ist genau einstellbar, so
dass ein genaues Einstellen der Last, sowie ein
sanftes gefahrloses Niedergehen unter allen Umständen gesichert ist.
Textabbildung Bd. 319, S. 487
Fig. 11. Fig. 10 und 11. Lokomotivhebekran der Düsseldorfer
Maschinenbaugesellschaft vormals J. Losenhausen.
Das Verfahren der beiden Laufkatzen geschieht von Hand durch Kettenzug von unten; bei
der Berechnung für den Kettenzug ist die Laufkatze unbelastet angenommen.
Der Antrieb für das Kranfahrwerk erfolgt durch einen auf der Kranlaufbühne seitlich
gelagerten Hauptstrommotor,der mittels zweier Rädervorgelege auf eine in der
ganzen Kranlänge durchgeführte Antriebswelle arbeitet, die zwei gegenüberliegende
Laufräder verbindet und somit ein Ecken des Krans beim Fahren wirksam
verhindert.
Die Steuerung der Motoren erfolgt durch zwei auf der seitlichen Bühne aufgestellte
Kranschalter, die von unten durch Handketten betätigt werden.
Das Krangerüst ist ganz aus Formeisen und Blechen gefertigt; die Längsträger sind als
vollwandige Träger gleicher Festigkeit konstruiert und mit den ebenfalls genieteten
Querträgern durch Knotenbleche und Stosswinkel verbunden. Auf der oberen
Längsträgergurtung liegen Flacheisenschienen, auf denen die Laufräder der Katzen
rollen.
Die Benrather Maschinenfabrik bezeichnet den in Fig. 12 und 13
dargestellten Lokomotivhebekran selbst als Spezialkonstruktion. Jede Laufkatze hat
30 t Tragkraft, die Spannweite beträgt 11650 mm, die kleinste Entfernung der
Unterflaschenmitte beträgt beim Zusammenstossen der Laufkatzen 2200 mm, die grösste
9650 mm.
Der Kranträger ist als Gitterträger ausgebildet, dem kräftige Laufbühnen mit
Geländern als seitliche Aussteifung dienen. Die Laufkatzen sind aus Blechen und
Winkeleisen hergestellt. Das Triebwerk ist nach dem Dreimotorensystem ausgeführt bei
Unabhängigkeit der beiden Laufkatzen von einander. Letztere haben einen auf ihnen
gelagerten besonderen Hub- und Fahrmotor; der erstere treibt mittels
Schneckenradtrieb in der bekannten Weise das Kettenrad an und ist mit
elektromagnetischer Bremse mit Luftkatarakt ausgerüstet. Der Katzenfahrmotor wirkt
ebenfalls durch Schneckenradtrieb und Stirnrädervorgelege, wobei ersterer eine
besondere Feststellvorrichtung der Katze entbehrlich macht. Als Motoren verwendet
das Werk mit Vorliebe Kapselmotoren, die vor Beschädigungen und Eintritt von Staub
und Feuchtigkeit sicher geschützt sind. Es kann Drehstrom oder Gleichstrom verwendet
werden. Die Schaltapparate sind in einem Führerkorb untergebracht, von dem aus das
Hubgeschäft in grosser Uebersichtlichkeit überwacht werden kann.
Als Zugorgan ist Gallsche Kette mit loser Rolle gewählt.
Es ist
festzustellen, dass die Gliederkette bei grosser Tragfähigkeit und grossem Hakenhub
gern gewählt wird, da bei Verwendung von Seilen die Laufkatzen wegen der grossen,
geschnittenen Seiltrommeln zu schwerfällig werden. Auch fällt die gefürchtete
seitliche Beanspruchung der Gliederkette bei gelegentlichem Schrägziehen bei den
schweren Ausführungen nicht zu sehr ins Gewicht.
Textabbildung Bd. 319, S. 488
Fig. 12. Fig. 12 und 13. Lokomotivhebekran der Benrather
Maschinenfabrik.
Die Unterflaschen sind an einem Querbalken angelenkt, der unmittelbar die Lokomotive
aufnimmt.
Auf den Untergurtungen der Kranträger laufen je zwei von Hand betriebene Laufkatzen
von je 0,5 t Tragkraft zum Anheben kleinerer Lokomotivteile, wie Dom, Schornstein,
Führerstandshaus usw. Diese sehr praktische Einrichtung erspart einen zweiten
Laufkran von kleinerer Tragkraft.
Der unabhängige Antrieb der Hubbewegung beider Katzen ist, wie die Praxis lehrt,
gänzlich unbedenklich. Unter Verwendung von Drehstrommotoren ist wegen der annähernd
konstanten Umdrehungszahl bei verschiedener Belastung gleiches Bewegen beider
Querbalken leicht erreichbar.Bei Verwendung von Hauptstrommotoren ist mit Hilfe
reichlich abgestufter Widerstände die Aufgabe ebenfalls ohne Betriebsgefahr zu
lösen.
Ein Vergleich der Düsseldorfer und Benrather Bauart zeigt, wie im Maschinenbau
zwischen Vorteilen und Nachteilen verschiedener Lösungen derselben Aufgabe stets ein
Vergleich geschlossen wird. Der gemeinsame Antrieb beider Katzen von einem einzigen
Motor, der die doppelte Stärke jedes einzelnen mit besserem Wirkungsgrade hat, I
gestattet ohne weitere Beobachtung des Hubgeschäftes gleichmässige Bewegung der
Last. Durch die zahlreichen Rädervorgelege, die eine zwingende Notwendigkeit sind,
um den Abstand der Lastketten zu erhalten, sinkt allerdings der Wirkungsgrad wieder.
Das Ablaufen der Last geschieht bei ersterer Bauart ohne Arbeitsbedarf, bei der
Benrather durch Motorenantrieb. Ob zum Verfahren der Katzen Hand- oder mechanischer
Betrieb zu wählen ist, hängt von den gegebenen Betriebsverhältnissen ab, ob häufig
Lokomotiven oder Kessel verschiedener Länge gehoben werden müssen. Im übrigen
weichen die beiden Krane nicht erheblich von einander ab.
Die Lokomotivhebekrane werden auch mit Drahtseil und doppelter Trommel in bekannter
Bauart und Flaschenzug mit vier losen Rollen ausgeführt, was wohl immer auf
besondere Ansichten und Wünsche des Bauherrn zurückzuführen ist, da doch die
Gliederkette zu erheblich einfacheren Konstruktionen führt.
Textabbildung Bd. 319, S. 489
Fig. 13.
Eine Ausführung der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg
zeigt an Stelle der zwei Zugorgane nur eins an jedem Ende der Last, so dass die
Flasche in der Mitte einesgenieteten Kastenträgers angreift, der durch zwei
Zugstangen mit dem Querbalken verbunden ist, auf dem die Lokomotive aufruht. Der
genietete Querbalken macht einen schwerfälligen Eindruck. Die Laufkatzen zeigen eine
elegante, gedrängte Konstruktion. Ein für die Bayrischen Staatsbahnen gelieferter
Lokomotivhebekran ist als feststehender Bockkran mit 15 m Spannweite ausgebildet.
Sämtliche Schalter werden von der Mitte der oberen Bühne aus bedient, zu der eine
Treppe führt. Der Kran bietet sonst nichts Ungewöhnliches.
Sind die Achsen herausgenommen, so wird die Lokomotive in der Höhe durch Unterbauen
von Trägern unterstützt. Damit ist einer der grossen wirtschaftlichen Vorzüge der
Hebekrane gekennzeichnet. Während die Hebeböcke nach dem Hubgeschäft für die ganze
Dauer der Ausbesserungsarbeiten am Fahrzeug häufig als Unterstützung für die ruhende
Last dienen müssen, werden sie ihrem eigentlichen Zweck der Lastbewegung auf längere
Zeit entzogen. Eine Vorrichtung aber, die ihrer Aufgabe durch anderweitige
Verwendung für Zwecke, die von billigeren Vorrichtungen ebenso gut erfüllt werden,
entzogen ist, stellt unwirtschaftlich angelegtes Kapital dar. Bei Ausrüstung der
Werkstätten mit Hebekranen ist es unmöglich gemacht, in dieser Beziehung
unwirtschaftlich vorzugehen.
Für das Ein- und Ausheben der Kessel in die Rahmengestelle der Lokomotiven bedient
man sich ebenfalls der Hebeböcke oder Krane. Im sonstigen Werkstättenbetriebe haben
die Eisenbahnbetriebsmittel die Hebezeuge kaum nachweisslich beeinflusst, da die
einzelnen Teile weder durch die Grösse noch durch die Form besondere Ansprüche an
jene stellen: Man wollte denn die an den Decken der Dreherei laufenden Achswinden
erwähnen, welche die Achsen auf die Drehbänke heben. Hie und da wird auch ein
senkrecht in der Mitte zwischen den Drehbankspitzen aufgestellter Pressluft
Hubzylinder zum Heben der Achsen verwendet.
(Fortsetzung folgt.)