Titel: | Die Automobiltechnik im Jahre 1904. |
Autor: | W. Pfitzner |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 509 |
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Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
Von Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Assistent an der
K. Technischen Hochschule,
Dresden.
(Fortsetzung von S. 492 d. Bd.)
Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
Aus dem genannten Grunde ist es erklärlich, dass die dritte Kategorie der Wagen,
die eigentlichen Gebrauchswagen, bisher nur wenig Verbreitung haben, dass sie
verhältnismässig nur wenig entwickelt sind. Eine Hauptgruppe von ihnen bilden die
Motordroschken, die sich jetzt in den Grossstädten langsam einführen. Diese
Droschken, von denen wir in Fig. 12 eine neuere, von
der Neuen Automobil-Gesellschaft m. b. H., Berlin, in
Verkehr gebrachte abbilden, könnten eine grosse Rolle im städtischen Verkehr bereits
spielen, da ihre Leistungsfähigkeit gegenüber dem Pferdebetrieb eine ganz
hervorragende ist. Trotzdem ihre Höchstgeschwindigkeit nur 25 km i. d. Stunde
erreicht, legt man doch mit innen sehr grosse Entfernungen in erstaunlich kurzer
Zeit zurück. Da diese Fahrzeuge zurzeit auch mit Spiritus betrieben werden, ist auch
die Geruchfrage erledigt, für den Stadtverkehr jedenfalls auch ein wichtiger Punkt,
und im allgemeinen ist die Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit bereits vollauf
genügend.
Textabbildung Bd. 319, S. 509
Fig. 12. Motor-Droschke von der Neuen Automobil-Gesellschaft m. b. H.,
Berlin.
Der einzige Grund, der gegen die allgemeinere Einführung steht, ist die Preisfrage,
die Fahrzeuge erfordern durchweg ein zu hohes Anlagekapital. Die Betriebskosten sind
nicht zu hoch, da man im allgemeinen mit 5 bis 6 PS Motoren auskommt.
Textabbildung Bd. 319, S. 509
Fig. 13. Untergestell mit Reibrädergetriebe der Nürnberger
Motorfahrzeuge-Fabrik „Union“.
Es ist daher von mehreren Seiten versucht worden, bei diesen geringeren Leistungen
einfachere Mittel in der maschinellen Einrichtung anzuwenden. Hauptsächlich hat man
versucht, in den Uebertragungsmechanismen Vereinfachungen vorzunehmen, zum Teil mit
recht hübschen Erfolgen. Es sind dies die Bestrebungen, die hauptsächlich von der
Nürnberger Motorfahrzeuge-Fabrik „Union“, G. m.
b. H., Nürnberg ausgingen, und die sich auf die Verwendung der
Reibrädergetriebe erstrecken. Die ausser- ordentliche Einfachheit, und ebenso auch
Billigkeit, die man dem Untergestell, Fig. 13
ansieht, sind bestechend, und unter der Voraussetzung, dass sich die einer
stärkerenAbnutzung unterworfenen Räder einfach und billig erneuern lassen,
dürfte dieser Bauart eine Bedeutung nicht abzusprechen sein, namentlich bei den
kleineren Leistungen bis etwa 8 PS, wie schon erwähnt. Die Annehmlichkeiten der
stetigen Aenderung der Uebersetzung kommen hinzu. Als Beispiel eines ausgeführten
Geschäftswagens fügen wir Fig. 14 bei. Auf die
innere Einrichtung dieser Wagen näher einzugehen, dürfte hier nicht notwendig sein,
da sie sich im wesentlichen mit den bereits beschriebenen deckt. Die Motoren sind
meist einzylindrig, auf das Reibrädergetriebe soll bei Gelegenheit der Besprechung
im einzelnen noch zurückgegangen werden.
Die Lastwagen, deren Entwicklung und Bedeutung noch in der Zukunft liegt, sind bisher
fast ausschliesslich von Brauereien in Verwendung genommen worden. Es besteht bei
diesen schweren Fahrzeugen zurzeit noch eine Reihe von Uebelständen, die beinahe
grundsätzlicher Natur sind und die die allgemeine Verwendbarkeit dieser Wagen in
Frage stellen. Es ist dies vor allem die mangelhafte Reibung der Treibräder, die bei
schlüpfrigen Strassen, insbesondere aber bei Schnee und Eis ein Fahren oft ganz
ausschliesst Man sucht zwar die Achslast so gross wie nur irgend möglich zu machen
kommt jedoch sehr bald damit an die Grenze des Zulässigen. Auch besondere mit
Vorsprüngen versehene Radkränze und dergleichen sind nur ein unvollkommenes
Aushilfsmittel. Man wird wohl oder übel dazu übergehen müssen, mit dem Prinzip des
Hinterachsantriebes zu brechen und auf den gleichzeitigen Antrieb aller Räder
überzugehen. Versuche in dieser Richtung liegen bereits vor, wenn auch die
konstruktive Ausführung noch sehr zu wünschen übrig lässt.
Trotz dieser Schwierigkeiten sind doch die bis jetzt erreichten Erfolge recht
anerkennenswert und die Leistungen mancher Fabriken stehen auf einer hohen Stufe. In
Fig. 15 führen wir die äussere Erscheinung eines
Lastwagens der Neuen Automobilgesellschaft m. b. H., Berlin, vor, der
seit etwa einem halben Jahr den regelmässigen Kohlentransport für einzelne im Innern
der Stadt Berlin gelegene Elektrizitätswerke versieht. Der Wagen, dessen innere
Einrichtung der in Fig. 3 und 4
dargestellten entspricht, ist als Selbstentlader mit nach hinten geneigtem Boden
gebaut und hat eine Ladefähigkeit von 6000 kg bei einem Eigengewicht von etwa 4000
kg. Es handelt sich also bereits um ganz erhebliche Transportgewichte, die aber bei
guten Strassenverhältnissen noch zulässig sind. Die Höchstleistung des Motors steigt
bis 16 PS, die dabei entwickelte Geschwindigkeit beträgt mit voller Last auf gutem,
ebenem Kopfsteinpflaster bis zu 14 km/St. Die kleinste von den vier vorgesehenen
Geschwindigkeitsstufen beträgt etwa 2 km, die hierbei entwickelte Zugkraft von etwa
1400 kg genügt, um den Wagen noch auf einer Steigerung von 12 v. H., gute
Strassenbeschaffenheit vorausgesetzt, zu befördern. Für den Winter sind
besondereRäder mit Schrägstreifen am Umfang vorgesehen, die im allgemeinen
genügt haben.
Textabbildung Bd. 319, S. 510
Fig. 14. Reklamewagen der Nürnberger Motorfahrzeuge-Fabrik
„Union“.
Der Wagen stellt die schwersten Typen, die überhaupt gebaut werden, dar. Mehr als
6000 kg Nutzlast wird man kaum auf einmal befördern können, schon bei 5000 kg werden
die Schwierigkeiten mit dem Raddruck oft unbequem. Die geringste weiche oder sandige
Stelle kann den Wagen zum Versinken bringen, und es ist dann nur mit grösster Mühe
möglich, ihn wieder flott zu machen.
Textabbildung Bd. 319, S. 510
Fig. 15. Motor-Lastwagen von der Neuen Automobil-Gesellschaft m. b. H.,
Berlin. Für Kohlentransport (Selbstentlader.)
Bei diesen Wagen ist, wie die Figuren erkennen lassen, Kettenantrieb vorgesehen, mit
der Begründung, dass die Kette die mit der Zeit entstehenden Abnutzungsfehler
infolge ihrer Elastizität ausgleicht und verhältnismässig billig zu ersetzen ist.
Ihre Lebensdauer wird auf ½ bis 1 Jahr angegeben.
Die Bauart des ganzen Wagens ist kräftig und gedrungen, dabei aber übersichtlich und
äusserlich sehr glatt, er macht im ganzen einen gefälligen Eindruck, was man von so schweren
Fahrzeugen sonst nicht immer behaupten kann.
Textabbildung Bd. 319, S. 511
Fig. 16. Lastzug mit 40 PS Spiritus-Trakteur. Nutzlast 20000 kg. Von der Neuen
Automobil-Gesellschaft m. b. H. Berlin.
Die letzte Gruppe der genannten Automobil-Fahrzeuge, die Vorspannmaschinen oder
Trakteure sind bis Jetzt sehr selten. Nur ganz wenig Firmen haben sich an diese
Aufgabe herangewagt, trotzdem ihre Notwendigkeit und ihre Vorteile gerade mit
Benzin- oder Spiritusmotoren überall erkannt werden. Namentlich in militärischen
Kreisen scheint für diese Fahrzeuggattung grosses Interesse vorzuliegen, man
verspricht sich von den gegenüber Dampfstrassenlokomotiven erheblich leichteren
Spiritus- oder Benzintrakteuren grosse Vorteile bei der Verwendung im Felde,
grösseren Aktionsradius, grössere Beweglichkeit. Ein vor zwei Jahren erlassenes
Preisausschreiben des preussischen Kriegsministeriums sollte auf diesen Gebiete
anregend wirken, hat aber, nach mehrmaligem Hinausschieben des Termins, nur zu einem
eigentlich kläglichen Ergebnis geführt. Bei der im Dezember vorigen Jahres
abgehaltenen Prüfung erschienen überhaupt nur zwei Fahrzeuge, ein Wagen der Siemens-Schuckert-Werke mit elektrischer
Kraftübertragung, und ein dem normalen Automobil ähnlicher Trakteur der Neuen Automobilgesellschaft. Das letztere Fahrzeug ist
gleichartig dem in Fig. 16 abgebildeten, nur mit
einem stärkeren, 50 PS, Motor ausgerüstet.Näheres hierüber später.
In seinem maschinellen Aufbau entspricht es der Anordnung mit Zahnradantrieb,
Fig. 5
und 6, nur
ist es entsprechend stärker ausgebildet und vollständig aus Eisen und Stahl. Die
Triebräder haben hinter dem in der Figur sichtbaren Blechschutz einen
Innenzahnkranz, an dem der Antrieb erfolgt. Ausser der Getriebeeinrichtung für das
Fahren besitzt der Trakteur noch eine besondere Windevorrichtung auf der
Hinterachse, die dazu dient, bei schwierigem Terrain die Anhängewagen an die allein
vorausgefahrene Maschine heranzuholen. Ohne auf nähere Einzelheiten an dieser Stelle
einzugehen sei nur noch die Leistung genannt, die das erste derartige Fahrzeug
erreicht hat.
Mit einem vierzylindrigen Spiritusmotor von 40 PS Höchstleistung konnte der
abgebildete Lastzug von einem Bruttogewicht von 30000 kg bei 20000 Nutzlast
befördert werden, mit einer Geschwindigkeit von 12 bis 9 km in der Stunde, je nach
den Strassenverhältnissen. Steigungen von 3 bis 4 v. H. konnten bei trockenem Wetter
noch mit voller Last genommen werden, bei grösseren Widerständen musste die
Seilwinde helfen. Die Versuche wurden unter schwierigen Verhältnissen durchgeführt,
sogar auf losem Sande, den die Maschine ebenfalls bewältigte, allerdings mit einer
besonderen abnehmbaren Radverbreiterung aus Profileisen. Der Wagenzug ist für
Südafrika bestimmt, wo er den Gütertransport von der Küste bis 200 km ins Land
hinein übernehmen soll.
(Fortsetzung folgt.)